Grund und Ursache oder die Frage nach der Letztbegründung – René Descartes

Grund und Ursache, oder die Frage nach der Letztbegründung – René Descartes

1) Es ist keine Frage, dass mit der „Entdeckung des Geistes“ (Bruno Snell, 1975), wenn man so sagen will, und der spezifischen Disziplin der Philosophie, rigoros auf ein Vernunftprinzip zurückgegangen worden ist, das von sich her eine Letztbegründung der Erkenntnis verlangte.  

Wenn ich „Prinzip“ sage, so könnte dieses Wort unter dem Begriff der „arché“ zusammengefasst werden – und mannigfaltige  historische Verweise wären möglich.  Im Hinblick auf meine Fragestellung  setze ich aber gleich mit der Unterscheidung „Grund und Ursache“ an, um an das Prinzip allen Begründens begrifflich heranzukommen.  Bekannt ist hier ein Wort F. H. Jacobis: 
„Der ganze Trug kommt von der Verwechslung des Begriffes der Ursache mit dem Begriffe des Grundes her, welche gar nicht verwechselt werden dürfen, in dem dieser blos eine logische Dependez, eine Succeßion in den Vorstellungen, jener aber ein objective und reele vor Augen stellt“ Friedrich Heinrich Jacobi, Kladde II, S 22 (Schneider, Peter-Paul: Die ›Denkbücher‹ Friedrich Heinrich Jacobis 
Spekulation und Erfahrung. Abteilung II: Untersuchungen. – SuE II,3. 
1986.)

Ich halte mich hier an DESCARTES und der vorzüglichen systematischen Rekonstruktion seiner Grundideen, wie sie REINHARD LAUTH herausgearbeitet hat, ferner an FRANZ BADER und MICHAEL GERTEN. 1

F. BADER hat in seinem zweibändigen Werk zu DESCARTES (siehe Anm. 1) hinlänglich bewiesen, dass es nicht, wie in vieler Sekundärliteratur zu DESCARTES fälschlich behauptet,  um eine axiomatisch-deduktive Methode gehe, wodurch nach Einführung von Definitionen, Postulaten und Axiomen eine Aufgabe gestellt und mittels Voraussetzungen des Produktes (durch den Akt des Voraussetzens) die Erkenntnisfrage oder das Problem gelöst werden könnte. Damit würde der Akt des Voraussetzens und Vorausschickens selber gerade nicht reflektiert und gerade nicht erkannt. Es geht vielmehr um ein analytisch wie synthetisch zugleich verlaufendes Verfahren der Erkenntnis, worin die reduktive Analysis (oder divisio) des Komplexen in einfache Naturen („notiones“, Begriffe) und das davon abhängige Verfahren  der Synthesis (com-positio) zu komplexen Zusammensetzungen und damit zu neuen Begriffen geistig nachvollzogen werden können muss. Die Frage nach dem logischen Werden, die Entstehung des Analysis-Synthesis-Zusammenhangs, ihre geistig-erkenntnismäßige Genese, ist somit bei allen faktischen Erkenntnissen anzuwenden. Genetisch betrachtet erscheint das Faktum (com-positum) als Resultat, dessen Einheit und jeweilige Bestimmtheit durch eine Nachkonstruktion des synthetischen Aktes des Zusammen-Setzens (com-positio) aus einer Vielheit von „notiones“ zustande kommt. Im Lateinischen wie im Deutschen ist der ursprüngliche Vorrang des Akthaften, Tätigen, Produktiven gegenüber dem Objekt – oder Produkthaften – noch bemerkbar; das Faktum ist etwas Gemachtes, eine Tat-Sache; das com-positum ist Ergebnis eines com-ponere, eines Zusammensetzens.

Wenn ich mir deshalb das Thema stelle der Unterscheidung „Grund und Ursache“, so kann aus dem zugleich setzenden wie gesetzten Wissens schon klar werden, dass kein objektivistisch vorausgesetzter Gegenstand, und sei es die geistige Vorstellung eines „Grundes“ oder einer „Ursache“, das gesuchte, rationale Vernunftprinzip der Wirklichkeit  abgeben könne, sondern nur in einem genetischen Verhältnis von implikationslogischem Grund-Folge und einem appositionellem Ursache-Wirkungs-Denken gleichzeitig und gemeinsam kann eine Lösung und Antwort nach dem philosophiehistorisch  so oft gesuchten „ersten Grund“, dem ersten „Prinzip“, dem „zureichenden Grund“ , gefunden werden. Es liegt eine lebendige Disjunktionseinheit in „Grund“ und „Folge“, zusammengehalten durch einen „Nexus“, der als Erkenntnis- und Wahrnehmungsakt nicht ausgeblendet werden darf, um dies Verhältnis recht zu fassen.  Natürlich müsste ich jetzt viel genauer in diese gegenseitige Bedingungsverhältnis von Grund und Folge und Ursache und Wirkung einsteigen. Ich kann nur verweisen auf die exzellente Analyse von J. Widmann in seinem Kommentar zur WL 1804/2. Faktische Conditionalbezüge sind effectus der Wirklichkeitsgenesis – und umgekehrt steht effektive Wirklichkeit zu ihrer prinzipiellen Möglichkeit im Verhältnis des consequens zum antecedens. Causa und effectus sind die Mittel der Genesis zur Verwirklichung ihrer Möglichkeiten. 

2) Leider ist der Impetus des Fragens nach einer Letztbegründung durch mancherlei Vorurteile heute verstellt: Man setzt dogmatisch realistische Ursachen an – man denke nur an den Naturalismus – oder relativiert das Sein der ungeschichtlichen Wahrheit durch eine idealistisch-hermeneutische Zeitauffassung.2 Man wagt auch kaum mehr, eine transzendentale Religionskritik auszusprechen u. a. m. 3

DESCARTES ging es um diese evidente, letzte  Gewissheit. Er entwarf eine strenge reduktive (analytische) Methode, war sich aber  eingedenk, dass damit eine deduktive Methode zugleich! einhergehen müsse. 

Die Methode eines selbstkritisch vorgehenden Wissens beschreibt M. GERTEN in folgender Weise: „Die REGULAE sind (…) der Versuch, dieser Idee einer allgemeinen Methode, die mit der Aufstellung des richtigen ordo im inventiven Fortschreiten der Wissenschaften zugleich deren logisch-genetische Begründung leisten soll, selbst wiederum methodisch zu explizieren.“ (M. G., Anm. 1., ebd., S 88)

„(…) Zunehmend erkennt (sc. DESCARTES), dass ein methodisches Vorgehen nach Regeln und Gesetzen konstitutiv für das Fortschreiten der wissenschaftlichen Erkenntnis ist. Sind solche Regeln immer schon bei wissenschaftlicher Tätigkeit am Werk, so geht es ihm mehr und mehr darum, sie über ihre implizite Anwendung hinaus explizit zu reflektieren.“ (ebd. S, 67)

Die Methodengenese in den REGULAE wird im Zusammenhang einer „Mathesis universalis“ ausgeführt (siehe ebd. Seite 75ff). Es gilt nach GERTEN (und VAN DE PITTE) den feinen Unterschied in den Begriffen von „Mathematicae“ und „Mathesis“ herauszuhören, wenn es gelegentlich auch eine synonyme Verwendung der Wörter gibt, um das grundlegende Anliegen DESCARTES einer „mathesis universalis“, einer umfassenden, universalen Erkenntniskritik zu verstehen. Letzterer Begriff der „Mathesis“, vom Griechischen herkommend „Lernen“,4 bezieht den genetischen Prozess des Lernens mit ein. Der Akt des Wissenerwerbes bzw. der Mitvollzug der vor den Augen des Schülers zu entwickelnden Wissensweitergabe  ist konstitutiv für den Erwerb der Erkenntnis und für den Erwerb einer Intuition – sonst kann freilich eine Letztbegründung nicht erreicht werden.

3) In und aus Prinzipien der Vernunft, in einer evidierten Einheit eines höchsten Prinzips, kann  eine Antwort auf den zureichenden Grund aller Wirklichkeit gegeben werden. Das war wohl das anfängliche Interesse der Philosophie – und ohne diesem Fragen nach dem Grund würde sie sich  aufgeben.  Die anderen Erklärungsmöglichkeiten wie die Erzählungen eines Mythos, die bloße Konvention oder der Begriff „Lebensform“,  die autoritäre Religion oder der autoritäre Staat, eine psychologische oder naturale Erklärung, sie können den zentralen Akt des Menschen und seiner Freiheit nicht erklären bzw. diese Letztbegründung in und aus Prinzipien nicht bieten. 

Die Absicht, die in der Reduktion allen Wissens auf eine Letztbegründung in einem naturalen Elemente oder im „apeiron“ (dem quantitativ oder qualitativ Unendlichen) des ANAXIMANDER lag, wurde eigentlich schnell vorangetrieben. In kürzester Zeit des philosophischen Nachdenkens, bedenkt man die Zeitspanne von den ersten „Naturphilosophen“ (Thales + ca. 547 v. Chr. ) bis zu PLATON (+ ca. 347), fand man zu einem höchsten Vernunftprinzip. Implizit war damit eine Kritik der Religion einhergehend.5Man denke nur an manche Aussagen bei XENOPHANES (+ ca. 470 v. Chr.) u. v. a. 6)

Was gehört zum Begriff einer Letztbegründung – und damit zum Gottesbegriff, essentiell, wesensmäßig? Und was gehört zu diesem Begriff nicht? Der vorphilosophische Begriff von Gott wird zweifellos oft missverständlich gebraucht, sodass sowohl etwas hinzugedacht wird, was Gott gerade nicht ist, und umgekehrt, der Begriff etwas nicht  enthält, was aber gerade Gottes Wesen ausmacht. DIONYSIUS AREOPAGITA 7 zeigt  literarisch ausgezeichnet eine kataphatische Rede auf, eine Gott Attribute beilegende, positive Rede, aber auch eine notwendig damit einhergehende apophatische Rede, Gott die Attribute absprechende Weise.   Seine Theologie ist höchste transzendentale, d. h. die Bedingungen der Wissbarkeit mitbedenkende Rede, wenn er die Traditionen der neuplatonischen Philosophie (PLOTIN, PROKLOS) aufgreift und auf die biblische Überlieferung überträgt.

Einen rational einsichtigen, zureichenden Grund von allem zu erreichen, das ist der stringente Denkweg DESCARTES. Es ist die Analyse des „cogito“, die ihren Ausgang aus der Unsicherheit nimmt, bis die Forderung der Suche nach Wahrheit zureichend befriedigt ist, sodass sowohl das Sein und die Existenz des cogito, wie das Sosein des cogito affirmiert werden können.

Damit erreicht der Mensch nicht ein göttliches Wissen („sagesse divine“), vielmehr wird durch das göttliche Prinzip seine Existenz und sein konkretes Bilden in seinen Notionen, sei es für den intelligiblen Bereich oder für die Unio mit dem sinnlichen Bereich, begründet und gerechtfertigt.8 Das menschliche Wissen muss endliches Wissen bleiben, will es in Freiheit selbst einen konkreten, freien Bildens-Akt in der Zeit setzen, aber zugleich begründet aus der Wahrhaftigkeit (lat. veracitas) Gottes. (Siehe besonders 6. MEDITATION).

Weiteres vermag das endliche Wissen („sagesse humaine“) allerdings nicht den Übergang von Gott selbst zum faktischen Sein in systematischer Form einzusehen, weil es den Zusammenhang zwischen vorausgesetzter göttlicher Zweckhaftigkeit und damit verbundener Werthaftigkeit nicht erkennen kann. 9

Nichts desto trotz, wenn das Wissen zwar endlich ist und bleibt, das Wollen ist unendlich. Der Ausgangspunkt aus der Ungesichertheit und darin der Fortgang zur Befestigung des Wissens in der Wahrheit muss deshalb eine willentliche und praktische Komponente haben.10

Weiteres bedingt das philosophiehistorisch angestoßene Fragen nach einem ersten, höchsten Prinzip den Begriff eines Systems, andernfalls mehrere Prinzipien und Begriffe wechselseitig sich konkurrieren und widersprechen. 11

DESCARTES kam, so  nach R. LAUTH, zusätzlich zu seiner Erkenntnissicherung, leider nicht mehr  zu einem ganzen  System des endlichen Wissens. 12 Im „Discours“ erzählt er zwar  von dem wissenschaftlichen Programm, das ihm vorschwebt; in den unvollendet gebliebenen „Regulae“ legt er die Methode dieser wissenschaftlichen Forschung auch dar; in den „Meditationes“ geht es dann um den Nachweis, dass und wie wir wahrhaft Existenz erkennen; in den „Principia philosophiae“ rekapituliert er die vorausgesetzte Epistemologie und wendet sie auf die Physik  als einem bloßen Teilbereich der Philosophie an; die „Passiones de l’ame“ sind schließlich eine Voruntersuchung zu einer umfassenden Theorie der voluntativen Seite der Metaphysik – aber ein ganzes System des Wissens ist damit nicht ausgeführt. Es sind aber die entscheidendem Systempunkte für die Ableitung des Wissens aus der „veracitas dei“ begründet,  ohne die Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit zu überschreiten.

4) Es kann weder das Denken aus sich alleine existieren, noch kann es ein Sein als verborgene Ursache einer bestimmenden Realität geben, weil ipso facto darüber dann nicht geredet werden könnte. Es muss, so das Postulat, eine einsichtige Einheit von Denken und Sein, eine einheitliche, und das heißt auch, evidierte Wirkursache im Bewusstsein geben.  Nach DESCARTES und seinem rigorosem Fragen nach Gewissheit und Letztbegründung, wie es das Wesen der Philosophie seit ihren Anfängen verlangt, heißt die Antwort: die Güte Gottes begründet alle Wahrhaftigkeit und Wahrheit des Denkens und damit alle Einheit von Denken und Sein.  

Vergleichsweise darf ich blicken auf DIONYSIOS AREOPAGITA im 5. Jhd. n. Chr.: Das Gute Gottes (oder die Güte Gottes; die bonitas Dei) ist die philosophische Letztbegründung: „De divinis nominibus“ 4. Kapitel, §§ 1ff.

„Jeglicher Denktätigkeit ist das über alles Denken erhabene Eine unausdenkbar, jeglicher Rede ist das alle Rede übersteigende Gute unaussprechlich, jene Einheit nämlich, welche jeder Einheit Einheitlichkeit verleiht, (…) Grund des Seins für alle Dinge und doch selbst nicht seiend, weil über alle Wesenheit erhaben und so beschaffen, wie es nur selbst eigentlich und wissend über sich Kunde geben möchte“

Fragen wir  also nach einem zureichenden Grund von allem, nach der Erkenntnis des Ganzen der Wirklichkeit in und aus seinen Prinzipien, so muss folglich die Antwort (als Durchvollzug dieser Prinzipien) primär eine praktische Seite des Wissens aufweisen, weil ein bloß theoretisches, begriffliches Zurückschließen auf eine Letztbegründung ohne werthafte „veracitas“ gerade nicht erreicht werden könne. Es muss ein analytische wie synthetischer Weg zugleich sein, um den zureichenden Grund aus der „idea dei“ zu erreichen, ein implikationslogisch-strukturiertes wie appositionell-geschichtliches Vorgehen. 13

Das Verhältnis eines zureichenden göttlichen Grundes im Bewusstsein zu denken ist  eine höchst differenzierte Sache, die ich hier nur  mehr andeuten kann:
a)  das höchste Prinzip kann weder aus dem Bewusstsein alleine erklärt werden als könnte das Bewusstsein aus eigener Position das Absolute denken und setzen;
b) es offenbart sich im zureichenden göttlichen Grund auch nicht ein höherer, dritter und ad infinitum fortschreitender Erkenntnisgrund zwischen Absolutem und Schöpfung, der rationalistisch oder naturalistisch dargestellt werden könnte;
c) es offenbart sich vielmehr in diesem zureichenden Grund eine Ursache, die ihren Grund außerhalb des Begründeten hat, welcher Grund aber Grund einer Folge ist, die im Aufgerufen- und Aufgefordertsein beginnt und endet. 14

5) Um wieder zu DESCARTES zurückzukehren: Er bestimmt dieses höchste Prinzip, d. h. den Gottesbegriff,  als „efficiens et totalis causa“ – als totale Wirkursache. Dieses Prinzip ist nicht bloß logisch erschlossen, sondern liegt in der Erkenntnis eines  Existenz- und Zeitbegriffes: a) Die Existenz unseres Denkens und unseres Denkaktes  ist gerade nicht notwendig, sondern höchst zufällig  und im nächsten Augenblick könnte sie auch nicht sein;   b) ferner könnte das Denken von einem zureichenden Grund und aller logischer Gesetze selbst ein Trugschluss sein und würde einem metaphysischen Zweifel nicht standhalten  – vgl. oben Anm. 8 – es sei denn,
c) dass höchste Prinzip legitimiert sich von selbst.

Es genügt nicht der logische Gedanke, dass es ein höchstes Prinzip geben müsse, „das wir dann Gott nennen“ (THOMAS). Das Verweisen auf Gott, mit DIONYSIOS gesprochen, die kataphatische, positive Rede von Gott, verlangt einsichtig in Gott den positiven Rechtsgrund zu sehen, warum Gott als höchstes Prinzip angesetzt werden kann und muss.15

DESCARTES nennt als Begründung des „cogito“ und der „cogitatio“, wie gesagt, die „veracitas“, d. h. die Wahrhaftigkeit Gottes, die nicht trügen und täuschen kann. Gerade durch sie kann zweifelsfrei und wahrhaftig das angesetzt werden, was in weiterer Folge die Wahrheit der im Denken vorfindbaren ursprünglichen „notiones“ (die „vérites éternelles“) und die wahre Realität der Sinnenwelt vollkommen begründet. 16

Die Evidenz der Wahrhaftigkeit Gottes ergibt sich, wie DESCARTES begründet, aus seiner Güte („bonitas“)17.
Herrlich eine Vergleichsstelle bei DIONYSIOS, De divinis nominibus, 4. Kap. § 1:Viertes Kapitel: Über das Gute, das Licht, das Schöne, die Liebe, die Ekstase, den Eifer und auch über das Thema, dass das Übel weder ein Seiendes, noch aus dem Seienden, noch in dem Seienden ist.

§ 1.Wohlan denn, lasst uns nun in unserer Abhandlung zur Bezeichnung Gottes als des Guten übergehen, einem Namen, welchen die Hagiographen der übergöttlichen Gottheit in vorzüglicher Weise beilegen und den sie nach meiner Meinung von allen ausscheiden, indem sie die urgöttliche Substanz (einfachhin) Güte nennen. Der Grund davon ist, weil die Gottheit als das wesenhaft Gute durch ihr Sein auf alles Seiende ihre Gutheit erstreckt.

Der Berechtigungsgrund von einer ersten Ursache oder einem zureichenden Grund, einem höchsten Prinzip und einer damit zusammenhängenden geschlossenen Anzahl von Prinzipien, zu sprechen, das kann niemals bloß als „regulative“ Gottesidee verstanden werden, wie KANT sich ausdrückte, sondern rechtfertigt sich aus sich und von sich und durch sich. Wir sind zwar frei, diese Ursache zu leugnen und abzustreiten, aber wir können keinen Rechtsgrund letztlich vorbringen, dieses höchste Gute zu bestreiten. Wir können es nur faktisch verneinen. Dieses höchste Gute oder Gutsein ist absolutes und höchstes Prinzip – und ist Rechtsgrund des ontologischen Gottesbeweises, wie ihn ANSELM formulierte. 18 Weil ich „in Wahrheit die Vorstellung von Gott habe“ (R. LAUTH, ebd. S 89), bin ich berechtigt, von einer Ersten Ursache zu sprechen.

6) Wenn zwar einerseits ein System aller Erkenntnis von Gott her für uns einsichtig nicht aufgestellt werden kann, weil wir den Zusammenhang des Übergangs vom vollkommenen Sein Gottes zum faktischen Sein nicht erkennen können,  so begründet doch andererseits die Güte und Wahrhaftigkeit Gottes eine Grundbestimmung des Seins, die im „Urteilen als Akt in der Zeit“ 19 zu einem systematischen Aufbau eines Wissens führen kann  –  vorausgesetzt, die Freiheit bestimmt sich in ihrem Apponieren selbst zu diesem Wissen.

Damit komme ich zu diesem schwierigen Zusammenhang eines Zugleich von implikativer Grund-Folge-Ordnung und ordinaler, appositioneller Ursache-Wirkungsordnung.  Denn der zureichende Grund von allem – das in der Philosophiehistorie seit den ersten „Naturphilosophen“ gesuchte höchste Prinzip – kann nicht beliebig einmal so und dann anders weiterbestimmt werden, sondern wir urteilen und, sobald wir urteilen, notwendig in der Zeit. Eine Weiterbestimmung (des Grundes) kann nicht als neue Bestimmung mit der durch sie aufgehobenen Bestimmung aus ein und demselben Grunde gedacht werden. Es muss zur logischen (implikativen) Grund-Folge-Ordnung die Ordnungsreihe der Zeit und ein im Bewusstsein gebildetes Bestehen (die substantielle Dauer des Ichs in der Zeit) als Weiterbestimmung  an und in demselben Grunde (im „absoluten Ich“) hinzu gedacht und beibehalten werden.

Begrifflich konnte über Descartes hinaus es eigentlich nur Fichte lösen: 
Bei KANT ist das schematisierende Subjekt nicht das anschauende Subjekt, sondern realistisch wird die Anschauung für die Kategorien vorausgesetzt. Bei FICHTE sind anschauendes und denkendes Subjekt aber gleicherweise begründet im Schweben der Einbildungskraft. Punktuelle Begrifflichkeit und kontinuierlicher Übergang in der Anschauung, beides ist im Schweben („dia-legein“) der Einbildungskraft möglich.

Die implikativen und die appositionellen Momente fungieren in dem „cogito“ des DESCARTES  schon ineinander; FICHTE hat das durchdrungen und begründet. Im Bereich der logischen Implikation ermöglicht die vorausgesetzte Disjunktion das übergehende Apponieren und Anschauen (eines Von-her zu einem Zu-hin, eines Anschauuenden und eines Angeschauten) – und umgekehrt ermöglicht erst dieses (freie) Apponieren die logische Denkform fakultativer Folgen aus ihrem Grunde dank der verzeiteten Vorstellung von Substanz- und Prinzipseins. 20

„Nur weil die bloße Implikation nicht erzwingt, welche disjunktive Möglichkeit verwirklicht wird, sondern Raum für die „Verwechslung“ (sc. gemeint ist die Umkehrung der Kategorien durch die freie Reflexion der Urteilskraft) lässt, kann das cogito freies Prinzip und kann es Vorstellendes bloß faktischer notwendiger Gegebenheiten sein.“ 21

7) Die in der Philosophiehistorie gesuchte erste Ursache, das höchste Prinzip oder der zureichende Grund, sie sind bei DESCARTES und FICHTE in diesem Ineinander von Implikation und (zeitlicher) Apposition erreicht.

Dieser spezifische Erkenntnisbegriff des Absoluten, vor dem sich  das Denken in seiner Nichtigkeit erfasst (als bloß relationales Denken), ist intuitiv natürlich in der ganzen Philosophiegeschichte da und dort schon ausgedrückt,  und explizit-deduktiv von Descartes und Fichte erfasst worden. 22

8) Die Durchdringung und Genetisierung aller Bereiche der Wirklichkeit in und aus diesem höchsten Prinzip muss jetzt als zweite Aufgabe erst beginnen:  Die selbst im Denken voraussetzungslose, reine, disjunktionslose Wahrheit manifestiert sich (im cogito) als Aufgabe eines Solls der Wahrheit (des Aufstiegs, der Analyse), und enthüllt sich zunehmend für das Bilden und Wissen als Fortgang und als Geschichte einer vernünftig zu realisierenden Idee und  als erlösende Idee einer positiven Gottesoffenbarung. 

Die Erkenntnis der faktische Gegenständlichkeit ist  immer sittlich-praktisch motiviert, seien es physikalische, biologische, psychologische, intersubjektiv-gesellschaftliche, sprachliche, geschichtliche Gegenstände der Erkenntnis. Die Rechtfertigungs- und Sinnlehre, inwiefern die Gegenstände des Seins einem Soll und einem absoluten Geltungsanspruches genügen oder nicht, legt ihre Bedeutung fest. Da die höchste Erkenntnis in und aus einem göttlichen Aufruf- und Antwortgeschehen prinzipiiert (genetisiert) ist, entscheidet der endliche Mensch teilkonstitutiv mit, was als zureichender Grund und höchstes Prinzip angesehen wird bzw. kommt es zu gar keiner Rede von einem „Prinzip“, wenn die absolute Genetisierung nicht angestrebt und gewollt wird. 23

Anders gesagt: Das höchste, verursachende Prinzip muss mehr als ein bloß logisch-vorausgesetzter, substantivierter Grund als „efficiens et totaliter causa“ (als totale Wirkursache) sein. Erst durch freie Verursachung kann die implikative Möglichkeit gedacht und aufgebaut und in die Wirklichkeit gehoben werden, andernfalls überhaupt kein Denken eines Grundes im strengen Sinne möglich wäre. Der gesuchte Grund, abstrakt bisher als „zureichender“ Grund bezeichnet, ist damit eine geistige Substanz, die sich bereits im Denken als Denken des Prinzipiierens apriorischpositiv offenbart. Das Denken dieses qualitativ Totalitätsallgemeinen (Platon, Anselm) und seines  Zusammenhangs mit dem appositionellen Setzen, ist nach-denkendes, wiederholendes, die Erscheinung des Absoluten in einer apriorischen Vernunftoffenbarung nach-schematisierendes Denken – und zugleich geschichtliches Denken einer positiven Offenbarung.

Das Denken des Prinzipiierens setzt einen implikativen Grund, einen disjunktiven Grund voraus, damit frei prinzipiiert werden kann; und umgekehrt setzt die logische Denkform fakultative Folgen  aus verzeiteten Vorstellungen voraus. Fichte beschrieb es als Schweben der ursprünglich produzierenden Einbildungskraft in theoretischer wie praktischer Funktion.
F. BADER spricht von einem „substantiellen Denk- und Selbstbestimmungsakt“, der als höchstes Prinzip durch göttlichen Aufruf ermöglicht ist. 24

9) Das freie Prinzipiieren (Apponieren) in und aus einem höchsten Grunde (implikatives Denken), das Schweben zwischen  Apposition und Implikation,  ist immer, mit PLATON gesprochen, durch Teilhabe („methexis“) am höchsten Prinzip bedingt. 

Nur begrifflich-logischen Attribute, die das Wesen dieses höchsten Prinzips fassen möchten, führen  notwendig zur Kritik des Gottesbegriffes in einer apophatischen Rede, einer Gott die Attributen des Denkens absprechenden Rede, weil sie die appositionelle Reihe vergessen. Die apophatische Kritik lebt aber ebenfalls nur durch die kataphatische Rede, ist mithin vielfältig bedingt durch eine appositionelle Reihe mediatisierter Zeichen.  So möchte ich mit DIONYSIUS AREOPAGITA schließen: „De divinis nominibus“ Kap. 1, § 1:

Auch jetzt soll uns von vornherein die Satzung der heiligen Schriften als feste Richtschnur gelten, daß wir die Wahrheit des über Gott Gesagten nicht in überredenden Worten menschlicher Weisheit dartun, sondern in Erweisung der pneumatisch erweckten Kraft der inspirierten Schriftsteller, jener Kraft, durch die wir mit dem Unaussprechlichen und Unerkennbaren vereinigt werden gemäß jener Einigung, welche unsere logische und intellektuelle Begabung und Betätigung übersteigt. Man darf ja fürwahr überhaupt nicht wagen, über die überwesentliche und verborgene Gottheit etwas zu sagen oder auch nur zu denken, was gegen die Offenbarungen verstößt, die uns nach göttlicher Anordnung in den heiligen Schriften hinterlegt sind.

(c) Franz Strasser, 22. 6. 2016

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1REINHARD LAUTH, Descartes` Konzeption des Systems der Philosophie, Stuttgart-Bad Cannstatt 1998. Es ist ja schlimm, wie in zahlreicher Sekundärliteratur zu DESCARTES die Gesamtintention gar nicht richtig gesehen wird! Sehr gut das genetische Denken von Descartes schildernd ist die Monographie von F. BADER, Die Ursprünge der Transzendentalphilosophie bei Descartes. Erster Band: Genese und Systematik der Methodenreflexion. Bonn, Bouvier. 1979. Der 2. Band erschien 1983. Oder siehe auch: M. GERTEN, Wahrheit und Methode bei Descartes, 2001. Darin wird vor allem auf DESCARTES‘ erstes Werk der REGULAE eingegangen, um so gerade auch die Notwendigkeit einer universalen Erkenntniskritik bzw. einer „Ersten Philosophie“, wie sie in den MEDITATIONES vorliegt, zu unterstreichen.

2So kürzlich gelesen in: Jörn Rüsen, Sinn und Widersinn der Geschichte, in: Wiener Jahrbuch für Philosophie 2014. Geschichtsphilosophie. Stellenwert und Aufgaben in der Gegenwart., Wien 2015. Wenn dort von einer „sinnkonstitutiven Erfahrung“ (ebd. S 24) in der Gegenwart gesprochen werden soll, um Sinnwidrigkeiten der Geschichte zu bestehen, zugleich aber diese Gegenwart nur bezogen bleibt auf den relativen Zeithorizont, auf die „Bezugsgröße des Geschichtsbewusstseins“ (ebd. S 18), wie kann dann vom Sinn gesprochen werden, ebenfalls mit beiläufiger Beiseiteschiebung der Religion (ebd. S 23), als hätte Religion und positive Offenbarung nicht selbst einen eminent, transzendental-rationalen und philosophischen Grund der Einsicht und ein Sinnversprechen schlechthin? Solche „materiale“ und „formale“ und „funktionale“ Geschichtsphilosophie (ebd.), wie in diesem Artikel besprochen, bedarf zuerst eines metaphysischen Zweifels nach Descartes und dann einer transzendentalen Kritik, eher zu einer möglichen transzendentalen Hermeneutik des Geschehenen übergegangen werden kann.

3Man vergleiche einmal eine Meinung einer Koranübersetzung von Ahmad Milad Karimi oder die kritische Meinung eines Hamed Abdel-Samad zum Koran  und seinem Propheten. Gibt es dort noch eine gemeinsame Wahrheit oder kann überhaupt noch diskutiert werden? Es treten allergrößte Differenzen auf. 

4Aus einem Griechischlexikon: μάθησις
μάθησις, ὴ, das Lernen; ἀλλὰ σοὶ μάϑησις οὐ πάρα, du willst nicht lernen, Soph. El. 1021; ὧν μάϑησιν οὐκ ἔχει, Eur. Suppl. 915; ὅτι ἡμῖν ἡ μάϑησις οὐκ ἄλλο τι ἢ ἀνάμνησις τυγχάνει οὖσα, Plat. Phaed. 72 a; καὶ ἐπιμέλεια, Prot. 324 a; καὶ μελέτη, Theaet. 153 b, öfter; Xen. Hem. 3, 9, 2; – ἡ ἐν τοῖς ὅπλοις μάϑησις, der Unterricht, Plat. Lach. 190 d; auch ἡ περὶ τὸ ἓν μάϑησις, Rep. VII, 525 a. – Das Wissen, μάϑησιν οὐ καλὴν ἐκμανϑάνεις, Soph. Trach. 450; μ. καὶ ἐπιστήμη, Xen. Hem. 4, 2, 20; u. so bes. Sp. = die Wissenschaft.

5Ein PLATON hat für mich, von der rationalen Seite her gesehen, den höchsten Gottesbegriff erreicht: Man denke an das 6. Buch der POLITEIA, oder auch an das 2. Buch der POLITEIA. Dieser Wahrheitsbegriff wird zum erkenntniskritischen Kriterium jeder Religion, aber genauso jeder Einzelwissenschaft, die ja keine Letztbegründung kennt. Platon beginnt damit, dass die Maler und Poeten seinskonform malen und dichten müssten und nichts verfälschen dürfen, denn der eine Gott und die eine Wahrheit wandelt sich nicht. 

S379a (….) Wie Gott //V113// ist seinem Wesen nach, so muß er auch immer dargestellt werden, mag einer im Epos von ihm dichten oder in Liedern oder in der Tragödie.
So muß es sein.
S379b Nun ist doch Gott wesentlich gut, und auch so darzustellen!
Wie sollte er nicht! (….)

6XENOPHANES [um die 50. Olympiade geboren 580 -577 v. Chr.) heißt es u. a.: „Ein Gott, unter Göttern und Menschen am größten, weder an Gestalt den Sterblichen ähnlich noch an Gedanken. [….)“, S 59. Aus: WALTHER KRANZ, Vorsokratische Denker. Auswahl aus dem Überlieferten, Berlin 19593.. Bei PLATON [geb. 428/427 v. Chr.) siehe z. B. POLITEIA 379a ff., 2. Buch, worin er die „Grundzüge in Bezug auf die Götterlehre“ darlegt. Nicht minder religionskritische Äußerungen, geprägt durch die philosophische Tradition, sind dann bei christlichen Denkern zu finden – vgl. z. B. bei ATHANASIUS von Alexandria, [geb. ~ 300 – 373 n. Chr.) in der Schrift „Gegen die Heiden“ u. a.

7Zitiert aus „Bibliothek der Kirchenväter“ https://www.unifr.ch/bkv/buch192.htm. Des heiligen Dionysus Areopagita (Abk. =DN) angebliche Schriften über „Göttliche Namen“; Angeblicher Brief an den Mönch Demophilus / aus dem Griechischen übers. von Josef Stiglmayr. (Des heiligen Dionysus Areopagita ausgewählte Schriften Bd. 2; Bibliothek der Kirchenväter, 2. Reihe, Band 2) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1933.

8Eine sehr gute Würdigung von R. LAUTHS Descartesbuch fand ich im Internet auf der Seite von sicetnon von F. EHRENSBERGER: Weder empirische, aber auch nicht intelligible Vorstellungen alleine, begründen die Wahrheit einer Erkenntnis. „Neben der aposteriorischen Erkenntnis, die kontingent und nicht selbstrechtfertigend ist, weist Descartes darüber hinaus notwendige apriorische Erkenntnis mit dem Argument des genius malignus ab: Die Gesetzlichkeit eines Verfahrens ist kein ausreichendes Wahrheitskriterium, da der menschliche Geist durch einen allmächtigen Betrügergott immer dann getäuscht sein könnte, wenn er evidente Erkenntnis in Gesetzmäßigkeiten erlangt zu haben glaubt. Zu verstehen, daß etwas notwendig der Fall ist, heißt eben nicht, zu wissen, warum – mit welchem Rechtsgrund – etwas geschieht. Durch diesen reduktiven Gang zielt Descartes allein auf in absolute Evidenz gesicherte Erkenntnis ab, wobei sich das cogito als vorläufig fester und unbezweifelbarer Punkt erweist, in dem sich in zweifelsfreier Art und Weise Erkenntnis in die Wesenheit mit der Erkenntnis in der Existenz paart: cogito, ergo sum.“ (ebd, abgerufen am 21. 6. 2016)

9R. LAUTH, Descartes‘ Konzeption, 1998, ebd. S 78.

10Vgl. R. LAUTH, ebd. S 221 – 223.

11R. LAUTH zitiert aus den „Aphorismen“ FICHTES für Frau von Stael, parallel zur Intention DESCARTES‘, dass es die Philosophie um die Erkenntnis der Prinzipien des Ganzen der Wirklichkeit gehe in einer systematischen Form, um das „Mannigfaltige durch eine vollständige Ableitung aus dem Einen zu erschöpfen.“ (R. LAUTH, ebd., S 1) FICHTE wird nochmals klarer als DESCARTES in dem Sich-Wissen der Reflexion, in der Ichheit, im Ich-Begriff, den Einheitspunkt des höchsten Prinzips aufstellen und von einem „offenen System“ sprechen. Die Konzeption zu einem System des Wissens und auch die Notwendigkeit eines induktiven Erfahrungswissens liegt aber ohne Zweifel schon bei DESCARTES vor.

12R. Lauth, ebd. S 223.

13Ebd., S 79. Der zureichende Grund kann nicht durch logischen Rückschluss in einer endlichen Ursachenkette gefunden oder als aktuelle Unendlichkeit blind vorausgesetzt werden, sondern weil ich „in Wahrheit die Vorstellung von Gott habe“ bin ich berechtigt, von einer Ersten Ursache zu sprechen. Indem ich einsichtig in Gott den positiven Rechtsgrund ersehe, gewinne ich völlige Sicherheit im Wissen. (vgl Zitat von Descartes bei LAUTH, ebd. S 89)

14Die griechische Philosophie hat dieses Zurückfragen nach dem zureichenden Grund begonnen, konnte es aber deshalb so schwer fassen, weil sie entweder das Sein oder die Negation des Seins als höchste Idee angesehen hat. Es kannte nicht explizit – von den christlichen Philosophen dann abgesehen – den Bundesgedanken und den personalen Aufruf/Anruf Gottes aus der Hl. Schrift.

15Deshalb fasziniert mich aber auch die apophatische Rede des DIONYSIOS, weil sie ein notwendiges Korrektiv darstellt, jede anmaßende begriffliche Rede von Gott zurückzuweisen. In der „Symbolischen Theologie“ hört sich das so an: Kap V „Dass der alles Geistige überragende Urgrund in keiner Weise zum Geistigen gehört: Weiter emporsteigend sagen wir, dass ER weder Seele ist, noch Geist; weder Vorstellung, noch Meinung, noch Sagen, noch Denken hat; weder Wort ist, noch Gedanke; weder gesagt wird, noch gedacht; weder Zahl ist, noch Ordnung; weder Größe, noch Kleinheit; weder Gleichheit, noch Ungleichheit; (….) zitiert nach J. SUDBRACK, Trunken vom hell-lichten Dunkel des Absoluten, Freiburg 2006, S 29.

16R. LAUTH, ebd. S 86.

17Vgl. die vielen DESCARTES Stellen bei R. LAUTH, ebd. S 88.

18Es ist das ANSELMSCHE „quo nihil maius cogitari possit“, das, „worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann“, das dann von FICHTE in der WL 1801/02 neu aktualisiert worden ist – und nicht im Missverstand wie bei THOMAS oder KANT. Vgl. z. B. A. SCHURR, Die Begründung der Philosophie durch Anselm von Canterbury, Kohlhammer Verlag Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz, 1966. Zum Deduktionsansatz des PROSLOGIONS v. ANSELM, siehe ebd., 66 – 124. ANSELM bleibt nicht auf einer allgemein formalen Ebene stehen, um das Absolute als terminus a quo der Begründung und Geltung anzusprechen, sondern geht schrittweise a) von der Wirklichkeit des Absoluten, b) zur Undenkbarkeit seines Nichtseins und c) zum Denken der Unbegreiflichkeit des Absoluten über zur höheren Evidenz einer werthaften Erkenntnis des Unbegreiflichen. Das fichtesche Sollsein eines sich selbst begründenden Grundes ist das anselmsche „melius esse“, das höhere Sein des Absoluten, das in seinem Geltungsanspruch nicht mehr hinterfragt werden kann.

19Vgl. die Ausführungen R. LAUTHS, ebd. S 127ff.

20R. LAUTH, ebd. S 133. DESCARTES eröffnete den Blick für die Notwendigkeit einer solchen Deduktion einer Apposition. Er war hier KANT voraus, der die Tragweite des zeitlichen Anschauungsmodus nicht erkannte. Nicht erst die Verarbeitung des Sinnlichen, sondern schon der freie Akt der Konstitution des Wissens als Wissen – wie von DESCARTES gefordert – erfordert den spezifischen Modus der Apposition neben der Implikation.

21R. LAUTH, ebd. S 133.

22R. LAUTH, ebd. S 220. Unter solchen „Schreibern“ möchte ich (nicht R. LAUTH) z. B. Schelling oder Hegel zählen. Der Geltungsgrund der Wahrheit, des unaussprechlich Absoluten, ist dort nicht ernst genommen.

23Im Sinne einer philosophischen Erkenntnis der Prinzipien des Ganzen der Wirklichkeit, kann und darf der Sinnbegriff im Erkennen nicht ausgeschlossen werden. „Die Idee der Sinnfülle ist in uns, und solange wir überhaupt wollen, verlangen wir nach ihrer Realisierung. Wir werden nicht sagen, etwas sei sinnvoll, solange es nicht die volle Erfüllung unseres Wollens bringt.“ Die Sinnfrage kann natürlich vielfach deformiert, substituiert und verdrängt werden, aber sie ist unhintergehbar und unleugbar im Setzen des Ichs gesetzt. „Du kannst nichts von deiner inneren Sinnidee aufgeben, ohne die Wahrheit zu verlieren; du kannst auch nichts von den furchtbaren Sinnwidrigkeiten, vor die dich deine Erfahrung führt, verleugnen, ohne wiederum die Wahrheit zu verlassen….“ R. LAUTH, Die Frage nach dem Sinn des Daseins, München 1953, 339.

24Vgl. dazu F. BADER, Systemidee und Interpersonalitätstheorie in Fichtes Wissenschaftslehre. In: Der transzendental-philosophische Zugang zur Wirklichkeit. Beiträge zur Fichte-Forschung. Hrsg. v. Erich Fuchs, Marco Ivaldo und Giovanni Moretto, Stuttgart 2001, 65 – 106.

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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser