Der Begriff „Genesis“ selbst ist ein Grundterm in der Vermittlung des reflexologischen Sich-Bildens und der Idee vollkommener Liebe, ist letztlich ein Zusammenhalt und eine Einheit von Theorie und Praxis, ist Übergang vom Bild der Liebe zur Idee vollkommener Liebe.
Dies fĂĽhrt jetzt notwendig zu den Anschauungsformen von Zeit und Raum und zum Anfang einer faktischen Zeit.
Bekanntlich tut sich die Philosophie und die Schöpfungstheologie hier sehr schwer, genetisch den absoluten Anfang zu denken. In den Kategorien der Genesis, wie sie Fichte durchdrungen hat, kann es nur ein genetisches Erhalten1 geben, woraus Anfang, Liebe und Wert, und als bestimmter Wert, die Anschauungsform von Zeit und Raum, genetisiert und abgeleitet werden können.
Die Zeitform und Raumform und der Begriff der zeitlichen Dauer, sie sind aus der actualen (genetischen) Einheit des Sich-Bildens nach dem wahren Bild der Erscheinung des Absoluten ermöglicht. Sie sind Teilschöpfungen der Gesamtkontinuität der Genesis der Erscheinung des Absoluten in disjunktiver und fakultativer Bestimmtheit.
J. Widmann kommt von der Applikation der Grundterme der Erkenntnis (von primären und sekundären Evidenzbegriffen) zu genetischen Bild-Formeln (Modifikationen). Die beobachtbaren Grundelemente lassen sich in Grundbezüge von Disjunktionen zusammenstellen (des Denkens, der Zahlen, der Erfahrung, der Sinnidee)2, und Theorie und Praxis ergeben eine Einheit in einem zeitlichen Kontinuum.3
Zeit und Raum sind nicht unvordenklichen Ursprungs, sondern im transzendentalen Wissen bestimmte Bilder eines Verhältnisses des absolut einen Grundes und der aus ihm resultierenden Folge mit ihrer Mannigfaltigkeit. 4
Ich kann hier der KĂĽrze halber nur verweisen auf die Entstehung eines genetischen Werdens, auf faktische Zeit- und Raumgenesis bei J. Widmann. 5
Der alle Philosophie so entscheidende Begriff des „Seins“ wird aus transzendentalen Prinzipien abgeleitet, ebenso der für die Sinnerfüllung noch höherer Begriff der „Geschichte“.
Die genetische Erkenntnis trägt so immer eine zeitliche Hoffnung und eschatologische Erwartung von Sinnerfüllung in sich, generiert Zeit und Geschichte im Hinblick auf einen in der Genesis der Erscheinung des Absoluten bereits vollendeten Begriff des Werdens. Genetisch ist schon vollendet, was reflexiv und in Grundformen der Disjunktion in zeitlicher Dauer und Räumlichkeit eingeholt werden soll (zu Bedingungen der Freiheit).
Der Begriff einer genetischen Erkenntnis ist „fortlaufende Genesis des Wirklichen“, ist „fortlaufende Synthesis von Erzeugung, in der die früheren Gebilde mit der gegenwärtigen Bildung vereinigt, ebenso in der Vieleinheit der Gesamtsynthesis aufgehoben und „aufbewahrt“ werden.“ 6
Neben a) der sittlichen Wertung und einer darin liegenden Synthesis von Willen und Wert, b) dem reflexologischen Selbstbezug eines Sich-Wissens, das zu den Begriffen Liebe, Anfang und Wert führt, scheint mir c) dieser dritte Aspekt der genetischen Erkenntnis charakteristisch. Sie eröffnet durch die Re-Konstruktion einer vollkommenen und vollendeten Idee und dem strebenden Hinausgehen über jeder Hemmung und jeden interpersonalen Aufruf die Zeit- und Raumanschauung, oder anders gesagt, eröffnet durch geschichtliches Denken und Erkennen, eine Zukunft auf eine vollendete Sinnidee und eine eschatologische Hoffnung.
Dieses apriorische Denken von Religion und Hoffnung ist dabei wahr durch eine konkrete Sinnidee, d. h. durch eine positive Offenbarung, die alle vollkommenen Parameter der Liebe und des Anfangs und des Wertes in sich trägt. In geschichtlicher Weise der Erfüllung, die nochmals eine inspirierende Kraft des HEILIGEN GEISTES sein muss, kann diese erfüllende Sinn-Idee erkannt werden.
Genetische Erkenntnis nimmt reflexologisch Bezug auf diese positive Offenbarung und eröffnet Hoffnung und Zukunft. Neben einem Zugang zur Seinserkenntnis der Natur, des Rechts, der Moralität, ebenfalls nur mittels genetischen Formen der Evidenz, gibt es diese spezifische, genetische Evidenz der Religion als „ergriffenes Begreifen“, mit R. Lauth gesprochen,7 und als geschichtliche Erkennen einer Sinnidee, die die Liebe in vollkommener Weise sichtbar werden lässt, sprich in einer positiven Offenbarung.
Die Geltungsformen von Erkenntnis und ihre Rationalitätsansprüche werden sich immer nach ihrem apriorischen Maßstab fragen müssen, inwiefern sie den Voraussetzungszusammenhang ihrer genetischen Bildung (nach einer Idee) entsprochen haben oder nicht. Die Idee der Natur appliziert sich anders als die Idee von Recht und Moralität. Die Idee von Religion schließlich wird genetisiert in der positiven Offenbarung vollkommen erschienener (geschichtlich) und erfahrener Liebe.
© Franz Strasser, Juni 2025
1J. Widmann, Die Grundstruktur, S 280
2J. Widmann, Die Grundstruktur, ebd. S 253 – 276.
3J. Widmann, Die Grundstruktur, ebd. S 276 ff.
4J. Widmann, Die Grundstruktur, ebd. S 280.
5Siehe ebd. S. 280-284.
6J. Widmann, Die Grundstruktur, ebd. S. 196.
7R Lauth, Ethik, ebd. S 37.