Der Begriff „Genesis“ selbst ist ein Grundterm in der Vermittlung des reflexologischen Sich-Bildens von Wissen und der Idee vollkommener Liebe – falls eine philosophische Vermittlung angestrebt wird – neben dem Glaubensvollzug.Â
Die „Genesis“ eines sittlichen Wissens und das theoretische Vorstellen und Wissen bilden einen Zusammenhalt und von Theorie und Praxis.
Bekanntlich tut sich die Philosophie und die Schöpfungstheologie sehr schwer, genetisch den absoluten Anfang zu denken. In den Kategorien der Genesis, wie sie Fichte durchdrungen hat, kann es nur ein genetisches Erhalten1 geben, woraus Anfang, Liebe und Wert, und die Anschauungsformen (=“Empfindungsformen“) von Zeit und Raum und weiters alle Empfindungsformen  genetisiert und schematisiert (dargestellt) werden.
Die Zeitform und Raumform und der Begriff der zeitlichen Dauer, sie sind aus der actualen (genetischen) Einheit des Sich-Bildens nach dem apriorischen Maßstab eines wahren Bildes der Sich-Erscheinung (WL-1811) des Absoluten ermöglicht. Sie sind Teilschöpfungen der Gesamtkontinuität der Genesis dieser Sich- Erscheinung in disjunktiver und fakultativer Bestimmtheit.
J. Widmann kommt von der Applikation der Grundterme der Erkenntnis (von primären und sekundären Evidenzbegriffen) zu genetischen Bild-Formeln (Modifikationen). Die beobachtbaren Grundelemente lassen sich in Grundbezüge von Disjunktionen zusammenstellen (des Denkens, der Zahlen, der Erfahrung, der Sinnidee)2, und Theorie und Praxis ergeben eine Einheit in einem zeitlichen Kontinuum.3
Zeit und Raum sind nicht unvordenklichen Ursprungs, sondern im transzendentalen Wissen bestimmte Bilder eines Verhältnisses des absolut einen Grundes und der aus ihm resultierenden Folge mit ihrer Mannigfaltigkeit. 4
Ich kann hier der KĂĽrze halber nur verweisen auf die Entstehung eines genetischen Werdens, auf faktische Zeit- und Raumgenesis bei J. Widmann. 5
Die genetische Erkenntnis trägt immer eine zeitliche Hoffnung und eschatologische Erwartung von Sinnerfüllung in sich, generiert Zeit und Geschichte im Hinblick auf einen in der Genesis der Sich-Erscheinung des Absoluten bereits vollendeten Begriff des Werdens. Genetisch ist schon vollendet, was reflexiv und in Grundformen der Disjunktion in zeitlicher Dauer und Räumlichkeit eingeholt werden soll zu Bedingungen der Freiheit.
Der Begriff einer genetischen Erkenntnis ist „fortlaufende Genesis des Wirklichen“, ist „fortlaufende Synthesis von Erzeugung, in der die früheren Gebilde mit der gegenwärtigen Bildung vereinigt, ebenso in der Vieleinheit der Gesamtsynthesis aufgehoben und „aufbewahrt“ werden.“ 6
Neben a) der sittlichen Wertung und einer darin liegenden Synthesis von Willen und Wert, b) dem reflexologischen Selbstbezug eines Sich-Wissens, das zu den Begriffen Liebe, Anfang und Wert führt, scheint mir dieser dritte Aspekt c) einer zukünftigen und eschatologischen Hoffnung charakteristisch.
Genetische Erkenntnis eröffnet durch die Re-Konstruktion einer vollkommenen und vollendeten Idee und dem strebenden Hinausgehen ĂĽber jeder Hemmung und jeden interpersonalen Aufruf die Zeit- und Raumanschauung und letztlich jede gerichtete Triebhaftigkeit und dynamis.Â
Ich ĂĽbertrage diese Zukunftsgerichtetheit jetzt spezifisch – neben sinnlicher und logoshafter, und geschichtlicher Erkenntnis und Anwendung in vielerlei Empfindungsformen – auf den Begriff einer positiven Offenbarung: Die positive Offenbarung, wie wir sie im christlichen Glauben verstehen als Vergebung, eröffnet einen Sinnbegriff von Restitution und Wiedergutmachung. Die Vergebung und SinnerfĂĽllung ist genetisch schon vorgegeben, in zeitlicher Reflexion wird sie am Ende des Lebens und der Zeit erhofft. Â
Anders gesagt: Die genetische Erkenntnis reflektiert philosophisch, was in Bildern und VerheiĂźungen in der Hl. Schrift ans Ende der Zeit gerĂĽckt ist: Siehe z. B. die schönen Bilder in der OFFENBARUNG vom neuen Himmel und der neuen Erde….. von der neuen Schöpfung. Die zeitliche Antizipation der vollendeten Genesis wird aber durchaus auch präsentisch formuliert – durch das Wirken des HEILIGEN GEISTES: „Er nimmt von dem, was mein ist…… er wird reden, was er hört…. Joh 16, 13ff u. a. Â
Neben einem Zugang zur Seinserkenntnis der Natur, des Rechts, der Moralität, der Religion, letzteres als „ergriffenes Begreifen“ (R. Lauth),7 gibt es dieses genetische Erkennen einer Sinnidee, die apriorisch in unserer Vernunft und in unserem Streben liegt. Â
Ich möchte zusammenfassen zur „genetischen Erkenntnis“:
Die Geltungsformen von Erkenntnis werden sich immer nach dem apriorischen MaĂźstab einer genetischen Erkenntnis messen lassen mĂĽssen: a) Inwiefern sind die Erkenntnisse so begrĂĽndet, dass in ihnen eine sittliche Synthesis aufleuchtet (siehe 1. Teil), b) inwiefern sind die faktischen Erkenntnisse in den Bereichen Natur, Recht, Moralität, Religion reflexologisch begrĂĽndbar durch ein göttliches Licht (2. Teil); schlieĂźlich c) inwiefern ist eine Hoffnung und Zukunft auf SinnerfĂĽllung und Wiederherstellung des Guten damit verbunden.Â
© Franz Strasser, Juni 2025
1J. Widmann, Die Grundstruktur, S 280
2J. Widmann, Die Grundstruktur, ebd. S 253 – 276.
3J. Widmann, Die Grundstruktur, ebd. S 276 ff.
4J. Widmann, Die Grundstruktur, ebd. S 280.
5Siehe ebd. S. 280-284.
6J. Widmann, Die Grundstruktur, ebd. S. 196.
7R Lauth, Ethik, ebd. S 37.