PLATON, Die Idee des Guten

PLATON, Die Idee des Guten

Die bekannte Stelle in der „Politeia“, worin die Idee des Guten noch ĂĽber dem Sein stehend bezeichnet wird (509b) – und auf die ich hinsteuern will – ist von PLATONS Sokrates sorgfältig vorbereitet. Einmal in Richtung eines benevolenten Gewinnens der Zuhörer und dann in Richtung einer gewissen Selbstbescheidenheit, „weil fĂĽr den jetzigen Anlauf (der Weg) viel zu weit ist“(506e) und Sokrates den Zuhörern nur vom „Sprössling“ (ebd.) der Idee des Guten reden kann. Sie könnten jetzt nicht den vollen Gewinn der Rede einstreifen, aber wenigstens „die Zinsen“ (ebd. 507a)

Diese transzendentalen Deutungen oder Explikationen der Ideenlehre PLATONS verdanke ich Platonvorträgen von F. BADER aus den Jahren 2010. In der Jugend mussten wir in der Philosophiegeschichte PLATON lesen, aber so richtig tiefgehend war das nicht. Jetzt erst, nach meiner 50-iger Grenze wird mir bewusst:  Wie könnte  jemand  PLATON lesen und verstehen,  wenn er nicht selbst a) einen transzendentalen Philosophiebegriff und das Streben nach einem telos der Prinzipien, b) einen systematischen Standpunkt und eine c) Vollständigkeit des Systems  der Erkenntnisprinzipien  mitbrächte?

Was folgt ist so nicht meine Weisheit.

1) Zuerst weckt Sokrates das Interesse des Glaukon und aller seiner Zuhörer für die höchste Idee der Philosophie, für das Wesen des Guten schlechthin. Dann schmeichelt er dem Glaukon (und den anderen) und schmälert zugleich die Meinungen anderer.

506b: „Notwendig, sagte er. Aber du, o Sokrates, sagst denn du, Erkenntnis sei das Gute oder Lust, oder ein anderes als beides?

Du trefflicher Mann, sprach ich, dir sah ich es schon lange an, daĂź du nicht genug haben wĂĽrdest an dem, was andere hierĂĽber meinen

2) Glaukon ist inzwischen so neugierig geworden, dass er begierig ist, die persönliche Meinung und Ansicht des Sokrates zu hören, zumal er weiß, dass er, Sokrates, sich schon viel damit beschäftigt hat.

Es scheint mir auch nicht recht, sagte er, o Sokrates, daĂź man nur anderer Lehren hierĂĽber soll vorzutragen wissen, seine eigene aber nicht, zumal wenn man so lange

S506c Zeit sich hiermit beschäftigt hat-

3) Sokrates erhebt nochmals den Anspruch, nur ĂĽber gesichertes Wissen reden zu wollen. Glaukon stimmt ihm zu. Das echte, wahre Wissen ist zu unterscheiden von einer bloĂźen Meinung.

Wie? sprach ich, dĂĽnkt dich denn das recht, was einer nicht weiĂź, darĂĽber doch zu reden, als wisse er es?

Keineswegs wohl, sagte er, als wisse er es; wohl aber soll er als Meinung vortragen wollen, was er darĂĽber meint.

4) Glaukon ist jetzt direkt beängstigt, nach vielleicht vielen negativen Erfahrungen?, dass er wieder enttäuscht werden könnte. .

Daß du uns, beim Zeus, o Sokrates, sprach Glaukon, nur nicht noch am Ende im Stich lässest. Denn wir wollen zufrieden sein, wenn du auch nur ebenso, wie du über die Gerechtigkeit und Besonnenheit und das übrige geredet hast, auch über das Gute reden willst.

5) Sokrates spielt nochmals mit dem Zutrauen des Glaukon und der anderen – und stapelt seine Rede nochmals tiefer – um wohl das Nachfolgende erst recht erglänzen zu lassen.?

Auch ich, sprach ich, lieber Freund, wollte gar sehr zufrieden sein! Aber daß ich es nur nicht unvermögend bin, und wenn ich es dann doch versuche, mich ungeschickt gebärde und euch zu lachen mache!

6) Er spricht dann vom „Sprössling“, welche Rede man nicht gleich versteht. Später weiß man, er meint mit „Sprössling“ ein Gleichnis für die Idee des Guten: die qualitative Kraft und Sichtbarkeit der Sonne – und „des Vaters Beschreibung magst du uns ein andermal entrichten“ (506e), was ich so deute, dass in einem analogen Sinne die Abstammung des Sprösslings Sonne vom „Vater“ d. h. Gott , ausgedrückt werden soll.

Das für uns zuerst Sichtbare, das Licht der Sonne, ist aber nur ein analoges, sekundäres Wissen im Vergleich zu dem, was Wissen wirklich ist. (Es würde zu näheren Erläuterung das Sonnengleichnis gut passen! Dort geht es ja in eine ähnliche Richtung, vom Sichtbaren zum Unsichtbaren aufzusteigend!)

Vielleicht hat Sokrates seine, das Zutrauen erheischenden Einleitungen auch so gemeint, dass seine Zuhörer bisher viel zu sinnlich und zu objektivistisch gedacht haben, jetzt ihm aber die Gelegenheit gekommen scheint, klarer und deutlicher zu reden.Wenigstens sollen die Zuhörer einmal diese Rede als „Abschlag“, als Anzahlung nehmen.

Allein, ihr Herrlichen, was

S506e das Gute selbst ist, wollen wir fĂĽr jetzt doch lassen; denn es scheint mir fĂĽr unsern jetzigen Anlauf viel zu weit, auch nur bis zu dem zu kommen, was ich jetzt darĂĽber denke. Was mir aber als ein Sprößling, und zwar als ein sehr ähnlicher des Guten erscheint, (– leider ist mir zur  Stunde eine griechische Orthographie nicht möglich: „hos de eknomos te tou agathou phainetai kai homoiotatos ekeino“)

will ich //V252// euch sagen, wenn es euch auch so recht ist; wo nicht, so wollen wir es lassen.

Nein, sprach er, sage es nur; und des Vaters Beschreibung magst du uns ein andermal entrichten.

S507a Ich wollte, sagte ich, daß ich euch die ganze Schuld zahlen und ihr sie einstreichen könntet, und nicht wie jetzt nur die Zinsen. Diesen Zins also und Sprößling des Guten nehmt für jetzt auf Abschlag.

Dann die typische sokratische Frage nach dem Wesen einer Sache, die Frage nach dem „was es ist“ (ho estin)

(507b) Dann aber auch wieder das Schöne selbst und das Gute selbst und so auch alles, was wir vorher als vieles setzten, setzen wir als eine Idee eines jeden und nennen es jegliches, was es ist.

So ist es.

7) Es folgt eine m. E. wichtige Unterscheidung zwischen dem Gesehenen und Gedachten. Das Sehen und später das Gesicht bleibt eindeutig eine Stufe tiefer als das Gedachte. Es gibt bereits ein in Disjunktion von Sehen und Gesehenem gesetztes (einheitliches) Wissen – und darüber hinaus eine dieses Synthesis ermöglichende, sie genetisierende Einheit – eben die dann „epeikena“, jenseits des Seins und der Synthesis des Wissens  stehende Idee des Guten. Erst diese Idee begründet und legitimiert (genetisiert) die faktischen Leistungen des Sehens und des Gesichtsinnes, d. h. des Wissens in diesen Sinnesvermittlungen.

Nach Vorträgen von F. BADER und der Lektüre von A. MUES, die Einheit der Sinneswelt, 1979,  ist mir der transzendentale Sinn hinter den Sinneswahrnehmungen  bewusst geworden: der Gesichtssinn bzw. das Sehen und das Gehör ermöglichen dem fühlenden Wesen den letzten und höchsten und freien Sich-Bezug des geistigen Wissens. Die Objektivationen der anderen Sinnesempfindungen wie Schmecken, Riechen, Tastsinn, Temperatursinn, sie geben zwar  bereits Erkenntnis und Empfindung von Lust und ermöglichen einen gewissen Sich-Bezug und eine Freiheit; doch diese elementaren Sinne sind zugunsten des höheren Sich-Bezuges nochmals überschritten durch das Vermögen des Sehens und Hörens.
PLATON erreicht  m. E ebenfalls diesen Sich-Bezug des Wissens (der Freiheit), eine Art genetische Einheit im faktischen Wissen, weil er ein höchstes Prinzip und davon abgeleitet niedere Prinzipien kennt.  Der Rückgang auf die apriorischen Erkenntnisbedingungen (Ideen) ist dabei anschaulich gesichert durch die Sinneserfahrung, durch Sehen und Hören und Fühlen. So mangelt den Ideen keine anschauliche Verifizierung in der  sinnlichen Außenwelt und im praktischen Handeln.
Die Diskussion wirft das deutlich auf:

Und von jenem vielen sagen wir, daĂź es gesehen werde, aber nicht gedacht; von den Ideen hingegen, daĂź sie gedacht werden, aber nicht gesehen.

Auf alle Weise freilich.

S507c Womit nun an uns sehen wir das Gesehene?

Mit dem Gesicht, sagte er.

Nicht auch ebenso, sprach ich, mit dem Gehör das Gehörte, und so mit den übrigen Sinnen alles Wahrnehmbare?

Das Sehen und das Gesicht wird als der vornehmste Sinn gewĂĽrdigt, weil es diesen gewussten Selbstbezug erlaubt, eine sich wissende Einheit.

(Seltsamerweise und als schmerzlicher Mangel ist vielleicht hier bei PLATON auffallend, dass der Sich-Bezug des Hörens, im Unterschied zum Sehen,  in einer notwendigen Bedingung nicht mehr erkannt wird. Diese Reflexionsform ist bei den PROPHETEN der Hl. Schrift zu finden. Dort wird  Hören als höchster Sinn  ausgewiesen, als Sich-Bezug des Wissens, als höchste Form der Freiheit. Das erkennende Sehen und dieses transzendentale Wissen – das hat allerdings PLATON herausgearbeitet. Dies berechtigt, wie manche Kirchenlehrer gesagt haben, PLATON  als „Theologen“ zu bezeichnen. Die ZurĂĽckfĂĽhrung aller Prinzipien auf eine genetisierendes Prinzip (auf die Idee des Guten) setzt eine Art „apriorischer Vernunftoffenbarung“ (Ausdruck von F. BADER) voraus!)

Zum Sehen sagt er:

Hast du auch wohl den Bildner der Sinne beachtet, wie er das Vermögen des Sehens und Gesehenwerdens bei weitem am köstlichsten gebildet hat?

Zum Gehör:

Also betrachte es so. Bedürfen wohl das Gehör und die Stimme noch ein anderes Wesen, damit jenes höre und diese gehört werde, so daß,

S507d wenn diese dritte nicht da ist, jenes nicht hören kann und diese nicht gehört werden?

Keines, sagte er.

Offensichtlich geht es PLATON um den Vorrang des Sehens und des optischen Sinnes – zum Schaden der Ausarbeitung des Gehörs. Aber egal hier. Scharfsichtig leitet er jetzt die notwendige Bedingung des Sehens ab: das Licht, das alles erhellt, und seine Quelle hat in der Sonne.

(507d) Und ich glaube, sprach ich, daĂź auch die meisten andern, um nicht zu sagen alle, dergleichen nichts bedĂĽrfen. Oder weiĂźt du einen anzufĂĽhren?

Ich keinen, sagte er.

Aber das Gesicht und das Sichtbare, merkst du nicht, daĂź die eines solchen bedĂĽrfen?

Wieso? (….)

Welches ist denn dieses, was du meinst? fragte er.

Was du, sprach ich, das Licht nennst.

Du hast recht, sagte er.

Also sind durch eine nicht geringe Sache der Sinn des Gesichts und das Vermögen des Gesehenwerdens

S508a mit einem köstlicheren Bande als die andern solchen Verknüpfungen aneinander gebunden, wenn doch das Licht nichts Unedles ist.

Im Licht liegt eine Art Wissensform, ein Sich-Bezug des Sehens. Dies soll noch weiter analysiert werden:

8) Das Sehen als Vermögen einerseits und das Licht als Ermöglichungsbedingung andererseits. Dies fĂĽhrt dahin, dass das „Auge“ als Selbstbezugsform des Wissens entdeckt wird.

Das Gesicht ist nicht die Sonne, weder es selbst noch auch das, worin es sich befindet und was

S508b wir Auge nennen.

Freilich nicht.

Aber das sonnenähnlichste, denke ich, ist es doch unter allen Werkzeugen der Wahrnehmung.

9) Im Sehen als einem synthetischen Selbstbezug  von Wissen und Licht muss aber noch eine andere Quelle des Erkennens und des Wissens liegen. Es ist ja nicht das Auge selbst, das sieht, sondern eine höhere Wissensbedingung des Sehens (mit dem Auge).

Das Gesicht ist nicht die Sonne, weder es selbst noch auch das, worin es sich befindet und was

S508b wir Auge nennen.

Freilich nicht.

Aber das sonnenähnlichste, denke ich, ist es doch unter allen Werkzeugen der Wahrnehmung.

Offensichtlich geht es PLATON an dieser Stelle hier um die reine Vernunfteinsicht, um eine apriorische Einheit des Wissens und seiner BegrĂĽndung. Es wird eine theologische Emanation angedeutet („Ausfluss), später wird das näher „erzeugt“, d. h. genetisiert.

508b Und auch das Vermögen, welches es hat, besitzt es doch als einen von jenem Gott ihm mitgeteilten Ausfluß.

Allerdings.

10) Der oben angesprochene „Sprössling“, die Sonne, ist „gezeugt“ in einer Art Analogie („nach der Ă„hnlichkeit“).

Und eben diese nun, sprach ich, sage nur, daß ich verstehe unter jenem Sprößling des Guten, welchen das Gute nach der Ähnlichkeit mit sich gezeugt hat, so daß, wie jenes selbst

S508c in dem Gebiet des Denkbaren zu dem Denken und dem Gedachten sich verhält, so diese in dem des Sichtbaren zu dem Gesicht und dem Gesehenen.

Im Ganzen der Erkenntnisbemühung PLATONS, so ist das faszinierend nachzulesen, geht es um die Formulierung eines Übergangs. Das faktische Sehen allein genügt nicht, es bedarf einer Begründung und Rechfertigung dieses Sehens (des Wissens)  durch eine genetische und systematische  Ableitung des Wissens in und aus einem höchsten Prinzip.

11) Sokrates bringt in diesem Erkenntniszusammenhang dann eine praktisch-willentliche Erkenntnis  ins Spiel:

Wer äußerlich den „Sprössling“ nicht sieht, d. h. das Licht der Sonne, und nicht sehen will, der wird natürlich nichts sehen. Es ist beim Sehen und Erkennen durchaus eine Haltung des Wollens und der Freiheit gefordert, a fortiori beim Erkennen der höchsten Idee des Guten.

Die Augen, sprach ich, weißt du wohl, wenn sie einer nicht auf solche Dinge richtet, auf deren Oberfläche das Tageslicht fällt, sondern auf die nächtlichen Schimmer, so sind sie blöde und scheinen beinahe blind, als ob keine reine Sehkraft in ihnen wäre?

Ganz recht, sagte er.

S508d Wenn aber, denke ich, auf das, was die Sonne bescheint, dann sehen sie deutlich, und es zeigt sich, daĂź in ebendiesen Augen die Sehkraft wohnt.

11) Die Seele – als Bild des Wissens – ist die verinnerlichte Seite der verobjektivierten äuĂźeren Kraft des Sehens (und der anderen Sinne).

Wie das Sehen auf die notwendige Bedingung des Lichtes bzw. auf die Ursache des Lichtes angewiesen ist, auf die Sonne, so ist die Seele angewiesen und bezogen,  in Selbstbezugsform, auf die intelligible „Sonne“ der Idee des Guten.

Die Seele muss dabei – entgegen den vielleicht  schon oft geäußerten Relativismen der  Meinungen – das Licht einer Wahrheit erkennen können, das für sich selbst untrüglich ist und alles Wissen begründet.

(508d) Ebenso nun betrachte //V254// dasselbe auch an der Seele. Wenn sie sich auf das heftet, woran Wahrheit und das Seiende glänzt, so bemerkt und erkennt sie es, und es zeigt sich, daß sie Vernunft hat. Wenn aber auf das mit Finsternis Gemischte, das Entstehende und Vergehende, so meint sie nur und ihr Gesicht verdunkelt sich so, daß sie ihre Vorstellungen bald so, bald so herumwirft, und wiederum aussieht, als ob sie keine Vernunft hätte.

Nochmals wird von PLATON diese höchste Erkenntnis als eine klare transzendentale, im Sich-Bezug des Wissens angesiedelte Erkenntnis beschrieben!

12) Dies ist im Grunde oben schon vorbereitet worden: Wie die Sehkraft selber ja auch nicht von der Sonne herkam, wiewohl die Sonne („der Sprössling“) Bedingung des Lichtes war, so hat der Schöpfer das Vermögen des Sehens geschenkt. Dieses Vermögen ist einerseits klar ein Sich-Bezug, eine Sich-Wissen und eine Gewissheit, ein „substantielle Denk- und Selbstbestimmung“(F. BADER), andererseits soll der BegrĂĽndungs- und Geltungsvollzug zum „Schöpfer“, oder wie immer jetzt diese Geltungsfunktion beschrieben wird – hier mangelt dem Griechischen vielleicht das deutsche Wort „Geltung“? –  nicht verloren gehen. PLATON wollte ja sicher keinen Atheismus lehren neuzeitlicher Prägung, als sei das Selbstbewusstsein Gott. Er fasst dieses Wissen von sich und auf sich selbst, in seiner Faktizität und seiner Genesis, trotzdem genial, siehe dann  508e.

Wenn notwendig die „Beschaffenheit des Idee des Guten“ dem Sich-Bezug des Wissens vorhergeht, so besteht doch klar ein Zusammenhang und ein BegrĂĽndungsverhältnis. Das Wissen (die Geltung) der Idee des Guten (des Absoluten)  ist nicht auĂźerhalb des Wissens zu denken, wiewohl es nicht durch das Wissen bedingt ist, sondern umgekehrt: die Idee  des Guten ist das Unbedingte zum Bedingten des Wissens. Diese Idee ist einerseits unterschieden von „Erkenntnis und Wahrheit“, aber nicht getrennt.

S 508e Dieses also, was dem Erkennbaren Wahrheit mitteilt und dem Erkennenden das Vermögen hergibt, sage, sei die Idee des Guten; (Touto toinun to ten aletheian parechon tois gignoskomenois kai to gignoskonti ten dynamin apodidon ten tou agathou idean)

aber wie sie der Erkenntnis und der Wahrheit, als welche erkannt wird, Ursache zwar ist, so wirst du doch, so schön auch diese beide sind, Erkenntnis und Wahrheit, doch nur, wenn du dir jenes als ein anderes und noch Schöneres als beide denkst, richtig denken.

Erkenntnis 509a aber und Wahrheit, so wie dort Licht und Gesicht für sonnenartig zu halten, zwar recht war, für die Sonne selbst aber nicht recht, so ist auch hier diese beiden für gutartig zu halten zwar recht, für das Gute selbst aber, gleichviel welches von beiden anzusehen, nicht recht, sondern noch höher ist die Beschaffenheit des Guten zu schätzen.

Eine überschwengliche Schönheit, sagte er, verkündigst du, wenn es Erkenntnis und Wahrheit hervorbringt, selbst aber noch über diesen steht an Schönheit. 

Für Lust also hältst du es doch gewiß nicht.

Frevle nicht! sprach ich, sondern betrachte sein Ebenbild noch weiter so.

S509b Wie?

Der hervorragende Selbstbezug der Seele, in ihrer Fähigkeit als Sehen oben schon vorbereitet, ist durch die höchste Idee ein begründetes und wahrhaftes Erkennen, weil es in und aus der Idee des Guten geschieht und vermittels derselben Idee. Ich möchte das Absolutheitsdenken nennen, wie es nur wenige nach PLATON ihm nachtun konnten!

Die höchste Idee des Guten  ist eine die Disjunktion von Denken und Sein transzendierende, sie aber zugleich durch die Evidenz einer wahrhaften Erkenntnis (Erkennen und Wahrheit) rechtfertigende Erkenntnis (de jure) , die die Kraft der Schematisierung und der Bildung, die Kraft von „Wachstum und Gedeihen“, weitergeben kann, ohnerachtet sie selbst nicht bedingt ist von der verstandesmäßigen Bewältigung dieser Einsicht.

509b Die Sonne, denke ich, wirst du sagen, verleihe dem Sichtbaren nicht nur das Vermögen, gesehen zu werden, sondern auch das Werden und Wachstum und Nahrung, unerachtet sie selbst nicht das Werden ist.

Wie sollte sie das sein!

13)Dieses BegrĂĽndungsverhältnis der Erkenntnis und der Wahrheit in und aus  der Idee (nicht in einem selbstausgedachten Guten des Willens)  des Guten (im Absoluten) folgte jetzt sogar verbaliter bei PLATON wiederum eine weiere Spitzenstelle der BegrĂĽndung des sich selbst wissenden Wissens und der apriorischen Einheit von Denken und Sein in und aus dem Absoluten: Die BegrĂĽndung, wiewohl im Wissen erkennbar, muss als transzendental-logischer Grund verschieden gedacht werden, „höher“ als das Sein, aber doch in Einheit mit dem Denken. Im absoluten Grund oder „jenseits“ (epekeina) des Seins muss der Grund selbstbegrĂĽndend sein. Deshalb vielleicht ein anfängliches Zögern des Sokrates und sein Herabspielen seines Vortrages, weil der absolute Grund sich nicht begrifflich-logisch fassen lässt.

(509b) Ebenso nun sage auch, dass dem Erkennbaren nicht nur das Erkanntwerden von dem Guten komme, sondern auch das Sein und Wesen habe es von ihm, da doch das Gute selbst nicht das Sein ist, sondern noch über das Sein an Würde und Kraft hinausragt. (…) (ouk ousia ontos tou agathou all epi epekeina tes ousias kai dynamei hyperechontos)

M. a. W., das Sehen und Gesehene der Sinne, in den Sinnen durch die Einbildungskraft bereits verarbeitetes,  gesetztes Wissen, nochmals ĂĽbertragen auf die Subjekt-Objekteinheit der Seele bei PLATON, ist keine  leere Vorstellungseinheit,  sondern ist qualitatives Totalitätsallgemeines,  Erkenntnis der Erkenntnis der Erscheinungswelt, Bewährung des Wissens und des Seins kraft der Idee des Guten. Die Idee des Guten steht ĂĽber dem Sein – Sein hier als bl0Ăź begrifflich gedachtes Sein verstanden.  Das transzendentale Wissen ermöglicht die Erkenntnis der Phänomene, doch die BegrĂĽndung ihrer Erkennbarkeit und Wahrheit liegt „epekeina“, im Geltungsbezug der  Idee des Guten.

© Franz Strasser, 9. 7. 2015

Print Friendly, PDF & Email

Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser