Transzendentalkritische Lektüre – Ignatius von Antiochen oder die kirchliche Hierarchie, 1. Teil

Warum können oder dürfen Frauen in der röm.-kath. Kirche nicht zu Bischöfinnen/Priesterinnen/Diakoninnen bestellt und geweiht werden, wie eine Bewegung von heute sagt, „Maria, 2.0“?

1) Ich habe die Argumente der Skepsis und der Ablehnung der Priesterweihe von Frauen“ teilweise gelesen. (Siehe ANHANG).

Es sind tiefe, mystagogische Hinführungen zum Priesteramt, zur Person des Heilsvermittlers Jesus Christus, Verweise auf die Hl. Schrift, Verweise auf die lange Rezeptionsgeschichte u. a. m. Ich würde diese Stimmen als „dogmatischen“ Weg zusammenfassen, „dogmatisch“ nicht im Sinne der Theologie, sondern der Erkenntniskritik: 1 Das Wesen eines Sache wird metaphysisch vorausgesetzt, ohne dessen Erkennbarkeit zu prüfen, oder etwas wird ausdrücklich historisch begründet, auf eine Autorität hin, und kann und darf deshalb nicht verändert werden. (Mit dem „historisch“ fällt natürlich sofort auf, dass die quellenkritische und textkritische Grundlage von historischen Texten alles andere als sicher und eindeutig ist, wie die Exegeten uns belehren.)

Wie verhält es sich also mit den Begriffen „Bischof“, „Presbyter“, „Diakon“? Sind sie metaphysischer Natur, d. h. der Sinngehalt ist mit dem Begriff schon gegeben, ohne aber Rechenschaft abzulegen, wie sie zu diesem Sinngehalt gekommen sind? Sind sie rein historischer Natur, so auch wieder wandelbar und veränderbar? Die Exegeten und Historiker sagen uns, es gab selbst im 2. Jhd. n. Chr. noch so viele Unterschiede an Gemeindeführung, dass eine einmalige Vorgabe, wie sie die Ignatius-Briefe nahelegen, keineswegs allgemeine Vorschrift war. Seltsam nur, dass sich diese Ämterhierarchie, in den Pastoralbriefen ansatzweise schon zu finden, deutlicher dann in den Ignatius-Briefen, durchgesetzt hat – und diese Bindung an das männliche Geschlecht.

2) Gegen diese Vereinnahmung der Historie für Legitimationsfragen begehrt der „emanzipatorische“ Weg zurecht auf. Bloße Historie ist wandelbar. Das ist alles nur zeitbedingt gewesen, alles nur Deutung, und kann vernünftig nicht mehr legitimiert werden.

3) Rein aus Egalitätsgründen etwas abzuschaffen, das muss wahrlich noch keinen Sinn haben.2 Aber was ist wirklich, von der Argumentationskraft der Vernunft her gesehen, ein Kriterium, auch für Frauen diese kirchlichen Ämter „Bischof“, „Priester“, „Diakon“ zu öffnen?

Meine These: Es gibt eine Reflexionsform einer Offenbarungsreligion, die notwendig die Repräsentation und Installation von kirchlichen Ämtern verlangt, weil notwendig eine Erkenntnis auch deren Realisierung und Anwendung bedingt.

4) Die Erkenntnis, die sozusagen alles andere damals beim Heiligen IGNATIUS oder dem Autor um 160/175 übertraf, musste eine starke und klare Erkenntnis gewesen sein, dass ich sie, wie in einem 1. Teil schon kurz beschrieben, „genetische“ Erkenntnis nennen möchte. Diese Erkenntnis kommt aus der positiven Offenbarung Gottes selbst, aus einem mit seiner Folge verbundenen Grund, d. h. aus einem Akt, verbunden mit seinem Sein. Die Notwendigkeit der Errichtung einer Heils- und Sinnordnung, rückbezogen auf die positive Offenbarung Gottes, muss im Herzen des Heiligen/des anonymen Autors und generell in den Herzen der damaligen Christen so aktuell, drängend und gewiss gewesen sein, dass sie sich für eine Form einer hierarchischen Ausdrucksweise (frei) entschieden haben – damit eben die genetische Erkenntnis erfahrbar und sichtbar bleibe.

Im Mittelpunkte des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, trotz physischer und psychischer Verfolgung, trotz geistiger Angriffen seitens der Gnosis, stand eine stark erlebte Erlösungs- und Sinnidee, die zur Erfahrbarkeit und Realisierung drängte – je nach damaligem Rezeptionsgrad und Verständnis.

Genetisch“ heißt, vernünftige Einsicht, Rückbezug auf einen absoluten Geltungsgrund und zugleich Vorgriff auf eine angestrebte, religiöse Durchdringung des Alltags und Vorgriff auf eine eschatologische Erlösung. Kein sichtbares Sein, ohne genetisches Wissen um dessen Erzeugung, und keine genetische Erkenntnis ohne Realisierung derselben im individuellen wie gesellschaftlichen und politischen Alltag.

Warum sich nicht andere Gemeindemodelle durchgesetzt haben, wie es deren viele gegeben hat, wie uns die Exegeten und Althistoriker aus Textkritik und Quellenkritik erklären, hilft uns im letzten in der Entscheidbarkeit der Sache nicht weiter: Faktisch hat sich diese „genetische“ Erkenntnis des Märtyrerbischofs IGNATIUS – oder pseudoepigraphisch in Anspruch genommen von einem anonymen Autor zwischen 160 und 180 n. Chr. – bis heute durchgesetzt, zumindest im katholischen und orthodoxen Bereich.

Die „genetische“ Erkenntnis aus der geschenkten positiven Offenbarung bedingte eine starke religiöse  und mystische, intuitive und intelligierende Realisierung. Das gemeindliche, „katholische“ Zusammenleben, die Sakramente, die Hierarchie, die soziale Gleichstellung unter Christen aller Völker und Sprachen, die katholische Einheit u. a. m. sind daraus abzuleiten.

Der Heilige oder der anonyme Autor oder die Christen der damaligen Zeit waren vor die Entscheidung gestellt, a) entweder durch abstrakten Rückschluss auf einen absoluten Werthorizont und auf eine historische Offenbarung eine Art regulative Idee einer kirchlicher Herrschaft und Administration zu finden, um in der Gesellschaft bestehen zu können, sozusagen eine Art politische und kluge Kirchenordnung zu finden, damit das Erbe nicht verloren gehe, oder b) der Heilige/der anonyme Autor/die Christen gingen von einer transzendental-konstitutiven Idee aus, dass eine sakramentale Ordnung inklusiv sakramentaler Ämter und Hierarchie notwendig installiert werden musste, weil sonst, früher oder später das Erbe und die Sinnidee der Erlösung verschwinden würde.

Natürlich sehe ich das Zweite als Entscheidungsgrund – auch als starke Gegenposition zur Gnosis: die geschenkte Erlösung, die Vergebung, die Gnade durch die positive Offenbarung JESU CHRISTI, sie sollte und konnte nur als konstitutive Idee, als Sinnidee neuen Lebens schlechthin, erhalten bleiben. Diese Erkenntnis verlangte eine spezifische Weitergabe und Realisierung. Die Sinnidee einer sakramentalen Weltordnung und eines neuen Zusammenlebens entwickelte sich notwendig.3

Anders gesagt: Die transzendentale Sinnidee der geschenkten Vergebung und Erlösung drängte von sich her zu einer kontinuierlichen, permanenten, neuen und pertinenten Lebensordnung, die Welt und das ganze Zusammenleben christlich zu gestalten und zu bestimmen. Eine bloß gnostische Weitergabe einer Lehre genügte bei weitem nicht.4

Die Anwendung dieser Sinnidee, die genetisch aus der gesamten Offenbarung Gottes kommt, aber in JESUS CHRISTUS konkret geworden ist, verlangte mit der Fortdauer der Zeit und Geschichte und der je größeren Entfernung vom historischen JESUS, dem „Urheber des christlichen Glaubens“, der ebenfalls größer werdenden historischen Entfernung von den Aposteln, mit der Entfernung von den Propheten, mit der Nähe der sehr angesehenen Rolle der Märtyrer (These von R. M. Hübner), eine neue, sakramentale und damit einhergehend rechtliche Verfassung, zumal die Zahl der Gläubigen ebenfalls mehr geworden war.

Diese zu errichtende, sakramentale und „katholische“ Weltsicht und Verfassung musste dabei einerseits ganz vom absoluten, zeitlosen Werthorizont der Offenbarung selbst her begründet sein, also vernünftig und schriftgemäß argumentierbar gegenüber allen Skeptikern, Philosophen, Gnostikern, Religionen, andererseits musste diese Erkenntnis und Einsicht geschichtlich und medial, sakramental vermittelt werden, individuell und universell, sittlich und rechtlich lebbar.

Das verlangte jetzt viele mediale und praktische und gesellschaftliche Schemata, die real vollzogen werden wollten.

Die Ämter Bischöfe, Priester, Diakone waren historisch schon bekannt – siehe z. B. Pastoralbriefe – aber sie sollten zusätzlich zum historischen Argument eine sakramentale Vertiefung und Legitimation erfahren.

Wenn ich diesen Ämtern von vornherein krankhafte, patriarchalische, psychoanalytische oder diskurstheoretische Herrschaftsansprüche  unterstellen möchte, projiziere ich heutige Fragestellungen auf diese Zeit zurück, treffe aber nicht deren genetische Herleitung und Sinnbildung – und tue in vielen Passagen dem wörtlichen Text gewaltiges Unrecht.

5) M. E. kann dieser Prozess der ersten rudimentären Strukturen und Ämter in der Gemeinschaft der Christen nur mit transzendental-reflexiven Begriffen angemessen beschrieben werden, d. h. mit Begriffen genetischer Erkenntnis, wie aus einem zureichenden Grund eine Folge abzuleiten ist. Die Form der damaligen Fragestellungen, die Hypothesen, die Zusatzannahmen, die hermeneutischen Zusatzbedingungen, der manifesten Geltungsansprüche, sie können in ein genetisches Schema verwandelt eine halbwegs hinreichende Bedingung ergeben, warum eine männliche Hierarchie geschaffen worden ist.

Dem Heiligen (ca. 110 n. Chr.) oder dem anonymen Autor um 160/175 n. Chr. ist immer schon Gott als Vater „patriarchal“ vermittelt worden; es handelt die Hl. Schrift von Männern wie Abraham, Isaak und Jakob, vom Mann Mose, den Propheten, von Johannes dem Täufer, von JESUS CHRISTUS – einem Mann – den Aposteln, von Paulus. Die Frauen hatten in der ganzen Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der Hl. Schrift eine andere prominente Rolle, angefangen von Eva, Sara, den Frauen in den Stammbäumen, den Frauen im Neuen Testament, der Jungfrau MARIA, der Frauen in den Grußlisten des Apostels Paulus. Warum sollten jetzt, im 2. Jhd. n. Chr., allen sozialen und gesellschaftlichen und kulturellen Gepflogenheiten zum Trotz, ausgerechnet auch Frauen für das Bischofs-, Priester- und Diakonenamt vorgesehen sein?

Ich sehe hier den Heiligen/den Autor als ein Kind seiner Zeit. Er verkündete zwar eine egalitäre, katholische, auf die Gleichheit der Geschlechter ausgerichtete Gnade und Erlösung, vernünftig gerechtfertigt, aber es lag außerhalb seinen Denkhorizont, ebenfalls Frauen für ein geweihtes Amt vorzusehen. Der Inhalt seiner Botschaft zielte aber gerade nicht auf eine patriarchale Struktur und Geschlechterungleichheit, sondern auf eine bestmögliche, individuelle wie universale Weitergabe der Idee des Heils. Im Verfahren und Schweben der Einbildungskraft hinsichtlich der Errichtung einer sakramentalen Heils- und Sinnordnung schien dem Heiligen bzw. dem anonymen Autor und der dahinterstehenden Gemeinde eine männliche Hierarchie am zweckdienlichsten.

6) M. a. W., der Fokus der Etablierung lag in der Etablierung einer kirchlichen Heils- und Sinnordnung, die individuell wie universal das Heil versprach, bei Gott intentional und in Wirklichkeit schon erfüllt, in der kirchlichen Gemeinschaft auf unendliche Zukunft und auf geschichtliche Realisierung und Inkarnation ausgerichtet.

M. E. hat das II Vatikanum in der Kirchenkonstitution LG das gut ausgedrückt, wenn es vom „gemeinsamen Priestertum spricht, dass alle zu einer Form der Partizipation am Priestertum CHRISTI berufen sind. Das Wesen dieses Priestertums kann verschieden administriert werden, aber ist dem Grade nach nicht differenziert. (Siehe dort).

Wie hätte der Heilige um 110 n. Chr. oder der anonyme Autor um 160 – 175 n. Chr. plötzlich zu einer anderen Anschauung kommen sollen und sagen, die „Witwen“ oder „Jungfrauen“ sollten ebenfalls zu Priesterinnen geweiht werden? Und selbst wenn der Heilige so „fortschrittlich“ gewesen wäre, wie hätte er verstanden und akzeptiert werden sollen, hätte er Frauen tatsächlich als „Priesterinnen“ vorgesehen und auf deren Etablierung gedrängt? Das hätte zu großen Missverständnissen, die der Sache nach nicht wert gewesen wären, geführt.

Einen ausdrücklich patriarchalen Diskurs kann ich bei weitem nicht erkennen, eher im Gegenteil, es schwingen viele warmherzige, emotionale, häusliche, aus der Frauenwelt stammende Begriffe mit. Ich finde auch keinen bloß betriebswirtschaftlichen Diskurs, wie ein Unternehmen zu führen sei, keinen Machtdiskurs, keinen elitären oder gnostischen Diskurs, im Gegenteil, eher ein mütterlich-frauenhaftes Besorgtsein um die christliche Familie und Gemeinschaft: dass alle Geschlechter, Männer wie Frauen, Sklaven wie Freie, Juden und Griechen, Römer und andere Völker, in katholischer Weise Anteil bekommen sollten an der göttlichen Vergebung und Rettung – gerade durch die sakramentale Vermittlung. Das Sakramentale am Amt ist aber wohl nicht an das Geschlecht gebunden?!

 

(c) Franz Strasser, 21. 8. 2019

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ANHANG

Als sehr schöne Mystagogien sind zu lesen u. a.:

Presbyterium ordinis von Papst Paul VI – 1965

Nachsynodales Schreiben  – Papst Joh. Paul II 1992 „Pastores dabo vobis“ Direktorium für den Klerus 2013 Pastores Dabo Vobis (25. März 1992) _ Johannes Paul II_

oder Vita Consecrata von Joh. Paul II v. 25.3. 1996 vita-consecrata

Kongregation für den Klerus: Der Priester, Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente und Leiter der Gemeinde für das dritte christliche Jahrtausend, 19. 3. 1999der-priester-lehrer-des-wortes-diener-der-sakramente-und-leiter-der-gemeinde-fr-das-dritte-christliche-jahrtausend-19

Kongregation für den Klerus: Der Priester, Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde, Instruktion, 4. 8. 2002 Kongregation für den Klerus, Der Priester, Hirte und LEiter der Pfarrgemeinde_157

Direktorium für den Klerus unter Papst Benedikt XVI, 2013 Direktorium für den Klerus 2013

Anbei jetzt noch eine Zusammenstellung von Dr.in M. Schlosser zur Ablehnung der Priesterweihe von Frauen

1) Vor 25 Jahren, am 22. Mai 1994, veröffentlichte Johannes Paul II. das Apostolische Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“. Darin erklärte der Papst, dass die Kirche keinerlei Vollmacht habe, Frauen die Priesterweihe zu spenden. Dieses Schreiben schloss sich an die 1976 unter dem Titel „Inter Insigniores“ erschienene Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Frage der Zulassung der Frauen zum Priesteramt an.

2) 1995
(1)Antwort auf den Zweifel bezüglich der im Apostolischen Schreiben »Ordinatio sacerdotalis« vorgelegten Lehre, Kongregation für die Glaubenslehre, 28. Oktober 1995, http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_19951028_dubium-ordinatio-sac_ge.html;

(…) Antwort auf den Zweifel
bezüglich der im Apostolischen Schreiben
»Ordinatio sacerdotalis« vorgelegten Lehre

Zweifel: Ob die Lehre, die im Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis als endgültig zu haltende vorgelegt worden ist, nach der die Kirche nicht die Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, als zum Glaubensgut gehörend zu betrachten ist.

Antwort: Ja.

Diese Lehre fordert eine endgültige Zustimmung, weil sie, auf dem geschriebenen Wort Gottes gegründet und in der Überlieferung der Kirche von Anfang an beständig bewahrt und angewandt, vom ordentlichen und universalen Lehramt unfehlbar vorgetragen worden ist (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 25,2). Aus diesem Grund hat der Papst angesichts der gegenwärtigen Lage in Ausübung seines eigentlichen Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), die gleiche Lehre mit einer förmlichen Erklärung vorgelegt in ausdrücklicher Darlegung dessen, was immer, überall und von allen Gläubigen festzuhalten ist, insofern es zum Glaubensgut gehört.

Papst Johannes Paul II. hat in der dem unterzeichneten Kardinalpräfekten gewährten Audienz die vorliegende Antwort, die in der ordentlichen Versammlung dieser Kongregation beschlossen worden war, gebilligt und zu veröffentlichen angeordnet.

Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, den 28. Oktober 1995, am Fest der Hll. Apostel Simon und Judas.

3) 1995Erläuterungen

http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_19951028_commento-dubium-ordinatio-sac_ge.html

(….)“ Was die Grundlage in der Heiligen Schrift und in der Tradition anbelangt, weist Johannes Paul II. darauf hin, daß Jesus nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes nur Männer, und nicht Frauen, zum Weiheamt berief, und daß die Apostel “das gleiche taten, als sie Mitarbeiter wählten, die ihnen in ihrem Amt nachfolgen sollten” (Apost. Schreiben «Ordinatio sacerdotalis», Nr. 2; vgl. 1 Tim 3,lff., 2 Tim 1,6; Tit 1,5). Es gibt gültige Argumente dafür, daß die Vorgehensweise Christi nicht durch kulturelle Gründe bedingt war (vgl. Nr. 2), so wie auch hinreichende Gründe dafür vorhanden sind, daß die Tradition die vom Herrn getroffene Wahl als für die Kirche aller Zeiten bindend ausgelegt hat.

Hier stehen wir aber bereits vor der wesentlichen gegenseitigen Abhängigkeit von Heiliger Schrift und Tradition, einer Wechselbeziehung, die diese beiden Arten der Weitergabe des Evangeliums zu einer untrennbaren Einheit verbindet – zusammen mit dem Lehramt, das wesentlicher Bestandteil der Tradition und authentische Interpretationsinstanz des geschriebenen und überlieferten Wortes Gottes ist (vgl. Konst. «Dei Verbum», Nr. 9 und 10). Im spezifischen Fall der Priesterweihen haben die Nachfolger der Apostel stets die Norm befolgt, die Priesterweihe nur Männern zu spenden; und mit dem Beistand des Heiligen Geistes lehrt uns das Lehramt, daß dies nicht aus Zufall, nicht aus gewohnheitsmäßiger Wiederholung, nicht aus Abhängigkeit von den sozialen Bedingtheiten, und noch weniger aus einer angeblichen Unterlegenheit der Frau kommt, sondern weil “die Kirche stets als feststehende Norm die Vorgehensweise ihres Herrn bei der Erwählung der zwölf Männer anerkannt hat, die er als Grundsteine seiner Kirche gelegt hatte” (Apost. Schreiben «Ordinatio sacerdotalis», Nr. 2).

(…..) „Um zu verstehen, daß es sich hier nicht um eine Ungerechtigkeit oder Diskriminierung den Frauen gegenüber handelt, muß man zudem auch die Natur des priesterlichen Amtes betrachten, das ein Dienst ist und nicht eine Position menschlicher Macht oder eines Vorranges über andere. Wer, ob Mann oder Frau, das Priestertum als persönliche Bestätigung, als Ziel oder gar als Ausgangspunkt einer menschlichen Erfolgskarriere versteht, unterliegt einem grundlegenden Irrtum, denn die wahre Bedeutung des christlichen Priestertums – sowohl des gemeinsamen Priestertums der Gläubigen als auch in ganz besonderer Weise des Amtspriestertums – kann man nur in der Hingabe der eigenen Existenz in Vereinigung mit Christus zum Dienst am Nächsten finden. Das priesterliche Amt kann nicht das allgemeine Ideal und noch weniger das Ziel des christlichen Lebens sein. In diesem Sinn ist es nicht überflüssig, noch einmal zu wiederholen, daß “das einzige höhere Charisma, das sehnlichst erstrebt werden darf und soll, die Liebe ist (vgl. 1 Kor 12-13)” (Erklärung «Inter insigniores», VI).

4) 2018

Zu einigen Zweifeln über den definitiven Charakter der Lehre von Ordinatio sacerdotalis, 29. Mai 2018, Luis F. Ladaria, S.I., Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/ladaria-ferrer/documents/rc_con_cfaith_doc_20180529_caratteredefinitivo-ordinatiosacerdotalis_ge.html

Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt“ (Joh 15,4). Nur dank ihrer Verwurzelung in Jesus Christus, ihrem Gründer, kann die Kirche der ganzen Welt Leben und Heil bringen. Diese Verwurzelung erfolgt in erster Linie durch die Sakramente, deren Mitte die Eucharistie ist. Von Christus eingesetzt, sind die Sakramente Grundsäulen der Kirche, die sie fortwährend als seinen Leib und seine Braut auferbauen. Zutiefst mit der Eucharistie verbunden ist das Weihesakrament, durch das sich Christus der Kirche als Quelle ihres Lebens und Handelns gegenwärtig macht. Die Priester werden „Christus gleichförmig“ gemacht, „so dass sie in der Person des Hauptes Christus handeln können“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 2).

Christus wollte dieses Sakrament den zwölf Aposteln verleihen, die alle Männer waren, und diese haben es ihrerseits anderen Männern übertragen. Die Kirche wusste sich immer an diese Entscheidung des Herrn gebunden, die es ausschließt, das Priestertum des Dienstes gültig Frauen zu übertragen. Johannes Paul II. lehrte in dem Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis vom 22. Mai 1994: „Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ (Nr. 4). Die Kongregation für die Glaubenslehre bekräftigte in Antwort auf eine Frage zur Lehre von Ordinatio sacerdotalis, dass es sich hier um eine Wahrheit handelt, die zum Glaubensgut (depositum fidei) der Kirche gehört.

5) 2019

(….) Siehe dazu https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/Warum-die-Kirche-Frauen-nicht-zu-Priestern-weihen-kann;art312,198321

Marianne Schlosser, Unmöglichkeit des Weihamtes für Frauen – siehe Artikel in: https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/aktuell/Marianne-Schlosser-erklaert-Unmoeglichkeit-der-Frauenweihe;art4874,201577

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1In der Vorrede zur 2. Auflage der KrV gibt KANT eine Beschreibung von „dogmatisch“: „Die Kritik ist nicht dem dogmatischen Verfahren der Vernunft in ihrem reinen Erkenntniß, als Wissenschaft, entgegen gesetzt (denn diese muß jederzeit dogmatisch, d.i. aus sicheren Principien a priori strenge beweisend, sein), sondern dem Dogmatism, d.i. der Anmaßung, mit einer reinen Erkenntniß aus Begriffen (der philosophischen) nach Principien, so wie sie die Vernunft längst im Gebrauch hat, ohne Erkundigung der Art und des Rechts, womit sie dazu gelangt ist, allein fortzukommen. Dogmatism ist also das dogmatische Verfahren der reinen Vernunft ohne vorangehende Kritik ihres eigenen Vermögens“.(KrV, ebd. B XXXV.

3Ich bin jetzt sehr versucht auf die spätere Sakramententheologie des Hl. Augustinus hinzuweisen, nur passt es halt historisch nicht zusammen. Aber die platonischen Wurzeln scheinen mir dieselben zu sein. Die Installierung einer sakramentalen Sinn- und Weltordnung zu Ignatius Zeiten und die Sicht des Hl. Augustinus sind geistig verwandt: Zur Sakramententheologie des Hl. Augustinus siehe diverse Literatur; siehe z. B. „De Doctrina christiana“ II, I, 2f; oder AUGUSTINUS, Sermo 272 (PL 38: 1247): „Ideo dicuntur sacramenta, quia in eis aliud videtur, aliud in- telligitur. Q u o d videtur, speciem habet corporalem, quod intelligitur, fructum habet spiritualem.“ Übersetzung: Diese Dinge heißen deshalb Sakramente, weil an ihnen etwas gesehen, aber etwas anderes eingesehen wird. Was gesehen wird, hat eine körperliche Form, was eingesehen wird, hat geistliche Frucht.“

4Den Ausdruck „pertinent“ entnehme ich dem Buch „Ethik“ und dem Buch „Die Konstitution der Zeit im Bewusstsein von R. Lauth. „Werte sind Willensqualitäten; sie sind das Materiale des Willens selbst (…) Wille besagt, dass es um etwas geht. Ich fasse diesen Wesenscharakter des Willens im Terminus Pertinenz zusammen. (…) Pertinenz kann positiv oder negativ sein; wir können Wertsetzungen als bejaht oder verneinte, als geliebte oder gehasste (im formalen Sinne dieser Wörter), als anerkannte oder verworfene setzen“: In „Ethik in ihrer Grundlage aus Prinzipien entfaltet. Stuttgart, Berlin u. Köln 1969, S 25.

Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser