Schöpfungserzählung 1. Teil – oder die Metaphysik des Absoluten.

Schöpfungserzählung 1. Teil – oder die Metaphysik des Absoluten.

1) בראשית ברא אלהים את השמים ואת הארץ

Propyläen, München, Architekt Leo v. Klenze, 1862 fertiggestellt

bereschit bara elohim et haschamaijim weet haarez

2) ᾿Εν ἀρχῇ ἐποίησεν ὁ θεὸς τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν.

3) In principio creavit Deus caelum et terram

Im Anfang schuf …….

1) Wollte man die Schöpfungserzählung Gen 1 literarkritisch beschreiben, so stößt man bald auf verschiedenste Klassifizierungen und  Meinungen: Ein spezifischer Schöpfungsmythos im kritischen  Vergleich zu anderen Mythen des Vorderen Orients, ein liturgisches Lied, eine ätiologische Erklärung des Sabbats, eine Katechese u. a. m.  Ich interpretiere rein historisch diesen Text dahingehend, dass in krisenhaften Situation, vielleicht im babylonischen Exil (586 n. Chr.), der Glaube an den befreienden Gott (aus Ägypten) neu reflektiert und gefestigt werden musste,  und zwar in erkenntniskritischer, vernunfttheoretischer Weise, d. h.  in einer Weise, die von allen für alle zu jeder Zeit nachvollzogen werden konnte. Die historische Bedingung ist nur äußerlicher Anlass gewesen: Vertrieben aus Jerusalem (oder schon wieder zu Hause?) in Babylon,  ohne besonderen Tempelkult, ohne Priesterschaft, ohne Königtum, auf fremder Erde, wie kann man noch an den befreienden Gott  aus Ägypten glauben? Die historischen Gründe können wohl nicht mehr eruiert werden, doch die Erkenntnis in Gen 1 muss als originäre, neue Erkenntnis, als unableitbare neue Sicht gewertet werden, die wir bis heute als zeitlos gültig ansehen. Deshalb scheint es mir berechtigt zu fragen:  Was sind die Bedingungen der Wissbarkeit einer „Schöpfung“ und eines theoretisch vorstellenden wie praktisch handelnden, freien  Menschen – was dieser Text ja unvergänglich sagt und heute noch vernunftkritisch nachvollziehbar sein lässt. 

Da es eine explizit transzendentalkritische Exegese noch nicht gibt, verlegen sich manche Exegeten auf historische Vergleiche und  sprachanalytische Unterscheidungen, als sollte die Historie oder die Redeform selbst, letzteres z. B. als naturwissenschaftlicher Bericht oder als liturgische Rezitation und Gesang,  von sich her die Erkenntnis und den Glauben an den ewigen und universalen Schöpfer- und Bundes-Gott vermitteln. Diese hochgelehrten, historischen Untersuchungen schürfen zwar diverse Formen und  Vergleiche mit anderen Religionen und Schöpfungsmythen zutage, letztbegründendes Kriterium der Gültigkeit von Gen 1 muss  aber m. E.  die apriorische Vernunftwahrheit selbst sein, d. h. inwiefern dieser Text auf seine transzendentale Konstitution  der Wahrheit hin heute noch genauso nachvollziehbar und denkbar ist, wie dem Verfasser (oder pl. Verfassern) von damals.  (Am ehesten scheint mir unter den vielen textkritischen, literarkritischen, humanwissenschaftliche und  hermeneutischen Zugängen zur Hl. Schrift noch die Form-Kritik oder Motiv-Kritik dieses transzendental-kritische Denken  und Lesen nach apriorischen Wissbarkeitsbedingungen aufzugreifen.)  

Meine Herangehensweise: Wie sind die Aussagen in Gen 1 im geistigen Handeln des Menschen selbst begründbar, also auf ihre Bedingungen der Wissbarkeit  hin analysierbar, sodass sie universal verstehbar und zeitlos gültig und wahr sind? 

Dies bedingt weiter, dass so ein berühmter Text nicht zufällige Zeit-Erscheinung sein kann, der auf sein Autorität hin historisch und blind hingenommen werden muss, sondern bereits ein Ausbildungsform der Vernunft darstellt, die als solche in apriorischen Formen und Gesetzen handelt – und aus einem absoluten, göttlichen Geltungsgrund solche Aussagen machen kann.  Geschichte ist einerseits immanente Produktionsform der Vernunft, nicht Aneinanderreihung von historischen Data oder Anhäufung von unendlich vielen komparatistischen Vergleichen, andererseits Erscheinungsform aus einem trans-immanente Prinzip der Erscheinbarkeit Gottes, also nach einem apriorischen Maßstab des Sollens ausgerichtet. 1

Die Form der Vernunft wählt hier in Gen 1 eine Sprache, die erst im Durchreflektieren des Gemeinten voll verstanden werden kann, nicht  z. B. a) eine wissenschaftstheoretische Beobachtungssprache, als sei bei der Schöpfung etwas zu beobachten oder zu vermessen (gewesen), das  mit gewissen empirischen Begriffen beschrieben werden könnte, aber auch nicht b) eine bloße Phantasiesprache und Poetik, die irgendein psychisches Bedürfnis ausdrückt, sondern zuhöchst Wahres, subjektiv wie objektiv Wahres und Gutes und Schönes, eine apriorische Erscheinungsform des absolutum selbst, soll verkündet werden. Von einer  Logik und Logifizierung der Begriffe, von Wissenschaftstheorie und empirischen Messungen, von Physik im Makro-  oder Mikrobereich, oder von bloßer Poesie, Psychologie, kann hier in Gen 1 nicht ausgegangen werden, das wäre ja fatal und ginge völlig in die Irre. Diese sog. „Naturwissenschaften“ mit ihren Axiomen und Definitionen und Hypothesen fußen ja auf die Begründungen,  die sie selbst nicht  in ihrer Beobachtersprache begründen können. Hier aber soll etwas  a priori begründet und gerechtfertigt werden, dem absoluten Geltungsgrund nach.
Ich formuliere a fortiori: Wenn  schon in der empirischen Empfindungs- und Gefühlswelt darauf gerechnet wird, dass wir
spontan  und unmittelbar auf Hemmungen reagieren und eine sinnliche Innen- und Außenwelt mit den spezifischen Werkzeugen der Sprache  zu beschreiben versuchen und frei reagieren können, wie viel mehr wird uns im Sprechakt eines Textes von Gen 1 und seiner ganzen Aussageabsicht angemutet, das darin liegende personale Sollen als Einheit von Zeichensetzung und Bezeichnung reflexiv zu verstehen und als Realisierungs- und Sinnforderung eines absolut guten Willens, der sich in der Schöpfung aussagen will, spontan nachzuvollziehen? 2

So muss m. E., um nur eine Sequenz herauszugreifen, der explizite Schöpfungsauftrag Gen 1, 26.28 so  ausgelegt werden, dass an das „Abbild“ und „Bild Gottes“  eine Realisierungs- und Sinnforderung an ein bereits substantiell freies Vernunftwesen ergeht, das befähigt ist zu  einem freien, selbstständigen Bilden und Sein, zu einem Verwirklichen von Freiheit und interpersonaler Sinnerfüllung, weil umgekehrt nur so die Durchsichtigkeit  auf die apriorische Vernunftoffenbarung und Äußerung Gottes bezeugt und  sichtbar werden kann.
„Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen walten…….“ Im Abbild liegt die Sichtbarkeit des unsichtbaren Gottes und der inkarnierte reine, heilige Wille seiner Grundintention nach.  In der Einheit einer Aufforderung zu einem freien Handeln bildet sich die Intention des Schöpfers ab. Diese Einheit einer Aufforderung ist noch keine Trennung von Performation und Proposition, von Referenz und Prädikation, sondern projektiv-zweckhaft, virtuell ist vorweggenommen, was den Sprechakt und das Verstehen  und  die performative Kraft einer vorauszusetzenden Konstitutionsbedingung erst ermöglicht:  eine gesollte und gewollte  Einheit eines übereinstimmenden, glaubenden, vertrauensvollen Wollens im reinen Willen (Gottes).
M. a. W., das vorstellende und praktische Handeln des Vernunftwesens „Mensch“  kann als „Abbild“ sich bewähren, wenn die Sichtbarkeit des heiligen Willens in ihm selbst zu Bedingungen der Freiheit zum Ausdruck kommt. Ohne diese genetische Begründung seiner Abbildhaftigkeit, eine Begründung aus sich,  ist der Mensch nichts, ein nicht identifi
zierbares Wesen oder ein determiniertes, zufälliges Produkt – und umgekehrt, wird alle sichtbare Außenwelt nicht als Schöpfung erkannt. 3

Anders gesagt: Nicht eine objektivierende  Prädikationsform einer kausal-begrifflichen Erklärung  oder ein bloß von einer anderen Religion hergeholter, historischer  Ausdruck „Abbild“  kann den Glauben und das Wissen der Rede (des Liedes)  Gen 1  tragen und begründen, sondern eine genetisch erkannte, wohlunterschiedene, repräsentative Reflexionsform des Wissens, eine substantielle Einheit der „Seele“ (Platon). Das „Abbild“, bringt in seinem Sehen notwendig diese Sicht mit – wenn die Seele/das Abbild sich als als solche/solches begreifen will. 
Die das „Abbild“ umgebende Welt, das ganze Universum, die anorganische  und organische Natur, die gesellschaftliche Natur, alles Sein, wird hier in Gen 1 durch die im Vernunftwesen selbst liegenden apriorischen Erkenntnisbedingungen hindurch gesehen – nicht durch nachträgliche Messungen oder Beobachtungen – weil die Offenbarung oder Äußerung Gottes in einer Art und Weise eines Selbstbezuges erscheint, die von einem endlichen, sterblichen Vernunftwesen aufgefasst und reflektiert werden kann. Wie diese Konstitutionsgenese eines Zusammenhangs des Unbedingten mit dem Bedingten eines Abbildes (einer Seele) – das nenne ich hier die „Metaphysik des Absoluten“ zu transzendentalen Bedingungen – aussagbar ist, ansonsten der Schöpfungsbericht nicht verständlich sein kann, das ist die Kunst und die Anforderung der Transzendentalphilosophie.

Was ist vernunfttheoretisch verlangt? Es soll weder die Gottesidee selbst zeitlich oder objektivistisch verendlicht, noch das endliche Vernunftwesen gänzlich vom absolutum abgetrennt und geschieden sein.  Es muss a) in einer Selbstbezugsform sowohl von Seiten des absolutum eine gebundene, in sich geschlossene Form der Aussage geben, die als Sollensform ganz hervortritt, ohne Hinterlegung oder Hinterstellung einer zeitlichen oder räumlichen Willkür, wodurch aller Schöpfungsbegriff vernichtet wäre, d. h. überhaupt keine Schöpfung mehr gedacht werden könnte, b) als auch von Seiten des Vernunftwesen „Abbild“ muss eine klare Selbstbezugsform zum absolutum (egologisch) möglich sein zu eigenen Bedingungen der Freiheit.  Oder anders ausgesagt, gegenüber einer bloß naturalistischen Weltanschauung: Die Bedingungen der Erscheinbarkeit Gottes sind abgestimmt und rückbezüglich zum Erkenntnis- und Wissensakt des „Abbildes“ (egologisch) formuliert – und anders könnte eine Welt als „Schöpfung“ gar nicht erkannt werden.

2) Wie kann das transzendental-deduktive Gesetztsein des Menschen  (als „Abbild“) und der übrigen Schöpfung in ein philosophisch-rationales Verstehen übergeführt werden? M. a. W., wie kann das Verhältnis Absolutes/Geschaffenes rational so gedacht werden, dass sowohl die Absolutheit und absolute Andersartigkeit Gottes, als auch das ständige Bezogensein des „Abbilds“ wie der ganzen Schöpfung auf diesen absoluten Geltungsgrund gewahrt bleiben?
Das Verhältnis eines Denkens von Schöpfer/Schöpfung (Absolutes/Geschaffenes) offenbart m. E. einen
Setzungsgrund, der
a) weder aus dem Bewusstsein alleine erklärt werden kann, so als könnte das Bewusstsein aus eigener Position das Absolute denken und setzen. (Das ist  oberflächlich und dumm – siehe z. B. bei Schelling, Hegel, Feuerbach u. Co. Sie sind nur zu einem immanent vorgestellten absolutum aufgestiegen bzw. zur expliziten Leugnung desselben.) –
b) noch offenbart das Verhältnis Absolutes/Geschaffenes ein bloß begrifflich gedachtes absolutum, einen ad infinitum fortschreitenden Erkenntnisgrund einer realen Ursache oder einer Emanation Gottes, wie es in asiatischen Religionen zu finden ist (oder ebenfalls bei Schelling oder in antiken emanatistischen Erklärungen). 
c) Das Denken des Absoluten, außerhalb dessen Erscheinung notwendig kein anderes Sein sein kann, muss sowohl das Bezogensein  auf das absolute Sein, als auch die Möglichkeit eines schematisierenden Bild-Seins und einer eigenständigen, individuellen Vielheit der Freiheit (Interpersonalität) und einer unendlich zu reflektierenden Welt zum Ausdruck bringen können. 
Ich möchte dieses Verhältnis Absolutes/Geschaffenes etwas behelfsmäßig und ausbaufähig kurz so beschreiben – natürlich viel schärfer und genauer in Fichtes WLn nachzulesen: Das Verhältnis Absolutes/Geschaffenes ist
eine Ursache, die ihren Grund außerhalb des Begründeten hat;  eine Ursache als Grund, die Grund einer Folge ist, die im Aufgerufen- und Aufgefordertsein, in einem Bezogensein von Freiheit,  existentiell und dauernd und zeitlos und frei und unendlich bestimmbar eingesehen werden kann. Einerseits kann alles, was da ist, nur durch das absolute Dasein und den Existentialakt des Absoluten da sein; andererseits gewinnt im Grund-Folge-Denken und der Eruierung einer transzendentalen Wissensstruktur  (des Selbstbewusstseins) das Bild der Genesis (das Hervorgehen der Schöpfung in einem ewigen Sinne) eine konstitutive Funktion für das Selbstbewusstsein (Selbstbewusstsein als Umschreibung des Begriffes „Abbild“).

Anders gesagt: Das Vernunftwesen „Mensch“ kann sich nicht metaphysisch irgendwie abhängig oder emaniert aus Gottes Wesen  hervorgehend begreifen, aber konkret als Teilrealisation des Ganzen der Sich-Erscheinung des Absoluten, das sich zu Bedingungen der Freiheit inkarnieren und interpersonal und sinnlich ausschematisieren will.

Es ist in der Reflexion auf den absoluten Geltungsgrundes ja bemerkenswert, dass Gen 1 weder a) idealistisch  zurückgeht auf ein erstes Prinzip in der Art, dass die notwendigen Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung sukzessive supponiert werden, bis man zu einer letzten, anscheinend unleugbaren Bedingung gekommen ist,  die man dann „Gott“ nennt, irgendwie idealistisch verbrämt, noch wird 
b) versucht,  realistisch auf eine kausale, physikalische oder sonst wie emanative Ursache zurückzugehen, irgendwie pantheistisch verbrämt. 
Vielmehr wird c) intuitiv-intelligierend eingesehen, dass von vornherein eine Selbstbezugsform des Sich-Wissens und des Selbstbewusstseins konstitutiv angesetzt und vorausgesetzt werden muss, um sowohl begrifflich vom „Abbild“ wie von der Schöpfung des Himmels und der Erde überhaupt sprechen zu können.  Die Konstitutionsgenese der äußeren sinnlichen Welt wie der inneren Bewusstseinswelt wird dabei symbolisch und bildlich in Tage zerlegt, „erster Tag“, „zweiter Tag“…….. bis zum „Sabbat“, weil schlussendlich alles überzeitlich und konstitutiv verstanden werden soll, was diskursiv zerlegt worden ist. Im Übergang von der Unentschiedenheit zu Entschiedenheit des Bekenntnisses, aus dem die Zeit entspringt, entstehen die sechs Tage – um schlussendlich in einem Lobpreis Gottes abgeschlossen und entschieden zu enden.  Die Erinnerung des „Sabbats“ wird deshalb als besondere moralische Form eingeschärft, weil darin die Erinnerung an das transzendental-reflexive Verhältnis des Vernunftwesens „Mensch“ zu seinem Schöpfer wachgerufen wird.  

M. a. W., es ist nicht nur herrlich deduktiv in Tagen aufgeteilt das Verhältnis Absolutes/Geschaffenes ausgesagt, „Gott sprach – und es geschah“, sondern zugleich systematisch ist diese Deduktion zusammengehalten in einer überzeitlichen, dauernden Konstitutionsgenese  als creatio continua. Das apriorische Vernunft-Verhältnis, in sechs Tagen als  Versinnlichungsformen und Inkarnationsformen ausgesagt, kehrt am siebten Tag zurück zur Sinnidee des Geschaffenseins: Zum Lob Gottes zu Bedingungen des frei geschaffenen „Abbildes“.  Im „ersten Tag“ ist schon virtuell der „siebte“ Tag des Totalitätsganzen der Offenbarung Gottes vorausgesetzt – und wenn man die geschichtliche Realisierungsformen des Guten wie Bösen einbezieht, die nach Satisfaktion und Restitution verlangen, so findet mit der Auferstehung des HERRN die ursprüngliche Intention der Schöpfung ihre Vollendung. Der „siebte“ Tag weist im Begriffes Gottes, der sich schon in der Schöpfung apriorisch offenbart, notwendig“ auf den „achten“ Tag der Auferstehung. „Siebter“ und „achter“ Tag verschmelzen in Anbetracht der zeitlichen und geschichtlichen Realisierung. 

Weil eine absolute Sinnidee mit dem Geschaffenen gesetzt sein soll, ein durch sich selbst bestimmtes apriorisches Sich-Erscheinen des Absoluten, wird diese absolute Sinnidee und das Sich-Erscheinen Gottes als „gut“  und „sehr gut“ bezeichnet werden. Siehe diese oftmals wiederkehrende Wendung.

Die überzeitliche, deduktiv-systematische Konstitutionsgenese des Geschaffenen aus dem Absoluten zeigt sich genetisch vollendet in den Versen von der Erschaffung des Menschen  und im Begriff  „Abbild“:
Es wird gar nicht erst versucht, den Menschen evolutionär, langsam entstanden sein zu lassen,  oder irgendwie bloß höher stehend als die Tiere zu betrachten,  nein, unmittelbar, überzeitlich wird der Mensch als Vernunftwesen ins Haus der Schöpfung gesetzt. Kategorisch ist der Mensch als Freiheitswesen vom Tier unterschieden und im Vokativ und mit geschlechtsspezifischen Unterschied (als Mann und Frau)  in eine genetisch-konstitutive Aufruf-Antwort-Situation hineingestellt  mit einer an ihn gerichteten Sinn- und Realisierungsforderung. Der Mensch ist als Vernunftwesen erschaffen, als „substantieller Denk- und Selbstbestimmungsakt“ (Dr. Bader), als „Abbild“,
und wird nicht erst zeitlich zum „Abbild“. Er ist als solcher fähig,  Repräsentant, „Statue“  – was die historisch-kritische Herleitung des  Wortes „Abbild“ sein dürfte –  einer apriorischen und positiven Offenbarung Gottes  zu sein und diese doppelte Offenbarung zu Bedingungen der Freiheit reflexiv mitzuvollziehen.4

Wiederum systematisch reflektiert: Die  von KANT und FICHTE (neben vielen anderen Vorläufern der Transzendentalphilosophie, angefangen von PLATON)   entwickelte Konzeption des Wissens  schließt von allem Anfang an die Realisierung (Verwirklichung) der Aufgabe mit ein. Das Faktum des Geschöpfes „Mensch“, „Abbild“, ist so konzipiert, dass er zu Bedingungen der eigenen Freiheit abbildlich, nachbildend, selbstbildend, die Welt „bevölkern“, verantwortungsvoll „beherrschen“ und bewohnen kann, bis alles konstitutiv vollendet ist am „Sabbat“.    

Es könnten jetzt noch viel mehr herrliche transzendentale Details herausgelesen werden – und ich noch gar nicht sehe:

3) Wie mit einem Paukenschlag beginnt es. Die erste Setzung im Wissen ist Dasein, Existenz („bereschit“) – und innerhalb dieser Setzung ist gleichzeitig ein Aufruf gesetzt. Transzendentalphilosophie ist Existenzphilosophie, Daseinsanalyse, insofern das Dasein des Menschen im Dasein Gottes begründet und gerechtfertigt ist. (Nicht zu verwechseln mit einer verabsolutierten Daseinsphilosophie der Reflexion wie bei Heidegger u. a. praktiziert.)

Die Kategorie der Realität, von der zwar anmaßend jeder Positivismus oder Dogmatismus ausgehen, ist solange hypothetisch, als die zu begründende Erscheinungsobjektivität und Erscheinungssubjektivität („Realität“) als Ursache der Vorstellung in ihren transzendentallogischen  Gesetzen nicht abgeleitet ist, d. h. als ihre faktische Wirklichkeit nicht bedingt begriffen werden kann. 5 Von vornherein wird in Gen 1 deshalb von der begrifflichen und absoluten Einheit der Erkenntnis ausgegangen, nicht von einer vorausgesetzten „Realität“. Die Wirklichkeit wird projiziert als Schöpfungs-Akt („bara“),  zugleich aber mit der Intention, das im Anfang schon alle Wahrheit und Liebe enthalten ist – „bereschit“. (Siehe dann späteren Blog zum Begriff des Anfangs.)    

Rein reflexiv im Wissen formuliert und konstitutiv im Wissen gesetzt: Es ist das transzendentale Prinzip einer absoluten Reflexibilität, eines „absoluten Ichs“, das Gen 1, 1 nachbildet und nachkonstruiert – und in den späteren WLn Fichtes durch ein absolutes Soll des erscheinenden absolutum deduktiv begründet. 
Die  Autoren des ganzen Kapitels  Gen 1 haben
das intuitiv und intelligibel, unüberbietbar und genial erfasst. (Die Philosophie holt das als transzendentale Vernunftwahrheit nur ein, kreiert es nicht, spekulativ.)

Die Transzendentalphilosophie hat die Aufgabe, die Konstitutionsgenese des Geschaffenen aus dem Absoluten darzustellen: Mit den Begriffen der ersten WL Fichtes der GWL von 1794/95 könnte man das etwa so beschreiben: Die Handlungen des Geistes mit seinen Reflexivitätskategorien schematisch in  drei Ebenen eingeteil:
a) das der Negation nicht fähige „absolute Ich“, 
das Absolute, das absolutum; 
b) das Ich als Substanz, die „Totalität aller Realität“ (GRUNDLAGE, § 3) mit allen weiteren apriorischen Gesetzlichkeiten der  Ichform, der Wissensform;
c) das begrenzte Ich, das durch das Nicht-Ich begrenzt gesetzt wird bzw. umgekehrt sittlich-praktisch das Nicht-Ich begrenzt (GRUNDLAGE ab § 4 ff. ); m. a. W., das endliche Ich. 

FICHTE entdeckt zweierlei: 1.) dass es zu jeder Kategoriengruppe einen höheren Begriff einer Totalitätseinheit gibt. Das wäre für jede Gruppe durchspielbar: In der Kategoriengruppe der Quantität ergibt das die Einheit in der Vielheit; in der Kategoriengruppe der Qualität den Begriff der Realität; in der Relation die „Totalität aller Realität“ (=Substantialität, Kausalität, Wechselwirkung); in der Modalität die Notwendigkeit.

Über allen reflexiven Bestimmungen  und Systematisierungen des Ichs und deren Totalitätseinheit liegt die  überdisjunktive, schlechthinnige, absolute Einheit.
Alle reflexiven  Bestimmungen des Vernunft-Ichs  sind innerhalb des „absoluten Ichs“ (2. Ebene)  angesiedelt und können durch die implikativen und appositionellen Setzungen der Vernunft nicht überschritten werden. Die Begründung und Rechtfertigung diese Reflexivität muss  aber in ihrem Grundsein und Ursachesein außerhalb des Begründeten liegen (erste Ebene), sonst würde ja das Absolute relativiert, umgekehrt darf aber das konstitutive Bezogensein des endlichen Seins zum Absoluten nicht aufgegeben werden.

Wie genau die Autoren von Gen 1 diese transzendentale,  apriorische Perspektive einer überdisjunktiven Einheit gesehen und durchgehalten haben, das ist schlechthin genial – und führt zu einer, was jetzt freilich genauer auszuführen wäre, rückbezüglichen Sinnordnung, zu einer vom göttlichen Licht durchdrungen Ordnung. Ich umschreibe diese Sinn- und Lebensordnung behelfsmäßig als „sakramentaleOrdnung, in der Schöpfung auffindbar, sofern der Rückbezug zum überzeitlichen, göttlichen Setzungsakt  und absoluten Geltungsgrund gewahrt bleibt.

4) Die Vernunft ergreift sich in den Kategorien und Reflexionsformen, weiß um sich, fasst sich als Denk- und Selbstbestimmungsakt, und schematisiert sich zu einem Bildwesen. Die Vernunft stellt dabei kein einfaches, objektiviertes Sein dar, sondern ist wesensmäßig ein Sein im Reflex und in der Reflexivität, ein Sein im Selbstbezug. Es wird dabei a) über das implikative Grund-Folge-Setzen hinaus b) ein neues Verhältnis gesetzt.  Der Grund der bestimmten Vorstellung, qualitativ beginnend mit dem Gefühl – und nochmals höherwertig der  freie  Aufruf  – liegt aufgrund einer nicht gleichzeitig sein könnenden Implikation in einer Apposition, außerhalb des Ichs, wiewohl es im Ich und am Ich empfunden wird – und es folgt damit  der Begriff einer kausalen Ursache-Wirkungsordnung in einem appositionellen Bezogensein;

5) Dieser appositionelle oder „sakramentale“  Zusammenhang kann nur durch eigenständiges Nachdenken und Mitvollziehen eingeholt werden. Gen 1 ist deshalb Hymnus, Gesang, Meditation, Gebet. Das Prinzipielle einer Erkennbarkeit Gottes und die konkrete Realisierungsforderung einer Sinnidee – das ist in diesem Sprechakt zusammengefasst. (Die „Schöpfung“ von Joseph Haydn drückt es aus – oder jedes meditative Lesen erfasst es.)

FICHTE sagte einmal sinngemäß, wer die Frage nach dem Grunde zum ersten Mal stellte, erschütterte die Welt. So ist es. Was ich mir denken kann, dafür muss es einen Grund geben. Die Autoren von Gen 1 erschütterten eine alte Weltordnung. Historisch war das Volk ISRAEL vielleicht äußerlich höchst erschüttert, das war der Anlass, und es gab – gemeinhin „Priesterschrift“ genannt –  eine unsterbliche Antwort auf die Frage nach dem Grund und der Einheit aller Erscheinung. 

6) Die Anwendungsbedingungen einer apriorischen und positiven Offenbarungsordnung können nicht aus der Sinnlichkeit direkt entnommen werden; aber m. E. ist selbst die physikalische, anorganische Welt und dann die biologische und dann die gesellschaftliche Welt, also die ganze Natur des Vernunftwesen „Mensch“  unleugbar teleologisch bestimmt. Die Physiker nennen es  „anthropisches Prinzip“? Seltsamerweise sind  alle Naturgesetze auf die Ermöglichungsbedingung von Leben auf unserem kleinen Planeten hingeordnet?  Das ist eine nicht zu leugnende Tatsache. Gibt es im Bewusstsein selbst eine genetisch-konstitutive Erklärung, warum wir das Faktum des „anthropischen Prinzips“ überhaupt finden und vertreten können? Und selbst wenn jetzt hartnäckig gegen das „anthropische Prinzip“ skeptisiert wird, so möge sich dieser  halbfertige Skeptizismus (oder Evolutionismus) doch fragen, ob er nicht konkret selber die apriorische Daseins- und Lebensregeln voraussetzen muss, sonst könnte er nicht einmal einen Skeptizismus anwenden. Um die transzendentalkritischen Wissensbedingungen und einer letzten Geltungs-Voraussetzung von Grund und Folge bzw. Ursache und Wirkung kommt weder einer Naturwissenschaft noch eine historisch-kritische Exegese herum. Man merkt es Gen 1 auf den ersten Blick an, dass weder rein mythenhaft, analog zu anderen Götterngeschichten des Vorderen Orients, noch rein naturalistisch, etwas ausgesagt werden soll, sondern eine apriorische, universal gültige Geschichte eines Verhältnisses wird erzählt, oder besser gesagt, wird besungen und meditiert. Mangels besserer Begriffe möchte ich sagen, eine transzendentalkritische Erkenntnislehre auf höchstem Niveau, die apriorische Geschichte eines personalen und interpersonalen Verhältnisses wird dargestellt, besungen in vollkommener Schönheit. 

(c) Franz Strasser, 15. 10. 2015 

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1Die Bibelexegese hat in den letzten 2 Jhd. viele textkritische Methoden entwickelt, dazu verschiedene literarische und anthropologische, soziologische, psychoanalytische Methoden beigezogen.  Einen guten Überblick bietet dein Dokument aus Rom aus dem Jahre 1993. Zitat aus: Bibel und Kirche, 4. Quartal, 1994 speziell zur historisch-kritischen Methode: „Im derzeitigen Stand ihrer Entwicklung durch läuft die historisch-kritische Methode folgende Etappen: Die Textkritik, die seit langer Zeit geübt wird, er öffnet die Reihe der wissenschaftlichen Forschungsvorgänge. Indem sie sich auf das Zeugnis der ältesten und besten Manuskripte stützt, wie auch auf die Papyri, die alten Übersetzungen und die Patristik, versucht sie, nach bestimmten Regeln, einen biblischen Text zu erstellen, der dem Originaltext so nahe wie möglich kommt. Danach wird der Text einer linguistischen (morphologischen und syntaktischen) und semantischen Analyse unterzogen, die die Erkenntnisse der historisch-philologischen Forschung benützt. Die Literarkritik bemüht sich dann, Anfang und Ende der großen und kleinen Texteinheiten zu bestimmen und die innere Kohärenz des Textes zu prüfen. Die Existenz von Dubletten, unvereinbaren Gegensätzen und anderen Indizien lassen den zusammengesetzten Charakter gewisser Texte erkennen; man unterteilt sie in kleine Einheiten, um deren mögliche Zugehörigkeit zu verschiedenen Quellen zu ermitteln. Die Gattungskritik versucht, die literarischen Gattungen, ihr Ursprungsmilieu, ihre spezifischen Merkmale und ihre Entwicklung zu bestimmen. Die Traditionskritik situiert die Texte in den Überlieferungsströmen, deren Entwicklung im Laufe der Geschichte sie zu präzisieren versucht. Die Redaktionskritik schließlich untersucht die Veränderungen, die die Texte erfahren haben, bevor sie zu ihrer endgültigen Form gelangten; sie analysiert diese Endgestalt, indem sie die Texte unter dem Gesichtspunkt ihrer jeweiligen Orientierungen von einander unterscheidet. Während man in den früheren Schritten versucht hat, den Text in seinem Wer den in einer diachronen Perspektive zu erklären, so schließt dieser letzte Schritt mit einer synchronen Untersuchung: man erläutert nun den Text als solchen, dank der gegenseitigen Beziehungen der verschiedenen Elemente untereinander und betrachtet ihn unter dem Gesichtspunkt einer Botschaft, die der Verfasser seinen Zeitgenossen vermitteln will. So kann auch die pragmatische Funktion des Textes berücksichtigt werden. Wenn die untersuchten Texte einer historischen literarischen Gattung angehören oder in Verbindung mit geschichtlichen Ereignissen stehen, so ergänzt die historische Kritik die Literarkritik, um die geschichtliche Bedeutung des Textes im modernen Sinn des Ausdrucks festzustellen. Auf diese Weise werden die verschiedenen Stufen der konkreten Entwicklung der biblischen Offenbarung ans Licht gebracht.“ (S 186) Die transzendentale Frage ist dann: Wie kommt man von der diachronen zur synchronen Betrachtung? Wie ist die zeitliche Vorstellung überhaupt möglich?

2Vgl. dazu Peter Baumanns, Von der Theorie der Sprechakte zu Fichtes WL, in: Der transzendentale Gedanke, Hamburg 1981,  S 184.

3P. BAUMANNS analysiert kritisch mit transzendentalem Hintergrund der WL diese Sprechakttheorie von SEARLE und AUSTIN und legt zugleich Vorschläge vor, wie die Vermittlung von Sprache im Sprechakt transzendental zu denken sei. (Ab S 184 – 186)

4 Die im Schöpfungsauftrag Gen 1, 26.28 so genial festgehaltende Realisierungsforderung und Sinnforderung von Wahrheit und Sinn, von Heiligkeit und Gerechtigkeit, von Glaube und Wissen, konnten die griechischen Philosophen deshalb so schwer fassen, weil sie entweder das Sein oder die Negation des Seins als höchste Idee zwar gesehen haben, aber nicht den Bundesgedanken und den personalen Aufruf Gottes (aus der Hl. Schrift)  kannten. Sie entdeckten eine göttliche Vernunftordnung, aber nicht den Glauben an einen Bundesgott in dieser Vernunftordnung. Das verdanken wir der Hl. Schrift!
Die historisch-kritische Bibelauslegung kümmert sich vielleicht? nicht um die systematisch und philosophisch zu ziehenden Schlüsse in vielen ihrer herrlichen Forschungen. Sie kommt
aber m. E. nicht um eine transzendental-kritische Systematisierung herum, weil sie notwendig a) die apriorischen, unzeitlichen Erkenntnisbedingungen integrieren muss und b) sogar aus historischer Perspektive eine gewisse Vereinheitlichung der Theologiegeschichte Israels anerkennen muss, will sie den Sinn von Gen 1, der sogenannten „Priesterschrift“, ganz erkennen.
Ich zitiere  z. B. aus Konrad Schmid, Der Pentateuch und seine Theologiegeschichte. In Zeitschrift für Theologie und Kirche, Sept. 2014, S 25: „ Zum einen reformuliert sie die aus der Tradition, besonders den Psalmen, bekannte Schöpfungsthematik im Blick auf die creatio prima und ermöglicht von daher eine grundsätzliche Neukonzeption des Gottesbegriffs sowie der Vorstellung von Gottes Handeln in und an der Welt. Besonders in der Priesterschrift, aber auch bei Deuterojesaja, wird deutlich erkennbar, dass Gottes Handeln grundsätzlich als Schöpfungshandeln qualifiziert wird. Das ist eine Neuerung gegenüber den herkömmlichen Darstellungsweisen von Gottes Handeln in den Geschichtsbüchern, namentlich in ihrer deuteronomistischen Prägung: Gott wirkt unmittelbar oder durch andere Mächte, aber in der Geschichte, als ein Faktor neben anderen. Durch die Einleitung durch die Urgeschichte ergibt sich hier eine Perspektivenveränderung: Der Gott der Geschichte ist der Schöpfergott, der Zeit und Geschichte selbst erschaffen hat. Deshalb kann er zwar in und durch die Geschichte wirken, ist aber nicht einfach ein Faktor in der Geschichte. Zum zweiten ist der Urgeschichte die universale Aufweitung des in Gen 12–Dtn 34 vorherrschenden Israelhorizonts zu verdanken: Gen 1–11 bietet eine weltweit orientierte Kontextualisierung der ab Gen 12 einsetzenden Geschichte der Ahnväter Israels und dem aus ihnen entstehenden Volk.“

5Wir müssen vom Zirkel des Wissens und konkret von der Gestalt eines Einzel-Ich ausgehen, um den Zirkel des Wissenden und Gewussten zu heben. Eine biologische und evolutiv fortschreitende Kausalität kann die Gestalt eines Einzel-Ichs nicht erklären, wie der Evolutionismus vorgibt tun zu können.  Auch der Evolutionismus setzt das Einzel-Ich voraus. Vgl. dazu z. B. A. MUES, Thesen gegen die evolutionäre Erkenntnistheorie und die sie ermöglichende philosophische Positionen, in: Fichte-Studien 4, 1992, 119ff.

 

בראשית ברא אלהים את השמים ואת הארץ

Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser