Schöpfungserzählung 1. Teil – oder die Metaphysik des Absoluten.

Schöpfungserzählung 1. Teil – oder die Metaphysik des Absoluten.

1) בְּרֵאשִׁ֖ית בָּרָ֣א אֱלֹהִ֑ים אֵ֥ת הַשָּׁמַ֖יִם וְאֵ֥ת הָאָֽרֶץ׃

bereschit bara elohim et haschamaijim weet haarez

1᾿Εν ἀρχῇ ἐποίησεν ὁ θεὸς τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν.

1 In principio creavit Deus caelum et terram

Im Anfang schuf …….

1) Wollte man die Schöpfungserzählung Gen 1 literarkritisch beschreiben, so stößt man bald auf verschiedenste Klassifizierungen und  Meinungen: Manche sprechen von  Hymnus oder Lied, einem Gedicht, einer Erzählung, wie immer. Ich interpretiere diesen ganzen Text Gen 1. Kapitel als einen zutiefst erkenntniskritischen, vernunfttheoretischen Text  dahingehend, dass die Verfasser auf höchstem Niveau das apriorische Vorwissen des Absoluten genetisierend darstellen wollte. Was sind die Bedingungen der Wissbarkeit der Schöpfung und eines theoretisch vorstellenden wie praktisch handelnden, freien  Menschen? Weil es eine explizit transzendentalkritische Exegese noch nicht gibt, verlegen sich manche Exegeten auf historische Untersuchungen und  sprachanalytische Unterscheidungen, so, als sollte die Historie oder die Redeform selbst, letzteres z. B. wieder mehr naturwissenschaftlich oder mehr „heilsgeschichtlich“ genannt, die Erkenntnis und den Glauben vermitteln. Diese hochgelehrten, historischen Untersuchungen schürfen zwar Nützliches zutage, letztes Kriterium der Gültigkeit dieses Textes muss aber allemal die apriorische Vernunftwahrheit selbst sein. Inwiefern letztere bestätigt wird, stimmt auch dieser Text. Jede Redeform, ob naturwissenschaftlich oder „heilsgeschichtlich“ – und was die Hermeneuten so alles kennen –  muss auf ihre transzendentale Konstitution hin im geistigen Handeln des Menschen begründet sein, andernfalls der  Sinn des Textes selber undenkbar und unerkennbar bliebe 1

Beispiel: Es würde hermeneutisch gesehen von vornherein den transzendentalen Sinn von Gen 1 verkennen und arg beschränken, würde z. B.  eine wissenschaftstheoretische Beobachtungssprache in Gen 1 erwartet, als sei hier etwas zu beobachen oder zu vermessen gewesen.  Von einer  Logik und Logifizierung der Begriffe, von Wissenschaftstheorie und empirischen Messungen, Physik im Makro oder Mikrobereich, ist nicht viel zu erwarten, denn sie fußen auf Axiome, die sie selbst nicht  in ihrer Beobachtersprache verifizieren können.    

Wenn  aber schon in der empirischen Empfindungs- und Gefühlswelt darauf gerechnet wird, dass wir spontan  und unmittelbar auf Hemmungen reagieren und eine sinnliche Innen- und Außenwelt aufbauen, wie viel mehr wird uns im Sprechakt eines Textes von Gen 1 und seiner ganzen Aussage angemutet, d. h. unserer Freiheit angemutet, das darin liegende personale Sollen als Einheit von Zeichensetzung und Bezeichnung reflexiv zu verstehen als Realisierungs- und Sinnforderung eines absolut guten Willens, der sich in der Schöpfung aussagen will? 2

So muss m. E., um nur eine Sentenz herauszugreifen, der explizite Schöpfungsauftrag Gen 1, 26. 28. so  ausgelegt werden, dass an das „Abbild“ Gottes (V 27), den Menschen,  eine Realisierungs- und Sinnforderung zu einem freien, selbstständigen Bilden und Sein ergeht,  zu einem Verwirklichen von Freiheit und interpersonaler Sinnerfüllung, weil nur so die Durchsichtigkeit auf das dem „Abbild“ zugrundeliegende Sein Gottes sichtbar werden kann.  “ Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen walten…….“ Im Abbild liegt die Sichtbarkeit des unsichtbaren Gottes, in der Einheit einer Aufforderung zu einem freien Handeln bildet sich die Intention des Schöpfers ab. Diese Einheit einer Aufforderung ist noch keine Trennung von Performation und Proposition, von Referenz und Prädikation , sondern projektiv-zweckhaft, virtuell ist vorweggenommen, was den Sprechakt und das Verstehen  und  die performative Kraft einer vorauszusetzenden Konstitutionsbedingung erst ermöglicht:  eine gesollte und gewollte  Einheit eines übereinstimmenden, glaubenden, vertrauensvollen Wollens im reinen Willen (Gottes).
M. a. W., das vorstellende und praktische Handeln des Vernunftwesens „Mensch“  kann als „Abbild“ sich bewähren, wenn die Sichtbarkeit des heiligen Willens in ihm selbst, zu Bedingungen der Freiheit, zum Ausdruck kommt. 3

Nicht eine objektivierende  Prädikationsform einer kausal-begrifflichen Erklärung  oder ein bloß symbolischer, sprachanalytisch  irgendwie hergeholter Ausdruck „Abbild“  tragen diesen Hymnus,  sondern eine genetisch erkannte, wohlunterschiedene, repräsentative Reflexionsform des Wissens, eine Bildbarkeit des Wissens im Abbild „Mensch“, ermöglicht das Denken einer wohlgeordneten Schöpfung.  

2) Wie kann das transzendental-deduktive Gesetztsein des Menschen und der übrigen Schöpfung weiter in ein philosophisch-rationales Verstehen übergeführt werden? M. a. W., wie kann das Verhältnis Schöpfer-Schöpfung rational so gedacht werden, dass sowohl die Absolutheit und absolute Andersartigkeit Gottes, als auch das ständige Bezogensein der Schöpfung auf diesen absoluten Geltungsgrund gewahrt ist?
Das Verhältnis eines Denkens von Schöpfer und Schöpfung/Geschöpft „Mensch“  offenbart m. E. einen
Setzungsgrund, der
a) weder aus dem Bewusstsein alleine erklärt werden kann, so als könnte das Bewusstsein aus eigener Position das Absolute denken und setzen: Das ist natürlich oberflächlich und dumm – siehe z. B. bei Schelling, Hegel, Feuerbach u. Co.
b) Noch offenbart das Verhältnis Schöpfer/Schöpfung ein bloß begrifflich gedachtes absolutum, einen ad infinitum fortschreitenden Erkenntnisgrund einer realen Ursache oder einer Emanation Gottes, wie es in asiatischen Religionen noch zu finden ist.  Das Denken des Absoluten, außerhalb dessen Erscheinung notwendig kein anderes Sein sein kann, muss sowohl das Bezogensein  auf das absolute Sein, als auch die Möglichkeit eines schematisierenden Bild-Seins und einer eigenständigen Vielheit der Freiheit zum Ausdruck bringen können. 
Ich möchte dieses Verhältnis Schöpfer/Schöpfung etwas behelfsmäßig und ausbaufähig kurz so beschreiben – natürlich viel schärfer und genauer in Fichtes WLn nachzulesen: Das Verhältnis Schöpfer/Schöpfung ist
c) eine Ursache, die ihren Grund außerhalb des Begründeten hat;  eine Ursache als Grund, die Grund einer Folge ist, die im Aufgerufen- und Aufgefordertsein, in einem Bezogensein von Freiheit,  existentiell und dauernd und frei und unendlich bestimmbar eingesehen werden kann. Einerseits kann alles, was da ist, nur durch das absolute Dasein und den Existentialakt des Absoluten da sein; andererseits gewinnt im Grund-Folge-Denken und der Eruierung einer transzendentalen Wissensstruktur  (des Bewusstseins) das Bild der Genesis im Ganzen der Teilrealisation der Selbstbestimmung der Freiheit  ebenso eine kausale, inkarnierende Bedeutung, weil das Grund-Sein auf der Erscheinungsebene  kausal-wirklich erscheinen muss können. Anders gesagt: Das Vernunftwesen „Mensch“ kann sich nicht metaphysisch irgendwie abhängig oder emaniert aus Gottes Wesen  hervorgehend begreifen, sondern nur konkret als Teilrealisation des Ganzen der Sich-Erscheinung des Absoluten verstehen,  als Teil des von der Freiheit des Bildes (durch das Absolute) gesetzten Gesetzes einer vollkommenen, freien Selbstverwirklichung.

Es ist in der Erforschung des Geltungsgrundes bemerkenswert, dass Gen 1 weder a) idealistisch  zurückgeht auf ein erstes Prinzip in der Art, dass die notwendigen Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung nach und nach rational supponiert werden, bis man zu einer letzten, anscheinend unleugbaren Ursache gekommen ist, noch wird  b) versucht,  realistisch auf eine kausale, physikalische Ursache zurückzugehen.
Vielmehr c) intuitiv-intelligierend wird von vornherein ein höchstes Prinzip angesetzt – und deduktiv-systematisch wird diese Erkenntnis  entfaltet und fortgeführt bis zu einem intelligiblen Ende („Sabbat“), das antizipativ ebenfalls gesetzt sein muss, soll von einer pertinenten Sinnidee einer guten Schöpfung  ausgegangen werden, die zwar gefallen ist, aber am „Sabbat“ wiederhergestellt wird. (Christlich gewendet: am „achten Tag“ durch die Auferstehung und Wiederkunft Christi vollendet werden wird.)  

Anders gesagt: Es wird in Gen 1 gar nicht erst versucht, den Menschen evolutionär langsamt  entstanden sein zu lassen,  oder irgendwie bloß höher stehend als die Tiere erschaffen zu denken,  nein, unmittelbar wird der Mensch als Vernunftwesen ins Haus der Schöpfung gesetzt. Kategorisch ist der Mensch als Freiheitswesen vom Tier unterschieden und im Vokativ und mit geschlechtsspezifischen Unterschied (als Mann und Frau)  in eine  Aufruf-Antwort-Situation hineingestellt  mit einer an ihn gerichteten Sinn- und Realisierungsforderung. Der Mensch ist schon als bildendes Wesen, als „Abbild“ erschaffen, wird es nicht erst,  und als solcher  fähig, Repräsentant, „Statue“ (so die historisch kritische Herleitung des  Wortes „Abbild“)  einer apriorischen und positiven Offenbarung Gottes zu sein und zu werden.4

Die  von KANT und FICHTE (neben vielen anderen Vorläufern der Transzendentalphilosophie, angefangen von PLATON)   entwickelte Konzeption des Wissens  schließt von allem Anfang an die Realisierung (Verwirklichung) der Aufgabe mit ein, d.  h. das Faktum des Geschöpfes „Mensch“ ist so konzipiert, den „Menschen“ nur als Vernunftwesen denken zu können, das die Realisierung eines Sinngehaltes miteinschließt.  

3) Wie mit einem Paukenschlag beginnt es. Die erste Setzung im Wissen ist Dasein, Existenz („bereschit“) – und innerhalb dieser Setzung ist gleichzeitig ein Aufruf gesetzt. Transzendentalphilosophie ist Existenzphilosophie, Daseinsanalyse, insofern das Dasein des Menschen im Dasein Gottes begründet und gerechtfertigt ist. (Nicht zu verwechseln mit einer verabsolutierten Daseinsphilosophie der Reflexion wie bei Heidegger u. a.)

Die Kategorie der Realität, von der zwar anmaßend jeder Positivismus oder Dogmatismus ausgehen, ist solange hypothetisch, als die zu begründende Erscheinungsobjektivität und Erscheinungssubjektivität („Realität“) als Ursache der Vorstellung in ihren transzendentallogischen  Gesetzen nicht abgeleitet ist, d. h. als faktische Wirklichkeit bedingt begriffen werden kann. 5

Von vornherein wird in Gen 1 von der begrifflichen und absoluten Einheit der Erkenntnis ausgegangen, projiziert auf den Schöpfungs-Akt („bara“),  zugleich aber mit der Intention, in der absoluten Einheit  die Vielfalt und Mannigfaltigkeit der Schöpfung zeitlich eingeschlossen zu finden („bereschit“).   

Rein reflexiv im Wissen formuliert und konstitutiv im Wissen gesetzt: Es ist das transzendentale Prinzip einer absoluten Reflexibilität, eines „absoluten Ichs“, dass den Anfang von Gen 1, 1 nachbildet und nachkonstruiert – und in den späteren WLn Fichtes durch ein absolutes Soll deduktiv begründet wird.
Die  Autoren des ganzen Kapitels  Gen 1 haben intuitiv und intelligibel, unüberbietbar und genial erfasst, was später philosophisch als transzendentale Vernunftwahrheit einzuholen versucht wurde: Das Transzendentale der Wahrheit und des Guten, des Einen und des Schönen – und in entsprechend poetischer, narrativer und liturgischer Weise haben sie  mündlich und schriftlich diesen Glauben zum Ausdruck gebracht.  (Zum Verhältnis Wissen-Glauben, siehe z. B. Blog zur 12. Vorlesungsstunde, WL 1805) 

Der Zirkel des reflexiven Sich-Wissens wurde von den WLn Fichtes von allem Anfang bedacht: Dem Gedankengang der ersten WL  FICHTES  folgend stellt sich in der GWL von 1794  § 3 bald heraus, dass das Bewusstseins-Ich, unser oft bekanntes, dann wieder  unbekannt erscheinendes,  endliches Ich, der Negation fähig ist. Durchdenken wir das philosophisch, radikal, klar und distinkt, so erscheint das Bewusstseins-Ich als reflexiv gedachte substantielle Einheit, als  „Totalität aller Realität“ im Reflexionsschema der Substantialität (als substantieller Denk- und Selbstbestimmungsakt) und in weiteren Kategorien und Anschauungsformen begreifbar – aber ipso facto rückt von dieser reflexiven Einheit des Bewusstseins-Ich ein anderes „absolutes Ich“  klar unterschieden ab, dass sich als genetische Ursache dem Bewusstseins-Ich gegenüberstehend offenbart und die eigentliche „Totalität aller Realität“ ist. Das Ich der Tathandlung, das sein eigenes Sein setzt,  rückt zusehends in der GRUNDLAGE zu einer überdisjunktiven, göttlichen Einheit hinauf (dem Absoluten),  das in sich geschlossen ist, aber gerade dadurch im Bewusstseins-Ich die differentielle Einheit ermöglicht, über das Dasein und den Sinn des Daseins zu reflektieren und in Freiheit den Gehalt der intentionalen Existenz und Schöpfung zu erfassen und zu Bedingungen der Freiheit auf den göttlichen Ursprung hin sichtbar zu machen.

Die Handlungen des Geistes mit seinen Reflexivitätskategorien können schematisch in  drei Ebenen eingeteilt werden:
a) das der Negation nicht fähige „absolute Ich“;
das Absolute
b) das Ich als Substanz, die „Totalität aller Realität“ (GRUNDLAGE, § 3) mit allen weiteren apriorischen Gesetzlichkeiten, der  Ichform, der Wissensform;
c) das begrenzte Ich, das durch das Nicht-Ich begrenzt gesetzt wird bzw. umgekehrt sittlich-praktisch das Nicht-Ich begrenzt (GRUNDLAGE ab § 4 ff. ); m. a. W., das endliche Ich. 

FICHTE entdeckt eigentlich zweierlei: 1.) dass es zu jeder Kategoriengruppe einen höheren Begriff einer Totalitätseinheit gibt. Das wäre für jede Gruppe durchspielbar: In der Kategoriengruppe der Quantität ergibt das die Einheit in der Vielheit; in der Kategoriengruppe der Qualität den Begriff der Realität; in der Relation die „Totalität aller Realität“ (=Substantialität, Kausalität, Wechselwirkung); in der Modalität die Notwendigkeit.

Über allen reflexiven Bestimmungen  und Systematisierungen des Ichs und deren Totalitätseinheit liegt die  überdisjunktive, schlechthinnige, absolute Einheit.
Alle reflexiven  Bestimmungen des Vernunft-Ichs  sind innerhalb des „absoluten Ichs“  angesiedelt und können durch die implikativen und appositionellen Setzungen der Vernunft nicht überschritten werden. Die Begründung und Rechtfertigung diese Reflexivität muss  in ihrem Grundsein und Ursachesein außerhalb des Begründeten liegen, sonst würde ja das Absolute relativiert, umgekehrt darf aber das konstitutive Bezogensein des endlichen Seins zum Absoluten nicht aufgegeben werden.
D
ie Autoren von Gen 1 haben den absoluten Unterschied wie das absolute Bezogensein mit dem genialen Begriff „Abbild“  und der damit verbundener Intention (für das Vernunftwesen) auf den Begriff gebracht.

M. a. W., FICHTE entdeckt es theoretisch für die neuzeitliche Philosophie wieder neu, das ontologische Argument von PLATON, ANSELM und DESCARTES: In der obersten Synthesis des Erkennens und Wollens sind Wesen und Sein identisch. Dies ist nicht nur eine leere Behauptung, sondern epistemologisch kann das Wissen als „absolutes Wissen“ in und aus dem „absoluten Sein“  oder „absoluten Soll“ abgeleitet und begründet werden – oder mit Gen 1 gesagt, sich als „Abbild“ in der Reflexionsform „Ich“ bewähren.
Oder mit dem 2. Teil der WL 1804 von FICHTE gesprochen: Das Sein der Freiheit (des Wissens) könnte sich zwar selbst bezweifeln, aber nur im Gegensatz zu einem
nicht denkbaren Nicht-Sein des göttlichen Seins. 7

Ich brauche zwecks Betonung der überdisjunktiven Einheit nicht zu den späten WLn Fichtes gehen, es ist sagenhaft wie in nuce, vom ersten Anfang an, schon in den Manuskripten zur WL, diese neue Klarheit  und scharfe Begrifflichkeit sichtbar wird:  In  den  EIGNEN MEDITATIONEN von 1793/94,  die einer kompletten Neufassung philosophischer Grundbegriffe gleichkommt, heißt es bereits:

Also nicht das Ich an sich / das ursprüngl. hat Negation, – sondern es ist der Negation fähig. (sc. letzteres ist bereits das substantielle, nicht absolute Ich) – Vom ursprüngl. weiß ich nichts.“ (GA II, 3, S 55); Hervorhebung der ontologischen Differenz)

Wie genau die Autoren von Gen 1 diese transzendentale,  apriorische Perspektive einer überdisjunktiven Einheit gesehen und durchgehalten haben, das ist schlechthin genial – und führt zu einer, was jetzt weiter erst auszuführen wäre, bildlichen-sakramentalen Wirklichkeitsordnung Schöpfer/Schöpfung.  

4) Die Vernunft ergreift sich in den Kategorien und Reflexionsformen, weiß um sich, fasst sich als Denk- und Selbstbestimmungsakt, und schematisiert sich zu einem Bildwesen. Die Vernunft stellt dabei kein einfaches, objektiviertes Sein dar, sondern ist wesensmäßig ein Sein im Reflex und in der Reflexivität, ein Sein im Selbstbezug. Es wird über das implikative Grund-Folge-Setzen hinaus ein neues Verhältnis gesetzt.  Der Grund der bestimmten Vorstellung, qualitativ beginnend mit dem Gefühl – und nochmals höherwertig liegt der  freie  Aufruf  – liegt aufgrund einer nicht gleichzeitig sein könnenden Implikation in einer Apposition, außerhalb des Ichs, wiewohl es im Ich und am Ich empfunden wird – und es folgt eine kausale Ursache-Wirkungsordnung. 

5) Auf einen großen Zusammenhang muss in der Meditation von Gen 1 ebenfalls gleich von Anfang an noch hingewiesen werden: In dem Verhältnis einer Implikations- und Appositionsordnung  ist eine apriorische Vernunftoffenbarung und eine positive geschichtliche Offenbarung enthalten. Das Prinzipielle einer Erkennbarkeit Gottes und die konkrete Realisierungsforderung einer Sinnidee, die in der  positiven Offenbarung JESU CHRISTI erfüllt und vollendet ist – weshalb das Johannes-Evangelium nicht zufällig im Prolog auf Gen 1 anspielt: „Im Anfang war das Wort….…“ –  ist in der Form einer Bild-Philosophie, wie sie die WLn darstellen, in rationaler Weise einholbar (neben anderen Konzepten der Rationalisierung).  
Ich müsste dafür weiter ausholen: Transzendentallogisch können sich apriorische und positive Offenbarung nicht widersprechen: M. a. W., die apriorische Vernunftoffenbarung leitet von sich her auf die positiven Offenbarung über und umgekehrt verweist die positiven Offenbarung auf den Schöpfungsakt und die Intention des „bara“. 
Dies besagt auf der einen Seite,
die Inkarnation und Versinnlichung des Absoluten selbst, auf der anderen Seite die freie Annahme des Schöpfungsauftrages und die freie Übernahme des göttlichen, durch sich selbst bestimmten Willens durch den Gott-Menschen JESUS CHRISTUS in der Erlösung und Wiedergutmachung, nochmals getragen als freier Austausch im Heiligen Geiste. In Gen 1 muss dieses trinitarische Gottesbild enthalten sein, will es ein wahrhaft apriorischer Text sein, der die Bedingungen der Möglichkeit der Vorstellung und der Freiheit darlegen will.  Deshalb kein Wunder, dass vom „Geist Gottes“ von allem Anfang an die Rede ist.  

Von mir wäre jetzt noch vieles auszuführen: Durch den genetischen  Zusammenhang der Realisierungs- und Sinnforderung in und aus der Erscheinung des Absoluten ist projektiv eine Geschichtsreihe und Zeitreihe eröffnet,  die zu bildhaften und sakramentalen Sinn- und Realisierungsforderungen überleitet. Deshalb sagten die Kirchenväter, die  Kirche  sei als sakramentale Form der Weiterführung der positiven Offenbarung bereits mit der Schöpfung anzusiedeln.

FICHTE sagte einmal sinngemäß, wer die Frage nach dem Grunde zum ersten Mal stellte, erschütterte die Welt. So ist es. Was ich mir denken kann, dafür muss es einen Grund geben. Die Autoren von Gen 1 geben eine unsterbliche Antwort auf die Frage nach dem Grund. 

6) Das von der Physik in letzter Zeit vorgebrachte und betonte „anthropische Prinzip“, wonach alle Naturgesetze auf die Ermöglichungsbedingung von Leben auf unserem kleinen Planeten hingeordnet seien, ist doch eine bemerkenswerte Tatsache. Es fragt sich nur, wie das „anthropische Prinzip“ auch transzendental eingeführt und gerechtfertigt werden  kann. Gibt es im Bewusstsein selbst eine genetische Erklärung, warum wir das Faktum des „anthropischen Prinzips“ überhaupt finden und vertreten können? Und selbst wenn jetzt künstlich gegen das „anthropische Prinzip“ argumentiert würde, in idealistischer  oder realistischer Hartnäckigkeit,  so möge sich dieser Skeptizismus (oder Evolutionismus) fragen, ob er nicht konkret auch die transzendentallogischen Regeln des eigenen Denkens von Existenz, mithin ein „anthropisches Prinzip“, für sich beanspruchen muss, weil er ja  überhaupt argumentieren und leben können will.  Um die transzendentalkritischen Wissensbedingungen kommt weder einer Naturwissenschaft noch eine historisch-kritische Exegese herum. 

Man merkt es Gen 1 auf den ersten Blick an, dass weder rein mythenhaft, analog zu anderen Götterngeschichten der Antike, noch rein naturalistisch etwas ausgesagt werden soll, sondern eine apriorische, universal gültige Geschichte eines Verhältnisses wird erzählt, oder besser gesagt, wird besungen. Mangels besserer Begriffe möchte ich sagen, eine transzendentalkritische Erkenntnislehre auf höchstem Niveau, die Geschichte eines personalen und interpersonalen Verhältnisses wird uns hier geboten. 

(c) Franz Strasser, 15. 10. 2015 

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1Die Bibelexegese hat in den letzten 2 Jhd. sehr gute Methoden entwickelt, dazu verschiedene literarische und anthropologische, soziologische, psychoanalytische Methoden zu Rate gezogen. Einen guten Überblick bietet dein Dokument aus Rom aus dem Jahre 1993. Zitat aus: Bibel und Kirche, 4. Quartal, 1994 speziell zur historisch-kritischen Methode: „Im derzeitigen Stand ihrer Entwicklung durch läuft die historisch-kritische Methode folgende Etappen: Die Textkritik, die seit langer Zeit geübt wird, er öffnet die Reihe der wissenschaftlichen Forschungsvorgänge. Indem sie sich auf das Zeugnis der ältesten und besten Manuskripte stützt, wie auch auf die Papyri, die alten Übersetzungen und die Patristik, versucht sie, nach bestimmten Regeln, einen biblischen Text zu erstellen, der dem Originaltext so nahe wie möglich kommt. Danach wird der Text einer linguistischen (morphologischen und syntaktischen) und semantischen Analyse unterzogen, die die Erkenntnisse der historisch-philologischen Forschung benützt. Die Literarkritik bemüht sich dann, Anfang und Ende der großen und kleinen Texteinheiten zu bestimmen und die innere Kohärenz des Textes zu prüfen. Die Existenz von Dubletten, unvereinbaren Gegensätzen und anderen Indizien lassen den zusammengesetzten Charakter gewisser Texte erkennen; man unterteilt sie in kleine Einheiten, um deren mögliche Zugehörigkeit zu verschiedenen Quellen zu ermitteln. Die Gattungskritik versucht, die literarischen Gattungen, ihr Ursprungsmilieu, ihre spezifischen Merkmale und ihre Entwicklung zu bestimmen. Die Traditionskritik situiert die Texte in den Überlieferungsströmen, deren Entwicklung im Laufe der Geschichte sie zu präzisieren versucht. Die Redaktionskritik schließlich untersucht die Veränderungen, die die Texte erfahren haben, bevor sie zu ihrer endgültigen Form gelangten; sie analysiert diese Endgestalt, indem sie die Texte unter dem Gesichtspunkt ihrer jeweiligen Orientierungen von einander unterscheidet. Während man in den früheren Schritten versucht hat, den Text in seinem Wer den in einer diachronen Perspektive zu erklären, so schließt dieser letzte Schritt mit einer synchronen Untersuchung: man erläutert nun den Text als solchen, dank der gegenseitigen Beziehungen der verschiedenen Elemente untereinander und betrachtet ihn unter dem Gesichtspunkt einer Botschaft, die der Verfasser seinen Zeitgenossen vermitteln will. So kann auch die pragmatische Funktion des Textes berücksichtigt werden. Wenn die untersuchten Texte einer historischen literarischen Gattung angehören oder in Verbin dung mit geschichtlichen Ereignissen stehen, so ergänzt die historische Kritik die Literarkritik, um die geschichtliche Bedeutung des Textes im modernen Sinn des Ausdrucks festzustellen. Auf diese Weise werden die verschiedenen Stufen der konkreten Entwicklung der biblischen Offenbarung ans Licht gebracht.“ (S 186) Die transzendentale Frage ist dann: Wie kommt man von der diachronen zur synchronen Betrachtung? Wie ist die zeitliche Vorstellung überhaupt möglich?

2Vgl. dazu Peter Baumanns, Von der Theorie der Sprechakte zu Fichtes WL, in: Der transzendentale Gedanke, Hamburg 1981,  S 184.

3P. BAUMANNS analysiert kritisch mit transzendentalem Hintergrund der WL diese Sprechakttheorie von SEARLE und AUSTIN und legt zugleich Vorschläge vor, wie die Vermittlung von Sprache im Sprechakt transzendental zu denken sei. (Ab S 184 – 186)

4 Die im Schöpfungsauftrag Gen 1, 26.28 so genial festgehaltende Realisierungsforderung und Sinnforderung von Wahrheit und Sinn, von Heiligkeit und Gerechtigkeit, konnten die griechischen Philosophen deshalb so schwer fassen, weil sie entweder das Sein oder die Negation des Seins als höchste Idee angesehen haben, aber nicht den Bundesgedanken und den personalen Aufruf Gottes (aus der Hl. Schrift)  kannten.

Die historisch-kritische Exegese muss für den (transzendental-kritischen) Sinn der Urgeschichte, nach der Hypothese der anonymen Autoren auch „Priesterschrift“ genannt, eine gewisse Vereinheitlichung der Theologiegeschichte Israels anerkennen, sonst könnte sie die verschiedenen Texte der Hl. Schrift nicht kompilieren und zu einem kohärenten Ganzen zusammenfügen.

Ich zitiere aus Konrad Schmid, Der Pentateuch und seine Theologiegeschichte. In Zeitschrift für Theologie und Kirche, Sept. 2014, S 25: „ Zum einen reformuliert sie die aus der Tradition, besonders den Psalmen, bekannte Schöpfungsthematik im Blick auf die creatio prima und ermöglicht von daher eine grundsätzliche Neukonzeption des Gottesbegriffs sowie der Vorstellung von Gottes Handeln in und an der Welt. Besonders in der Priesterschrift, aber auch bei Deuterojesaja, wird deutlich erkennbar, dass Gottes Handeln grundsätzlich als Schöpfungshandeln qualifiziert wird. Das ist eine Neuerung gegenüber den herkömmlichen Darstellungsweisen von Gottes Handeln in den Geschichtsbüchern, namentlich in ihrer deuteronomistischen Prägung: Gott wirkt unmittelbar oder durch andere Mächte, aber in der Geschichte, als ein Faktor neben anderen. Durch die Einleitung durch die Urgeschichte ergibt sich hier eine Perspektivenveränderung: Der Gott der Geschichte ist der Schöpfergott, der Zeit und Geschichte selbst erschaffen hat. Deshalb kann er zwar in und durch die Geschichte wirken, ist aber nicht einfach ein Faktor in der Geschichte. Zum zweiten ist der Urgeschichte die universale Aufweitung des in Gen 12–Dtn 34 vorherrschenden Israelhorizonts zu verdanken: Gen 1–11 bietet eine weltweit orientierte Kontextualisierung der ab Gen 12 einsetzenden Geschichte der Ahnväter Israels und dem aus ihnen entstehenden Volk.“

5Wir müssen vom Zirkel des Wissens und konkret von der Gestalt eines Einzel-Ich ausgehen, um den Zirkel des Wissenden und Gewussten zu heben. Angenommenen eine biologische und evolutiv fortschreitende Kausalität soll die Gestalt eines Einzel-Ichs erst erklären, wie der Evolutionismus vorgibt tun zu können, das ist Unsinn. Auch der Evolutionismus setzt das Einzel-Ich voraus. Vgl. dazu z. B. A. MUES, Thesen gegen die evolutionäre Erkenntnistheorie und die sie ermöglichende philosophische Positionen, in: Fichte-Studien 4, 1992, 119ff.

 

Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser