J. G. Fichte, Glaube und Wissen in der WL 1805, 12. Vorlesungsstunde – 1. Teil

Vorbemerkung:
In dieser WL 1805 1behandelt FICHTE in der
12. und 13. Stunde des „4. Vortrages der Wissenschaftslehre“ (gemeint ist die WL von 1804) das Verhältnis des Glaubens zum Wissen (und umgekehrt) im Hinblick auf die Ableitung des Wissens in und aus dem Absoluten. Es wird eine „prima philosophia“ vorgetragen und geschrieben im Sinne einer a) absoluten Gewissheit einer (anfänglichen) Erkenntnis des Absoluten, b) die Unterscheidung und Absetzung des absoluten Wissens vom Absoluten, und c) die Darlegung dieser Erkenntnis der Erkenntnis der Wirklichkeit in einem (leider nur mehr sehr kurzen) Ausblick der Anwendung.

Meine These: Dass wir eine Erkenntnis des Absoluten und eine damit einhergehende Forderung der Wahrheit und des Solls haben, das kann aus prinzipiellen Gründen der Lichtform und der Existentialform des Wissens eingesehen werden, als faktische Denknotwendigkeit. Was diese wesentliche Denknotwendigkeit dem Wesen und der qualitativen Rechtheit und Lichtheit nach ist, kann allerdings nur geglaubt werden, damit sowohl die apriorische Denkform selbst in ihrer Möglichkeit zum „einen Teil“ eingesehen werden kann, zum anderen Teil aber auch die Freiheit in ihrer Realisierung der aus dem problematischen Soll kommenden Forderung möglich bleibt. In der intuitiv und intelligierbar ableitbaren Wesensgesetzlichkeit des Wissens muss der Glaube einerseits konstitutiv erhalten bleiben, andernfalls die im Wissen  erkennbare Wesensgesetzlichkeit ohne Begründung bliebe bzw. es zu einem Nihilismus kommen könnte;  umgekehrt bedarf der Glaube aber auch konstitutiv der reflexiven Selbstständigkeit einer Licht/und Existentialform des Wissens, damit er als eigene und selbstständige Repräsentations- und Wissensform  des Absoluten begriffen werden kann. Die Einsicht im Glauben ist m. E. nicht „ein dunkler Grund des Wissens in der Wissenschaftslehre 1805“, wie G. Zöller seltsamerweise seinen Artikel in Bd. 34 der Fichte-Studien überschreibt, sondern der Glaube schenkt „vollkommene Klarheit(12. Vorlesung, GA II, 9, S 235/Z 29f), ist „die WL selbst(13. Vorlesung, ebd. S 241/Z18) 2

Glauben und Wissen sind nicht gegeneinander auszuspielen, noch ist eine Form der anderen über- oder untergeordnet, sondern beide Formen sind notwendig zwei Modi des Erkennens, Wollens und Handelns. Sie müssen synthetisch zusammengehören, wenn die Wissenschaftslehre einerseits ein in apriorischen Wissensformen geschlossenes System sein will, andererseits aber auch ein in Formen des praktischen Handelns und Wollens offenes System.

Die glaubensmäßige Erfassung des Absoluten, wie es kommen wird, ist nicht ein blinder, dogmatischer Realismus oder ein das Wissen skeptisierender, nochmals höher liegender Idealismus. Realismen und Idealismen sind alles Vorstufen einer transzendentalen Wissensbegründung. Der Glaube soll berechtigt die  selbstkritische Distanz der WL zu einer bloß reflexiven Wissens- und Gotteserkenntnis  zum Ausdruck bringen. Das Quale einer wahren Erkenntnis der Erscheinung des Absoluten ist reflexiv nicht vermittelbar zu erreichen, sondern nur unmittelbar, beginnt im Gefühl und endet in der unmittelbaren Erkenntnis der Rechtheit und Lichtheit des Absoluten im praktischen Tun. Wie es immer in der WL schon geheißen hat – ähnliche Sätze könnten wohl schon in der „Practischen Philosophie“ Anfang 1794 gefunden werden – das Gefühl ist Beginn der Realität – und daran wird geglaubt! 3

Der nicht nur reflexive, sondern auch glaubensmäßige Erkenntnisvollzug bleibt  eine konstitutive Begleitung in allem Erkennen, Wollen und Handeln.4

Die Philosophie bedarf des Glaubens, aber umgekehrt bedarf der Glauben des kritischen Werkzeugs der Philosophie, andernfalls a) er sich selbst nicht rational verstehen und mitteilen und b) seine eigene, erkenntniskritische Position nicht adäquat referieren könnte.

Nochmals meine These zur Diskussion: Zu der durch das existentiale Licht des Absoluten erreichbaren, vernünftigen Erkenntnis der Erkenntnis der Dinge muss glaubensmäßig eine qualitative Evidenz und Werthaftigkeit kommen, sonst bleibt eine reine Form und Faktizität des Denkens übrig. Es fehlte dem Denken die konstitutive Anschauung der Rechtheit und Lichtheit, die Sinn- und Werthaftigkeit in ihrer Qualität und Valenz.5

M. a. W., die Erkenntnis der formalen Wissensprinzipien der Wirklichkeit ist Aufgabe der Philosophie, aber gerade diese verweisen unter Bezugnahme auf die aus der Wahrheit als Wert und als absolut Rechtes und Gutes hervorgehende Forderung auf eine nur glaubensmäßig zu erfassende Realität.  

Im letzten Vortrag der WL 1805, 29. Stunde (GA II, 9, S 308, Z 10ff ), fasst Fichte nochmals zusammen, dass „(Ich sage) durch Voraussetzung eines absoluten Gesetzes also zu denken, wie wir gedacht haben: Eines Reflexionsgesetzes, auf Freiheit als Bild des absoluten, – an Freiheit. 1.) Dieses Reflexionsgesez, so wie es beschrieben worden, ist nun einzusehen, als der Eine Grund des Wissens; durch welches gesezt wird, alles, was da gesezt wird; die einzige, und ganze Weise, wie das absolute eintritt in das Wissen.“ (ebd)

Die über viele Vorlesungsstunden sich hinziehende Ableitung des Wissens aus dem Absoluten in der Form der Ichheit bzw. Verstandeseinheit (Existentialform des Lichts) offenbart das ipso facto im freien Vollzug entstandene Bild des Absoluten als factum fiens, factum factum(16. Stunde, ebd. S 253, Z 6)?

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1.) Jetzt direkt der Einstieg in die 12. Vorlesungsstunde: Nach einer bereits erreichten Höhe der Einsicht in die absolute Gewissheit des Absoluten in der Wissensform des Lichtes, hinterfrägt Fichte in der 12. Vorlesung die bereits erreichte Einsicht. In der 11. Vorlesung spricht er noch von der „absolute Reflektirbarkeit“ (ebd. S 231, Z 22) „ (und diese) steht uns fest, u. diese zu läugnen, w0llen wir uns ja nie verleiten lassen.“ (ebd. S 231), aber gerade diese Reflektierbarkeit an sich ist jetzt verdächtig, und könnte nur leere, willkürliche Reflexion des Denkens sein. Deshalb, nicht aus Verlegenheit oder Nicht-mehr-weiter Wissen, kommt jetzt explizit die Stufe der Glaubensgewissheit notwendig hinzu, weil jeder Verdacht einer bloß projizierten und objektivierten Wahrheitsaussage muss vernichtet werden. Das Glaubenswissen ist nicht einfach ein willkürliches Beenden des kritischen Wissensdiskurses, sondern die notwendige Bedingung, sollte die Wissensform des Lichtes auch als philosophisch wahr und gerechtfertigt erscheinen.

Das Wissen ist auf dieser bisher erreichten Stufe als „faktisches Licht“ (12. Vorlesung, S 233, Z 5) einsehbar, aber davon auf eine realistische oder idealistische Begründung aus dem Absoluten zu schließen, würde zu einem Zirkel führen und würde das Niveau der erreichten Höhe in der Form der Einheit im Wissen wieder völlig unterschreiten. Das Absolute muss in der Wissensform des Lichtes erscheinen und darin bleiben, aber wie das anschauen und bewähren? Weil die Begründung und Rechtfertigung des Wissens, bzw. die Wesensform des Lichtes, nicht über die Faktizität seines Vollzuges hinausweisen kann – deshalb jetzt hier wörtlich und notwendig der Erkenntnismodus des Glaubens.6

(…) ein rein praktisches, reelles Machen, u anfangen aller Wahrheit durchaus per hiatum. Schlechthin frei, Ansicht nehmen, u Maxime machen, sich machen zu einem so sehen: aus keinem Sehen: indem alles andere Sehen das Gegentheil aussagt -. Nicht gelten lassen: gelten lassen: Wie nennen wirs? Glaube: sezt faktisches Licht, durchaus leer, u. nichtig: absolut aus u. von sich selber machend, das formale Quale (….) (ebd. 233, Z 10 ff; Hervorhebung von mir)

Wenn das Absolute als Grund des Lichtes notwendig in der Reflexionsform des Wissens gedacht werden muss (intuitiv eingesehen und intelligierend bestätigt), so braucht es eine zusätzliche intelligible Bedingung der qualitativen Rechtheit und Lichtheit dieser Faktizität, eben die Bedingung des Glaubens.

Diese intelligible Bedingung des Glaubens ist nicht ein blinder, reduktiver Schluss, sondern ein ethischer Akt besonderer Art, eine gewisse Selbstüberwindung des Wissens auf höherer Stufe.
Der Glaube erschafft nicht das absolute: wäre wieder der erste Irrthum, der durch einen neuen Glauben vernichtet werden müsste, daß daher der erste Glaube nicht der absolute Glaube gewesen wäre; sondern ihm, als dem lezten u. absoluten Fakto giebt sich das absolute: Er hebt in sich an vom Unglauben an sich selber; diese<m> giebt sich das Absolute, u. so erst wird er positiver Glaube. 2.). Der Glaube“ ist Unglaube an die absolute Reflektirbarkeit: er ist daher bedingt dadurch daß man diese, als absolut faktisch, erkenne, und als solche sie gelten lasse. Das Kunststük auf einem andern Wege zu einem vermeinten Absoluten zu kommen, läßt sich nun nachmachen: man hört irgendwo auf zu reflektiren, oder falls man Vorgänger gehabt, die die absolute Reflektirbarkeit behauptet, läugnet diese für irgend eine Stelle im System des Wissens“, wo man das Absolute gern hin hätte. -. Dadurch macht man sich nun blind; u es entsteht ein blinder Glaube, der weil er eben blind ist, blind ist auch in sich selber, und sich drum nicht für Glauben, sondern für Wissen hält.“ (ebd. S 233.234, Z 33 f Hervorhebung von mir)

Der Glaube ist Unglaube an die Form des Wissens, und zugleich Glaube an den in der Wissensform intuierten und intelligierten Inhalt eines übergehenden Willens, ist Glaube an die intellektuelle Anschauung einer absolut qualitativen Rechtheit und Lichtheit. Bloß durch reflexiven Rückschluss könnte das Absolute in seiner qualitativen Rechtheit und Lichtheit nicht eingesehen werden. Fichte spricht deshalb an dieser Stelle von Fehlschlüssen wie z. B. bei Schelling und Hegel, weil diese meinen, diese notwendige intelligible Bedingung des Glaubens könne leichtfertig übergangen werden. In Wahrheit hören sie in ihrem Reflektieren an einer Stelle auf und setzen ihr Subjektives als Absolutes hin. „Wahres Princip der tollsten Schwärmerei“ (ebd. 234, Z 4), „(…) Materielles Annehmen ohne Intellektualität der Anschauung“.

Mit „Glaube“ meint Fichte nicht einen „abgeschmakten Begriff“ (ebd. Z 9), weil man nicht mehr weiter weiß. Der Glaube ist „der allerbedeutendste Punkt. – Er ist die Quelle aller Realität, und seine Klarheit die Bedingung unsrer Einsicht, (…) „ (ebd. 234, Z 10; Hervorhebung von mir).

(Der Begriff der „Realität“ wurde in der GRUNDLAGE von 1794/95 bereits im Zusammenhang des Glaubens eingeführt und bestätigt sich hier auf höherer Stufe im Denken von Absolutheit. Der Begriff scheitert notwendig im Denken der Absolutheit, deshalb Glaube an die Realität oder an das Absolute. Siehe oben die Stellen aus der GRUNDLAGE, Anm. 2).

Wie diesen Glauben im Wissen aber trotzdem vermitteln und verstehen? Er soll einerseits nicht außerhalb der Wissensform angesetzt werden („jenseits“), denn dann wäre er wirklich ein blinder, „dunkler“ Glaube (Zöller, siehe oben), andererseits verweist der Grund des Glaubens doch auf eine innerhalb des Wissens liegenden  qualitativen Rechtheit und Lichheit. Der Grund des Glaubens muss einerseits anders gedacht werden als das reflexive Wissen, andererseits und zugleich soll er aber innerhalb des Wissens das Wissen bewähren, als „(…) absolut nur wirkendes, u. schlechthin wirkendes Princip der Einsicht jenseits der Einsicht, einen verborgnen, u. hier im Lichte durchaus nicht aufgehenden Grund des Lichtes, und dessen, was in ihm ist. Realität: sey dies vorläufig ihr stehender Charakter.“ (ebd. S 235, Z 5f, Hervorhebung von mir.)

Nochmals wird bestätigt, dass der Glaube/Glaubensakt selbst eine bewusst eingeführte, gesetzte Form des Wissens ist, eine intelligible Bedingung („Geständnis“) und nicht aus Verlegenheit und Nicht-mehr-Weiterwissen eingeführte Bedingung.

Nun geht der Anerkenntniß der absoluten Reflektirbarkeit die Einsicht auf, da nicht das absolute, als absolutes, sondern daß das Licht selber Erzeuger dieser Einsicht, also das darin verborgne Reale sey: welche Einsicht auf dieser Stelle (merken Sie wohl,) durch den Glauben keinesweges aufgehoben, u. vernichtet, sondern zugestanden wird, u. in diesem Geständniß allein Bedingung des Glaubens ist. Dagegen geht dem Glauben das absolute als solches (das rechte wahre absolute) auf, als Erzeuger, nicht jenes, sondern dieses andren Lichtes, in welchem es selbst schwimmt. Dort war daher etwas nicht aufgegangen, in der absoluten Lichtform, dem als; es war concrescirt, u. dunkel, u. dadurch wurde es Realität / eben das verdunkelte absolute: – welches nun die Realität selbst seyn würde, u. Dunkelheit ihre absolute Bedingung. (ebd. Z 10ff; Hervorhebung von mir)

Die absolute Reflektierbarkeit des „Als“ erreicht von sich her offensichtlich nicht dieses „concrescirte“ u. „andere“ Licht, in welchem der Glauben „schwimmt“. (Es folgen poetische Bilder, ähnlich wie in der Hl. Schrift: Gott im Dunkeln siehe z. B. 1 Kön 8, 12 u. a.)

M. a. W., FICHTE denkt hier versuchsweise durch, in der Wissensform des Als, das Absolute als Prinzip der Einsicht zu fassen, dann könnte „in dieser Rücksicht das Prinzipseyende Absolute die Realität (genannt werden), aber nicht in dem herkömmlichen Sinne eines Grund-Folge-Verhältnis, sondern die Realität ist im Lichte, ist in ihm Princip des in ihm seyenden Lichtes, sie ist aber keineswegs Prinzip des absoluten Lichts, welches ohne alle Anwendung des Grundes, u. der Folge, des Princip und Principiat (durchaus mit dem absoluten, u. dieses mit ihr aufgeht.“ (ebd. S 235, Z 25 ff) Das Absolute muss jenseits der Produktionsform des Wissens und einer bloß begrifflichen Realität liegen – und deshalb muss die Realität gegenüber diesem qualitativen Lichtsein des Absoluten geradezu als „Dunkelheit“ (ebd. Z 28) erscheinen – und verschwinden in „vollkommner Klarheit, d. i. dem Aufgehen des Lichts mit dem Absoluten als absoluten, welche vollkommne Klarrheit allerdings möglich ist, denn wir haben sie in der vorigen Stunde, u. in diesem Augenblike wieder wirklich gemacht.“ (ebd. Z 29ff)

Das Absolute als „Realität“ zu denken ist nicht möglich wegen der objektivierenden Bedeutung; erst im Glauben, so der im Geiste selbst zu vollziehende Schluss, tritt „vollkommne Klarheit“ ein, Wissen einer qualitativen, unwandelbaren Evidenz der Rechtheit und Lichtheit, unabhängig von einem logischen Grund-Folge-Denken.

Dies wird, auf eine sehr einleuchtende, u. stringente Weise (deren Erfassung nur eine selbst bisher noch nicht gefoderte Schärfe des Denkens erfodert[)]: – . Ich beschuldige nemlich mich selbst, u. Sie insgesammt, daß wir selbst die von uns zu Stande gebrachte Einsicht des absoluten nicht scharf genug angesehen haben: Sichtbar ist so in ihr enthalten nicht nur das absolute als absolutes, sondern zugleich als Grund. Das Licht in seiner absoluten Form, über u. an dem absoluten als absoluten, bringt daher schlechthin aus sich, u. durch sich den Grund mit (den wir oben, nicht scharf attendirend vernichten wollten:[)] W. D. E. W.“ [(ebd. 12.Vorlesungsstunde, S. 236 Z 11ff)

Der Glaube steht hier nicht tiefer als das Wissen in seiner Form, er ist unbedingte intelligible Bedingung, damit die von der Lichtform beanspruchte Einsicht in die Gewissheit und Dassheit des Absoluten auch dem Wesen nach begründet und gerechtfertigt werden kann. Und umgekehrt, das Wissen steht nicht tiefer als der Glaube, es ist der „zweite Theil“ (ebd. S 236, Z 30)

Was haben wir eingesehen: Das göttliche Existiren ist das Licht selbst schlechthin unmittelbar: ferner das Licht ist Grund seyn: das göttliche Existiren ist daher schlechthin unmittelbar sein Grundseyn; ausser allem Lichte, denn sein Grundseyn ist eben das Licht: – . Dem Lichte unzugänglich, denn hierin al[l]ein ist es absolut, u. unerforschlich: lediglich anzuerkennend“, wie wir es dermalen anerkannt haben. (Grund, nicht denkend, sondern er ists. Wir selbst,“ die W. L., sollen nicht mehr wie bisher von der Vernichtung des Scheines, u. dem Glauben nur reden, sondern wir sollen damit selbst Ernst machen; ein durch setzen, ohne durch.) Innerhalb dieses absoluten Lichtes erst erscheint, nach der oben vollzognen Einsicht, erst das absolute, als solches, und als Grund. Diese Einsicht ist daher nichts anderes, als das absolute Intelligireno des Wesens des Lichtes, wie es in sich selbst ist: nur der zweite Theil dazu, u. das aus der zweiten Hand: freilich das absolute, u. unerzeugte Intelligiren.“ (ebd. S 236 ab Z 19ff) 

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(c) Franz Strasser 12. 3. 2019

1J. G. Fichte, Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. II, 9: Nachgelassene Schriften 1805-1807. Hrsg. von Reinhard Lauth und Hans Gliwitzky unter Mitwirkung von Josef Beeler, Erich Fuchs, Ives Radrizzani und Peter K. Schneider. 1993.

2Günter Zöller, „Einsicht im Glauben“. Der dunkle Grund des Wissens in der Wissenschaftslehre 1805. Fichte-Studien, Bd. 34. , 2009, 203- 219. Dieser ganze Band 34 ist der WL 1805 gewidmet und beleuchtet verschiedene Aspekte. Ich beschränke mich auf die 12. u. 13. Vorlesungsstunde und nehme gelegentlich Bezug auf diese Fichte-Studien Bd. 34. Günter Zöller wählt für seinem Artikel eine höchst unglückliche Überschrift, wiewohl ich sonst nichts dagegen sagen könnte. Der zitierte „blinde“ Glaube (S 233f Z 33) bezieht sich ja auf die Idealisten wie Schelling und Hegel, von deren negativen Glaubensbegriff sich Fichte wahrlich absetzen will. Warum soll die „Einsicht im Glauben“ zugleich als „dunkler Grund des Wissens“ charakterisiert werden?

3Nur im Verstande ist Realität**[3]; er ist das Vermögen | des Wirklichen; in ihm erst wird das Ideale zum Realen [daher drückt verstehen auch eine Beziehung auf etwas aus, das uns ohne unser Zuthun von aussen kommen soll]. Die Einbildungskraft producirt Realität; aber es ist in ihr keine Realität; erst durch die Auffassung und das Begreifen im Verstande wird ihr Product etwas Reales. — Demjenigen, dessen wir uns als eines Productes der Einbildungskraft bewusst sind, schreiben wir nicht Realität zu; wohl aber dem, was wir im Verstande, dem wir gar kein Vermögen der Production, sondern bloss des Aufbehaltens zuschreiben, als enthalten antreffen. — SW I, 234. § 4 Deduktion der Vorstellung;

§ 6 Vorbereitung der praktischen Grundlage der glaubensmäßig geprägten Vorstellung: „(Hier liegt der Grund aller Realität. Lediglich durch die Beziehung des Gefühls auf das Ich, die wir jetzt nachgewiesen haben, wird Realität für das Ich möglich, sowohl die des Ich, als die des Nicht-Ich. — Etwas, das lediglich durch die Beziehung eines Gefühls möglich wird, ohne dass das Ich seiner Anschauung desselben sich bewusst wird, noch bewusst werden kann, und das daher gefühlt zu seyn scheint, wird geglaubt.An Realität überhaupt, sowohl die des Ich, als des Nicht-Ich, findet lediglich ein Glaube statt.) (ebd. SW I, 301)

4 Ein Schelling oder Hegel haben sich ja den Weg zum Absoluten total verbaut, indem sie nicht unterschieden haben zwischen dem Absoluten und dem absoluten Wissen. So gelangten sie nur zu einer relativen, realistischen oder idealistischen Position. Es wird gerade an dieser Stelle der WL 1805, wo es um die konstitutive Funktion des Glaubens im Wissen geht, explizit von Fichte auf Schelling – und inkludierend Hegel – verwiesen werden.

5K. Hammacher arbeitet diese Zusammengehörigkeit von Glauben und Wissen in „Problemgeschichtliche Eröterung der großen Themen in Fichtes Leben, Fichte-Studien Bd. 34 – dieser Band ist besonders der WL 1805, Erlangen, gewidmet – 2009, S 14 – 18, sehr gut heraus: Das Bildungsgesetz des Wissens könnte leicht zu einem Nihilismus führen. Das Denken der Absolutheit ohne in dialektischen Schein zu verfallen, ist ja das Große der Entwicklung nach dem sogenannten „Atheismusstreit“! FICHTE denkt das Absolute in einer dialektischen Selbstverhüllung des Lebens. Das Absolute, sobald es als Grund gedacht wird, bedeutet eine Objektivierung, und ist insofern „Glaube“ – „(…) dieser ist ein »existentieller« Akt: das nicht gelten lassen (der Absolutheit des Wissens) dies eben ist der Glaube«.- Denn dann, »ohne alle Anwendung des Grundes und der Folge«, geht mit dem Glauben ein » Licht« auf, und diese Einsicht gründet in dem »Geständniß« – also einem ethischen Akt besonderer Art – und das ist die »Bedingung des [höheren, wahren Glaubens«; oder mit Bezug auf Fichtes Grundeinsicht – durch das Ich allein zu Gott kommen zu können – ausgedrückt: »Das Ich, das durch Glauben vermittelst des Nichtglaubens an seine Form, das Absolute ergreift.«“. Die Einsicht wird also durch den Glauben keineswegs aufgehoben, wie eine weitverbreitete Auffassung immer noch behauptet, sondern auf einer höheren Stufe einer gewissen Selbstüberwindung neu begründet.“ (ebd. S 18)

6Fichte drückt am Ende der 11. Vorlesung seine Zweifel an der Wissensform und Lichtform so aus: „Jezt aber besinnen wir uns doch auf uns selber; sind es denn nicht wir, die diesen Gedanken gedacht haben; haben wir nicht das Absolute objectivirt, u. projicirt, was ja, als sehen, Produkt des stehenden Lichts ist; ihn intelligirt, ausdrüklich, als absolutes, u ihn darum also bestimmt: Kurz trägt er nicht in seiner ganzen Gestalt ganz deutlich die Merkmale seiner Erzeugung aus dem anwesenden, u. waltenden Lichte, nach seiner ganzen Gesezgebung. – . Es ist daher durchaus u. ganz die schon oben zu Stande gebrachte täuschende Genesis des Lichts in sich selber: nur wiederholt, u. zweimahl gesezt. Das «mit ihm gefaßte Absolute [/] ist nicht absolut, sondern selbst ein Relationsglied, projicirt aus dem Lichte, als der stehenden Relation. Wir sind nicht weitergekommen, und nicht zu dem absoluten. – Wir können ferner einsehen (u. ich ersuche Sie, diese Einsicht bei sich zu vollziehen, u sie auf ewig festzusetzen) daß es uns bei keinem ins unendliche wiederholten versuche besser gehen wird. (…) „ S 230, Z 21ff)

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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser