Zur Philosophie der Sprache
Inhaltsverzeichnis
1) Überblick 1
1. 1) Sprache aus dem apriorischen Begriff ihrer selbst. 4
1. 2) Sprache ist notwendig aus der apriorischen Interpersonal-Natur des Vernunftwesens Mensch abgeleitet. 10
1.3) Sprache als Wunder 13
Ziemlich am Anfang der Entdeckung der WL schrieb Fichte bereits einen bemerkenswerten Artikel zur Sprache: „Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache“ (1795) (siehe Werke GA I/3, S 91ff). Ebenfalls zu diesem Thema Sprache, Entstehung und Sinn der Sprache, äußerte er sich in den „Vorlesungen über Logik und Metaphysik“ – ein Kommentar zur „Platners Aphorismen“ (1794) (Nachschriften GA II/4 – siehe dort besonders Abschnitt „von der Sprachfähigkeit“ Seite 158f) (vgl. auch die Kollegnachschriften zu diesen „Vorlesungen über Logik und Metaphysik“ 1797, GA IV/ 1)
In Zusammenhang mit diesen Platnervorlesungen bringt Fichte die drei Hauptansichten seiner Zeit vom Ursprung und Sinn der Sprache auf folgenden Nenner: „Die Sprache ist angeboren; sie ist dem Menschen durch ein Wunder gelehrt; sie ist von ihm selbst erfunden. – Alle drei sind durch berühmte Philosophen vertheidigt; durch ebenso berühmte widerlegt worden.“ (GA II/4, 158)
1) Überblick
Ich fasse hier systematisch das so zusammen: Die Sprache ist weder physei noch thesei, sondern muss 1.1) aus ihrem apriorischen Begriff ihrer selbst (ihrer apriorischen Idee) und 1. 2. ) aus einem apriorischen Begriff des Vernunftwesens „Mensch“ und seiner interpersonalen Natur und schließlich als 1. 3) Wunder und göttliche Gabe verstanden werden. Alle drei Antworten treffen in gewisser Hinsicht zu. (An Sekundärliteratur las ich J. Widmann1, Klaus Kahnert2 und Kaoru Hoshiba 3)
Kaoru Hoshiba 4 beurteilt m. E. richtig, dass Fichte ähnlich wie J. G. Herder von einer apriorischen Vernunftnatur des Menschen ausgeht, aber die Frage auf eine höhere Stufe stellt: Es zeigt sich die Vernunft nicht anhand bestimmter, naturaler Bedingungen, z. B. der Bedingung der Besonnenheit im Unterschied zum Tier, sondern aus einem apriorischen Begriff des Denkens der Vernunftnatur wird das Wesen des Menschen deduziert. Bei Herder in seiner Schrift „Abhandlung über den Ursprung der Sprache“ (1769) bleibt ein naturalistischer Zirkel: Die angebliche Besonnenheit und Menschennatur erzeugt die Sprache, die der Mensch kraft seiner (Vernunft)-Natur somit selbst erfunden hat – und umgekehrt bezeugt die Sprache die Vernunftnatur. Es ist halt eine petitio principii, die Vernunftnatur erzeugt die Sprache und die Sprache bestätigt die Vernunftnatur. Gut beobachtet, aber erkenntnistheoretisch nicht abgeleitet in einer genetischen Folge aus einem apriorischen Ursprung.
Fichte konnte mit seiner Entdeckung der Tathandlung und der höchsten Einheit des Sich-Wissens und Sich-Bildens selbst-transparent die Erscheinung der Sprache als notwendiges Werkzeug des Gedankenaustausches ableiten a) erkenntnistheoretisch begründet in der triebhaft-organischen Natur des Menschen, die von sich her b) praktisch-logisch und durch Freiheit zur Interpersonalität und Kommunikation aus freien Selbstbestimmungsgründen führt. Anders gesagt: Die Notwendigkeit der Sprache kann aus apriorischen Gründen des Denkens von Selbstbewusstsein eingesehen werden. Sie ist das adäquate Werkzeug und Mittel, die freie Sich-Erscheinung des göttlichen Seins und die Gemeinsamkeit des Wollens in bildhafter Weise einzusehen und nachzuvollziehen. Natürlich kann dieses dialogische und kommunikative Verhältnis von Personen zueinander in concreto und in der Wirklichkeit sprachlich ganz anders verlaufen, kann es Lüge und Konflikte geben, aber der Möglichkeit nach ist die Sprache die absolute Möglichkeitsbedingung eines Sich-Verhältnisses in einer interpersonalen Gemeinschaft. Sie ist angeboren, erfunden und gnadenhaft gewährt, proijzierbar und objektivierbar als, wie möchte ich sagen, eigene Evidenzform sui generis.
Die Evidenzform der Sprache wird in ihrer Mächtigkeit und Vielfältigkeit in der Semiotik und Hermeneutik vielfach beschrieben und besungen, doch die transzendentale Ableitung ihrer apriorischen Idee und Sinnhaftigkeit für den interpersonalen Austausch ist kaum irgendwo nachzulesen. Man liest über ihren faktischen Gebrauch, zerlegt sie nach Syntax, Semantik, Pragmatik, spricht von grammatischem und psychologischem Verstehen (Schleiermacher), wie aber das Verstehen derselben der transzendentalen Bedingung der Wissbarkeit nach wirklich verläuft, also nicht bloß in einer metaphysischen Bestimmtheit von Erkenntnis und Wirkung durch Sprache bzw. Rückwirkung der Sprache auf die Erkenntnis – das ist ohne höchsten, transzendentalen Standpunkt eines Sich-Wissens und Sich-Bildens nicht möglich erklärbar.
Fichte geht wie Herder ebenfalls von der Voraussetzung des Urmenschen als vernunftbegabt aus. Eine andere Voraussetzung wäre willkürlich und nicht gerechtfertigt. Die Frage nach dem Urmenschen als Vernunftwesen stellt sich ja deshalb, weil in Folge die Schritte der Sprachentstehung geschildert werden, die eine Art genealogische und geschichtliche Reihe der Entstehung der Wörter und Bilder nachzeichnen. Fichte ist hier ebenfalls sehr belesen und überaus scharfsinnig. Auf diese hypothetische Historie gehe ich aber hier nicht ein – siehe die Nachzeichnung bei K. Kahnert.5
Mir geht es um die apriorische Begriffsbestimmung der Idee von Sprache in erkenntnistheoretischer und in logisch-praktischer, kategorischer und teleologischer Sicht: Sie ist apriorische Idee, dass und wie die wissende, sich selbst bewusste Sich-Genesis individueller Freiheit innerhalb einer Gemeinsamkeit von anderen Individuen möglich sein kann.
Anders gesagt: Die Idee der Sprache muss apriorisch so formuliert und beschrieben werden, dass sie als Werkzeug und Mittel der apriorischen Vernunftidee vom Menschen tauglich wird. „(…) man muß aus der Natur der menschlichen Vernunft die Nothwendigkeit dieser Erfindung ableiten; man muß darthun, daß und wie die Sprache erfunden werden mußte“. („Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache“, GA I/3, 97)
1. 1) Sprache aus dem apriorischen Begriff ihrer selbst.
Die erste Definition von Sprache nach Fichte verläuft dahingehend: „Sprache, im weitesten Sinne des Wortes, ist der Ausdruck unserer Gedanken durch willkürliche Zeichen.“ (GA I/3, 97)
Für Fichte besteht ein großer Unterschied zwischen dem Zeichen, das als Sprache und Gedankenäußerung sichtbar wird, und der Sichtbarkeit einer Handlung, die ja von sich noch sehr ambivalent in ihren Bestimmungsgründen beurteilt werden mag. Eine Handlung zu definieren stellt allein schon eine gewisse Schwierigkeit dar, weil damit engstens entweder ein rein erkenntnistheoretischer, gedanklicher Begründungszusammenhang verknüpft wird, dass z. B. eine Handlung nur frei und interpersonal sein kann – oder durch einen eigenen Motivationsgrund bewirkt sein kann, z. B. durch Anreize oder Antriebe oder überhaupt nur mechanisch bewirkt ist, wobei man begrifflich nicht mehr von „Handlung“ sprechen sollte.
In einer Sprechakttheorie scheint die Bedeutung eines Wortes oder eines Satzes durch den Tatcharakter der Handlung charakterisiert und festgelegt zu sein. Natürlich geht ein sprachlicher Ausdruck oft direkt auf eine Handlung hinaus, aber deshalb, weil er interpersonal den anderen erreichen will. Sprachlicher Ausdruck, Gedanke und Tat gehören bleibend distinguiert, um sowohl die Evidenform der Sprache sui generis als Gedankenaustausch und interpersonales Verstehen und Sich-Wissen und Sich-Bilden (in der Vorstellung), als auch das abstrakte Wollen der Handlung zu verstehen. Wenn der Gedanke ganz Tat wäre, würde die Tat das Wesentliche des Gedankens fassen: Das ist aber unzulässig, denn das Tätigsein ist unwesentlich für das, was sich dabei ergibt: nämlich die Erkenntnis. Fichte drückt das kurz und prägnant aus: Sprache dient der Gedankenübertragung; Handlung ist anders zu beschreiben. K. Hoshiba zitiert: „Ausdrücken heißt, einen Gedanken oder ein Gefühl, also eine Vorstellung, auszudrücken. Dagegen handelt man nicht, um etwas auszudrücken. „Bei einer Handlung hingegen ist der Ausdruck des Gedankens nur zufällig, ist durchaus nicht Zweck. Ich handle nicht, um andern meine Gedanken zu eröffnen; ich esse z. B. nicht, um andern anzudeuten, daß ich Hunger fühle“. (GA I/3, 98). 6
„Wir handeln zwar gemäß unseren Gedanken und Absichten, aber unsere Handlungen sind keine Ausdrücke unserer Gedanken und Absichten. Denn die Handlung selbst erfüllt die Absicht und ist somit Zweck; dagegen erscheint der Gedanke erst, wenn er durch Zeichen ausgedrückt wird. Um etwas auszudrücken, braucht man Zeichen. In Hinsicht auf den Gebrauch des Zeichens unterscheidet sich der Ausdruck von anderen Handlungen.“ 7
Man findet oft die ungenaue Rede von der Performativität des Sprechaktes, d. h. dass im Sprechen eine Handlung gesetzt wird bzw. Sprechen und Handlung dasselbe sind.
Das ist unzulässige Vereinnahmung der Sprache und ihrer enthaltenen Erkenntnis durch eine äußere Beobachtung. Der Sprech-Akt ist nicht ein Seh-Akt transzendentaler Wissensbildung. Der Seh-Akt führt durch das in ihm „decretirende Licht“ (WL 1804/2) eine evidierende Vernunftform der Erkenntnis mit sich, während eine Sprech-Akt als Handlung im Gedanken nicht aufgeht.
Der Seh-Akt setzt eine Idee voraus, aus der er immer wieder (theoretisch) neue Möglichkeiten des Bestimmung dieser Idee ableiten kann, aber natürlich ist er in seiner transzendentalen Möglichkeit nicht auf bloß Ideelles ausgerichtet und durch Ideelles begründet, sondern ist wirkliches Sehen, was er denn sein soll, wenn er sehen soll. Er ist notwendiges Sehen aus einer inneren Gesetzmäßigkeit des Sich-Wissens und Sich-Bildens und verbindet das Mögliche am Wirklichen causal und real und das Wirkliche am Möglichen conditional und ideal auf eine verstandliche Einheit und vernünftige Synthesis hin. In der Wechselwirkung einer von mir hier nicht auszuführenden genetischen Bild-Erkenntnis wird objektiv und subjektiv im kausalen und substantiellen Denken stets auf Wahrheit Bezug genommen, die die Bild-Wirklichkeit bewährt und das Bild des Bildes vom Sein in bestimmbarer wie bestimmter Erkenntnisbestimmung hervortreten lässt.
Eine Handlung ist eine nachträgliche Rationalisierung und Abstraktion eines genetischen, zugrundliegenden Bildungs- und Verstehensaktes, der real zuerst von der interpersonalen Aufforderung ausgeht, aber eine ideale universale und totale Aufforderung des Sittengesetzes – wiederum Repräsentation der Erscheinung des Absoluten – voraussetzt. Deshalb ist die sprachliche Vermittlung primäre Evidenzform eines Interpersonalverhältnisses und „Ausdruck eines Gedankenaustausches“, ist gemeinsame Verstandes- und Vernunfterkenntnis zwecks Erreichung einer idealen Gemeinsamkeit von Freiheit und Vernunft.
Die Handlung selbst erzeugt nicht diese Erkenntnis idealer Gemeinsamkeit und erzeugt nicht die wahre Bild-Projektion und wahre Bild-Objektivation. Sie ist beobachtetes, abstraktes Wollen.
In der sogenannten Sprecht-Akt-Theorie sehe ich eine ständige petitio principii: Der nachträgliche, nur gedanklich investierte Begründungszusammenhang in eine Sprechhandlung erklärt den Tatcharakter der Handlung und umgekehrt erklärt die Handlung den gedanklichen Zusammenhang. Sprache und sprachliche Gedankenaustausch sind in dieser Sprechakttheorie zu einer Funktion einer Handlung geworden, – aber das erklärt nicht die Erkenntnis und eine mögliche Sinnhaftigkeit und ideale Gemeinsamkeit im Verstehen.
Intuitiv erkennt Fichte diese Unterscheidung: Sprache ist Übertragung von Gedanken. Sie ist eine Äußerung von Gedanken, aber die Äußerung beruht auf einer inneren Gesetzhaftigkeit des Erkennens und Sich-Wissens und Sich-Bildens. Die „Äußerung“ darf nicht äußerlich gelesen werden als Handlung.
Wenn ich Brot esse, kann ich nachträglich rationalisieren und aussprechen und begründen und äußern, weil ich Hunger habe, aber wenn ich esse, so hat das unmittelbar den einen Zweck zu essen – ohne mich deshalb erkenntniskritisch äußern zu müssen. Eine „sprachliche Handlung“ , wie das verkürzt in der Sprechakttheorie immer heißt, wäre die Subsumtion eines äußeren Tuns unter die Kategorie sprachlichen Wissens, aber eigentlich hat das Tun keine Bedeutung verglichen zum sprachlichen Wissen. Ich kann metaphorisch so reden und irgendwelche Begriffe untereinander stellen, aber das ist Dichtung: Ich kann sagen, dass der Mond schweigt, und ich subsumiere den Mond unter diese Bedeutung „schweigen“, aber eigentlich meine ich einen inneren Ausdruck meiner Seelenstimmung.
Die Handlung ist ähnlich nachträgliche Abstraktion eines vorgestellten Wollens. Die Handlung selbst ist keine Seelenstimmung und ist kein Wollen. Der Gebrauch der Sprachbilder, ihre ganze Logizität, der performative Sprechakt, die Syntax, die Semantik, die Pragmatik, diese ganze dahinterstehende Semiotik, das ist zuerst ein im Denken und Wollen Gebildetes und Geschautes, Sichtbares, in ihrer Evidenzform zu bewährendes Wissen, das abstrahiert werden kann, aber nicht selbst das Denken und Erkennen erzeugt.
Wir können das auch so verstehen, dass wir richtig sagen, es gibt auch non-verbale Zeichen, die für sich „sprechen“, weil Denken und Erkennen eben unabhängig vom Wort-Laut sind.
Das Sprech-Zeichen ist eng mit dem Seh-Zeichen verwandt, weil wir zugleich mit der Vermittlung des Sprech-Aktes in der Aufforderung das Denken und innere Sehen eines Gehaltes visualisieren. Wir vollziehen selber nach, was ein anderer gedacht und gesagt hat, z. B. was eine „Handlung“ ist, aber deshalb ist ipso facto das Visualisierte und Objektivierte wiederum nur die eigene Rezeptivität des Sich-Sehens und Sich-Wissens.
Das interpersonal Bewegende und den Dialog Bewährende, das den andern Erreichende im Gespräch, das sichtbar-unsichtbar Sprachliche des Verstehens und Vorstellens – man lese dazu Martin Buber – , das ist nicht in der Handlung als solcher begründet.
Die Kunst des Verstehens wurde durch die Hermeneutik ausführlich transzendental erforscht auf ihre Bedingung der Möglichkeit hin – Seinshorizont, Geschichtlichkeit, Sprachlichkeit (siehe Blog zur „logischen Struktur der Frage“) – wurde als grammatische und psychologische Bedingung herausgearbeitet, doch jede Beschreibungs- und Referentialität setzt zuerst eine apriorische Evidenz der Gleichheit und Übereinstimmung zwischen dem Zeichen und dem bezeichenbar Möglichen voraus – die als solche erkannt worden sein muss. Der erkannte Charakter einer Tat – das in der Hermeneutik abstrahierte Bildungskonzept und Gedankengebäude des Verstehens – kann nicht aus der Tat und der Handlung oder dem Verständnishorizont selbst abgelesen werden, wenn nicht schon vorher apriorisch im Sich-Wissen und Sich-Bilden epistemologisch gebildet ist, was erkannt werden soll.
Anders gesagt: Die performative oder logische oder semantische Darstellung eines Sprechaktes oder das abstrahierte logisch-abbildliche Verhältnis von Sprache zu ihrem Gegestand bzw. das Verhältnis der Wörter zu ihrem Gebrauch und das Eingebettetsein in die ganze Lebensform, ist m. E. bereits begriffliche Nach-Vermittlung und Um-Interpretation von etwas gedanklich Sichtbarem. Es trägt einen abstrahierten, empirischen Charakter an sich. Das Denken und Erkennen und das darin enthaltene Licht geht aber nicht in diesem sprach-analytischen und hermeneutischen Tun auf, oder in einem Sprachspiel oder in einem performativen Sprechakt, sondern geht diesem Tun voraus.
Natürlich hat Fichte dieses Problem und diese Frage der Wissensvermittlung durch Sprache und durch die Kunst des Philosophierens stets vor Augen gehabt. Deshalb gibt es ja seine vielen Vermittlungsformen der WL, die uns allesamt zum eigenen Gedanken- und Erkenntnisvollzug einladen.8
Die Idee eines sprachlichen Gedankenaustausches, wie Fichte die Sprache beschrieben hat, trifft m. E. genau diese ideelle Einheit in einem anschaulichen Zeichen – und reelle Unterschiedenheit in einer Handlung. Es muss eine evidierbare Objektivierung und Wahrheit in dem Gedankentaustausch liegen können, eine mögliche, freie Übereinstimmung in einer ideellen Einheit, eine objektive Bild-Wahrheit – sonst wäre ja ein Gedankenaustausch von vornherein unmöglich und auch zwecklos und sinnlos. Interpersonalität wäre nicht möglich (medial). Die ideelle Einheit, nochmals anders formuliert, wird dabei nicht durch den Gebrauch, durch die Konvention, durch Syntax, durch empirische Vorstellungen, durch semantische Regeln, durch abstrahierte Pragmatik gebildet, sondern kraft des im Erkennen und wirklichen Sehen präsenten Lichtes.
Anders gesagt: Sprechen und Sprache unmittelbar sind selbst unbildbare, unsichtbare Epistemologien einer Selbstbestimmung von Freiheit in einem interpersonalen Austausch – die pragmatische und persuasive Definition des Sprechens als Handlung ist bereits abstrahierte Beobachtung von außen.
Die Realität des Sich-Setzens und Sich-Bildens spannt den Begriff eines absolut Möglichen auf – und durch Restriktion und Negationsunterscheidung eines geistigen Gehaltes wird die „Idee“ der Sprache in ihren unendlichen Bildern und Begriffen weiter-gebildet und weiterbestimmt. Ein Kind lernt das bereits meisterhaft. Die „Idee“ bildet stets eine neue Bestimmung des Gesetzes des Sich-Setzens – und das lässt sich ins Unabsehbare wiederholen und fortführen. „Die reine Begriffsform des Idee ist nichts anderes als die Nachkonstruktion der bloßen Gesetzesgenesis und ihrer reinen Begriffsfolgen (Negation, Bild).“9
Es kann zwar nie die absolute Möglichkeit des Sich-Bildens eines Begriffes aufleuchten, aber mittelbar stößt jeder Begriff, wofür er steht, auf den eigenen Sehensreflex, die Bestimmtheit der eigenen Natur, sobald er auf eine konkrete Bewusstseinsqualität des Gesehenen stößt, die er nicht durchschauen kann. Das Sehen oder Bezeichnen fließt zwar dann nicht mehr ins Unbestimmte fort, wenn es auf Konkretes stößt, kann sich aber in dieser Reflexion nicht mit seinem faktischen Quale synthetisieren, sondern kehrt qualitativ in sich zurück. Es wird ein faktischer Begriff des Möglichen evidiert, und an und in diesem Begriff wird die Differenz zwischen absoluter Möglichkeit des Sich-Bildens und konkreter Realisierung dieser prinzipiellen Möglichkeit offenbar. Der Begriff begreift das Mögliche – die Evidenz kann er als solche in diesem Möglichen aus dem prinzipiell umgebenden absolut Möglichen nicht erblicken. „Sie ist nur konkrete Objektivation, nicht aber jenes Unverwirklichte, das der Begriff als das rein Mögliche begreift.“ 10 Die Vermittlung des Begriffes (eines Wortes, einer Sprache) verdeckt gerade die unsichtbare Mitte der epistemologischen Bildung, verdeckt die der Sichtbarkeit zugrundeliegende Unsichtbarkeit, und ist bereits eine eingetretene Differenz zwischen ideal geschauter Idee und realisierter Evidenz des faktisch Begriffenen.
Zugleich ist es allein auch der Begriff, der durch seine Bestimmtheit und Bildlichkeit wieder qualitativ in sich zurückgeht, sodass er diesen Unterschied zwischen sich und der selbst unsichtbaren Mitte der Evidenz erfasst und objektiviert und geltend macht. (Die Erfassung des absolut Möglichen, wie gesagt, bringt er nicht zustande.)
Diese Geltendmachung und Objektivierung, trotz und gerade wegen der in sich zurückgehenden Handlung in der intellektuellen Anschauung hat Fichte mit dem Begriff des „Triebes“ beschrieben. Der „Trieb“ ist die transzendentale Bedingung der Möglichkeit eines begreifenden und erfüllenden Sehens – aber nur der Möglichkeit, nicht der Wirklichkeit nach. Der Trieb als „Kausalität ohne Wirkung“ bedarf einer höheren Evidenzform, um erfüllt zu werden und wirklich zu sehen.
M. a. W.: Die im konkreten Begriff oder Zeichen liegende Differenz zwischen einer eingeschränkt-begriffenen Möglichkeit von Evidenz und absoluter Möglichkeit der Evidenz ist eine im Trieb und als Trieb zu beschreibende Differenz zwischen einer natürlichen, angeborenen Seh-, Sprach- und Bildfähigkeit und einer in konkreter realisierter Bildlichkeit und Sichtbarkeit realisierten Bildlichkeit und Sichtbarkeit.
Die Konkretisierung des Gesehenen im Begriffe bezweckt natürlich eine praktisch-logische Aufgabe, sozusagen eine Handlung, nämlich zu einer Vermittlung der Gedanken im interpersonalen Austausch tauglich zu sein. Diese Konkretisierung kann ins Unabsehbare sprachliche Bilder und Zeichen wiederholen und erzeugen – in der Unsichtbarkeit der epistemologischen Bildung des Sich-Wissens. In concreto des Vollzuges und des konkreten Austausches der Gedanken ist das sprachliche Zeichen immer die Eingeschränktheit eines bestimmten Gesehenen und die Teil-Eingeschränktheit einer bestimmten Möglichkeit aus der absoluten Möglichkeit des begrifflichen Sehens und Verstehens.
Anders gesagt: die Realisierung der selbst nicht bildbaren, unsichtbaren Bildbarkeit und Sichtbarkeit der epistemologischen Einheit ist zwar triebhaft angelegt in der Vernunftnatur des Menschen, die ein Herausgehen und ein In-sich-Zurückgehen ist, eine reflexive Einheit, kann aber, durch Freiheit und in getreuer Nachvollziehung des Sich-Setzens und Sich-Bildens der Gesetzesgenesis der Vernunft, in eine begreifbare, sichtbare Evidenzform eines sprachlichen Zeichens umgeformt und evidiert werden. So trifft beides zu: Die Sprachfähigkeit ist triebhaft angeboren durch die transzendental-reflexive Einheit des Sich-Setzens und Sich-Bildens, ist Sichtbarkeit auf der Grundlage der Unsichtbarkeit der absolut prinzipiellen Möglichkeit des Sehens und Begreifens; das Zweite gilt aber ebenfalls: die Sprachfähigkeit wird erst durch Freiheit konkretisiert und bewusst gemacht und wird zur Genesis eines intersubjektiven und interpersonalen Gedankenaustausches. Sprachliche Bilder und Begriffe sind somit auch erfunden. Der Vorstellungstrieb wird dank Freiheit immer erfüllt und befriedigt, sofern die Vorstellung begrifflich klar ist und der Vernunftsynthesis eines wirklich Gesehenen entspricht. Es stellt sich ein Gefühl des Glückes ein, etwas richtig ausgedrückt und vorgestellt zu haben.
1. 2) Sprache ist notwendig aus der apriorischen Interpersonal-Natur des Vernunftwesens Mensch abgeleitet.
Eine „reine“ Idee prinzipieller Möglichkeiten sprachlicher Vermittlung bliebe eine bloße Möglichkeit projizierter Vermittlung, bliebe im weiteren Sinne sogar höchst fragwürdig, würde nicht konkret einem anderen Vernunftwesen etwas mitgeteilt; umgekehrt könnte aber eine Person einer anderen Person nichts mitteilen, wäre nicht die Möglichkeiten der Genesis eines gedanklichen Miteinanders und eines gemeinsamen Vorstellungsbezuges möglich – eben durch die Evidenzform sui generis der sprachlichen Zeichen.
Aus der triebhaften Wechselwirkung zwischen der Evidenz einer transzendentalen Idee und einer konkreten Verwirklichung der Evidenz in einem Gesehenen und Bezeichneten kann zu einer Weiterbestimmung der ideellen Vermittlung in der Wirklichkeit gegangen werden, was so viel heißt wie, dass die angeborene Vernunftnatur des Menschen sich zu einer dialogischen, kommunikativen und interpersonalen Vernunftnatur und Vernunftrealisierung entwickeln kann (zeitlich, geschichtlich, eschatologisch).
Der Trieb ist einerseits gekennzeichnet durch ein Herausgehen und Streben, da er aber ohne höhere Bedingung der Freiheit das Erstrebte nicht erreichen kann – er ist eine „Kausalität ohne Wirkung“ – kehrt er wieder reflexiv in sich zurück. Der Trieb ist deshalb nicht widersinnig formuliert, sondern bildet gerade in dieser Form die realen Voraussetzung der konkreten Freiheitsentscheidung. Das vorerst nur unbewusst-triebhaft Evidierte und Projizierte soll bewusst und frei realisiert werden durch sprachliche Vermittlung.
Der ganze Zusammenhang und die Ableitung der Interpersonallehre wäre für sich ein längerer Weg, den ich mir hier schenken will. Ich zitiere hier K. Hoshiba, weil er im Zweckbegriff die Sache kurz darlegen kann: „Der Mensch hat, wie gesagt, einen Trieb, alles, was ihm begegnet, vernunftgemäß zu machen. Dieser wesentliche Trieb treibt den Menschen zur Entdeckung eines Anderen außer sich, das auch für sich die Vernunftmäßigkeit verwirklicht, nämlich ein anderer Mensch. Der Mensch verhält sich zu einem anderen Menschen anders als zur Natur. Bei Fichte sieht der Mensch den Anderen nicht als Feind an, den er bekämpfen muß, wie bei Hobbes, sondern »er wird sich freuen, ein mit ihm gleichgestimmtes Wesen – einen Menschen angetroffen zu haben“(GA 1/3, 101). Für einen Menschen tritt ein Anderes als ein anderer Mensch auf, weil dieses auch zweckmäßig, und derart sogar gegenüber ihm handelt. Daraus entwickelt sich eine Wechselwirkung zwischen den beiden zweckmäßig und frei Handelnden. In diesem Verhältnis zueinander müssen sie ein Mittel haben, ihre Gedanken den jeweils Anderen verstehen zu lassen. Ohne dieses könnte ein Missverständnis, eine Verkennung, geschehen. „Daher die Aufgabe zur Erfindung gewisser Zeichen, wodurch wir andern unsere Gedanken mittheilen können. Bei diesen Zeichen wird indessen einzig und allein der Ausdruck unserer Gedanken beabsichtiget“ (GA I/3, 102). Insofern also entsteht die Sprache notwendig aus der menschlichen Natur, da wir einander unsere Gedanken mitteilen müssen.“ 11
Die Notwendigkeit der sprachlichen Vermittlung zwecks idealer Gemeinsamkeit im interpersonalen Austausch kann von einer anderen Seite ebenfalls beleuchtet werden: Würde die Bestimmung des anderen Menschen sozusagen nur gedanklich erfolgen können – einmal angenommen, es gäbe keine zeichenhafte Vermittlung im universalen und totalen Sinn und keine sprachliche Verobjektivierung und Projizierung im speziellen Sinne -, so wäre der andere eine gedankliche Verfügung und Instrumentalisierung. Es muss explizit eine verlässliche, gemeinsame Basis der sprachlichen Evidenz zwecks geistiger Gemeinsamkeit geben. Die interpersonale Aufforderung zu einer freien Handlung enthält eine verbindliche, konstitutive reflexive Idee der Objektivierung und Projizierung. Ein Säugling (oder selbst ein ungeborenes Kind) wird dies natürlich noch non-verbal tun, aber durch den entsprechenden gedanklichen Zusammenhang deuten wir die Gesten und die Schreie eines Säuglings (oder ungeborenen Kindes) schon als „vor-sprachliche“ und zeichenhafte Äußerung von Gedanken. Ohne zeichenhafte, konstitutiv-sprachliche Vermittlung könnte die Tatbedeutung einer Handlung nicht gesehen und verstanden, geschweige beschrieben und erklärt werden.
Sobald ein Mensch durch sein Verhalten in das Leben eines anderen Menschen eingreift, und jede Handlung ist ein Eingreifen in die Wirklichkeit, kann diese Handlung gerade nicht mehr ein solipsistischer oder instrumenteller Akt sein, weil im interpersonalen Konnex die Sprache als eigene, dritte, erkenntniskritische und mediale Instanz dazwischentritt. Das Verhalten, das triebhaft sowieso geschieht, muss erklärt und sprachlich gerechtfertigt werden. Kant hat die gegenseitige Achtung durch eine gewisse Freiheitsordnung sui generis zu sichern versucht: Durch die praktische Vernunft und den Kategorischen Imperativ wird die Sphäre möglicher Freiheit eröffnet und aufgespannt. Da ihm aber eine ausdrückliche Interpersonallehre fehlte, ist die Garantie dieser Freiheitsordnung nicht medial und sprachlich-material eingeholt. Sie ist nur formalisiert und gesinnungsethisch dargestellt. Die Anmutung einer Selbstzweckhaftigkeit des anderen ist a) an die moralische Gesinnung gerichtet, d. h. innerlich ist der Bestimmungsgrund des Willens gesetzt, den anderen nicht nur als Mittel zu gebrauchen und b) – da ja doch unausweichlich gehandelt wird – der Tatcharakter einer Handlung ist jedesmal durch den Kategorischen Imperativ zu prüfen, ob die Tat allgemein tauglich und so moralisch verträglich ist. Ein freies Zugehen auf einen anderen, eine Aufforderung zu einem freien Handeln ist gar nicht angedacht, weil die Handlung ja privativ durch das Sittengesetz eingeschränkt und geprüft werden muss. Es fehlt eine apriorische Interpersonallehre – und es fehlt die Notwendigkeit intersubjektiver Vermittlung der von Kant angestrebten, gemeinsamen Freiheitsordnung. Die Verbindlichkeit gegenseitiger Anerkennung ist gedanklich vorausgesetzt, sicherlich aus einem hoch-ethischen Verlangen Kants, aber kann interpersonal und intersubjektiv in sprachlich-medialer Vermittlung nicht mehr evident, d. h. als transzendental eigenständige Evidenzform eingeholt werden. Wie ich das bei Kant deute, so zeigen sich die gedanklichen Zusammenhänge einer interpersonalen und intersubjektiven Freiheitsordnung immer erst im Nachhinein in der durch den Kategorischen Imperativ angewandten, moralischen Tauglichkeitsprüfung der Handlungen. Kant will natürlich vermeiden, den anderen bloß als Mittel zu gebrauchen, aber die Gesinnungsethik schlägt um in eine moralische Akrobatik und Turnübung der Tauglichkeitsprüfungen der Handlungen durch den Kategorischen Imperativ – und in eine eigenartige Dichotomie eines sinnlichen und reinen Willens. Der Bestimmungsgrund des moralischen Handelns soll reiner Wille sein, kann es aber nicht per se, weil der Mensch auch sinnlich ist.
Ganz anders hier Fichte: die Evidenz gedanklichen Zusammenhänge zeigt sich evident und kategorisch und teleologisch praktisch in der Aufforderung zu einem freien Handeln und muss deshalb in medialer und sprachlicher Vermittlung und Präsenz projizierbar und objektivierbar sein.
Natürlich kann es neben dieser zwangsfreien und gewaltfreien, sprachlichen Form der Begegnung mehrerer Vernunftwesen auch verfälschende und täuschende, lügenhafte Kommunikation geben oder nur brute Fakten der Begegnung, aber diese wären dann nicht die nach den Vernunftgesetz gebildete Evidenzform der Sprache sui generis. Es wird bei Täuschung und Lüge dann die triebhafte angelegte Sprachfähigkeit missbraucht und die kategorische und teleologische Zweckhaftigkeit des anderen unterlaufen. Früher oder später deckt sich aber die Inkongruenz des Gesagten mit dem Tatcharakter von selber auf, weil die Evidenzformen aufeinanderprallen. Der Rückbezug zur absoluten Möglichkeit einer begrifflichen Vermittlung bleibt aber selbst bei einem lügenhaften Tun und Sagen aufrecht – sonst wäre ja die apriorische Vernunftnatur total vernichtet.
1.3) Sprache als Wunder
Die in der Analytischen Sprachphilosophie m. E. oft über Gebühren bewerteten Sprechakte, oder die logisch-empirischen, semantischen Abbilder und Referenz-Bilder, die den Gedankenaustausch und eine Erkenntnis bewirken sollen, ist bereits eine sehr positivistische Sicht der Sprache und begründet nicht das, was erklärt werden soll: das gemeinsame und freie Verstehen eines Evidierbaren. Anders gesagt: Die Sprechakte (oder Abbilder) für sich genommen erfassen nicht die transzendentale Idee einer begrifflich und nur begrifflich erzeugbaren Differenz zwischen den transzendentalen Möglichkeiten des Sehens und Begreifens überhaupt – und der prinzipiellen Möglichkeit der Evidenz in der Bestimmtheit eines Begriffes. Ist durch den sprachlichen Begriff hingegen ein vollständiges und vollkommenes Bild zwischen potentieller, absoluter Möglichkeit eines Sichtbaren – durch das Unsichtbare der epistemologischen Bildung gebildet – vorstellbar und begreifbar, so ist die triebhafte Anlage und und die freie Realisierung von Sprachlichkeit im Sich-Bilden denkbar gesetzt – so muss das Sprach-Bild und Seh-Bild von der Handlung des Sprechens, wenn auch eng damit verbunden, stets unterschieden werden. Der Tatcharakter einer Handlung muss als eigene Evidenz oder Gewissensinstanz projizierbar sein, ansonsten wäre entweder a) der Gedanke schon die Tat, oder b) die Tat und das Verhalten holte das Denken vollkommen ein. Dem ist aber nicht so. Die Tat oder Performativität holt die Erkenntnis eines Gedankens nicht ein.
Beide Male, sei es, dass der gedankliche Begründungszusammenhang für die Tat ausreichen würde, oder sei es, dass das Verhalten und der Funktionszusammenhang der Handlungen die sprachliche Evidenz und das Verstehen herbeiführen könnten, so wäre stillschweigend jedesmal eine Instrumentalisierung des anderen ohne freie Wahlmöglichkeit mitgesetzt. Interpersonalität und ideale Gemeinsamkeit ist nicht mehr möglich.
Ohne konstitutive, evidente sprachliche Differenzierung zwischen einer sprachlich objektivierbaren Bild-Wahrheit und einer unterschiedenen, abstrahierter Handlung entfiele jede kritische Instanz der Rechtfertigung und Prüfung der Erkenntnis wie der Tat.
Die intelligierende Quelle in der Differenz zwischen den absoluten prinzipiellen Möglichkeiten des Sich-Setzens und Sich-Bildens des Vernunftgesetzes und den konkreten Bildern und Begriffen in einem evidenten Wirklichkeitsbezug der Sprache, setzt sowohl den Geltungsanspruch der absolut prinzipiellen Möglichkeiten, als auch die Freiheit des Rückbezuges auf eine intelligierende Quelle gemeinsamer Freiheit und schon bestimmter Wahrheit voraus. In diesem Sinne ist die entstehende Differenz zwischen absoluter Möglichkeit des Bildens und konkreter Evidenz im Bilden und Begreifen transzendental durch einen gemeinsamen, verbindlichen Geltungsanspruch getragen und erleuchtet.
Die Aufforderung in der Wechselwirksamkeit von Individualität und Interpersonalität muss, um so die eigenen Evidenzform der sprachlichen Vermittlung nochmals herauszustellen, deshalb für alle Seiten verstehbar und fraglos annehmbar sein. Das Verstehen setzt dabei praktisch-logisch, kategorisch und teleologisch, einen Zweckbegriff voraus, und bedeutet ein transzendierendes über sich Hinausverwiesensein auf ein absolutes Bestimmtsein hin. In einem absoluten Bezugspunkt liegt der Sinn menschlichen, individuellen wie gemeinsamen Existenzvollzuges, in einer tragenden Gemeinsamkeit eines kommunikativen und sittlichen Austausches – und daraus folgt ein gemeinsamer, verständlicher Weltbezug – der natürlich nachträglich wieder verfälscht werden kann. Dieses Grundsein eines „durch sich selbst bestimmten Willens“ (WLnm) als Grundlage jedes Selbstvollzuges des Bewusstseins begründet ein fragloses Seinsollen – das im Gegensatz zu jedem faktischen Bestimmtsein als nicht wandelbar gedacht werden muss –, weil eine gegenteilige Annahme von der Undenkbarkeit ausgehen müsste, dass ein absolutes Grundsein beides setzen könne, ein sich selbst begründendes und ein nicht sich selbst begründendes Bestimmtsein. (Literatur siehe dazu A. Schurr, Die Funktion des Zweckbegriffs in Fichtes Theorie der Interpersonalität. In: Erneuerung der Transzendentalphilosophie im Anschluss an Kant und Fichte, Stuttgart 1979, S 359 – 372.)
Die christliche Offenbarungsreligion bekennt ein verstehbares, absolutes Bestimmtsein im göttlichen WORT. Daran haben die endlichen, auf konkret eingeschränktes Bestimmtsein prinzipieller Möglichkeit des Sich-Wissens und Sich-Bildens bezogenen Worte des Vernunftwesens „Mensch“ Anteil.
© Franz Strasser, 13. 11. 2022