Lektüre – Aloisia Moser, Kant, Wittgenstein, and the Performativity of Thought, 2021

1) A. Moser, S 1ff „Introduction: Kant’s Acts of the Mind and Wittgenstein’s Projection Method

Dem Anschein nach möchte A. Moser die beiden Philosophen Kant und Wittgenstein vergleichen und kombinieren, um eine, ja was, „performative“ Erkenntnistheorie zu gewinnen? Ob das möglich ist, darf bezweifelt werden, denn beide Philosophen gehen von jeweils anderen formalen Standpunkten und jeweils anderen Inhalten aus. Die Inhalte bei Kant sind die Bedingungen der Möglichkeit des Wissens von Erfahrung; die Bedingungen der Möglichkeit bei Wittgenstein sind die der wahren, nach den Regeln der Logik gebildeten Sätze. Formal analysiert Kant die Bedingungen der Vernunft und des Verstandes, Wittgenstein das logische Abbildverhältnis von Sprache und Wirklichkeit. Das ein Mal geht es um synthetische Erkenntnisse von Vernunft und Wirklichkeit im Ganzen, sei es im theoretischen Bereich des Verstandeswissen, oder sei es im praktischen Bereich des Vernunftwissens, das andere Mal wird der formale Standpunkt eines wie immer logisch zu analysierenden Verhältnisses von Sprache und Wirklichkeit aufgebaut. Synthetische Erkenntnistheorie versus analytische Erkenntnistheorie mittels Sprache – lässt sich das vergleichen und dann kombinieren durch ein Mittelglied der Performativität?

Es fehlen m. E. die synthetischen Mittelglieder der Konstitution von Wissen, wie sie in und aus einer Idee deduktiv ermittelt werden müssen. Die in den Worten und Sätzen liegende Performativität als Selbstläufer der Erkenntnis und als synthetische Mittelglieder der Erzeugung von Wissen, sogar als  höhere Theorie des Denkens angesetzt („Performativity of Thought“) – das ist eine abgeschaute Kennzeichnung und Objektivierung, die mir nicht als Erkenntnis und Begriffswissen einschaubar scheint.  Die Weg altbewährter Einheit von Form und Inhalt einer Erkenntnis ist auf welchen substantiellen Träger dieser Einheit hier verschoben?  

Beide Male, d. h. bei Kant oder Wittgenstein, ist etwas völlig anderes unter „Denken“ verstanden, einmal ein apriorisches Denken bezogen auf die Anschauung, als Verstandesidee oder Vernunftidee benennbar,  das andere Mal geht es um ein aufnehmendes Denken von Sätzen, denen ein Sachverhalt entsprechen soll, und aus diesen wahren Sätzen lassen sich  Ableitungsbeziehungen, Wahrheitsbedingungen und Methoden der Verifikation folgern, bzw. aus dem Gebrauch der Sprache. Die „performativity“ soll sowohl die transzendentale Erkenntnisart Kants wie die sprachlogische und sprachlich-abbildliche Erkenntnisart  Wittgensteins umgreifen und konstituieren? 

M. E. entfällt die theoretische Einholung des Geltungsanspruches von Performativität, die zwar in diversen Einleitungen angekündigt wird, aber bis zum Ende des 11. Kapitels auf sich warten lässt. Irgendwie wundert es mich aber gar nicht. Denn die Einholung eines Geltungsanspruches von Wahrheit liegt jenseits einer beobachtbaren Performativität bzw. jenseits eines analytischen Sprachgebrauchs. Eine “Performativity of Thought“ ist m. E. eine Systase von miteinander nicht kombinierbaren Begriffen: Entweder wird gedacht, dann setzt das einen Begriff oder ein Bild voraus, worauf dann ein Handeln gehen kann, wobei nochmals bewusst sein muss, also das gedacht werden muss, wie in der Erscheinungswirklichkeit überhaupt ein Handeln erkannt werden will,  oder es wird gehandelt, dann bleibt der Tatcharakter im Erkennen eigentlich verhüllt – und das Denken und Erkennen ist erst aufgerufen, das Handeln gewissenhaft zu bestimmen. Es ist zwar im Sprachvollzug und beim Gebrauch der Wörter und im Denken eine gewisse Handlung und Performativität zu beobachten, der Gedanke ist eine Tat, doch geht umgekehrt die Tat nicht im Gedanken auf. Generell dann von einer Performativität als übergreifenden Begriff oder als Kennzeichnung für das Denken zu sprechen, das  hieße, dieser Begriff leiste selbst die Erkenntnis und das Wissen und die Sichtbarkeit eines Bildes vom Bild des Seins. Aber keine Handlung ohne Wissen darum.

2) Nach A. Moser gibt es Schulen oder Denkrichtungen zum Denken und zur Sprache. a)  Den semantischen Weg, der von atomistischen und analytischen Bestandteilen der Bedeutung ausgeht, und b) den pragmatischen Weg, der die Synthese im Blickpunkt hat. Ich gehe auf diese Einteilung nicht näher ein, denn es ist m. E. eine sprachanalytische Vorentscheidung (Siehe ebd. S 1.)

A. Moser plädiert für einen dritten Weg: „In this book I show that what makes a proposition meaningful are neither the contents of the atomic bits that we put together nor the pragmat ics of putting together bits of language or thought. (…)
Hence, I introduce a performative account of meaning that is pragmatic in a new sense. The following examination of Kant and Wittgenstein will offer an initial idea of how thought or language can be taken to be meaningful in this performative or pragmatic way. I am not claiming that Kant or Wittgenstein conceived their respective theories of the act of thinking as I do; rather, I read both philosophers‘ works in such a way as to show that a theory of the act of thinking is nascent in the theo ries they each present, and these theories of the act of thinking are rooted in a problem each respective thinker encounters.“

3) A. Moser zitiert viele englischsprachige Kant-Exegese, die, wie mir schon öfter begegnet ist,  einen sehr psychologischen und empiristischen Einschlag zeigt.  Allein schon die ständige Wiedergabe der Aussage-Sätze mit dem englischen Wort „propositions“ macht mich stutzig, da es in einer Erkenntnistheorie der Bedingung der Wissbarkeit nach nicht um eine einfache Objektivierungen, womöglich noch um eine konventionale Referenz von Wort und Gegenstand, festgehalten als Proposition, gehen kann, sondern um einen begriffenen wie zugleich anschaulichen Akt – begründbar in einem willentlichen, praktischen, interpersonalen Akt des selbstbewussten Wissens.

Es müsste eine kräftige Revision und Kritik der Begriffe Proposition, Referenz und Prädikation erfolgen, um die angeblich illokutionäre Neutralität der Proposition in Frage zu stellen. Eine genaue und detaillierte Kritik zu dieser weitaus überschätzten Sprechakttheorie nach Searle, Austin u. a. kann ich hier nicht bringen und verweise auf andere Literatur. 1

Die Funktion der Referenz, von der ja die Bedeutungstheoretiker wie besessen sind, ist schlechthin mehr als ein „Verweisen auf…“, ist mehr als eine beschreibende Identifikation. Es kreist das Denken über Kant bei A. Moser um den angeblichen Gegensatz einer Verbindung zwischen Denken und Ding – Chapter 2ff – weil eben die zitierte englische Literatur den synthetischen Erkenntnisakt nicht fasst, und doch noch immer um diese Erkenntnisfragen kreist. Es fehlt ihnen die analytischen Einheit des Selbstbewusstseins, aus der die Anschauungs- und Denkformen hervorgehen.

Die Prädikation ist mehr als ein bloßer Sprechakt, der letztlich doch von einem vorausgesetzten Gegenstand (oder einer Logik, einer Sprachregelung) abhängt. Eine vom Gegenstand ausgehenden Prädikation erreicht nie mehr ihre eigenen, transzendentalen Wissensbedingungen. Es werden irgendwelche Bedeutungs-Referenzen zwischen Sprache/Zeichen und Ding zusammengebastelt, in einem zweiwertigen Begriff der Zuordnung, aber nie mehr erreicht das Denken das Bild des Bildes vom Sein. 

Die synthetischen Erkenntnisakte und mit ihr die Objektivierungen der Sprache und der Zeichen  beziehen sich immer nur auf Vorstellungen, eh klar, nicht auf Dinge. Die Frage ist nur, wie begründet sind diese Vorstellungen und in welcher und mit welcher Evidenz legitimiert?

Da die ideelle und reelle Einheit im Bild (oder Bildungsakt) des Erkennens und Wissens in der Analytischen Sprachphilosophie fehlt, wird sie immer erst nachträglich eingeschoben. Das ist aber kein Evidenz. Nicht durch erneute Vorstellung der Vorstellung der Performanz, im Beschreiben des Aktes, im  infiniten Regress,  sondern, um mit Fichte es tout court zu sagen, durch die  „Selbstvernichtung des Begriffes“ stellt sich erst die intelligierende Einsicht ein, die epistemologische und ontologische Begründung einer epistemischen Bedeutung.

4) Wenn es ein Theorie der Performativität gäbe, sozusagen als höchste Theorie des Erkennens, also eine objektivierbare Theorie zwischen Bild des Bildes vom Sein und Gegenständlichkeit des Seins – müsste das performative Vollziehen die synthetische Leistung des Bildens und Projizierens und Denkens übernehmen. Das wäre aber das Ende unserer Freiheit und des Denkens, denn die Handlung und Performativität könnte ja fremdbestimmt sein. Das Handeln rationalisieren wir zwar als Motivationszusammenhang oder Erklärungszusammenhang, aber wie begründet ist das? Könnten es nicht bloße Antriebe, fremdgesteuerte Gründe sein, die das Handeln bewegen, nicht wir selbst?

„ This is why in Chap. 2 I have pointed out that Kant grapples with a theory that makes a priori concepts the connection between thought and things, and I underlined that the form of experience looks more like an activity of connecting that is not backed up by a priori forms, but rather by the way the mind is minded. In Chap. 3 I elaborated how Wittgenstein tried to substitute the account of a logical picture in the form of language for something that is similar to Kant’s account of the a priori categories, a general form of the proposition that is „the way the mind is” in terms of language. A proposition about something is always already its own way of picturing itself, its logical form, without being able to explicate such form.“2

KANT hält genau auseinander, was etwas ist:  Anschauung, Denken, Schema, Bild und wie die Verhältnisbestimmungen und die Applikationen und Restriktionen geschehen. Bei A. Mosers Begriff der Performativität mit Berufung auf die empiristisch angehauchte, englischsprachige Kant-Literatur ist aber von diesen  unterschiedenen Begriffen und ihren Verhältnisbestimmungen nicht  mehr viel zu erkennen, weil die Erkenntnis der Wirklichkeit in Ganzen ja durch „performativity“ geleistet und gedacht werden soll – nicht durch eine Selbstbewusstseins-Einheit.

5) Zurück zu Chapter 1) „Finally, I show how pragmatics or performativity can be found in both Kant and Wittgenstein. In Kant’s Critique of Pure Reason a projection of transcendental ideas enables the unity of the understanding, while in Wittgenstein‘s Tractatus the projection of the proposition makes possible the comparison of thought or sentence and the world. I do not look at logical theories or philosophical methods as such, but at the application of theories and methods—the acts of thinking them. Both Kant and Wittgenstein write explicitly about acts of thinking. Kant’s Critique of Pure Reason is largely occupied with what he calls “acts of the mind,” in German Handlungen des Gemüts,Gemüt being an old-fashioned expression for what we today call the mind.3

Ich würde A. Moser gerne folgen, wenn sie die „Akte“ des Gemüts (des „Geistes“) als solche differenzieren und  selbst aus der Einheit des Sich-Wissens und Sich-Bildens ableiten wollte. Der Weg der Performativität, wie er geschildert wird, ist aber zufällige Auflese einer faktischen Beobachtung des Gemüts bzw. gewisser Regeln der Sprache.  

Natürlich bleibt KANT selbst befangen in einem Realismus vice versa Idealismus, sodass ein S. Maimon u. a. eingeworfen haben:  „Quid juris“? Warum sollten die Tatsachen und Gegenstände der Erfahrung wirklich den subjektiven Erkenntnisbedingungen entsprechen? KANT blieb aber wenigstens bei dem Erkenntnisanspruch, die Begriffe durch transzendentale Apperzeption legitimieren zu können.  Durch eine „projection“ und „performativity“ wird aber keine Erkenntnisbegründung geleistet, keine Adäquation von Denken und Wirklichkeit,  im Gegenteil, die objektivierte „projection“ und „performativity“ wird einfach faktisch behauptet ohne in ihrem Wie der Möglichkeit erkennbar zu sein.  

Sicherlich kennt A. Moser diesen ganzen Kontext der Generierung der Begriffe der transzendentaler Erkenntnistheorie Kants: Die Anschauungsformen, Kategorien, Schematismen, doch in dieser starken Abhängigkeit z. B. von Beatrice Longuenesse oder A. B. Dickerson bleibt nur eine mentalistische, kognitive Seelenlehre übrig: Wir haben einen inneren Sinn, durch den nehmen wir wahr – und irgendwie darauf aufbauend und aufsetzend gibt es dann die ebenfalls faktisch und sinnlich vorgestellte Geistigkeit des Menschen, den „mind“, der aufbauend ein Vermögen der Anschauungsformen und Begriffe kennt……usw. usf. Das ist alles eine  Bastellehre englischer Kantauslegung, die den Sinn der transzendentalen Apperzeption und der transzendentalen Erkenntnis nie wirklich erfasst hat.  

6) „ What I focus on throughout this book is thinking a system in its application or as applied. How does thought, in the course of thinking, take on authority over what the thought is about? Are the a priori categories of thought merely enacted in the mind? Do we just compare the sentence as fact with the fact in the world? I argue that something more happens in the act of thinking or speaking itself—in its performance, use, or applica tion—and that „something more” is what we call meaning. The first thesis of my book is thus that meaning is performative and pragmatic; it is what happens in the act of thinking or speaking.“ (ebd. S 3) 4

Das Mehr  an Bedeutung,  das geschieht, hätte ich halt gerne gewusst, warum das durch Performativität (und Pragmatismus) entstehen soll –   in welcher Sphäre, mit welcher Kraft, in welchem Licht?

KANT bleibt hier selber  schwankend, ob er die Synthesis im Denken nach einer bereits vorausgesetzten Mannigfaltigkeit in der Anschauung ansetzen soll, oder ob figürlich die Synthesis dem inneren Zeit-Sinn nach sogar die Mannigfaltigkeit (der Form nach)  erzeugt? Aber immerhin spricht er nicht von einer selbstlaufenden Performativität und einem blinden Urteilsakt, der die Synthesis ermöglicht und die Bedeutung und die Erkenntnis erzeugt. 

Wittgenstein muss überhaupt dogmatisch die Aussageform als übereinstimmend mit den Sachverhalten und Tatsachen annehmen, sonst käme er überhaupt zu keinem logischen Empirismus und zu keiner logischen Abbildtheorie – und später zu keiner Gebrauchstheorie der sprachlichen Bilder. Er kommt hier zu zweifellos kreativen,  sprachlichen Beobachtungen, aber metatheoretische, transzendentallogische Begründungen zu dieser logischen Abbildtheorie bzw. zu seiner Gebrauchstheorie – will er sie überhaupt? Ihm genügt die faktische Beobachtung.

A. Moser, S 4: „In other words, Kant and Wittgenstein each engage in a transcendental project of projecting unity; both are interested in a theory of projection as unification that makes possible the structure of representation as the unity of representation and represented. Kant and Wittgenstein are jointly driven by two fantasies: one, the method of projection establishes unity and, two, a proposition’s determinacy or unity is a structure of proof. I aim to show that Kant and Wittgenstein do not cling to their fantasies over the course of their careers but revert to performative theories in their sub sequent work.“5

7) Es folgt dann von A. Moser die Beobachtung des Sprachenlernens – als Beweis genommen, dass durch Übung und Mimesis wir alles lernen. Das ist aber nur gedeutete Entwicklungspsychologie, das ist kognitive Messbarkeit – keine transzendentale Erklärung, wie der Möglichkeit nach Sprechen gedacht werden kann – und wie sich der Möglichkeit nach synthetisch die Vorstellungen bzw. Bedeutungen der Wörter mit den gemeinten Gegenständen oder gemeinten Sachverhalten und Aussagen decken können. 

Diese basalen Entwicklungsprozesse des Erlernens von Sprache auf Mimesis zu reduzieren – das ist eine gewaltige, semantische Vereinnahmung. Zur epistemologischen Begründung von Bedeutung – siehe andere Blogs, z. B. v. Siemek oder „Philosophie der Sprache“. Eine Mimesis des Nachvollzugs und des Trainings schafft keine Erkenntnis, schafft keine Anerkennung einer anderen Person, ist in sich  kein Sich-Wissen und kein Sich-Bilden.

Kritisch darf man wohl fragen, ob hinter der Performativität und Pragmatik nicht ein altes Weltbild vorkantischer Seelenlehre steckt? Es gibt mentale Eigenschaften und wir meinen eine gewisse Projektion in unserem Denken und Handeln erkennen zu können.  Unsere mentalistische Ausstattung ist dabei durch sprachliche Konvention, durch Umwelt, durch Natur  geprägt. Fragt sich nur, ob dieser Naturalismus sich selbst erklären kann. Wie soll Vorstellen und Denken durch „performativity“ gedacht bzw. gebildet werden? (Chapter 4)

KANT  fand  sehr genial den Schematismus, um eine Anwendung der Erkenntnisbegriffe auf die Anschauungsformen zu beschreiben; PLATON sprach überhaupt von angeborenen Ideen, FICHTE von der Tathandlung. Die Sprechakt-Theoretiker treffen einen wahren Kern, wenn Sprechen ebenfalls als Tun angesehen wird, aber Sprechen ist noch kein Erkennen, kein Beurteilen, kein  Deuten und Sich-Wissen.  Fichte sagt analog:  Es gibt einen tiefen Zwiespalt zwischen dem Sagen von etwas, das Objektivierung erzeugt, und der intelligierenden Einsicht.

8) A. Moser, ebd. S 5f: „My book reinterprets Kant’s Critique of Pure Reason and Wittgenstein’s Tractatus as dealing with the union of mind and world. Both philoso phers, I argue, develop a system of (transcendental) logic, only to question the validity of the system in terms of its application. With Kant, we are holding on to the myth that there is something—such as a law of some sort, a logical a priori connection or the categories—that causes thoughts or bits of language to be about something. Kant’s Transcendental Deduction, in which the a priori categories are described as enabling our experience and knowledge to be objective or about something, is thus problematized. Once it is demonstrated that the a priori categories are acts of the mind (Handlungen des Gemüts), it becomes clear that they can not be rigid and timeless but are altered over time by culture. The solution is thus to read the Transcendental Deduction as pragmatic. The categories are performative in exactly this sense: we arrive at meaning by making the connection between language or thought and the world in the way we do.

By this reading, Kant’s categories must be understood as becoming acts of the mind that make possible the connection to things in the first place. Kant knew he could be neither skeptical nor dogmatic about the connection. 6

Das ist leider wiederum nur englische Kant-Deutung.  Es ist a) kein „Mythos“, wie eine solche Lektüre besagt, dass es Gegebenes und Mannigfaltigkeit geben soll, sondern transzendental gesehen notwendige Erkenntnisbedingung; b) die transzendentale Deduktion der Kategorien ist nicht selbst zeitlich und kulturell und pragmatisch bedingt, weil umgekehrt, die zeitlosen Kategorien erst alle Erkenntnis ermöglichen; schließlich c) wenn die neue Interpretation einer projektiven Methode von Denkakten und deren Anwendung auf Dinge/Welt/Wirklichkeit gelten soll – „we arrive at meaning by making the connection between language or thought and the world in the way we do.“ – muss es dafür eine Vernunftidee geben, eine ideelle Deduktion des Zusammenhanges von Bild und Sein. 

A. Moser, ebd. S 6: „In providing a theory of the act of thinking through discussing Kant’s projection of unity in the categories in the Critique of Pure Reason and Wittgenstein’s projection method in the Tractatus, I aim to show that our access to things exists and is warranted—but not beyond thought or language. (…)“ 7

A. Moser setzt m. E. ein mentales, theoretisches Vermögen an –  nach dem Mainstream englischer Kant-Exegese? – aber von einem praktischen Vermögen spricht sie so gut wie gar nicht. Dabei unterstelle ich das gar nicht ihr persönlich, das ist eben die dort verwendete Literatur, die dafür keinen Sinn mehr kennt. 

A. Moser, S 6: „Kant and Wittgenstein should be understood as two poles of a characteristically modern and critical impetus to address the conditioning of the framework for sense/meaning as well as the epistemic possibility of, and the constraints on, presenting that framework. “Modern and critical“ mean here that we made a turn to investigating language and thought about things as opposed to the things that they represent (in themselves)“8

Das klingt transzendental-selbstkritisch, sich zuerst dem Denkakt und dem Erkenntnisakt selbst zuzuwenden und nicht den Dingen – wie bei KANT – aber letzterer war selbstkritischer, denn er bezog den Denkakt schematisierend und innerhalb der transzendentalen Apperzeption auf die Dinge/Welt reflexiv so ein, dass eine stillschweigend vorausgesetzte transzendentale Wahrheit und Einheit der Erkenntnis diesen Denkakt und dieses Schematisieren legitimierte. Durch Performativität und Pragmatik alleine, „performativity of thought“  – kann keine  transzendentale Geltungserhebung und kein transzendentaler Geltungsanspruch auf Wahrheit erhoben werden – wie denn auch, wenn alle Erkenntniskriterien und das Denken selbst durch Handlung erst erzeugt werden sollen?

9) A. Moser, S 7: „In the following chapters I lay bare what we can call an isomorphic structure: the structure of experience in Kant and the structure of the proposi tion in Wittgenstein. I show that according to Kant and Wittgenstein these structures are respectively conditioned by a form of experience or a form of the proposition, which they respectively think accounts for the alleged connection of mind and world. The form of experience and the form of the proposition are each said to be the possibility of structure.Laying bare this structure coincides with the explanation of how form is the possibility of structure.“9

Die Form der Erfahrung und die Form des Satzes sind die Möglichkeit ihrer Struktur  – das ist sprachanalytischer Dogmatismus. Die erfahrungsgemäßen, rezeptiven Prozesse erklären die Strukturen – und umgekehrt erklären die Strukturen die mentalen und psychologischen Prozesse.  Es ist wie ein technisches Räderwerk: Erkenntnisformen greifen in die Strukturen und Abbildungsformen ein und umgekehrt sind die Strukturen und Abbildungsformen das Räderwerk unserer Erkenntnis.  Es soll sich etwas zeigen. Erkenntnismäßig ist das aber nur ein Zirkel und mündet in einen infiniten Regress oder in einen willkürlichen Verfahrensabbruch.  

10) Die als Beispiele einer externalen oder internalen Welterkenntnis eingebrachten Autoren Dickerson oder McDowell (ebd. S 8- 10) sind für mich nicht transzendental-kritisch, weil sie den eigenen Denkakt verabsolutieren. Sie könnten unter „psychologischer“ Kant-Kritik fallen. Durch Performativität oder Pragmatik lässt sich noch keine bildhafte Anschaulichkeit und Sichtbarkeit erzeugen.

„Like the intentionalist, I too argue that the mind projects its internal relations onto the world. However, there is a difference in how I show the “projection” as unfolding. The theory of the act of thinking I develop claims that the structure of our minds and of language is not distinct from the structure of that about which we are thinking or speaking. This struc ture is one and performed in the projection or in the act. The nature of the (human) mind is to unfold in its activity of judging and categorizing and to create and have a world by that unfolding activity.“ 10

In weitere Folge gibt A. Moser eine Vorschau auf alle Kapiteln, alles sehr übersichtlich, kohärent geschrieben, der Stil, die Inhaltsangaben, Überleitungen, Kapiteleinteilungen, Literaturverweisen – alles sehr perfekt.

Die Sprache in ihrem Gebrauch rechtfertigt das, was „Erkenntnis“ heißen soll? Kants Urteilstheorie und schematisierendes Denken und Wittgensteins Abbild- und Sprachdenken sind der Garant für die Überbrückung des Schismas von Anschauung und Begriff? Der Sprechakt und die „performativity“ sind von sich her einsichtig und wahr und richtig?11

© 19. 5. 2022 Franz Strasser

1z. B. Peter Baumann, Von der Theorie der Sprechakte zu Fichtes Wissenschaftslehre. In: Der transzendentale Gedanke. Die gegenwärtige Darstellung der Philosophie Fichtes, hrsg. v. Klaus Hammacher, Hamburg, 1981, S 171- 189.

2A. Moser, ebd. S 143. Google Übersetzung: „Deshalb habe ich in Kap. 2 darauf hingewiesen, dass Kant sich mit einer Theorie auseinandersetzt, die Apriori-Begriffe zur Verbindung zwischen Gedanken und Dingen macht, und ich habe betont, dass die Form der Erfahrung eher wie eine Aktivität des Verbindens aussieht, die nicht durch Apriori-Formen gestützt wird, sondern vielmehr „by the way the mind ist minded“ . In Kap. 3 habe ich ausgeführt, wie Wittgenstein versuchte, die Darstellung eines logischen Bildes in Form von Sprache durch etwas zu ersetzen, das Kants Darstellung der Apriori-Kategorien ähnlich ist, einer allgemeinen Form der Aussage, die „so ist, wie der Geist ist“ – in Formen der Sprache. Der Satz über etwas ist immer schon seine eigene Vorstellungsweise, seine logische Form, ohne sie explizieren zu können.

3A. Moser, ebd. S 2: Google Übersetzung: „Abschließend zeige ich, wie Pragmatik bzw. Performativität sowohl bei Kant als auch bei Wittgenstein zu finden ist. In Kants Kritik der reinen Vernunft ermöglicht eine Projektion transzendentaler Ideen die Einheit des Verstandes, während in Wittgensteins Tractatus die Projektion des Satzes den Vergleich von Gedanke oder Satz und der Welt ermöglicht. Ich betrachte nicht logische Theorien oder philosophische Methoden als solche, sondern die Anwendung von Theorien und Methoden – die Akte, sie zu denken. Sowohl Kant als auch Wittgenstein schreiben explizit über Denkakte. Kants Kritik der reinen Vernunft beschäftigt sich weitgehend mit dem, was er im Deutschen Handlungen des Gemüts „Akte des Geistes“ nennt, wobei „Gemüt“ ein altmodischer Ausdruck ist für das, was wir heute den Geist nennen.“

4Google-Übersetzung: „Worauf ich mich in diesem Buch konzentriere, ist das Denken eines Systems in seiner Anwendung oder wie es angewendet wird. Wie übernimmt das Denken im Laufe des Denkens Autorität darüber, worum es beim Gedanken geht? Werden die a priori-Kategorien des Denkens lediglich im Geist in Kraft gesetzt? Vergleichen wir nur den Satz als Tatsache mit der Tatsache in der Welt? Ich behaupte, dass im Akt des Denkens oder Sprechens selbst – in seiner Ausführung, Verwendung oder Anwendung – etwas mehr passiert, und dass „etwas mehr“ das ist, was wir Bedeutung nennen. Die erste These meines Buches lautet also, dass Bedeutung performativ und pragmatisch ist; es ist das, was beim Denken oder Sprechen passiert.“

5Tlw. Goggle-Übersetzung bzw. von mir, weil allein schon das Wort „proposition“ einer kräftigen , transzendental-kritischen Revision zu unterwerfen wäre. Ich kann nicht einfach von „proposition“ sprechen ohne sie generiert zu haben: „Mit anderen Worten, Kant und Wittgenstein beschäftigen sich jeweils mit einem transzendentalen Projekt der Einheitsprojektion; beide interessieren sich für eine Theorie der Projektion als Vereinheitlichung, die die Struktur der Repräsentation als Einheit von Repräsentation und Repräsentativität ermöglicht. Kant und Wittgenstein werden gemeinsam von zwei Fantasien getrieben: einmal stellt die Methode der Projektion die Einheit her, und zweitens zeigt eine „proposition’s deerminacy oder unity“ die Struktur eines Beweises. Ich möchte zeigen, dass Kant und Wittgenstein im Laufe ihrer Entwicklungen nicht an ihren Fantasien festhalten, sondern in ihrer späteren Arbeit auf performative Theorien zurückgreifen.“

6Google Übersetzung bzw. von mir: „Mein Buch interpretiert Kants Kritik der reinen Vernunft und Wittgensteins Tractatus dahingehend um, dass es um die Vereinigung von Geist und Welt geht. Beide Philosophen, so argumentiere ich, entwickeln ein System der (transzendentalen) Logik, um die Gültigkeit ihres Systems in Termen der Anwendung zu beweisen. Bei Kant halten wir an dem Mythos fest, dass es etwas gibt – etwa ein Gesetz, eine logische Apriori-Verbindung oder die Kategorien – das Gedanken oder Teile von Sprache bewirkt, die etwas besagen. Kants Transzendentale Deduktion, in der die apriorischen Kategorien beschrieben werden, dass sie uns befähigen, Erfahrung und Wissen, objektiv zu sammeln (von etwas zu haben), wird damit problematisiert. Sobald gezeigt ist, dass die apriorischen Kategorien Handlungen des Gemüts sind, wird deutlich, dass sie nicht starr und zeitlos sein können, sondern im Laufe der Zeit durch die Kultur verändert werden. Die Lösung besteht also darin, die transzendentale Deduktion als pragmatisch zu lesen. Die Kategorien sind in genau diesem Sinne performativ: Wir gelangen zur Bedeutung, indem wir die Verbindung zwischen Sprache oder Denken und der Welt so herstellen, wie wir es tun.

Kants Kategorien müssen bei dieser Lesart als werdende Akte des Geistes verstanden werden, die den Zusammenhang mit den Dingen überhaupt erst ermöglichen. Kant wusste, dass er dem Zusammenhang gegenüber weder skeptisch noch dogmatisch sein konnte.(…)“ S 5.6.

7Google Übersetzung bzw. von mir: „Indem ich durch die Diskussion von Kants Projektion der Einheit in den Kategorien in der Kritik der reinen Vernunft und Wittgensteins Projektionsmethode im Tractatus eine Theorie des Denkakts bereitstelle, möchte ich zeigen, dass unser Zugang zu den Dingen existiert und gerechtfertigt ist – aber nicht jenseits des Denkens oder Sprache.“

8Google-Übersetzung bzw. von mir: „Kant und Wittgenstein sollten als zwei Pole eines charakteristisch modernen und kritischen Impetus verstanden werden, um die Bedingung des Rahmens für Sinn/Bedeutung sowie die epistemische Möglichkeit und die Einschränkungen bei der Darstellung dieses Rahmens zu thematisieren. „Modern und kritisch“ bedeutet hier, dass wir uns der Untersuchung von Sprache und Gedanken über die Dinge zugewandt haben, im Gegensatz zu den Dingen, die sie (an sich) darstellen.“

9Google-Übersetzung bzw. von mir: „In den folgenden Kapiteln lege ich offen, was wir eine isomorphe Struktur nennen können: die Struktur der Erfahrung bei Kant und die Struktur des Satzes bei Wittgenstein. Ich zeige, dass diese Strukturen nach Kant und Wittgenstein jeweils durch eine Form von Erfahrung oder eine Form des Satzes („proposition“), die sie jeweils für die angebliche Verbindung von Geist und Welt halten. Die Form der Erfahrung und die Form des Satzes sollen jeweils die Möglichkeit der Struktur sein. Die Offenlegung dieser Struktur fällt zusammen mit der Erklärung, inwiefern die Form die Möglichkeit der Struktur ist.

10Google-Übersetzung bzw. von mir. „ Wie der Intentionalist argumentiere auch ich, dass der Geist seine inneren Beziehungen auf die Welt projiziert. Es gibt jedoch einen Unterschied darin, wie ich die „Projektion“ als Entfaltung zeige. Die Theorie des Denkaktes, die ich entwickle, behauptet, dass sich die Struktur unseres Geistes und unserer Sprache nicht von der Struktur dessen, worüber wir denken oder sprechen, unterscheidet. Diese Struktur ist eine und wird in der Projektion oder im Akt ausgeführt. Die Natur des (menschlichen) Geistes ist es, sich in seiner Aktivität des Beurteilens und Kategorisierens zu entfalten und durch diese sich entfaltende Aktivität eine Welt zu erschaffen und zu haben.“

11Ich einem Klappentext des Verlages wird auf der Homepage-Seite der Kunstuniversität Linz die Argumentation A. MOSERS wie folgt beschrieben: (externer Link) „Aloisia Moser argues that Kant speaks about acts of the mind, not about static categories. Furthermore, she elucidates the Tractatus’ logical form as a projection method that turns into a so-called ‘zero method’, whereby propositions are merely the scaffolding of the world. In so doing, Moser connects Kantian reflective judgment to Wittgensteinian rule-following. She thereby presents an account of performativity centering neither on theories nor methods, bu on the application enacting them in the first place.

„Kant spreche von Geistesakten, nicht von statischen Kategorien. Darüber hinaus verdeutlicht sie die logische Form des Tractatus als Projektionsmethode, die zu einer sogenannten „Nullmethode“ wird, bei der Sätze nur noch das Gerüst der Welt sind. Dabei verbindet Moser die kantische reflexive Urteilskraft mit der Wittgensteinschen Regelbefolgung. Damit legt sie eine Darstellung von Performativität vor, die weder Theorien noch Methoden in den Mittelpunkt stellt, sondern die Anwendung, die sie überhaupt inszeniert.“

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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser