Lektüre – Aloisia Moser, Kant, Wittgenstein, and the Performativity of Thought, 2021

Aloisia Moser, Kant, Wittgenstein und die Performativität des Denkens. Verlag: Palgrave Macmillan. Sprache: Englisch, 2021. 1

Kapitel 1) Introduction: Kant’s Acts of the Mind and Wittgenstein’s Projection Method (ebd. S 1ff)

Ich möchte zu Beginn gleich bekennen, dass mich solche Kant-Interpretationen – wie hier z. B. von A. Moser – stets zum Widerspruch reizen. Der seit Locke und Hume mir in der Philosophiegeschichte begegnende Realismus ist zirkulär in der Erklärung: Es wird empirisch gerechtfertigt, was an Begriffen, Erklärungen, Vorstellungen, apriorischen Erkenntnissen eingebracht wird, d. h. aus empirischen Daten und Empfindungen erwachsen die Begriffe und kommt alle Erkenntnis.
Ähnlich scheint mir das der Fall zu sein, wenn durch Performativität, also einer Handlung, eine Erkenntnis aufgebaut werden soll.
Es mag schon sein, dass in gewisser Hinsicht eine Ähnlichkeit zwischen Kant und Wittgenstein festgestellt werden kann, nämlich in ihrem Erkenntnisanspruch, eine gültige, wahre Erkenntnis leisten zu wollen, aber die Wege sind doch ganz verschieden!?
Das ein Mal wird durch Synthesis (der Vorstellung der Gegenstände der Erfahrung) eine apriorische Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung aufgewiesen, das andere Mal durch logische Abbildlichkeit und praktischen Gebrauch der Begriffe. Die Analytische Philosophie, wenn ich in genere so reden darf, vermeint durch Zerlegung der Begriffe eine bedingte Erkenntnis leisten zu können, wozu nochmals die Performativität des Sprechaktes eine Untermauerung bieten kann, denn offensichtlich „funktioniert“ die Abbildlichkeit der Sprache und in performativen Sprechakten kann quasi das noch besser gesehen und bewirkt werden.

Die performativen Sprechakte, soweit ich sie in der Philosophiegeschichte kennengelernt haben, sind in ihrer Erkenntnisdignität meines Erachtens aber weit überschätzt! 2

Meine Sicht: Die Performativität in jedem Sprachhandeln ist durch ein Denkverhältnis bestimmt: So und nicht anders, durch diese oder jene Begriffe und Sprachregelungen, durch diese operativen Regeln des Gebrauches der Wörter und Begriffe und Sätze, ist das Verstehen und der Austausch und ist die Erfahrung bestimmt. Aber gerade dadurch unterscheide ich im Denken das mich Bedingende der Begriffe und Sprachregelungen vom Erkenntnisakt selbst. Ich unterscheide mich von diesen Regelungen und Handlungstatsachen, stelle meine Bedingtheit in Fragen des intersubjektiven Austausches fest – warum sollte ich das leugnen – aber alles ist nur so gedacht.

Die folgenden Anfragen und Zweifel treffen diese eigenartige analytische Auslegung der transzendentalen Erkenntnisart Kants – wie sie anscheinend in der angelsächsischen Literatur gang und gäbe ist?3

1) Nach A. Moser gibt es zwei Schulen oder Denkrichtungen, die die analytische Beziehung von Denken und Sprache beschreiben. (Hier bin ich bereits sehr skeptisch, denn es ist faktische Sprachbeobachtung, äußere Klassifikation, ohne sich der ontologischen und gnoseologischen Prämissen bewusst zu sein.)

a)  Den semantischen Weg, der von atomistischen und analytischen Bestandteilen der Bedeutung ausgeht, und

b) den pragmatischen Weg, der die Synthese (von Denken und Sprache) im Blickpunkt hat. (Siehe ebd. S 1).

A. Moser schlägt einen sozusagen dritten Weg dieser Auffassungen vor, die „performative Bedeutungsauffassung“ (Manchmal fügt sie noch „pragmatisch“ dazu.)

„In this book I show that what makes a proposition meaningful are neither the contents of the atomic bits that we put together nor the pragmat ics of putting together bits of language or thought. (…)
Hence, I introduce a performative account of meaning that is pragmatic in a new sense. The following examination of Kant and Wittgenstein will offer an initial idea of how thought or language can be taken to be meaningful in this performative or pragmatic way. I am not claiming that Kant or Wittgenstein conceived their respective theories of the act of thinking as I do; rather, I read both philosophers‘ works in such a way as to show that a theory of the act of thinking is nascent in the theo ries they each present, and these theories of the act of thinking are rooted in a problem each respective thinker encounters
.“

2) Ich verstehe die kantische Erkenntnistheorie, oder besser gesagt „Erkenntniskritik“ so, dass es bestimmte geistige Momente gibt – Anschauungsformen, Begriffe, Ideen – die die Erfahrung konstitutiv aufbauen, und bestimmte geistige Akte, die nur regulativ wirksam sind und zu einem dialektischen Schein führen können. Konstitutiv sind die reinen Formen der Sinnlichkeit (die Anschauungsformen) und die Verstandesbegriffe und die daraus folgende Grundsätze, regulativ sind Vernunftideen wie Gott, Welt, Seele, die wir zwar notwendig im Denken voraussetzen, aber als unbedingte Bedingungen nicht einsehen können. Wir können als endliche Vernunftwesen nur Bedingtes durch Bedingtes erklären.
Es kann ferner nochmals unterschieden werden zwischen den geistigen Momenten, die für die sinnliche Erfahrung gelten, und solchen, die über die Erfahrung hinausgehen wie die Idee der Freiheit und die daraus ableitbaren Begriffe der Moral und des Rechts.

Die Kant-Interpretation der Analytischen Philosophie, soweit ich sie vorurteilshaft gelesen haben, interpretiert die, wenn ich so sagen darf, „kantischen“ geistigen Momente und apriorischen Erkenntnisbegriffe als auffindbare Regeln des Sprachgebrauches, die den Sinn oder die Bedeutung einer Aussage festlegen. Die Begriffe, Wörter, Sätze sind nicht epistemologisch in der Sphäre einer nicht direkt einsehbaren Bild-Einheit geschaffen und gebildet – und erhalten von dort her ihren Sinn und ihre Bedeutung, ihre Bedeutung kommt alleine aus dem unmittelbaren Gebrauch und der Faktizität ihrer Anwendung. In der Analyse des Begriffe und der Sprachformen sind die Grenzen unserer Erkenntnis festgelegt. „Die Grenzen der Sprache sind die Grenzen der Welt.“

Nach A. Moser wird die Sinn- und Bedeutungsgebung der Begriffe durch die Handlung der Performativität erreicht. Es ist der Sprechakt und eine operativer Regelgebrauch von Sprache, die die Erkenntnis erzeugt. 4

Meine sofortige Reaktion: Der Akt des Sprechens (der Sprechakt) ist hier in der analytischen Interpretation entgegen der langen Tradition nicht selbst ein Erkennen, sondern bereits ein eigentümlich auf die Folgewirkungen abzielender Gedanke, ein faktisches Tun oder faktischer Gehalt, der durch externe Ursachen, nämlich Sprachregelungen und Lebensformen, bestimmt ist.

Aus dem Blick der bereits vorhandenen Begriffe und Sprachspielen und Lebensformen ergeben sich, oh Wunder, bestimmte Funktionen des Austausches und der Verständigung – und nur kraft dieses sprachlichen „Körpers“ kann ich meine Bedingtheit in der Erkenntnis der Wirklichkeit ableiten und bestimmen – analytisch.

Die synthetische Erkenntnislehre Kants lese ich aber so: Es ist ein schöpferischer Akt der Einbildungskraft, wodurch mir epistemologisch Begriffe und Bilder erwachsen und mir denkerisch zur Verfügung gestellt werden, damit ich die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung bzw. repräsentationale Bilder der Gegenstände der Erfahrung in einem System der Erkenntnis zusammenstelle und erfasse.

Dieses System der Erkenntnis – oder diese ganze Erkenntnisart – ist unter sich nochmals gegliedert und bedingt durch eine Synthesis der Apprehension, einer Synthesis der Einbildungskraft und einer Synthesis der Apperzeption, es kommen hinzu die kategorialen Begriffe und die Grundsätze des Verstandes, schließlich noch Reflexionsideen und Ideen der Vernunft. Dieses System des Bedingten unserer Erkenntnis ist denkerisch verfügbar und denkerisch unterschieden von einem Kant vielleicht selber nicht so klaren Erkenntnisakt, der Bezug nimmt auf ein Transzendental der Wahrheit, die etwas als wahr erkennen lässt.

Der höchste Denkakt, der Bezug nimmt auf die Wahrheit, hebt sich vom übrigen, wenn ich so sagen darf, „Erkenntnis-Raum“ und System der Erkenntnis ab.
Anders gesagt: Das Vernunftwesen „Mensch“ denkt sich so, dass es sich auf dieses ganze Vermögen der Erkenntnis (und das Vermögen der Sprache) verlässt, was noch nicht heißt, dass es automatisch alles so vollzieht und die Erkenntnis in Wirklichkeit gleich so wirksam ist und erscheint. Vollzieht es allerdings die Vorstellung und das wahrhafte Urteilen und Handeln und Tun (und Sprechen), wird es gemäß seinem Denken etwas als wahr erkennen: Durch die analysierten Bedingungen und das ganze Bedingte von Anschauungsformen, Verstand und Vernunft, oder hier besonders interessant, durch das Sprachvermögen, erklärt es sich sein Erkennen und erhebt es begründeten Geltungsanspruch – in Rückbezug auf einen Geltungsgrund von Wahrheit.

3) Die analytische Erkenntnistheorie oder Erkenntniskritik, so sehr pauschal von mir gesehen, geht so vor: Unser Wissen und Erkennen ist bedingt durch bereits vorgegebene sprachliche Bilder, Begriffe, Gebrauchsformen.
Ich möchte dieses ganze Wunderwerk der Sprache und ihrer Funktionalität überhaupt nicht leugnen, sondern wesentlich sind die Erkenntnisbedingungen durch Sprachbedingungen bestimmt. Aber wiederum nach der Begründung gefragt, bleibt nur der denkerische Unterschied möglich, d. h. dass die durch die Sprachbedingungen bedingte Erkenntnis selbst etwas Bedingtes ist, als Bedingtes gedacht wird. Das Bewusstsein der Bedingtheit kommt nicht durch die Sprachbedingungen selbst. Die Bedingung ist eine Denkunterschied.5

Wie wir den Begriff einer Freiheit und Wirksamkeit erst begreifen, wenn wir unser eigenes Wirken aus seinen Bedingungen begreifen, indem wir uns einen Leib zuschreiben, so erklären wir das Sprachverstehen und seine Wirksamkeit aus einer Regel für den praktischen, intersubjektiven Austausch und zwecks Gewinnung von Selbstwert und Freiheit.

Wenn ich eine performative Handlung im Sprechen ausführe, z. B. eine Aufforderung ausspreche, etwas imperativisch sage, einen Schmerz äußere, will ich denkerisch etwas unterscheiden, ich will jetzt durch die Aufforderung einen Kontakt aufnehmen, will imperativisch etwas erreichen, will mich selbst, mein Selbstbewusstsein äußern, dass ich Schmerzen habe….. Es ist der Denkunterschied, der die Bedingungen des Wirkens meiner selbst in einem Satz, in einem Ausruf, zusammenfasst.

Die zugleich zu beobachtende Handlung – die Performativität – ist durch das Denken und durch das absichtliche Wollen in ihrem Sinngehalt und ihrer Wahrheit zutreffend erklärt und erkannt, nicht umgekehrt, dass eine Absicht und ein Denken aus einer Sprachhandlung erwächst und von selbst entsteht: Da möchte ich durch die Sprache getrieben jetzt eine Aufforderung aussprechen, etwas befehlen, etwas äußern. Ich bin in meinem Denken und Wollen an die Bedingungen gebunden, an die perfomativen Sprechakte, das schon, aber das ist das Bedingte der Erkennbarkeit und Wirksamkeit von Aufforderung, Befehl, Äußerung. Der Erkenntnisgrund begreift die Tat, wenn die Tat auch weiter hinausgeht als die Erkenntnis reichen mag.6

Bei Kant ist Erkenntnistheorie (oder Erkenntniskritik) ein System von geistigen Momenten; in der Analytischen Philosophie – natürlich spärlich mir nur bekannt – kommt mir das so vor, die geistigen Momente werden in ihrer epistemologischen Sinnbildung und Bedeutungsgebung durch die Tatsachen ihres Gebrauches definiert. Es sind die Verwendungsbedingungen, die den Sinn und die Bedeutung festlegen. Die Handlung führt zur Hervorbringung des Gegenstandes (seiner Repräsentation) aus dem Begriff!?

Dies ist und bleibt m. E. eine Variante von Rationalismus und entspricht nicht der  Intention KANTS bzw. der Weiterführung FICHTES, die Erkenntnis (eines Gegenstandes in repräsentationaler Weise) als eine Hervorbringung eines Begriffes zu sehen, genauer gesagt, als eine Synthese von Anschauung und Begriff, zu sehen – kraft Leistung der Vernunft (bei Kant) bzw. kraft Leistung eines Sich-Wissens und des Selbstbewusstseins (bei Fichte). Erkennen und Begreifen geschieht in einer synthetischen Akt gemäß und entsprechend dem Transzendental des wahren Seins – das natürlich vorausgesetzt werden muss.

3) Sicherlich kennt A. Moser die synthetischen Ausdrucks- und Vorgehensweisen Kants, z. B. den dreigliedrigen Aufbau bei der sinnlichen Wahrnehmung, die Synthesis der Apprehension, die Synthesis der Einbildungskraft und die Synthesis der Apperzeption – und dann geht es mit höheren Synthesen und Schematisierungen der Urteilskraft weiter – aber alle Erkenntnis ist anscheinend (in der angelsächsischen Kantlektüre) analytisch auflösbar. Gewisse Begriffe und Vorgänge taugen für ein bestimmtes Verstehen und Wirken, also ist die Wirklichkeit kohärent zu diesen Erkenntnisbegriffen aufgebaut. Die Verfügbarkeit über die Interpretation der Wirklichkeit ist wunderbar sprachlich gegeben, ich brauche dafür keine schöpferisch zu schaffenden Gedanken und Synthesen, alles ist in den Begriffen und ihrer Verwendung analytisch schon festgelegt.
Dies verlangt ebenfalls einen gewissen Scharfsinn, wie die sprachlichen Bilder und Begriffe analysiert werden, denn sie müssen in ihrer Bedeutung und Sinngebung erst in Funktionen umgewandelt werden – das ist m. E. zu bewundern an der Analytischen Philosophie – , aber das verläuft nicht durch einen Denkunterschied der Erklärung, wie früher gesagt wurde, durch conditio und antecedens, das ist Bedingtes, erklärt durch die Bedingung, sondern rein immanent in der Beobachtung der Begriffe und Sprachspiele, oder wie hier bei A. Moser, in der Beobachtung und Beachtung der Performativität. Der Denkunterschied in der Erklärung ist gewichen einem Vorgang des operativen Denkens – und darin liegt die Erkenntnis von etwas, von wahr und falsch, von Gut und Böse.

Wenn ich das richtig verstanden habe: Zwischen Erkennen (durch synthetisches Denken) und dem analytischen Gebrauch von Wörtern, Begriffen, Sätzen, liegt als verbindendes Element die „performativity“, eine Art transzendentale Deduktion der Möglichkeit, wie die Einheit gedanklich verfügbar werden kann, diese Einheit von Begriffen und Bildern und ihren funktionalen Wissbarkeit. Aber ist das nicht Verschleierung eines Denkunterschiedes? Woher der Geltungsanspruch dieser Performativität?

Die operativen Regeln des Denkens, von der Analytischen Philosophie hervorgehoben und behauptet, sind selbst gedankliche Urteile, die ein transzendentales, wahres Sein einer Unterscheidbarkeit von Begriffen und deren angebliche Funktionalität und Wirksamkeit voraussetzen. Diese Rechtfertigung der analytischen Methode muss vorausgesetzt werden, sonst wäre sie ja nicht gültig!

In der Analyse der Regeln des Denkens müssen allerdings dann, – und hier wird es gleich kompliziert – „höhere“ und „niedere“ Regeln des Gebrauches der Begriffe eingeführt werden, der performative Sprechakt beginnt sich hier plötzlich selbst aufzulösen in andere Formen des Sprechens bis in analytisch Unendliche.

A. Moser erhebt öfter einen Geltungsanspruch der Performativität. Aber, soviel ich dann lesen mochte, dieser Geltungsanspruch ist in dem Buch bis zum Ende des 11. Kapitels nicht ausgewiesen. Das wundert mich gar nicht. Denn die Einholung eines Geltungsanspruches von Wahrheit liegt jenseits einer analytisch wahrnehmbaren, beobachtbaren Performativität bzw. jenseits eines analytischen Sprachgebrauches.
Eine “Performativity of Thought“ ist m. E. eine Systase von miteinander nicht kombinierbaren Begriffen: Entweder wird gedacht, dann setzt das einen Begriff oder ein Bild voraus, worauf ein Handeln reflexiv auf sich zurückgeht (im Erkenntnisakt) – wobei nochmals gewissenhaft gedacht werden muss, wie in der Erscheinungswirklichkeit überhaupt ein Handeln erkennbar sein soll -,  oder es wird gehandelt, dann bleibt der Tatcharakter im Erkennen notwendig verhüllt.
Das Denken und Erkennen ist transzendentallogisch die Bedingung der Wissbarkeit, etwas als Handeln zu bestimmen bzw. eine Handlung als in sich zurückgehend zu charakterisieren oder als performatives Handeln in Intersubjektivitätsbedeutung zu deklarieren. Das Handeln hingegen geht über das Denken hinaus.

Es ist im Sprachvollzug und beim Gebrauch der Wörter und in sprachlichen Lebensformen zweifelsfrei etwas im Gange und in Bewegung, aber als Handeln wird es nur durch Denken deklariert und nur durch Erkennen wahrgenommen.

4) Fichte hat als erster diesen (platonischen und cartesianischen) engen Zusammenhang von Denken (Gedanken) und Tun (Handeln) erklären können: Das Vorstellen der Einbildungskraft, das ein hin und her gehendes Schweben ist, und das erneute Vorstellen im Denken der Gründe, unterscheiden sich. Das Denken holt sein eigenes Vorstellen nicht ein, und umgekehrt, das Vorstellen (der lebendige Tatcharakter des Schwebens der Einbildungskraft) geht im Denken nicht (ganz) auf.

K. Hammacher hat das performative Verhältnis so beschrieben: „Der Gedanke ist Tat, aber er weiß nicht darum.“ 7

Generell von einer Performativität als übergreifende Verfügbarkeit und Wissbarkeit und Sinn- und Bedeutungsgebung zu sprechen, so kommt mir das in diesem Buch vor, hieße, Performativität leiste selbst die Erkenntnis und das Wissen und die Sichtbarkeit eines Bildes vom Bild des Seins.

Bei genauerer Selbstbeobachtung des Vorstellens und Denkens kann auffallen – ich zitiere frei nach K. Hammacher8:

a) Vorstellen und Denken gehören zum Bereich des Gedachten. Das begriffliche Denken, das in seiner eigenen Reflexion das Vorstellen analysieren will, um zu einem zureichenden Grund zu gelangen, vergisst dabei den Tatcharakter des eigenen Vorstellens, den das lebendige Schweben der Einbildungskraft nach gebundenen Regeln der Anschauungskonstitution bildet und gebildet hat. Das Denken holt nicht die reine Tat des Vorstellens und den Modus des Schwebens der Einbildungskraft (des Vorgestelltseins) ein, sondern deutet das auf das Schweben der Einbildungskraft rück-beziehende Reflektieren zu einem neuen Erkenntniszusammenhang um. Es hebt die noch nicht zum Verstandesbewusstsein gelangte, implizite Sinn-Bedeutung der ursprüngliche Vorstellung auf (nicht der Existenz nach), um durch Reflexion eine Bedeutung zu vergeben und einen zureichenden Grund anzugeben. Im Denken verhüllt sich aber wiederum das eigene Tun der Reflexion. Es holt nie das ganze Schweben der Einbildungskraft ein, d. h. das das Denken selbst tragende und ermöglichende Vorstellen der Einbildungskraft. Oder anders gesagt, das ermöglichende Vorstellen geht nicht vollständig im Gedanken auf, es bleibt ein darüber hinausgehendes Handeln. Fichte hat es oft so ausgedrückt: Es gibt einen Widerspruch zwischen Sagen und Tun. (Wenn ich damit die Analytische Philosophie charakterisieren will, die Analyse der Begriffe offenbart in ihrem Gebrauch und Verwendungszusammenhang die faktische Bindungen der Einbildungskraft, die nicht zu leugnen sind, aber den übergreifenden Begründungszusammenhang für diese faktischen Bindungen, das müsste eine Meta-Theorie der Sprachanalyse jetzt leisten.)

b) Das Umgekehrte gilt aber auch, zumindest teilweise: Die Tat kann nicht das Ganze, das Wesentliche des Gedankens fassen. Und selbst wenn, hypothetisch formuliert, eingeräumt würde, dass die Tat das Wesentliche des Gedankens fassen sollte, so wäre es leicht zu widerlegen, denn es ist unzulässig anzunehmen, dass eine angesetzte Veränderung oder Handlung schon eine Erkenntnis herbeiführen müsste. Ich komme in einen Raum, zähle 30 Personen, die Erkenntnis dazu erwächst mir nicht durch Eintreten in den Raum.

Mein Schluss: Keine Handlung, auch nicht Performativität, ohne apriorisches Wissen um ihren Bedeutungsgehalt. Die Denkunterschiede legen die Sinnbedeutungen der Bedingtheit aller Begriffe und aller Sprachregeln fest, nicht umgekehrt.

5) A. Moser zitiert viele englischsprachige Kant-Exegese. Ich kann diese Autoren nicht beurteilen. Wenn ich die Zitate von A. Moser aber lese, so denke ich mir: das hat alles einen psychologischen und empiristischen Einschlag, so als wollte Kant mit seinen synthetischen Begriffen a priori (und sonstigen geistigen Momenten) etwas Beobachtbares und Sinnenhaftes ausdrücken. Kant wird psychologisiert, weil die apriorische Erkenntnisart als solche nicht durch Denken erklärt wird.

Allein schon das englischen Wort „propositions“ macht mich stutzig, da es in einer transzendentalen Erkenntnistheorie um die Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung, expliziert dann als Bedingung der Möglichkeit der Gegenstände in einem repräsentationalen Sinne, geht, aber gerade nicht um unmittelbare, faktische Objektivierungen eines Begriffszusammenhangs.

Hier müsste schon eine kräftige Erkenntniskritik der Begriffe Proposition, Referenz und Prädikation erfolgen, um die angeblich illokutionäre Neutralität der Proposition und alle diese faktischen Analysewerkzeuge der Begriffszerlegung in Frage zu stellen. Die Funktion der Referenz, von der ja die Bedeutungstheoretiker wie besessen sind, ist schlechthin mehr als ein „Verweisen auf…“, ist mehr als eine beschreibende Identifikation.

Es kreist das Denken über Kant bei A. Moser schlussendlich noch immer, nolens volens, um die Verbindung zwischen Denken und Ding und was mit dem „Ding an sich“ zu tun ist – siehe Kapitel 2ff. Sind wir über Locke und Hume noch nicht hinausgekommen?

Die von ihr zitierte englische Literatur kann und will den synthetischen Erkenntnisakt nicht als solchen fassen und akzeptieren – und so fehlt es diesem „analytischen“ Kant an einer synthetischen Einheit des Selbstbewusstseins, aus der die Anschauungs- und Denkformen hervorgehen. Selbst wenn man im Unterschied zu Fichte bei Kant von einer faktischen und „stehenden“ Einheit der transzendentalen Apperzeption sprechen will, ist diese Einheit eine generierende, produzierende Einheit der Vorstellungen – und anders ist das Bedingte der Erkenntnisart gedanklich nicht zu bestimmen.

 

Eine von einem Gegenstand ausgehende Prädikation, hier vom faktischen Gegenstand Begriff und seinem Umfeld, erreicht natürlich nie mehr einen epistemologischen Geltungsgrund von Sinn und Bedeutung. Die Prädikation ist mehr als ein bloßer Sprechakt, der von einer operativen Regel des Denkens abhängen soll, die dann analytisch auf ihre Funktion hin zerlegt werden kann.

6) Wenn die Theorie der Performativität wirklich gelten könnte, so müsste das performative Vollziehen die synthetische Leistung des Bildens und Projizierens und Denkens selbst übernehmen. Das wäre aber das Ende unserer Freiheit und des Denkens, denn die Handlung und Performativität könnte ja fremdbestimmt sein, wenn kein apriorisches Wissen von Wahrheit zugrunde läge. Das Handeln rationalisieren wir vielleicht noch notdürftig als Motivationszusammenhang oder Erklärungszusammenhang, aber wie begründet sind diese Zusammenhänge schlussendlich? Es ist pure Natur, die sich im Handeln und Sprechen und im Sprechakt kundtut. Es sind nur mehr bloße Antriebe, fremdgesteuerte Gründe, die den Sprechakt begründen. Alles ist letztlich unerkennbar geworden, oder, ständig ist alles unerkennbar in Aktion. Im letzten Kapitel wird das so zusammengefasst, dass das Erkennen und die „Form der Erfahrung“ selbst „by the way the mind is minded“. Das ist Kant psychologisch!

„ This is why in Chap. 2 I have pointed out that Kant grapples with a theory that makes a priori concepts the connection between thought and things, and I underlined that the form of experience looks more like an activity of connecting that is not backed up by a priori forms, but rather by the way the mind is minded. In Chap. 3 I elaborated how Wittgenstein tried to substitute the account of a logical picture in the form of language for something that is similar to Kant’s account of the a priori categories, a general form of the proposition that is „the way the mind is” in terms of language. A proposition about something is always already its own way of picturing itself, its logical form, without being able to explicate such form.“9

 

7) Zurück zu Kapitel 1) „Finally, I show how pragmatics or performativity can be found in both Kant and Wittgenstein. In Kant’s Critique of Pure Reason a projection of transcendental ideas enables the unity of the understanding, while in Wittgenstein‘s Tractatus the projection of the proposition makes possible the comparison of thought or sentence and the world. I do not look at logical theories or philosophical methods as such, but at the application of theories and methods—the acts of thinking them. Both Kant and Wittgenstein write explicitly about acts of thinking. Kant’s Critique of Pure Reason is largely occupied with what he calls “acts of the mind,” in German Handlungen des Gemüts,Gemüt being an old-fashioned expression for what we today call the mind.10

Ich würde A. Moser gerne folgen, wenn sie die „Akte“ des Gemüts (des „Geistes“) als solche differenzieren und  selbst aus der Einheit des Sich-Wissens und Sich-Bildens ableiten wollte. Der Weg der Performativität, wie er geschildert wird, ist aber zufällige Auflese einer faktischen Beobachtung des Gemüts bzw. folgte gewissen Regeln der Sprache, ist historisierend und psychologisierend gedeutet.

Natürlich bleibt KANT selbst befangen in einem Realismus vice versa Idealismus, sodass ein S. Maimon u. a. eingeworfen haben:  „Quid juris“? Warum sollten die Tatsachen und Gegenstände der Erfahrung wirklich den subjektiven Erkenntnisbedingungen entsprechen? KANT blieb aber wenigstens bei dem Erkenntnisanspruch, die Begriffe durch transzendentale Apperzeption legitimieren und ableiten (schematisieren) zu können.
Durch eine „projection“ und „performativity“ wird aber keine Erkenntnisbegründung geleistet, nicht einmal eine aristotelische Adäquation von Denken und Wirklichkeit, ferner keine Schematisierung, im Gegenteil, die objektivierte „projection“ und „performativity“ muss faktisch  und empirisch behauptet werden – ohne in ihrem Wie der Möglichkeit erkennbar zu sein.

Sicherlich kennt A. Moser die Begriffe und den dazugehörigen Kontext der Erkenntnistheorie Kants sehr gut: Die Anschauungsformen, Kategorien, die Schematismen, die Ideen, doch in dieser starken Abhängigkeit z. B. von Beatrice Longuenesse oder A. B. Dickerson bleibt nur eine mentalistische, psychologische Seelenlehre übrig – oder eine Art Baustein-Modell des Geistes. Wir haben einen inneren Sinn, durch den nehmen wir wahr – und irgendwie darauf aufbauend und aufsetzend gibt es ein geistiges Gebäude, eine ebenfalls faktisch und sinnlich vorgestellte Geistigkeit des Menschen. Der „Geist“ (mind) ist es, der aus analytisch vorgestellten Vermögen der Anschauungsformen und Begriffen besteht, dazu kommen dann die Sprachformen und Lebensformen. Was ist das für ein „Geist“ und geistiges Erkennen? Lebt er überhaupt?

8) „ What I focus on throughout this book is thinking a system in its application or as applied. How does thought, in the course of thinking, take on authority over what the thought is about? Are the a priori categories of thought merely enacted in the mind? Do we just compare the sentence as fact with the fact in the world? I argue that something more happens in the act of thinking or speaking itself—in its performance, use, or applica tion—and that „something more” is what we call meaning. The first thesis of my book is thus that meaning is performative and pragmatic; it is what happens in the act of thinking or speaking.“ (ebd. S 3, Hervorhebungen stets von mir.) 11

Das Mehr  an Bedeutung,  das hier geschehen soll, hätte ich halt gerne gewusst, warum es durch Performativität (und Pragmatismus) entstehen soll –   in welcher Sphäre, mit welcher Kraft, in welchem Licht?

Ich möchte hier Kant gar nicht großartig verteidigen, er bleibt hier selber  schwankend, ob er die Synthesis im Denken nach einer bereits vorausgesetzten Mannigfaltigkeit in der Anschauung ansetzen soll, oder ob das Denken figürlich die Synthesis dem inneren Zeit-Sinn nach sogar die Mannigfaltigkeit (der Form nach)  erzeugt. (Siehe KrV, Schematismuskapitel).
Aber immerhin spricht er nicht von einer selbsttätigen, selbständigen, analytischen Performativität, die die Synthesis ermöglicht und die Bedeutung und die Erkenntnis festlegt.

Wittgenstein muss überhaupt dogmatisch die Aussageform als übereinstimmend mit den Sachverhalten und Tatsachen annehmen, sonst käme er überhaupt zu keinem logischen Empirismus und zu keiner logischen Abbildtheorie – und später zu keiner Gebrauchstheorie der sprachlichen Bilder. Er kommt hier zu zweifellos kreativen,  sprachlichen Beobachtungen, aber metatheoretische, transzendentallogische Begründungen zu dieser logischen Abbildtheorie bzw. zu seiner Gebrauchstheorie – will er sie überhaupt erreichen?

A. Moser, S 4: „In other words, Kant and Wittgenstein each engage in a transcendental project of projecting unity; both are interested in a theory of projection as unification that makes possible the structure of representation as the unity of representation and represented. Kant and Wittgenstein are jointly driven by two fantasies: one, the method of projection establishes unity and, two, a proposition’s determinacy or unity is a structure of proof. I aim to show that Kant and Wittgenstein do not cling to their fantasies over the course of their careers but revert to performative theories in their sub sequent work.12

9) Es folgt dann von A. Moser die Beobachtung des Sprachenlernens – als Beweis genommen, dass durch Übung und Mimesis wir die Erkenntnisbedingungen aufbauen. Das ist aber nur gedeutete Entwicklungspsychologie, das ist empirische Kognitionslehre, keine transzendentale Erklärung, wie der Möglichkeit nach Erkennen und Sprechen gedacht werden können – und wie sich der Möglichkeit nach synthetisch die Vorstellungen bzw. Bedeutungen der Wörter mit den gemeinten Gegenständen oder gemeinten Sachverhalten und Aussagen decken können. Die basalen Entwicklungsprozesse des Erlernens von Sprache auf Mimesis zu reduzieren – das ist eine gewaltige, semantische Vereinnahmung.
Zur epistemologischen Begründung von Bedeutung – siehe andere Blogs, z. B. v. Siemek oder „Philosophie der Sprache“. Eine Mimesis des Nachvollzugs und des Trainings schafft keine Erkenntnis, schafft keine Anerkennung einer anderen Person, ist in sich  kein Sich-Wissen und kein Sich-Bilden.

Kritisch darf man wohl fragen, ob hinter der Performativität und Pragmatik nicht ein altes Weltbild vorkantischer Seelenlehre steckt? Es gibt mentale Eigenschaften und wir meinen eine gewisse Projektion in unserem Denken und Handeln erkennen zu können.  Unsere mentalistische Ausstattung ist dabei durch sprachliche Konvention, durch Natur, durch Historie und Sozialisation,  geprägt. Fragt sich nur, ob dieser Naturalismus sich selbst erklären kann? Wiederum meine Frage: Wie soll Vorstellen und Denken durch „performativity“ gedacht bzw. gebildet werden? (Chapter 4)

KANT  fand  sehr genial den Schematismus, um eine Anwendung der Erkenntnisbegriffe auf die Anschauungsformen zu beschreiben; PLATON sprach überhaupt von angeborenen Ideen, FICHTE von der Tathandlung. Die Sprechakt-Theoretiker treffen einen wahren Kern, wenn Sprechen ebenfalls als Tun angesehen wird, aber Sprechen und Handeln ist noch kein Erkennen, kein Beurteilen, kein  Deuten und Sich-Wissen.  Fichte sagt analog:  Es gibt einen tiefen Zwiespalt zwischen dem Sagen von etwas, das Objektivierung erzeugt, und der intelligierenden Einsicht.

10) A. Moser, ebd. S 5f: „My book reinterprets Kant’s Critique of Pure Reason and Wittgenstein’s Tractatus as dealing with the union of mind and world. Both philoso phers, I argue, develop a system of (transcendental) logic, only to question the validity of the system in terms of its application. With Kant, we are holding on to the myth that there is something—such as a law of some sort, a logical a priori connection or the categories—that causes thoughts or bits of language to be about something. Kant’s Transcendental Deduction, in which the a priori categories are described as enabling our experience and knowledge to be objective or about something, is thus problematized. Once it is demonstrated that the a priori categories are acts of the mind (Handlungen des Gemüts), it becomes clear that they can not be rigid and timeless but are altered over time by culture. The solution is thus to read the Transcendental Deduction as pragmatic. The categories are performative in exactly this sense: we arrive at meaning by making the connection between language or thought and the world in the way we do. By this reading,

Kant’s categories must be understood as becoming acts of the mind that make possible the connection to things in the first place. Kant knew he could be neither skeptical nor dogmatic about the connection. 13

Das ist leider wiederum nur englische Kant-Deutung.  Es ist a) kein „Mythos“, wie eine Lektüre besagt, dass es Gegebenes und Mannigfaltigkeit geben soll, aber es müsste darüber hinaus sogar abgeleitet werden, warum Mannigfaltigkeit transzendental notwendig ist; b) die transzendentale Deduktion der Kategorien ist nicht selbst zeitlich und kulturell und pragmatisch bedingt, weil umgekehrt, die zeitlosen Kategorien und die zeitlose Vernunfteinheit  erst alle zeitliche und geschichtliche und kulturelle Erkenntnis und Sozialisation ermöglichen; schließlich c) wenn die neue Interpretation einer projektiven Methode von Denkakten und deren Anwendung auf Dinge/Welt/Wirklichkeit wahrhaft gelten soll – „we arrive at meaning by making the connection between language or thought and the world in the way we do.“ – muss es dafür eine Vernunftidee geben, eine ideelle Deduktion des Zusammenhanges von Sprech-Handeln und Sein und eine reale und ideale Einheit der Bestimmbarkeit und Bestimmtheit. Wie soll das erklärt und erkannt werden?

Noch etwas fällt mir auf: A. Moser setzt m. E. ein mentales, nur theoretisches Vermögen an –  nach dem Mainstream englischer Kant-Exegese – aber von einem praktischen Vermögen spricht sie so gut wie gar nicht. Dabei unterstelle ich das gar nicht ihr persönlich, das ist eben die dort verwendete Literatur, die dafür keinen Sinn mehr hat. A. Moser, ebd. S 6: „In providing a theory of the act of thinking through discussing Kant’s projection of unity in the categories in the Critique of Pure Reason and Wittgenstein’s projection method in the Tractatus, I aim to show that our access to things exists and is warranted—but not beyond thought or language. (…)“ 14

 

Das klingt transzendental-selbstkritisch, sich zuerst dem Denkakt und dem Erkenntnisakt selbst zuzuwenden und nicht den Dingen – wie bei KANT wörtlich nachzulesen – aber letzterer war selbstkritischer, denn er bezog den Denkakt innerhalb der transzendentalen Apperzeption ständig  so ein, dass eine stillschweigend vorausgesetzte transzendentale Wahrheit und Einheit der Erkenntnis diesen Denkakt und dieses Schematisieren begleitete und legitimierte.

A. Moser, S 6: „Kant and Wittgenstein should be understood as two poles of a characteristically modern and critical impetus to address the conditioning of the framework for sense/meaning as well as the epistemic possibility of, and the constraints on, presenting that framework. “Modern and critical“ mean here that we made a turn to investigating language and thought about things as opposed to the things that they represent (in themselves)“15

Durch Performativität und Pragmatik alleine, „performativity of thought“  – kann keine, reflexive,  transzendentale Geltungserhebung und kein transzendentaler Geltungsanspruch auf Wahrheit erhoben werden – wie denn auch, wenn alle Erkenntniskriterien und das Denken selbst durch Handlung erst erzeugt werden sollen?

11) A. Moser, S 7: „In the following chapters I lay bare what we can call an isomorphic structure: the structure of experience in Kant and the structure of the proposi tion in Wittgenstein. I show that according to Kant and Wittgenstein these structures are respectively conditioned by a form of experience or a form of the proposition, which they respectively think accounts for the alleged connection of mind and world. The form of experience and the form of the proposition are each said to be the possibility of structure.Laying bare this structure coincides with the explanation of how form is the possibility of structure.16

Die Form der Erfahrung und die Form des Satzes sind die Möglichkeit ihrer Struktur  – das ist analytische Begriffszerlegung, sagt im Grunde gar nichts. Die erfahrungsgemäßen, rezeptiven Prozesse erklären die Strukturen – und umgekehrt erklären die Strukturen die mentalen und psychologischen Prozesse.  Die Erkenntnisformen greifen in die Strukturen und Abbildungsformen ein und umgekehrt sind die Strukturen und Abbildungsformen das Räderwerk unserer Erkenntnis.  Erkenntnismäßig ist das nur ein Zirkel und mündet in einen infiniten Regress oder in einen willkürlichen Verfahrensabbruch. Was soll sich hier an Licht und Erkenntnis zeigen?

12) Die als Beispiele einer externalen oder internalen Welterkenntnis eingebrachten Autoren Dickerson oder McDowell (ebd. S 8- 10) sind für mich nicht transzendental-kritisch, weil sie den eigenen Denkakt verabsolutieren und von purer Faktizität ausgehen. Sie fallen für mich unter „psychologischer“ Kantauslegung.
Wiederholt von mir schon gesagt, pardon, durch Performativität oder Pragmatik lässt sich keine bildhafte Anschaulichkeit und Sichtbarkeit erzeugen.

Like the intentionalist, I too argue that the mind projects its internal relations onto the world. However, there is a difference in how I show the “projection” as unfolding. The theory of the act of thinking I develop claims that the structure of our minds and of language is not distinct from the structure of that about which we are thinking or speaking. This struc ture is one and performed in the projection or in the act. The nature of the (human) mind is to unfold in its activity of judging and categorizing and to create and have a world by that unfolding activity.“ 17

Meine Fragen zusammengefasst: Die Sprache in ihrem Gebrauch rechtfertigt das, was „Erkenntnis“ heißen soll? Kants Urteilstheorie und schematisierendes Denken und Wittgensteins Abbild- und Sprachdenken sind der Garant für die Überbrückung des Schismas von Anschauung und Begriff? Der Sprechakt und die „performativity“ sind von sich her einsichtig und wahr?18

A. Moser gliedert alles sehr übersichtlich, in sich kohärent, der Stil, die Inhaltsangaben, die Überleitungen, die Kapiteleinteilungen, die Literaturverweisen, alles sehr perfekt.

© 19. 5. 2022 Franz Strasser

1Im Klappentext zu diesem Buch heißt es – siehe Internet: Dieses Buch untersucht die Idee, dass es eine gewisse Performativität des Denkens gibt, die Kants Kritik der reinen Vernunft und Wittgensteins Tractatus Logico-Philosophicus verbindet. Nach dieser Auffassung fällen wir Urteile und verwenden Propositionen, weil wir voraussetzen, dass unser Denken von etwas handelt und dass unsere Propositionen Sinn haben. Kants Forderung nach einer a priori-Verbindung zwischen Intuitionen und Konzepten ist Wittgensteins Idee der allgemeinen Propositionsform als einer Form ähnlich, die mit der Welt geteilt wird.
Aloisia Moser argumentiert, dass Kant über Akte des Geistes spricht, nicht über statische Kategorien. Darüber hinaus erläutert sie die logische Form des Tractatus als Projektionsmethode, die sich in eine sogenannte „Nullmethode“ verwandelt, bei der Propositionen lediglich das Gerüst der Welt sind. Auf diese Weise verbindet Moser das reflektierende Urteil von Kant mit der Regelbefolgung von Wittgenstein. Damit legt sie eine Darstellung der Performativität vor, bei der es weder um Theorien noch um Methoden geht, sondern um die Anwendung, die sie überhaupt in die Tat umsetzt.

2z. B. Peter Baumann, Von der Theorie der Sprechakte zu Fichtes Wissenschaftslehre. In: Der transzendentale Gedanke. Die gegenwärtige Darstellung der Philosophie Fichtes, hrsg. v. Klaus Hammacher, Hamburg, 1981, S 171- 189.

3 Ich muss zugeben, dass ich nur wenig diese englische Literatur gelesen habe, eben aus dem Vorurteil heraus, dass ein Empirismus oder Realismus keine Repräsentation eines Gegenstandes in der Vorstellung erklären kann. Kaum begann ich zu lesen, konnte ich nicht mehr weiterlesen. Es läuft eine ständige petitio principii in der Erkenntnisbegründung ab.

4„In diesem Buch zeige ich, dass das, was einen Satz bedeutungsvoll macht, weder der Inhalt der atomaren Teile ist, die wir zusammensetzen, noch die Pragmatik, mit der wir Teile von Sprache oder Gedanken zusammensetzen. (…) Daher führe ich eine performative Bedeutungsauffassung ein, die in einem neuen Sinne pragmatisch ist. Die folgende Untersuchung von Kant und Wittgenstein wird eine erste Vorstellung davon bieten, wie Gedanken oder Sprache auf diese performative oder pragmatische Weise als bedeutungsvoll angesehen werden können. Ich behaupte nicht, dass Kant oder Wittgenstein ihre jeweiligen Theorien des Denkakts so konzipiert haben wie ich; vielmehr lese ich die Werke beider Philosophen auf eine Weise, die zeigt, dass eine Theorie des Denkakts in den Theorien, die sie jeweils präsentieren, im Entstehen begriffen ist, und diese Theorien des Denkakts wurzeln in einem Problem, mit dem jeder der jeweiligen Denker konfrontiert ist.“ (Google-Übersetzung)

5Zum Begriff der Bedingung siehe Handbuch philosophischer Grundbegriffe, hrsg. v. H. Krings, München 1973, v. K. Hammacher.

6 Im Zusammenhang der kantischen Einheit des „Ich denke“ bin ich einer Analyse des Aktes und der Handlung bei F. Witzleben schon einmal nachgegangen. Siehe Blog dazu. Witzleben möchte gleichfalls aus der Handlung selbst den Erkenntnisgegenstand erzeugen. https://www.platonjgf.net/die-einheit-des-ich-denke/. FRANK WITZLEBEN, Bewußtheit und Handlung. Zur Grundlegung der Handlungsphilosophie. Fichte-Studien, Supplementa Bd. 9, Amsterdam-Atlanta, GA 1997.

7 K. Hammacher, Das Fundament der Ethik: Zur Bestimmung des Gewissens. In: Philosophisches Jahrbuch, Nr. 76, 245.

8K. Hammacher, ebd. Anm. 7, S 243-246.

9A. Moser, ebd. S 143. „Deshalb habe ich in Kap. 2 darauf hingewiesen, dass Kant sich mit einer Theorie auseinandersetzt, die Apriori-Begriffe zur Verbindung zwischen Gedanken und Dingen macht, und ich habe betont, dass die Form der Erfahrung eher wie eine Aktivität des Verbindens aussieht, die nicht durch Apriori-Formen gestützt wird, sondern vielmehr „by the way the mind ist minded“ . In Kap. 3 habe ich ausgeführt, wie Wittgenstein versuchte, die Darstellung eines logischen Bildes in Form von Sprache durch etwas zu ersetzen, das Kants Darstellung der Apriori-Kategorien ähnlich ist, einer allgemeinen Form der Aussage, die „so ist, wie der Geist ist“ – in Formen der Sprache. Der Satz über etwas ist immer schon seine eigene Vorstellungsweise, seine logische Form, ohne sie explizieren zu können.

10Ebd. S 2: „Abschließend zeige ich, wie Pragmatik bzw. Performativität sowohl bei Kant als auch bei Wittgenstein zu finden ist. In Kants Kritik der reinen Vernunft ermöglicht eine Projektion transzendentaler Ideen die Einheit des Verstandes, während in Wittgensteins Tractatus die Projektion des Satzes den Vergleich von Gedanke oder Satz und der Welt ermöglicht. Ich betrachte nicht logische Theorien oder philosophische Methoden als solche, sondern die Anwendung von Theorien und Methoden – die Akte, sie zu denken. Sowohl Kant als auch Wittgenstein schreiben explizit über Denkakte. Kants Kritik der reinen Vernunft beschäftigt sich weitgehend mit dem, was er im Deutschen Handlungen des Gemüts „Akte des Geistes“ nennt, wobei „Gemüt“ ein altmodischer Ausdruck ist für das, was wir heute den Geist nennen.“

11„Worauf ich mich in diesem Buch konzentriere, ist das Denken eines Systems in seiner Anwendung oder wie es angewendet wird. Wie übernimmt das Denken im Laufe des Denkens Autorität darüber, worum es beim Gedanken geht? Werden die a priori-Kategorien des Denkens lediglich im Geist in Kraft gesetzt? Vergleichen wir nur den Satz als Tatsache mit der Tatsache in der Welt? Ich behaupte, dass im Akt des Denkens oder Sprechens selbst – in seiner Ausführung, Verwendung oder Anwendung – etwas mehr passiert, und dass „etwas mehr“ das ist, was wir Bedeutung nennen. Die erste These meines Buches lautet also, dass Bedeutung performativ und pragmatisch ist; es ist das, was beim Denken oder Sprechen passiert.“

12Tlw. Goggle-Übersetzung bzw. von mir, weil allein schon das Wort „proposition“ einer kräftigen , transzendental-kritischen Revision zu unterwerfen wäre. Ich kann nicht einfach von „proposition“ sprechen ohne sie generiert zu haben: „Mit anderen Worten, Kant und Wittgenstein beschäftigen sich jeweils mit einem transzendentalen Projekt der Einheitsprojektion; beide interessieren sich für eine Theorie der Projektion als Vereinheitlichung, die die Struktur der Repräsentation als Einheit von Repräsentation und Repräsentativität ermöglicht. Kant und Wittgenstein werden gemeinsam von zwei Fantasien getrieben: einmal stellt die Methode der Projektion die Einheit her, und zweitens zeigt eine „proposition’s determinacy oder unity“ die Struktur eines Beweises. Ich möchte zeigen, dass Kant und Wittgenstein im Laufe ihrer Entwicklungen nicht an ihren Fantasien festhalten, sondern in ihrer späteren Arbeit auf performative Theorien zurückgreifen.“

13Mein Buch interpretiert Kants Kritik der reinen Vernunft und Wittgensteins Tractatus dahingehend um, dass es um die Vereinigung von Geist und Welt geht. Beide Philosophen, so argumentiere ich, entwickeln ein System der (transzendentalen) Logik, um die Gültigkeit ihres Systems in Termen der Anwendung zu beweisen. Bei Kant halten wir an dem Mythos fest, dass es etwas gibt – etwa ein Gesetz, eine logische Apriori-Verbindung oder die Kategorien – das Gedanken oder Teile von Sprache bewirkt, die etwas besagen. Kants Transzendentale Deduktion, in der die apriorischen Kategorien beschrieben werden, dass sie uns befähigen, Erfahrung und Wissen, objektiv zu sammeln (von etwas zu haben), wird damit problematisiert. Sobald gezeigt ist, dass die apriorischen Kategorien Handlungen des Gemüts sind, wird deutlich, dass sie nicht starr und zeitlos sein können, sondern im Laufe der Zeit durch die Kultur verändert werden. Die Lösung besteht also darin, die transzendentale Deduktion als pragmatisch zu lesen. Die Kategorien sind in genau diesem Sinne performativ: Wir gelangen zur Bedeutung, indem wir die Verbindung zwischen Sprache oder Denken und der Welt so herstellen, wie wir es tun. Kants Kategorien müssen bei dieser Lesart als werdende Akte des Geistes verstanden werden, die den Zusammenhang mit den Dingen überhaupt erst ermöglichen. Kant wusste, dass er dem Zusammenhang gegenüber weder skeptisch noch dogmatisch sein konnte.(…)“ S 5.6.

14„Indem ich durch die Diskussion von Kants Projektion der Einheit in den Kategorien in der Kritik der reinen Vernunft und Wittgensteins Projektionsmethode im Tractatus eine Theorie des Denkakts bereitstelle, möchte ich zeigen, dass unser Zugang zu den Dingen existiert und gerechtfertigt ist – aber nicht jenseits des Denkens oder Sprache.“

15„Kant und Wittgenstein sollten als zwei Pole eines charakteristisch modernen und kritischen Impetus verstanden werden, um die Bedingung des Rahmens für Sinn/Bedeutung sowie die epistemische Möglichkeit und die Einschränkungen bei der Darstellung dieses Rahmens zu thematisieren. „Modern und kritisch“ bedeutet hier, dass wir uns der Untersuchung von Sprache und Gedanken über die Dinge zugewandt haben, im Gegensatz zu den Dingen, die sie (an sich) darstellen.“

16In den folgenden Kapiteln lege ich offen, was wir eine isomorphe Struktur nennen können: die Struktur der Erfahrung bei Kant und die Struktur des Satzes bei Wittgenstein. Ich zeige, dass diese Strukturen nach Kant und Wittgenstein jeweils durch eine Form von Erfahrung oder eine Form des Satzes („proposition“), die sie jeweils für die angebliche Verbindung von Geist und Welt halten. Die Form der Erfahrung und die Form des Satzes sollen jeweils die Möglichkeit der Struktur sein. Die Offenlegung dieser Struktur fällt zusammen mit der Erklärung, inwiefern die Form die Möglichkeit der Struktur ist.“

17„ Wie der Intentionalist argumentiere auch ich, dass der Geist seine inneren Beziehungen auf die Welt projiziert. Es gibt jedoch einen Unterschied darin, wie ich die „Projektion“ als Entfaltung zeige. Die Theorie des Denkaktes, die ich entwickle, behauptet, dass sich die Struktur unseres Geistes und unserer Sprache nicht von der Struktur dessen, worüber wir denken oder sprechen, unterscheidet. Diese Struktur ist eine und wird in der Projektion oder im Akt ausgeführt. Die Natur des (menschlichen) Geistes ist es, sich in seiner Aktivität des Beurteilens und Kategorisierens zu entfalten und durch diese sich entfaltende Aktivität eine Welt zu erschaffen und zu haben.“

18 In dem Klappentext des Verlages wird auf der Homepage-Seite der Kunstuniversität Linz die Argumentation A. MOSERS wie folgt beschrieben: (externer Link) „Aloisia Moser argues that Kant speaks about acts of the mind, not about static categories. Furthermore, she elucidates the Tractatus’ logical form as a projection method that turns into a so-called ‘zero method’, whereby propositions are merely the scaffolding of the world. In so doing, Moser connects Kantian reflective judgment to Wittgensteinian rule-following. She thereby presents an account of performativity centering neither on theories nor methods, but on the application enacting them in the first place.

Aloisia Moser argumentiert, dass Kant über Akte des Geistes spricht, nicht über statische Kategorien. Darüber hinaus erläutert sie die logische Form des Tractatus als Projektionsmethode, die sich in eine sogenannte ‚Nullmethode‘ verwandelt, bei der Propositionen lediglich das Gerüst der Welt sind. Dabei verbindet Moser das kantische reflektierende Urteil mit Wittgensteins Regelbefolgung. Sie präsentiert damit eine Darstellung der Performativität, die sich weder auf Theorien noch auf Methoden konzentriert, sondern auf die Anwendung, die sie in erster Linie umsetzt.“

Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser