Schopenhauerlektüre, die Welt als Wille und Vorstellung – 1. Teil

1) Gleich, wo ich bei SCHOPENHAUER (abk.=SCH) beginne, ob bei seiner Theorie der Vorstellung oder bei seiner Willensmetaphysik in „Die Welt als Wille und Vorstellung“ Band I, 1. Buch bzw. 2. Buch. (Abk.=W) – es wird

a) bewusst der Sinn der transzendentalen Grundstruktur des Wissens vernachlässigt bzw. umgedreht. Die in der transzendentalen Reflexion abgeleiteten Begriffe wie „Vorstellung“, „Anschauungsformen“, „Satz vom Grund“, „Wille“ werden höchst willkürlich und eigenwillig eingeführt und gebraucht – das kann er rhetorisch und poetisch sehr gut! – und dieser Sinn wird dann

b) materialistisch gedeutet, und schließlich

c) geschehen ständig grobe Kategorienfehler d. h. Begriffe werden auf Bereiche übertragen, die dort eigentlich keine erkenntniskonstitutive Funktion haben können, oder noch krasser ausgedrückt, es wird bewusst mit Äquivokationen und ungenauen Herleitungen gearbeitet, sodass man nicht genug aufpassen kann, die Begriffe kritiklos zu übernehmen.1

Ich drücke mich konkreter aus: SCH spricht zwar einerseits von der Welt als Vorstellung, anderseits muss er zu gegebener Zeit diese Theorie verlassen, weil die Vorstellung ja gar nicht maßgeblich ist für die andere Ebene, für die eigentliche Ebene der zu verstehenden Welt als Wille. Aber wie sollte über den Willen ohne Erkenntnis gesprochen werden?
Was dann unter Wille gemeint ist, ist aber erst recht eine willkürliche Sache. Da hat er etwas bei J. G. FICHTE falsch verstanden! Er meint  „Wille“ als naturale Kraft – ohne die genaue Genese und Begriffsbestimmung  dieses transzendentalen Grundprinzips anzugeben.

Transzendental nach FICHTE verläuft es so: Die Erkenntnis eines umfassenden, in sich werthaften, guten Willens, beginnt erst beim konkreten Wollen, das ein Übergehen darstellt von Unbestimmtheit zu Bestimmtheit. Das Wollen ist eine Affirmationsakt (siehe z. B. 19. Vorlesung WL 1804/2 im Begriff des „Von“) innerhalb des Allgemeinbegriffes des Willens und eine erkenntnismäßige Rekonstruktion des intendierten Ganzen, wozu hin wir erschaffen sind, und vollzieht sich in praxi als Erkenntnisverwirklichung im zeitlichen Nacheinander. (vgl. J. Widmann, Die Grundstruktur, a. a. O., S 110-118).

Die im einzelnen Wollen sich realisierende Affirmation erzeugt nicht selbst den in ihr hervortretenden Wert, sondern lässt ihn in seiner Wahrheit und Idealität erscheinen. 

Welchen Wert offenbart hingegen der metaphysische „Wille“ bei SCH? 

SCH nimmt es mit der transzendentalen Erkenntnis der Grundprinzipien, sei es von KANT oder von FICHTE abgeschaut, nicht sehr genau. Die Mittel, vollkommene Erkenntnis zu erreichen, sind von vornherein auf höchst fragwürdige materielle Dinge gerichtet, sodass die Affirmation eines Wertes und eines höchsten Solls, worauf das Wollen antwortet, vergessen werden. 

Es ist sicherlich eines der großartigsten Entdeckungen FICHTES, in aller (theoretischen) Vorstellung den sittlich-praktischen Teil des Handelns, mithin den Willen (oder das subjektive Wollen) erkannt zu haben (GWL, § 5), aber deshalb ist der Wille nicht selbst ein metaphysisches Prinzip der Erzeugung und kann nicht jenseits der Erkenntnis und der Vorstellung eines Wertes behauptet werden.

Was macht aber SCHOPENHAUER? Er unterscheidet zuerst Vorstellung und Wille, um schlussendlich aber alle Vorstellung einem naturalen Prinzip des Kommens und Werdens unterzuordnen, einem „Willen“, der auf kein sittliches Soll mehr bezogen ist, keinen Wert offenbaren und affirmieren kann, schließlich kein gerichtetes und zeitliches Nacheinander  kennt. 

Wie vertragen sich Vorstellung und Wille als zwei Erklärungs-Theorien von Welt bei SCH?

»Die Welt ist meine Vorstellung:« – dies ist die Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt; wiewohl der Mensch allein sie in das reflektirte abstrakte Bewußtseyn bringen kann: und thut er dies wirklich; so ist die philosophische Besonnenheit bei ihm eingetreten.“ (W § 1)

Die Einseitigkeit dieser Betrachtung aber wird das folgende Buch ergänzen, durch eine Wahrheit, welche nicht so unmittelbar gewiß ist, wie die, von der wir hier ausgehn; sondern zu welcher nur tiefere Forschung, schwierigere Abstraktion, Trennung des Verschiedenen und Vereinigung des Identischen führen kann, – durch eine Wahrheit, welche sehr ernst und Jedem, wo nicht furchtbar, doch bedenklich seyn muß, nämlich diese, daß eben auch er sagen kann und sagen muß: »Die Welt ist mein Wille.«“ (W I, § 1)

Die Vorstellungen beziehen sich auf Erscheinungen und beziehen sich doch nicht auf sie, denn sie sind letztlich unmaßgeblich, weil sie  von ganz anderer Seite, dem Willen, erzeugt und gewirkt sind. Die scheinbare Rationalität der Welt als Vorstellung, pseudo-transzendental auflösbar in einem vierfachen Satz vom Grunde, ist letztlich Schein, irrational und dem buddhistischen Verständnis von Leid und der Vergänglichkeit unterworfen.2

Wenn die Vorstellung und ihre Gesetze – als „Satz vom Grunde“ in seiner vierfachen Gestalt – die Welt aber nicht konstitutiv erklären können, weil deren erkenntniskonstitutive Valenz verglichen mit dem irrationalen Willen  irrelevant ist, was heißt dann noch, frage ich mich, „transzendental“ und „transzendentale Methode“? Ich verstehe darunter die nachvollziehbare Synthesis von Anschauung und Denken, die einen Begriff in seiner Evidenz und Wahrheit einsehbar macht, hier speziell den Erkenntnisbegriff der Prinzipien der Wirklichkeit im Ganzen. Aber bemüht sich SCH um diese Rekonstruktion von Anschauung und Denken in einer geistig nachvollziehbaren Einheit philosophischer Prinzipienerkenntnis? Einerseits bleibt er einem blinden Empirismus verhaftet, andererseits verfällt er einem rein begrifflichen Suppositionsdenken – und supponiert und kompiliert, wie er es gerade braucht.
Das Pathos einer soteriologischen Aufgabe der Philosophie ist unverkennbar.  Ich gestehe dem SCH dieses soteriologisch-praktische Interesse sogar zu, das sei ihm unbenommen!, doch in seinem „Transzendentalismus“ (R. MALTER) muss sich SCH allemal von der Denkbarkeit der Argumentation prüfen lassen.

2) SCH kaschiert gekonnt die aufgebaute Zweiteilung der Welt in „Welt als Vorstellung“ und „Welt als Wille“, indem er den Dualismus zugleich zu kitten versucht – durch die Vermittlungsinstanz des Leibes.  Der Leib ist „unmittelbares Objekt“ 3 und als solcher vermittelndes Prinzip zwischen der Welt als Wille und Welt als Vorstellung. Der Übergang von der Vorstellung zum Willen und zurück, der unmittelbare Zusammenhang der beiden Welten durch den Leib, horcht sich bei SCH in den Kapiteln der §§ 17/18 des 2. Buches so an: (Es könnte auch der ganze § 17 gebracht werden):

(…. sc. Die unmittelbare Erkenntnis des Willens, in einer intuitiven Weise zugänglich, besonders in der Anschauung des Leibes und seiner Empfindungen) ist eine Erkenntniß ganz eigener Art, deren Wahrheit eben deshalb nicht ein Mal eigentlich unter eine der vier Rubriken gebracht werden kann, in welche ich in der Abhandlung über den Satz vom Grund, § 29 ff., alle Wahrheit getheilt habe, nämlich in logische, empirische, transcendentale und metalogische: denn sie ist nicht, wie alle jene, die Beziehung einer abstrakten Vorstellung auf eine andere Vorstellung, oder auf die nothwendige Form des intuitiven, oder des abstrakten Vorstellens; sondern sie ist die Beziehung eines Urtheils auf das Verhältniß, welches eine anschauliche Vorstellung, der Leib, zu dem hat, was gar nicht Vorstellung ist, sondern ein von dieser toto genere Verschiedenes: Wille.“ (W Band1, Buch 2, § 18; Hervorhebung von mir)

Der Leib soll die anschauliche Vorstellung des Willens sein. Abgesehen jetzt von der Zeit 1811/1812, in der SCH FICHTE in Berlin gehört hat, und das Thema des Leibes eigentlich längst abgehandelt war, ist bei FICHTE von allem Anfang der Wln an der Leib der erste Repräsentant der Freiheit, weil er die anschauliche Sichtbarkeit eines interpersonalen Miteinanders und einer sinnlichen und moralischen Natur zur Erscheinung bringt.  Wenn ich auf die WLnm (1796/1799) sehe, ist das so begründet: Der Ursprung des Gefühls wird denkerisch bestimmt aus der Ideation aufgehaltener realer Tätigkeit. Die Reflexivität auf den reinen Willen und seine ursprünglichen Schranken mit dem Ergebnis des Tuns angeschaut, ergibt die Notwendigkeit des Leibes als Repräsentanten der Freiheit in der Sinnenwelt, und in weiterer Folge ein Gefühl der Beschränkung.

Ich, in diesem Fall das Sich-Bestimmende, sehe mich doppelt an: als mich bestimmend unter dem Gesichtspunkt des Bestimmens, so ergibt sich die Erscheinung des Zwecksubjekts; und als mich bestimmend unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtseins, das ergibt das Bild des Wollens, meiner als Wollender. Zwecktätigkeit und reelle Wirksamkeit sind etwas Gedachtes. (Zur ganzen Position FICHTES zur Versinnlichung des Strebens, zur Verräumlichung und Verzeitigung des Ichs, zur Versinnlichung der reinen Kraft der Intelligenz zur Naturkraft und als zielbezogene dynamis des Handelns im Leib – siehe andere Blogs von mir oder siehe Kommentar zur WLnm.)

Man beachte, wie subtil und genial FICHTE die Position des Leibes im transzendentalen System des Wissens ableitet: Raum und Zeit als Form der inneren Anschauung – dann Freiheit – und der Leib als Mittel dafür. Aber nirgends ist davon die Rede, dass der Leib selbst eine unmittelbare  Evidenzform sei, der die Reflexion des Ich in seiner vierfachen/fünffachen Form des Wissens erzeuge.  SCH plaudert hier von einem Materialismus,  der nicht denkbar ist – und eigentlich seiner sonstigen transzendentalen Begrifflichkeit und geistigen Scharfsichtigkeit unwürdig ist! 

Die innere Anschauung macht möglich daß das INTELLIGIBILE mit Objekten verbunden, blos geordnet u. in die Form der Anschauung aufgenommen werde. Die Form der inneren Anschauung ist die Zeit; und diese ist nur Form der empirischen Anschauung des INTELLIGIBLEN, aber nicht die Form der Anschauung eines Objekts, das Objekt kommt erst in die Zeit dadurch, dass Freyheit in die Welt der Objekte übergetragen wird; insofern die Welt organisiert erscheint; (….) Der REPRÄSENTANT derselben ist in der Sinnen Welt der Leib, dieser erscheint als gegeben, wodurch all unser Wirken und Bewußtseyn bedingt ist – (…)“ (FICHTE, WLnm bd. § 13 S 155)

Bei SCH ist eine Dichotomie zwischen Vorstellung und praktischer Kraft des Willens aufgemacht, und der Leib soll unmittelbar beides vermitteln. Im Leib zeigt sich der Wille als ein „blinden Drang und erkenntnisloses Streben“ (1. Buch § 27). Das ist nur hingestellte Behauptung.Hier hat er ebenfalls nicht gut bei Fichte gelernt.

3) Die Methode der Auffindung des „Satzes vom Grunde“, die materialistisch dazu führen muss, die Erscheinung der Welt als völlig determiniert zu erkennen, geschieht durch ein Gesetz der Spezifikation4 . Primär gilt der „Satz vom Grunde“ nur für die Objektwelt, worin alles nach einer implikativen Grund- und Folgeordnung bestimmt ist, während das Subjekt, wie in den Eingangsseiten von W § 1 ausgeführt, nicht erkennbar ist. SCH will empirisch diesen „Satz vom Grunde“ feststellen können,  ohne auf das Subjekt des Erkennens zu rekurrieren. Das wird ihn in viele bedauerliche Widersprüche verwickeln, wie R. MALTER öfter hervorhebt. Dabei geht R. MALTER m. E. von einem eingeschränkt-subjektiven Standpunkt KANTS aus, was ihn geradezu noch gnädig gegenüber SCH erscheinen lässt. 5 

R. MALTER fragt: Wenn einerseits der Verstand besonders für den Begriff der Kausalität in der Grund-Folge-Ordnung und für den ganzen Objektbereich zuständig ist, wie kann andererseits das dazugehörige Subjekt dieser Erkenntnisart vergessen werden?

Vom höheren fichteschen Standpunkt aus müsste schärfer formuliert werden: weder eine kategoriale Grund-Folge-Ordnung, noch eine appositionelle Ursache-Wirkungsordnung wären möglich denkbar, gäbe es kein transzendentales Sich-Wissen, aus dem sowohl Subjekt wie Objekt, implikativ-logische wie appositionell-zeitliche Objektivierungen genetisch hervorgehen. SCH kennt überhaupt keine appositionelle Kontinuitätsordnung durch den übergehenden Willen und kraft produzierender Einbildungskraft und reproduzierender Urteilskraft!?

Bei zunehmendem Fortgang der Reflexion wächst dem Verstand (bei SCH) mehr und mehr eine soteriologisch-praktische Aufgabe zu, um von dieser total determinierten Grund-Folge-Ordnung (der Objektseite der Vorstellung) aussteigen zu können.

Siehe wiederum sehr gnädig R. MALTER im 2. Teil seines Buches. Ich paraphrasiere:  Aber wie soll das gehen, wenn das Prinzip der Einführung des „Satzes vom Grunde“ gerade nicht auf der Seite des Subjektes reflektiert, sondern nur empirisch-faktisch festgestellt wird, und letztlich von einem undurchschaubaren, a-personalen, anonymen Willen abhängig ist?

M. a. W., es ist paradox, wenn SCH die ganze objektive Außenwelt nach vier Gattungen einteilt und begründen will,  aber dieses Begründungsprinzip der vier Gattungen nur faktisch-empirisch feststellt und dafür kein geistiges Prinzip findet. Die kausal-mechanische und materielle Ursache kann nicht zum Prinzip erklärt werden, weil sie nicht gedacht werden kann. Woher die Bedingungen der Wissbarkeit dieser vier Gattungen, zu denen korrelierend vier Erkenntnisweisen und Vorstellungswiesen, vier „Klassen“, gesetzt und analog erschlossen werden? 

SCH spricht vom „doppelten Seinsgrund“ und meint so,  die Formen der Anschauungen materiell! erklären zu können. In den apriorischen Anschauungsformen ist in Formalität und Virtualität das Sein schon enthalten. Welches Sein ist gemeint? Aus dem späteren Zusammenhang kann ich nur sagen, wenn das Materielle zu den bloßen Anschauungsformen notwendig hinzukommen muss, damit von „vollständigen“ Anschauungen (im Unterschied zu den unvollständigen? Anschauungsformen) gesprochen werden kann, dann ist also das materielle Sein, die Materie als Sein gemeint, die die Synthesis mit den Anschauungsformen vollendet.

Das ist völlig verkehrt zu FICHTE. Bekanntlich hat dieser den Begriff der „Anschauung“ aus dem Schweben der ursprünglich produzierenden Einbildungskraft abgeleitet und in diesem Schweben wird das Produkt Anschauung zur Form verarbeitet, theoretisch und praktisch. Das ist SCH nicht zu verzeihen, denn er hätte zumindest nachfragen können, als er 1811 FICHTE persönlich hörte. 6

SCH verlässt hier idealistisch/materialistisch die transzendentale Basis des theoretischen Vorstellens und die praktische Weise des Willens-in-actu und verfällt einem blinden Empirismus.  Die Anschauungsformen von Raum und Zeit sind für SCH vor-materielle Gegebenheiten – was natürlich nicht vorstellbar ist.

Transzendental müsste er so vorgehen, dass sowohl die reinen Anschauungsformen wie die kategorialen Begriffe als Synthesen einer übergeordneten Ich-bin-Einheit gefasst werden, entweder in der kantischen Einheit des „Ich denke“ – dort würden sie allerdings subjektivistisch ausfallen – oder im transzendentalen Sich-Setzen des „absoluten Wissens“ (WL 1801/02)
Diese transzendentale Begründung der Anschauungsformen
in und aus der transzendentalen Apperzeption oder im Sich-Wissen interessiert SCH nicht. Er  wird diese Begründung aber sicher gekannt haben: KANT spricht bekanntlich von der  Synthese von Sein und Denken in der transzendentale Apperzeption; FICHTE rekurriert und deduziert immer auf/aus der höchsten Einheit des Sich-Setzens und daraus hervorgehend sind alle transzendental-apperzeptiven Anschauungsformen und kategorialen Begriffe abzuleiten aus einem sittlich-praktischen und intentional-interpersonalen Interesse.

Aber warum überspringt SCH hier diese Begründungen? 

SCH, soweit ich ihn gelesen habe,  kümmert sich generell selten um eine Deduktion der Kategorien und um eine Schematisierung von Anschauungsformen und Begriffe. Zugunsten einer, wie möchte ich das nennen, materialistischen Geltungseinheit und materialistischen Geltungserhebung werden alle Anschauungsformen, Schematisierungen, Denkbarkeiten übersprungen, das Problem wird rhetorisch brillant angesprochen, wird aber schließlich dezisionistisch entschieden.

R. MALTER führt die „Zeit als primärer Seinsgrund und als elementarste Gestaltung des Satzes vom Grunde“7 und den Raum als „sekundärer ursprünglicher Seinsgrund“ 8 weiter aus, d. h. im Sinne SCH‘s. Die Zeit und der Raum als Anschauungsformen begründen das Sein. Kommt man über diese Sätze hinweg? Kein Deut, dass die Anschauungsformen reine Formen sind, wie möchten sie das Sein begründen? 

Die bei SCH zur Veranschaulichung der reinen Anschauungsformen angeführten Vergleiche mit dem Zählen und mit der Zahl, halte ich schlichtweg ebenfalls wieder für einen Kategorienfehler, d. h. es werden Aussagen von einem bestimmten Bereich für einen spezifisch anderen Bereich übernommen. Die „Wesensformen“ in der Mathematik (formale Anschauungen) sind  total verschieden von den „Wesensformen“ der Anschauungen von Zeit und Raum, aber bei SCH werden sie beliebig zusammengemischt. 9.

Schließlich die Totalverschränkung von Zeit und Raum in der Kausalität beweist gerade wiederum die Verwechslung der Ebenen: Es werden die Anschauungsformen auf die verstandliche Ebene übertragen, idealistisch übersprungen und zu Begriffen erklärt, anstatt umgekehrt, die transzendentallogischen Begriffe in vernünftige Einsicht überzuführen und zu zeigen, wie sie in und aus der Einsicht des Denkens als Begriffe genetisch entstehen und auf die Anschauungsformen übertragen d. h. schematisiert werden können.)

Die (reflexiven) Denkformen FICHTES sind stets analytisch-synthetisch zu lesen, als ideale Tätigkeit des Vorstellens und reale Tätigkeit des Wollens, als Synthesis des Seins in sinnlicher und intellektueller Anschauung einsehbar.

Bei SCH wird durch einen materialistisch verstandenen Willen die ideale Tätigkeit des Vorstellens kurzum unterschlagen, jede Bewährung des Sich-Wissens in der Erkenntnis der Erkenntnis in concreto überflogen, und, statt den Einheits- wie Disjunktionspunkt des Sich-Wissens anzugeben, werden irgendwelche buddhistische und weltanschauliche Theoreme hereingeholt,  in denen die Einheit und Begründung und Rechtfertigung liegt. Es verbleibt eine subjektivistisch orientierte, individualistische, amalgamierte Philosophie übrig, die, will sie konsequent sein, sich schlussendlich selber verleugnen und aufheben muss. (Siehe dann 4. Buch)

Die Anschauungsformen müssen nach SCH widersprüchlich ausfallen, weil das Denken mit der Materialität der Dinge (durch die Kausalität) zusammenfallen soll. Es wird nur scheinbar mit transzendentalen Begriffen der Ästhetik gearbeitet, aber eine pseudo-transzendentale, nicht denkbare, „materialistische“ Logik beherrscht alles. Das macht natürlich die Texte entsprechend schwer zu lesen, denn kaum glaubt man eine Einsicht nachvollziehen zu können, wird sie kurzum einem Begriff und einer materialen „Kausalität“  und Dialektik  geopfert.

Die reinen Anschauungsformen sind die erste Klasse in der Analyse vom „Satz vom Grunde“. Sie sind die Teilstücke eines materiellen Kausalitätsvorgangs. Sie gehören zur ersten Gattung des „Seinsgrundes“.  Zeit und Raum sind die ursprünglichste, aber noch unvollständige Vorstellungsklasse der damit möglich werdenden „vollständigen Anschauungen“.

Letztere „vollständige“ Anschauungen  sind die Anschauungsformen der empirischen Inhalte und „erfüllen“ die unvollständigen reinen Anschauungsformen Zeit und Raum. Wo bleibt die Schematisierung  des Begriffes der Kausalität (im engeren Sinne bzw. des Satzes vom Grunde im weitesten Sinne) im transzendentalen Sich-Wissen, wenn direkt auf eine Realität der Empirie übertragen wird und nicht auf die,  „unvollständig“ genannten, Anschauungsformen? Letztere haben bei SCH nur mehr eine Schein-Bedeutung. 

Die abstrakt vorgehende Einteilung des Seins geht weiter: Die dritte Einteilung ist: Die am wenigsten ursprünglichen Vorstellungen sind solche, die nachträglich sowohl aus den vollständigen Anschauungen als auch aus den Zeit-Raum-Bestandteilen gewonnen werden: die Begriffe. Die Begriffe sind hier ebenfalls ohne höhere Synthesis und ohne reflexives Denken gewonnen und gesetzt.  Das ist äußerst merkwürdig, denn würde SCH seinen eigenen Denkakt und willkürlichen synthetischen Gebilde, wie es zu Seins- und Klassen- und Erkenntnisvermögen kommt, reflektieren, so würde er merken, dass er ja nur begrifflich alles sich ausdenkt und alles sich erdichtet, ohne auf den Vollzug der inneren Einsicht zu schauen. Wenigstens annäherungsweise hätte er die Begriffe an den konkreten Anschauungen verifizieren können. 

R. MALTER beschäftigt folgende Inkonsistenz bei SCH: Dass die apriorischen Anschauungsformen  ganz zu den Objekten gehören, aber doch nur im Subjekt gebildet sein können?  Das Erkenntnissubjekt soll aus den Anschauungsformen bei SCH nachträglich erschlossen werden?10  R. MALTER stellt fest, dass SCH’s Transzendentalismus „strukturell ganz anders angelegt ist als die Kantische Transzendentalphilosophie“. (ebd. S 96.) Das ist milde beurteilt!

4) SCH:  „Der Satz vom Grund“ erzeugt das Gesetz der formalen Konstitution des Objekts überhaupt – und das Gesetz der Beziehung der Objekte zueinander. Das Denken bezieht sich direkt auf die Objekte. Das ist reine Relations- und Begriffsphilosophie. Die Begriffe sollen schon die Objekte sein. Das ist billig. Transzendental kann gesagt werden und muss gesagt werden: Das Denken kann sich nur auf die Vorstellungen der Dinge beziehen, nicht auf die Dinge selbst!

R. MALTERS bringt wiederum sanfte, kantische Kritik: Das Erkenntnissubjekt als geistiges Gebilde muss  einerseits  außerhalb der Geltung des „Satzes vom Grund“ stehen, andererseits kommt  SCH „Transzendentalismus der Vorstellung“ „ (…) nicht umhin, den Satz vom Grund doch mit dem Erkenntnissubjekt in Verbindung zu bringen, – (…)“. 11 Da das grundsätzliche Verhältnis des Subjekts in dieser geschlossenen Vorstellungswelt des Objekts nicht geklärt werden kann, bleibt nur ein schwacher Hinweis, so die Interpretation nach R. MALTER, dass das Subjekt den soteriologischen Befreiungsprozess der Verneinung des Willens und die Verneinung alles Begehrens und Strebens übernehmen soll.

Dieser schwache Hinweis ist mit einem prinzipiellem Widerspruch behaftet, wie ich meine: Wenn es denn ein erkennendes und wollendes Subjekt gar nicht gibt, dann fände sich eigentlich kein Leiden im Subjekt? Das Leiden wäre dann ebenfalls Schein. Ein sogenanntes „Subjekt“ wäre ja von einer objektivistisch, vom dunklen Willen getriebenen und leidhaften Welt nicht betroffen, weil es keines gibt.12 Das durch Zeit und Raum vollkommen, materiell bestimmte Subjekt – noch dazu als principium individuationis gedacht – ist Hauptursache des Leidens in der Welt (eine Anleihe beim Buddhismus und der christlichen Sündenlehre) -,  es muss doch erkennend und wollend existieren können, damit es aus freien Stücken diesen dunklen Willen verneinen kann?

SCH löst diese Antinomie (wissendes Subjekt – nicht wissendes, sondern leiblich bestimmtes Subjekt) logisch nicht auf, sondern faktisch, durch Machtentscheid: Faktisch untersteht das Subjekt als Leib voll und ganz der determinierten Welt des Satz vom Grundes, ist eigentlich doppelt durchbestimmt durch die Welt und den dahinterliegenden Willen an sich. Also ist die Antinomie gelöst, indem die Freiheit und das transzendierenden Denken und die transzendentalen Grundprinzipien des Erkennens einfach geleugnet werden?13 

Kann es für das Subjekt noch einen Weg der Befreiung geben? Das Erkenntnissubjekt und das es determinierende behauptete Objekt, d. h. die Welt als Wille und Vorstellung, sie stehen sich konträr gegenüber.

5) Der „Satz vom Grunde“ (bei SCH in verschiedenen Fassungen herausgegeben) ist in den vier  Gattungen Seinsgrund, Werdegrund, Handlungsgrund und Erkenntnisgrund aufgeschlüsselt (nach SCH) – und dazu korrelieren die verschiedenen Erkenntnisvermögen (Sinnlichkeit, Verstand u. a.) Die objektive Welt ist dabei völlig durchbestimmt; die Erkenntnisvermögen sind analog dazu erschlossen über diese Objektebene. Woher weiß SCH überhaupt diese  Auflösbarkeit und Erkennbarkeit der objektiven Welt  gemäß der vier Seinsgründe? Wie können Kategorien, besonders  die Kausalität, auf die faktisch-empirische Realität übertragen werden, wenn das Subjekt und das Erkenntnisvermögen nur faktisch erschlossen sind, er praktisch keine transzendentale Schematisierung der Kategorien kennt? Oder anders gefragt: Wie können Anschauungsformen und der kategoriale „Satz vom Grunde“ so ineinandergreifen, wenn das Verfahren einer Synthesis und Schematisierung, wie die Kategorien auf die Anschauungsformen übertragen werden, fehlt?

SCH gibt darauf folgende Antwort, wie oben schon angedeutet: Die reinen Anschauungen von Zeit und Raum, die das Sein formal setzen, sind noch unvollständig. Sie müssen material durch die empirisch-anschaulichen Vorstellungen „erfüllt“ werden. Diese empirischen Anschauungen sind Empfindungen, die durch den Verstand als solche kausal verstanden und konstitutiert werden. Der Verstand verleiht den „dumpfen nichtssagenden Empfindungen“ Bedeutung. 14 

Die Erfülltheit der reinen Anschauungsform durch empirische Realität ist die Wahrnehmbarkeit.15 Die Wahrnehmbarkeit ist die Bestimmtheit und diese wiederum ist Kausalität. Apriorizität des Wissens und Aposteriorität der Erfahrung –  sie gelten einerlei, d. h. aber letztlich ist die Apriorizität des Wissens begründet in der Materie und Empirie. Fragt sich halt nur, wie daraus der Geist entspringen soll, oder die oft so geistreichen Sätze von SCH selbst?

Die „vollständigen Anschauungen“ bringen in ihrer empirischen Seite etwas Neues zur reinen Sinnlichkeit der Anschauungsformen, sie gehören als „vollständig“ zur ersten Objektgattung des „Satzes vom Grunde“. Infolge der kategorialen Bestimmtheit durch Kausalität gehören sie der Ursprünglichkeit nach aber in die 2. Erkenntnisform (Klasse), zum sog. „Werdegrund“. Das Werden bestimmt materiell, hier besser gesagt, evolutionär, das Erkennen. Fragt sich nur, was die Grundlage des Werdens sein soll, denn eine Dauer muss es ebenfalls geben, eine unwandelbare Einheit, an der die Wandelbarkeit und Evolution festgestellt werden kann. 

Die reinen Anschauungsformen bilden zwar nicht der ratio cognoscendi, dort gilt ja der „Satz vom Grunde“, aber die ratio essendi, den ersten „Seinsgrund“. Meine Gegenfrage: Sind die Anschauungsformen wahrnehmbar, fühlbar, schmeckbar, hörbar? Infolge dieser Beschreibung der „vollständigen“ Anschauungen erhält die „Materie“ eine substantielle Auszeichnung. Die reinen Anschauungsformen Zeit und Raum werden zu objektiven „Succesionen“ und „unendlichen Teilbarkeiten“. Materie ist wahrgenommene Kausalität.16

In seiner wiederum zahmen Kritik spricht R. MALTER von einer echten „Krisis des Transzendentalismus.“ (ebd. S 105). Wenn es keine erkennende Subjektivität auf der Gegenseite dieser kausal erkannten Objektivität gibt, wie könnte Kausalität gedacht und wahrgenommen werden?

SCH erläutert ausführlicher den Kausalitätsbegriff, insofern a) grundsätzlich das Objekt als solches erst durch Kausalität zustande kommt, als auch b) das Objekt in Beziehung zu einem anderen Objekte (bzw. in plurali) dadurch bestimmt wird . Die Kausalität konstituiert formal das Objekt überhaupt und die Objekte untereinander. Somit gibt es nur naturkausale Zusammenhänge.  

Von einem „Gesetz des absoluten Anfangens“ (R. MALTER, ebd. S 106), wie es z. B. der Begriff des „Schöpfung“ besagen will, lässt sich nicht sprechen. 

Der Satz vom Grunde wird gemäß den Gattungen „Handlungsgrund“ und „Erkenntnisgrund“ weiter ausgeführt. (Siehe R. MALTER, ebd. S 107ff)
Die Intellektualität in der Erkenntnis (
Erkenntnisgrund) wird bei den vollständigen, empirischen Anschauungen durch den Verstand erzeugt, der Handlungsgrund durch die Empfindungen des Leibes.

6) Bemerkenswert finde ich SCH’s beharrliches  Ausgehen auf  eine Art  metaphysischer Letztbegründung – nur ist es leider willkürliche Spekulation.  Aus der Vorstellung allein lässt sich die Wirklichkeit nicht adäquat erklären, wie er anfangs ausdrücklich sagt (siehe Zitat Anm. 2), also wird konsequent weitergegangen zur unbedingten Erklärung aus einem absoluten Prinzip, d. h. zu einem allmächtigen Willen. Der wiederum bietet auch keine Letztbegründung in seiner Rechtfertigung, ergo schreitet man weiter zur Verneinung des Willens. Dieses zielstrebige Aufsuchen der Letztbegründung, diese Erforschung der Wirklichkeit auf letzte Bedingungen der Wissbarkeit hin – das übt sogar, wenn ich positiv sagen darf, einen gewissen Reiz aus.

Eine theistische Gottesvorstellung muss SCH aus Gründen seiner „transzendentalen“ Reflexion, mithin aus seiner Interpretation der Transzendentalphilosophie KANTS und in versteckter Aversion gegen FICHTE allerdings ablehnen, weil ja alles in der Vorstellung und im „Satz vom Grunde“ auflösbar und bestimmbar ist, ergo auch die Gottesidee. Die Gottesidee erweist sich als eine leere und irreführende Idee.17 Der kosmologische Gottesbeweis (und alle anderen) sind nach der Meinung SCH durch KANT widerlegt worden – und den ethischen Gottesbeweis will SCH mit KANT nicht teilen. Siehe Anhang zu „Welt als Wille und Vorstellung“ Bd. 1 „Kritik der Kantischen Philosophie“ und die dortigen Schlusspassagen zum transzendentalen Ideal und zur „egoistischen“ (!) und eudaimonistischen Glückseligkeitslehre KANTS. Sie wird von SCH verspottet. 

Der Begriff einer geschichtlichen Offenbarung oder Erlösung, mithin einer vielleicht gar zeitlich und geschichtlich vorgestellten Antwort auf die Frage nach dem Sinn von allem, das widerspricht ebenfalls total dem zeitlosen, „erkenntnislosen“ „blinden“, „unaufhaltsamen Drang“ des Willens. (W IV Buch, Band 1 § 54). Eine Berufung auf Geschichte trägt nicht, geschweige eine Tradition der Hl. Schrift oder der Kirche.

Endlich werden wir auch hier so wenig, wie im Bisherigen, Geschichten erzählen und solche für Philosophie ausgeben. Denn wir irgendwie, und sei es noch so fein bemäntelt, historisch fassen zu können; welches aber der Fall ist, sobald in seiner Ansicht des Wesens an sich der Welt irgend ein Werden , oder Gewordenseyn, oder Werdenwerden sich vorfindet, irgend ein Früher oder Später die mindeste Bedeutung hat und folglich, deutlich oder versteckt, ein Anfangs-und ein Endpunkt der Welt, nebst dem Wege zwischen beiden gesucht und gefunden wird und das philosophirende Individuum wohl noch gar seine eigene Stelle auf diesem Wege erkennt. Solches historisches Philosophiren liefert in den meisten Fällen eine Kosmogonie, die viele Varietäten zuläßt, sonst aber auch ein Emanationssystem, Abfallslehre, oder endlich, wenn, aus Verzweiflung über fruchtlose Versuche auf jenen Wegen, auf den letzten Weg getrieben, umgekehrt eine Lehre vom steten Werden, Entsprießen, Entstehn, Hervortreten ans Licht aus dem Dunkeln, dem finstern Grund, Urgrund, Ungrund und was dergleichen Gefasels mehr ist,(….)“ (W IV Buch, § 53)

Im Hauptwerk W Bd. 1 kommt bei SCH der Erlöser Jesus CHRISTUS indirekt vor, aber nicht im Sinne eines theistischen Gottesbegriffes oder im Sinne einer geschichtlichen Sinnidee, sondern ganz vereinnahmt in das SCH’sche Konzept der Verneinung des Willens.18

Seltsam eigentlich, da SCH praktisch jede Autorität kritisiert, geht er mit KANT einmal sehr behutsam, dann wieder ziemlich grob um. Er lobt ihn überschwenglich, wie er es nur glänzend kann, um ihn im nächsten Augenblick wieder zu ruinieren. Er zitiert ihn bei jeder Gelegenheit, um sich aber davon herrlich abzusetzen und selbst zu profilieren. Sein Verhältnis zu FICHTE wäre jetzt ein eigenes Thema – siehe bereits erschienene  Literatur. Das ist überhaupt die Kontrastfolie schlechthin. Ohne FICHTE hätte er ein Werk wie „Die Welt als Wille und Vorstellung“ nicht schreiben können.

(c) Franz Strasser, 19. 2. 2016 

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1Es werden von SCH vier Bücher gezählt: „Erste Buch. Die Welt als Vorstellung. Erste Betrachtung: Die Vorstellung unterworfen dem Satze vom Grunde: das Objekt der Erfahrung und Wissensschaft.“
„Zweites Buch. Der Welt als Wille. Erste Betrachtung. Die Objektivationen des Willens.“

„Drittes Buch. Der Welt als Vorstellung. Zweite Betrachtung: Die Vorstellung, unabhängig vom Satze des Grundes: die Platonischen Idee: das Objekt der Kunst“.

„Viertes Buch. Der Welt als Wille. Zweite Betrachtung: bei erreichter Selbsterkenntnis Bejahung und Verneinung des Willens zum Leben.“

2Das „pseudo-transzendental“ meine ich jetzt kann wörtlich: Es geht im weiteren Verlauf der Lektüre gar nicht um geistig einsehbare Wissensbedingungen, sondern kausal-mechanisch und materialistisch/biologistisch  ist die Welt nach einem vierfachen „Satz vom Grunde“ naturalistisch (nicht transzendental) zu erklären. Die anscheinend freien Vorstellungen werden im 2. Buch bereits zurückgenommen zugunsten eines determinierenden Willens, das 3. Buch widmet sich dem Ausweg der Kunst und das 4. Buch kommt zu einer gewissen soteriologischen Bedeutung der Philosophie  – in Anlehnung an die buddhistische Weltsicht der Willensverneinung.

3Zititert nach R. MALTER, Arthur Schopenhauer. Transzendentalphilosophie und Metaphysik des Willens. Quaestiones. Themen und Gestalten der Philosophie 2, Stuttgart-B.C, 1991, 111.

4Die Schrift vom „Satz vom Grunde“ habe ich nicht gelesen. In W kommt SCH aber oft darauf zu reden. Ich berufe mich in der Zitierung auf R. MALTER, a. a. O, S 81ff.

5R. MALTER, a. a. O. S 85 ff.

6Hier nach R. LAUTH, Naturlehre, 1984. Schon mit der sinnlichen Empfindung und den folgenden Erkenntnisvermögen Einbildung, Anschauung, Verstehen ist ein Streben verbunden, den Gegenstand möglichst ichhaft zu gestalten und zu erhalten. Die Empfindung soll dem Streben des Ichs entsprechen und lustvoll sein; aus Anlass der Tätigkeit der Einbildungskraft streben wir nach Anschauungsformen, die sich auf zahllose Begriffe bringen lassen nach der Leitidee des Schönen.

Analog bei den höheren Erkenntnisvermögen soll das Nicht-Ich dem Ich übereinstimmend befunden werden – nach der Leitidee des Guten (Siehe bei R. Lauth, ebd. S 125 u. a. Stellen).

7R. MALTER, ebd. S 91-93.

8Ebd., S 93 – 94.

9R. MALTER nach der Dissertation 2. Auflage, Der Satz vom Grunde, ebd. S 92.

10Ebd. S 94 – 99.

11Ebd. S 97.

12Zum ganzen Argumentationskomplex siehe R. MALTER, ebd. S 98.

13Man denke sich die Weiterführung bei S. FREUD. Die Tiefenpsychologie des Unbewussten lässt ebenfalls das Ich relativ klein erscheinen verglichen mit den unbewussten Triebregungen und den internalisierten, introjizierten Über-Ich-Instanzen. Siehe z. B. „Unbehagen an der Kultur.“  

14Vgl. zum ganzen Komplex „Empfindung, unmittelbares Objekt (Leib), Verstand“ R. MALTER, ebd. S 110 – 116.

15R. MALTER, ebd. S 102f.

16Die Materie wird am Schluss von „Die Welt als Wille und Vorstellung“ teilweise wieder zurückgenommen, insofern der Wille das Substrat der Welt schlechthin ist. Vorläufig aber, innerhalb der geschlossenen Welt der Vorstellung, wenn die Dichotomie von Subjekt und Objekt aufrecht erhalten bleiben soll, wird keinerlei Transzendenz zugelassen. Die Materie muss die Rolle der Beharrlichkeit übernehmen. Das nenne ich Naturalismus, Materialismus pur.

17W IV Buch, § 60: „(…) Diesem zufolge sieht sie jedes Individuum einerseits als identisch mit dem Adam, dem Repräsentanten der Bejahung des Lebens, an, und insofern als der Sünde (Erbsünde), dem Leiden und dem Tode anheimgefallen: andererseits zeigt ihr die Erkenntniß der Idee auch jedes Individuum als identisch mit dem Erlöser, dem Repräsentanten der Verneinung des Willens zum Leben, und insofern seiner Selbstaufopferung theilhaft, durch sein Verdienst erlöst, und gerettet aus den Banden der Sünde und des Todes, d.i. der Welt (Röm. 5, 12-21).“

18In einer konsequenten materialistischen Tiefenpsychologie wird die Gottesidee zur Illusion, zum Wunschdenken der dahinterliegenden Triebe und Verdrängungen. Bei neurophysiologischen Theorien wird die Gottesidee zu „beweisbaren“ neuronalen Prozessen. Ich verorte hier überall den Einfluss von SCH.?

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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser