Zum Sinnbegriff in den TdB – 5. Teil

5. Vorlesung: Schon in der 4. Vorlesung kam es kurz zur Sprache, dass im Beziehen einer Qualität auf den Totalsinn ein „Vergleichen und Beziehen des Besonderen auf das Ganze (ebd. S 295 Z 17 ) stattfindet; „Also die Empfindung kommt zustande durch ein Schematisiren, Vergleichen des Totalsinns mit dem Sehen, z. B. des Sehens mit der bestimmten Farbe. Also ein schematisches Bilden an dem einzelnen Fall. So ist die Wahrnehmung nichts denn ein bestimmtes Schematisiren und Bilden.“ (ebd. S 297 Z 13f)

Aber es kann nicht bei einem einfachen Schematisieren und Bilden bleiben; dieses muss vielmehr selbst gewusst und schematisiert und gebildet werden.

Das zweite Bilden hießt in der Sprache denken und im Unterschiede wäre das erste zu nennen Anschauung. Dieß (wäre) das absolute Bilden. Also, daß zu dem Bilde als solches noch hinzukomme ein Bild des Bildes heißt so viel als daß zu der Anschauung hinzukomme ein Denken.“ (ebd. S 298 Z 1f)

Das gilt jetzt aber auch ähnlich für die Ausdehnung, wenn das unendliche Vermögen zu teilen  ersichtbar werden soll, dass es „gebildet wird, wie es handeln würde“ (ebd. S 297 Z9), obwohl ja nicht wirklich geteilt wird ins Unendliche. Das unendliche Vermögen liegt im Bilde und kommt nicht zum Bewusstsein. Es ist, wie Fichte später sagt, ein „ruhender Factor“, „unsichtbarer Factor“ (5. Vorlesung, ebd. S 299 Z 5)

Dieses Begreifen des Bildes als Bildes ist der Factor von dem Seyn. Wir erst auf dem Standpunkt der philosophischen Besonnenheit machen sichtbar durch Denken das in der Wahrnehmung Verborgene.“ (ebd. S 299 Z 10)

Wenn das Bild des Bildes, oder das Schema des Schemas gesetzt werden soll, so muss ein Gegensatz erzeugt werden: das Sein ist der Gegensatz zum bloßen Bild, ein Nichtbild. In der Wahrnehmung kommt jetzt (durch einen unsichtbaren Faktor) ein wirkliches Sein, woraus sich das Bild als solches erst begreifen lässt. (vgl. ebd. S 298) „Das Bild muss als Bild verstanden worden seyn.“ (ebd. Z 13) Das Bild wird als Bild schematisiert. Die Wahrnehmung ist aber damit selbst ein Sein geworden, ein Gegensatz des Bildes.

Fichte fragt am Ende der 5. Vorlesung, (…)wo gehet das Bewußtseyn auf? In der bloßen Wahrnehmung geht das Bewußtseyn auf in der Anschauung des Objects. Dies ist da Angeschaute und damit aus. Aber es wird nicht angeschauet die Anschauung vom Objecte. Diese Anschauung wurde Object duch die philosophische Besinnung. Hier liegt der Focus nicht im Wahrnehmen sondern im Wahrnehmen des Wahrnehmens. Wo ist in der Wahrnehmung der Focus des Wissens? Zuerst gehet das Wissen auf in dem Schematisieren. Man weiß von der rothen Fläche, weil die übrigen Farben negirt sind sammt der Totalität des Sinnes selbst. Dieß bleibt der nothwendige unsichtbare Factor. Eben so in der Ausdehnng. Das unendliche Vermögen liet im Bilde und kommt nicht zum Bewußtseyn. Es ist ruhender Factor, der nicht in das Wissen eintritt. In der Wahrnehmung (der Wahrnehmung) dem Begreifen des Bildes als Bildes tritt dieß ein ins Bewußtseyn. Dieß Begreifen des Bildes als Bildes ist der Factor von dem Seyn.(…) “ (ebd. S 298. 299 Z 26ff).

Der unsichtbare Faktor fällt zwar nicht sofort auf, aber er gehört zum eisernen Bestand der fraglichen Wahrnehmung. Die Rede vom unsichtbaren Faktor (oder Mz. Faktoren) deutet darauf hin, dass der fragliche Faktor (oder die Faktoren) sich durch eine besondere Art des Erscheinens auszeichnet, dass er zwar nicht als Gegenstand der Wahrnehmung erscheint, aber als Hintergrunderscheinung den offenbaren Gegenstand der Wahrnehmung mitgestaltet und mitprägt. Ja, exakter gesagt: Sowohl für die Wahrnehmung als auch für ihren Gegenstand (der der Genauigkeit halber gesagt noch nicht abgeleitet ist) gilt, dass sie nur dank dieses „unsichtbaren und ruhigen Faktors“ im Hintergrund der Erscheinung fühlbar und erkennbar sind. Die doppelte Möglichkeit der Beschränkung des Totalsinns und der Beschränkung der unendlichen Teilbarkeit ist nur dank dieser unsichtbaren und ruhigen Faktoren möglich.

Zuerst schien es, als ob in der Qualitätsempfindung durch Vergleichen im Totalsinn und der Anschauung des unendlichen Vermögens zu teilen in der Ausdehnung, also in der Zusammenfassung in einem Blicke, im Bilde und im Schematisieren der Sinn der Wahrnehmung als solcher schon hinlänglich gefasst sei. Jetzt wird aber in der Analyse, vor allem mit dem Hinweis auf den „unsichtbaren Factor“ (oder Mz.), der ebenfalls im Spiele sein muss,  etwas Neues, bis jetzt noch Unbekanntes und Fragliches, herausgearbeitet, damit Sinnesempfindung und Ausdehnung in Anschauung (als Bild oder Schema) überhaupt möglich sein können. Die Analyse in der 5. Vorlesung hat die Wissbarkeit der Wahrnehmung neu problematisiert und den „unsichtbaren Factor“ des Denkens entdeckt.

(c) Franz Strasser, 22. 12. 2018

 

 

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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser