Kann der Islam eine Offenbarung Gottes sein?

Offensichtlich kämpfte die Glaubensauffassung des frühen Islam mit ihrem Propheten Mohammed (oder Muhammad – versch. Lesearten) gegen die „Beigesellung“ mehrerer Götter zum einen und einzigen Gott, wie sie dem Christentum unterstellt wurde, als auch gegen die Juden, die die Tora des Mose falsch ausgelegt haben sollen. Was damals zur Zeit der Entstehung des Korans=QUR’ANs (ca. 580 bis 620 n. Chr.) schon zu gewaltsamen Eroberungsszügen und Eroberungen führte, hat heute in Zeiten der gefährlichsten  Waffen, der Armut, des Hungers, der politischen Machtblöcke, der medialen Manipulation, nochmals eine neue Eskalationsstufe erreicht. Können die wahren  Gründe und Ursachen religiöser Auseinandersetzungen und offener Feindschaften nicht mit geistigen „Waffen“ besprochen und  geführt werden?

Ich frage  deshalb, nach welchen Erkenntnisprinzipien geht der Islam vor, wenn er hermeneutisch und geschichtsphilosophisch sich auf einen bloßen geoffenbarten Text (=QUR’AN) und auf seinen Offenbarungsträger Mohammed berufen will, d. h. in meinen Augen auf ein rein sprachliches und schriftliches Dokument und seinen Offenbarungsträger?  Wie kann ein Buch selbst Hermeneut seines eigenen Inhalts sein? Natürlich spricht nicht der QUR`AN von sich her, sondern durch die Hermeneuten und Rezitierer. Ist aber damit das „Wort Gottes“ nicht jeder beliebigen Willkür fragiler Menschen ausgesetzt, die nochmals von vielen psychologischen, soziologischen, wirtschaftlichen, politischen Triebkräften getrieben sind, geschweige, dass ich die brutalen patriarchalen Ayatollahs und Muslimbrüder erwähnen möchte ? 

Das „Wort Gottes“ im Verständnis des Islam (als QUR’AN) bräuchte dringend ein erkenntniskritisches, differenzspezifisches Prinzip, das den Geltungsanspruch einer absoluten Wahrheit auf ein höheres Niveau  als wiederum bloß auf ein geschriebenes und zu rezitierendes Wort stellt. Der Zirkel des Verstehens des „Wortes Gottes“ ist äußerst klein. Es ist nicht weit in diesem Zirkel vom wörtlichen QUR’AN bis zu den Luxusbauten der Scheichs  in Arabien und bis zu den Waffen der IS-Kämpfer und zu den israelfeindlichen und frauenfeindlichen Ayatollahs im Iran.

Meine Frage: Der QUR’AN: Erreicht er die Überzeugungskraft einer göttlichen Erwählung des Ismael und der nachfolgender Generationen der Araber und die Kraft der Tora und die Überzeugungskraft christlich inspirierter  Evangelien und anderer Schriften der Christen? Wie erreicht er  die Möglichkeit göttlicher Inspiration und positiver Offenbarung, vermittelt durch seinen Propheten Mohammed?

Es fehlt a) die Gewalten-Teilung in Sachen religiöser und weltlicher Rechtssprechung, vor allem aber b) die ontologische Differenz zum absoluten Geltungsanspruch selbst, der von Gott ausgeht, aber vom QURAN in textlicher und wörtlicher Weise geoffenbart und dementsprechend wörtlich behauptet und eingefordert wird. Nur den einen Gott zu bekennen, das steht im Ersten wie Zweiten Testament, das bezeugte JESUS gleichfalls, das verkündete Mose, das unterscheidet keine der drei monotheistischen Weltreligionen. Es geht ebenfalls für alle drei großen Religionen um den  vollen und tiefsten Frieden (salam) mit Gott, ein „musillama“ zu sein.  Das,  worauf es zuerst ankommt, gilt gleich bei Mose, JESUS und Mohammed, das „JHWH elohenu JHWH echad“ (Dtn 6, 4) „JHWH, unser Gott ist einzig“, das steht als Aussage in unmittelbarer  Folge des absoluten Geltungsgrundes: „Darum sollst du den Herrn, deinen Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (Dtn 6, 5) – und doch verstehen das bereits alle drei großen Religionen anders? 

Jan Assmann meinte jetzt einmal in einem Vortrag der Katholischen Akademie in Bayern zu „Der Mann Mose und das Gesetz“: Das, worauf es ankommt, ist nicht zu wissen, wie viel Götter es gibt, sondern „was gut ist und was der Herr von uns fordert“ (Micha 6, 5).

2) Was ist gut? In der Frage nach dem Guten bin ich aber auf dem philosophischen Gebiet angelangt. Keine Religion oder sonstige Wissenschaft kann sich um die Fragen apriorischer Erkenntnisbedingungen herumdrücken, wenn sie ihre Wahrheit begründen und bewähren will. Was heißt das für eine Religion? Inwiefern spielen dort Vernunfteinsichten selbst bereits eine vor-disponierende Rolle, um sie überhaupt verständlich und kommunikabel zu machen?  Es müsste in der implikationslogischen Ordnung der Offenbarung Gottes, dass Gott sich am Sinai, in Jesus, an Mohammed im QU’RAN geoffenbart hat, eine einschauliche Disjunktion der Einheit liegen, wie Gott und Mensch zusammenkommen und sich verstehen können. 

Erst der QUR‘AN und die später folgende „Hadithe“ hätten das unverfälschte und wahre „Wort Gottes“ gebracht – so die These, so das hermeneutische Vorverständnis, so die Rechtfertigung z. B. auch eines gewaltsamen Auftretens, des Kopftuchgebotes etc.?  

2. 1) Der Prophet des Islams hatte eine schlechte Kenntnis der christlichen Lehre, wahrscheinlich nur eine mündliche Kenntnis, vermutete einen Drei-Götterglauben (Vater-Jesus-Maria!), war vom Monophysitismus, Nestorianismus, Arianismus schlecht beraten, auf jeden Fall wurde die kostbare Lehre des trinitarischen Glaubens oder die Zwei-Naturlehre Christi  von ihm völlig falsch verstanden – oder sie blieb ihm überhaupt ziemlich unbekannt.  So entstand ein eigenartig neues Konstrukt eines Ein-Gott-Glaubens, dass sich aus  viele Quellen speiste.  (Nicäa 325 n. Chr., Chalzedon 451. n. Chr.; Mohammed lebte von 570/573 bis 632 n. Chr.)

Ich versuchte den QUR‘AN zu lesen, allein es kommen dort so viele Stimmen und angebliche „Offenbarungen“ vor, dass es hermeneutisch schwer ist, eine einheitliche und systematische Erkenntnis zu gewinnen. Generell ist die Frage der Stimme Gottes an Mohammed bereits eine äußert schwierige Frage. Es finden sich: die Stimme Gottes, die Stimme Mohammeds, die Stimmen der Gegner, von Noah, von Abraham, von Mose, von Jesus, von Engeln, von Dämonen, von Frevlern, Zweiflern, Geretteten, Verdammten. Jedesmal wird eine neue Kommunikation aufgemacht mit unterschiedlichsten Bezügen, Inhalten, Adressaten. Welchen Status der Einsicht beanspruchen die verschiedenen Rollen?

Es gibt im QUR‘AN, das möchte ich zugestehen, gewisse Texte, die einer Vernunftkritik standhalten  und im entferntesten und umgangssprachlichen Sinne als „positive Offenbarung“ angesehen werden könnten, aber die Stellen von Verfolgung, Unterdrückung, Erpressung, lautstarker Verfluchung, von Patriarchalismus u. a. m., das widerspricht dem Prinzip eines heiligen, absoluten Geltungsanspruches. Die durch die Offenbarung Gottes gesetzte Disjunktion, hier die Offenbarung Gottes selbst, dort die Erkenntnis der Vernunftnatur, ist in einer umoralischen, gewaltsamen Auslegung eine höchst willkürlich gewordene Disjunktion geworden, die als Relation Gottes zur Vernunftnatur mit Recht bezweifelt werden kann.

Zusätzlich zu einer historisch-kritischen Leseart, die für den QUR‘AN teilweise schon existiert, zumindest in Fachkreisen, müsste es m. E. eine transzendental-kritische, vernunftkritische Leseart geben, um moralische von unmoralischen und historische von transzendentalen Wahrheiten unterscheiden zu können. Die im ISLAM hochgehaltenen Begriffe wie „Wort Gottes“, „Offenbarung“ müssen dem Vernunftanspruch der Denkbarkeit einer  sich bewährenden Glaubens-Aussage entsprechen. Es  müsste von jedem „Gläubigen“ und jedem Vernunftwesen nachvollzogen und verstanden werden, ob eine Aussage (der Bibel oder des QUR’ANS)  eine glaubwürdigen Einheit der Disjunktion Gott/Vernunftwesen sein kann, oder ob bloß menschliche Begierden und Narzissmen und Triebgefühle sich darin einen Ausdruck verschaffen. 
Anders gesagt: Eröffnet eine mögliche Offenbarung Gottes in der Disjunktion eine befreiende, heilende, denkbare Relation Gott/Vernunftwesen, oder bewirkt sie das Gegenteil? Notwendig muss der Mensch in appositionelle Setzungen die implikativen Setzungen verwandeln, damit eine zeitliche und geschichtliche Reihe entsteht; die Frage ist nur, was legt er dann alles in dieses zeitlichen und geschichtlichen Setzungen hinein?

3) Es trägt jede Aussage das Problem an sich, durch ein Medium (wie der Sprache, der Schrift, der Zeit ) vermittelt zu sein, wodurch der Geltungsgrund einer Aussage natürlich gebrochen oder verfälscht werden kann.  In den Spuren einer transzendentalkritischen Analyse des Wissens muss deshalb stets Dekonstruktion geübt werden – und der angeblich unvermeidliche hermeneutische Zirkel des Verstehens muss von innen her   aufgelöst, d. h.  das Sichbegreifen des Begriffes muss selbst zum Objekt gemacht wird. Ist denkbar möglich und wahr, was an Geltungsanspruch  erhoben wird und im QUR’AN aufgeschrieben steht? Transzendentalkritisch gesagt: Was ist die Identität eines Begriffes mit seiner Idee?

Da gibt es einerseits das vorausgesetzte Material, das Begriffene (z. B. die divergierenden Aussagen, alle müssen zwangsweise bekehrt werden, oder, Allah ist barmherzig und verzeihend), andererseits das freie Begreifen und den freien Umgang mit diesem Begriffenen.

Eine Aussage wie z. B., alle Nicht-Muslime müssten bekehrt werden, führt das eine transzendentale, rückbezügliche Einsicht mit sich, das könnte eine göttliche Offenbarung sein, oder ist das nur subjektive, psychologische, herrschsüchtige  Meinung? Oder die Frauen müssten ein Kopftuch tragen, welchen Ursprungs ist diese Aussage? Wenn und weil diese Aussagen als behauptete Offenbarung im Koran oder in einer Hadith stehen, können sie als göttliche Aussagen bewährt werden? 

Sofern eine Aussage nicht im eigenen Denken nachvollzogen werden kann, ist begründeter Ideologieverdacht angebracht. Anders gesagt: Es ist die Hauptfrage, wie wird eine behauptete Aussage und gebildete Vorstellung/Anschauung im Denken gerechtfertigt – oder, was derselben Frage gleichkommt – wie kann eine Aussage im Begriff des Gewissens nach allen Bedingungen des Wissbaren gerechtfertigt werden?

4) Es ist die Schönheit und Kraft der Transzendentalphilosophie, dass sie das Sichbegreifen des Begriffes zum Objekt macht und nicht im metaphysischen oder hermeneutischen Zirkel hängen bleibt. Nochmals formuliert: Da gibt es einerseits das vorausgesetzte Material, das Begriffene (in diesem Falle eine angeblich positive Offenbarung), andererseits das freie Begreifen und den freien Umgang mit diesem Begriffenen. Dieser Zirkel kann von da nach dort und umgekehrt aufgelöst werden, wenn die Einsicht sich selbst einzusehen vermag als das, was sie ist. Kann eine solche Einsicht einer zwangsweisen Bekehrung frei begriffen und eingesehen werden als das, was sie ist, und das ist, als was sie eingesehen wird? Oder ist das psychologisch-ängstliche Beigabe des Propheten Mohammed, weil er  um seine Botschaft und seine Machtstellung fürchtete? Oder weil sich dahinter eine beängstigte Männerschar meldete? 

Eine Existenz, da sie noch nicht in der Einsicht ist, kann im strengen Sinne nicht eingesehen werden. Es existiert schlechthin kein Wissen von der Existenz eines behaupteten Wissens, falls dieses nur eingebildet ist. Es vermag (in der Einbildung) etwas als möglich in der Einsicht behauptet werden, aber es kann nicht behauptet werden, es liege außerhalb und vor der Einsicht.

Sobald die Potenz der Einsicht angesetzt wird, ist klar –  das ist spezifische Erkenntnisform der Verhältnisbestimmung in der Transzendentalphilosophie -,  dass sie sich nur als Bezug erkennen lässt, sei es, a) dass das Substrat ihres aktualen Erkenntnisvollzuges wirklich existiert und zeitlich kausiert werden kann, oder sei es, dass es im aktualen Erkenntnisvollzug nur als möglich eingesehen wird, aber möglich offen zur wirklichen Bewährung.
„Der theoretische Ansatz der Möglichkeit von Selbst-Erkenntnis hat eine besondere Konsequenz. Setzt man Erkenntnis nur als Erkenntnis von Objekten an, die ihr gegenüber als selbstständig und unabhängig gefasst sind, so lässt sich theoretisch die Aktivität im Erkenntnisvorgang diesen Objekten zuschreiben. Wird aber angesetzt, dass Erkennen könne auch sich selbst erkennen, muss notgedrungen seine eigene Aktivität des Erkennens mit gesetzt werden.“1

Die Geltungserkenntnis einer positiven Offenbarung muss so ergreifend und überzeugend sein, pertinent den Willen ergreifen können, dass jeder/jede, der/die diese genetische Erkenntnis mitvollzieht, von sich her, frei, zu dieser  Überzeugung der Wahrheit gelangen kann, z. B. ja, das ist richtig, diese Disjunktion bejahe ich (oder verneine ich): „Sei ein Muslim“. (=Gen 15) 

Aber kann jeder/jede frei nachvollziehen,  alle müssen zwangsbekehrt werden? Kann Mohammed seine Aussage in Bezug auf ein Wort Gottes, das außerhalb und vor seiner Erkenntnis existieren soll, als Bezugswissen  und genetisches Wissen aus Gottes Existenz und aus dem Begriff Gottes ableiten und bewähren: Ja, Gott selbst verlangt, alle müssten zum Islam bekehrt werden! Woher hat er dieses Wissen? Was sind seine Beweismittel? Sprechen seine gewaltsamen Eroberungszüge und „Beweismittel“ psychologisch nicht genau vom Gegenteil? Wenn er sich einer Offenbarung Gottes genetisch sicher gewesen wäre, ganz eins mit sich in seinem Gewissen, warum fürchtete er sich vor militärischen Niederlagen oder warum brauchte er kriegerische Erfolge? Warum brauchte er seine Beutezüge? Um seine Soldaten zu besolden und die fehlende Legitimation mit Zwang zu sanktionieren – das ist die banale, naheliegende Antwort, aber nicht, weil die göttliche Botschaft stärker war. Der disjunktive Geltungsgrund der Wahrheit wird in der zeitlichen Auslegung verwechselt mit höchst selbstsüchtigen und banalen Interessen.

Er hätte bei kritischer Selbstprüfung den subjektiven Anteil  vom objektiv möglichen  Teil der Offenbarung unterscheiden und abziehen können und sagen: In meinen Augen ist es zwar nützlich und angenehm, wenn alle Menschen Muslim würden, meine Soldaten haben etwas davon……., aber ich muss von meinem Gewissen her sagen, dass ist nicht die ursprüngliche und ganze Offenbarung Gottes selber. Ich interpretiere nur so die disjunktive Geltungseinheit „Sei ein Muslim“, Gott gehorchend. 

Die kriegerische Durchsetzung der angeblichen „Offenbarung“ Gottes und die vielen Aussagen im Koran sprechen eine deutlich subjektivistische und psychologische und komparativ von vielen Einflüssen gefärbte, außengelenkte, imperiale, gewalttätige  Sprache. Die vielen Stimmen, die oft mehrdeutigen Aussagen, sie sind beabsichtigt, um sich von der absoluten Geltungseinheit einerseits zu distanzieren, andererseits sie doch im Hintergrund mitspielen zu lassen. 

5) Es braucht m. E. vernunftkritische Werkzeuge und Argumente, damit Menschliches, Allzumenschliches und Gewalttätiges von der genetischen Erkenntnis einer positiven Offenbarung getrennt werden können.  Transzendentalkritisch kann und muss gefragt werden: Was ist die Identität eines Begriffes mit seiner Idee? Gibt es keine Identität eines Begriffes mit seiner Idee, bleibt ewige Dichotomie zwischen behaupteter Aussage und deren Wahrheitsgehalt. Behauptet kann alles werden, die Frage ist nur,  bewährt es sich.

Jetzt weiter reflektiert: Angenommen, es gibt diese genetische Lebendigkeit des Begreifens, eine Einheit von Begriff und Idee – z. B. „Sei ein Muslim“, d. h. sei im vollen und tiefsten Frieden (salâm) mit Gott und dir –  wie Abraham, Elija, Jesus, – so verlangt das jetzt eine zeitliche und geschichtliche Bewährung.
Die Disjunktion in Relation kann bewährt werden. Sie ist als  materiale Bild-Qualität fakultativ  möglich – und für das Vernunftwesen als reflektierendes Wesen faktisch unumgänglich und notwendig, will es sich selbst  frei entscheiden und  und sich und die Welt verstehen.  

Das Bild ist nicht selbst das, was es darstellt, es ist die Darstellung jenes anderen, das auch ohne Bild für sich besteht, des Abgebildeten. Es soll in diesem Fall der gnädige und barmherzige Gott abgebildet werden. Die Aussage und absolute Forderung „Sei ein Muslim!“
Die Darstellung des absoluten Grundes im Begriff, aber auch die differenzierte Nicht-Darstellbarkeit des absoluten Grundes selbst in der Bild-Wirklichkeit, sie sind nicht zu trennen, sind aber auch nicht einfach gleichzusetzen.

Indem der Begriff sich selbst in seiner Mächtigkeit des Begreifens erkennt, bescheidet er sich hoffentlich, dass er von sich her den absoluten Geltungsgrund in seinem Licht und seiner Dauer nicht erreichen kann. Er kann hoffen und postulieren,  Anteil an der wahren Bild-Wirklichkeit eines absoluten Geltungsgrundes zu gewinnen, aber subjektivistisch soll dieser Wunsch nicht bleiben.   Der Begriff „Sei ein Muslim!“ oder „Allah ist barmherzig und verzeihend“ könnte in genetischen Zusammenhängen des Begreifens  bewährt werden, d. h. in concreto realisiert werden, aber er bewährt sich gerade nicht, wenn zu einer brutalen und gewaltsamen Missionierung übergegangen wird, weil dies nur subjektive Herrschsucht und Schwäche ist. 

Es kann material nicht der Geltungsgrund „Allah ist barmherzig  und verzeihend“ – hunderte Male im Koran ausgesprochen –  mit der grausamen Bild-Wirklichkeit der Ausrottung Andersgläubiger und Zwangsbekehrung zusammengehen.  Warum musste Mohammed bereits zu seiner Zeit den Geltungsgrund von der Barmherzigkeit Gottes durch militärische Erfolge und Eroberung untermauern? Weil er sich seiner Einsicht in den absoluten Geltungsgrund doch nicht sicher war? Man darf sich nicht wundern, wenn heutige Hassprediger  Terror und Hass predigen – weil sie sich noch weniger  ihrer Einsicht gewiss sind. Es sind, so scheint mir, die „geistigen“ Waffen und Auseinandersetzungen verloren gegangen in Zeit der Social-Media-Szene  und in Zeiten manipulierten Wahlkampfes.
Die Begriff des QUR’ANS selbst ist in höchst willkürliche Interpretation ausgeartet, wenn z. B. die 
Begrifflichkeit von „Barmherzigkeit“ gar nicht mehr verstanden werden kann. 

6) Das Nachdenken über die Offenbarung Gottes hat im Christentum die Anwendungsbedingungen der Begriffe in die transzendentale Analyse  eingeschlossen. Der in den Evangelien und in den Konzilien gefundene Weg einer trinitarischen Explikation des Ein-Gott-Glaubens in einer pneumatologischen und ekklesiologischen Vermittlung verlangt ausdrücklich die Bewährung der Bildlichkeit einer absoluten Geltungsaussage a) im lebendigen Rückbezug zum absoluten, EINEN Geltungsgrund (implikationslogisch), als auch b) eine zeitlich-geschichtliche Bewährung der objektiven Bild-Wahrheit der EINEN Einheit der positiven Offenbarung in einem appositionellen Werden.  Die Rekursion auf den absoluten Geltungsgrund und die erinnerungsmäßige, pertinente Bestimmung des Wollens aus diesem Geltungsgrund sind (im Idealfall) eine dauernde Disjunktion in Relationeine immerwährende, ständige Reflexion und Dekonstruktion der Begriffe, und zugleich Bewährung und Inkarnation der Begriffe – in einer eigenständigen Offenbarungsform des HL. GEISTES. 

M. a. W.: In individueller wie gemeinschaftlicher Geschichte muss eine Realisierung der genetischen Erkenntnis vom absoluten Geltungsgrund möglich sein. Das wirft jetzt viele Realisierungsfragen auf: Z. B. dass das eschatologischen Zukunftsziel dem absoluten Geltungsgrund des initiatorischen Anfangs entsprechen muss; dass es im Idealfall zu einer erlebten Deckung von Offenbarung und erwiesener Gnade im Gebet, im Sakrament, in der Caritas, in der Bildung , in der Arbeit, in der Kunst kommt, d. h. mit einem Wort, im Leben.  

Die Erwartungen der Zukunft werfen ein replikatives Bild zurück auf das Materiale des Geltungsgrundes des Anfangs. Wenn eine universale, interpersonale Gemeinschaft erwartet wird, so kann es nicht eine große Schar der Verdammten geben wie im Islam, sondern muss eine Sinnerwartung möglich sein, die durch die positiven Offenbarung und durch den Alltag eines sinnerfüllten Lebens hier und jetzt schon  im Idealfall gedeckt ist und in der Vollkommenheit Gottes vollendet sein wird. 

Gibt es diesen absoluten, pertinenten Bestimmungsgrund des „Barmherzigen und Allerbarmers“, vielfältig ausgelegt in implikativer Begründung und appositionellen Synthesen des Lebens, so führt das m. E. zu einer begründeten Form einer lebbaren, repräsentativen und sakramentalen, positiven Religion. Finden wir solche Synthesen im Islam? Im alltäglichen Leben mancher Muslims halte ich das für möglich, aber eine nur wörtliche Berufung auf einen Text ist eine ungerechtfertige Beobachterrolle, ein nicht aufgelöster Zirkel. Eine solche Beobachtung ist für das Vernunftwesen „Mensch“, das in zeitlichen und räumlichen und geschichtlichen Appositionen handelt und denkt, unkritisch und höchst autoritär von allen für alle zu jeder Zeit. 

7) Da wir als reflexive Vernunftwesen der Zeit und der interpersonalen Kommunikation bedürfen, muss die implikative Grund-Folge-Ordnung der Geltungsbegründung notwendig! in eine appositionelle Reihe des Nach- und Miteinandersetzens übergehen. M. a. W., das kategorische Verhältnis einer Gottesbeziehung und Gottesoffenbarung muss in einer prinzipiellen und kausierenden Folge sich zeigen können, d. h. in einer Konsequenz der logisch-praktischen Realisierung, wie sie direkt aus dem Akt der Erkenntnis hervorgeht.  Ein alleiniger,  implikativer Begründungsanspruch einer angeblich erfahrenen Offenbarung Gottes ist keine, bzw. ist gar nicht möglich denkbar, weil es nur in Kombination von Implikation und Apposition eine Erkenntnis gibt. Zur möglich faktischen Erkenntnis kommt die genetische Erkenntnis:  Genetisch heißt, dass Grund wie Folge in ihrem Nexus zusammenhängen und sich wechselseitig bewähren. Die positive Offenbarung geht über in eine appositionelle Bewährung, sichtbar und bestimmbar in einem interpersonalen Austausch und Dialog – und sonst kann von Erkenntnis und Offenbarung im werdenden Vernunftwesen „Mensch“ nicht gesprochen werden. 

Eine nur auktoriale Berufung auf Mohammed und autoritäre Berufung auf das Medium „QUR’AN“ ist zu wenig. Die postive  Offenbarung durch Worte, Weisungen, Aufforderungen, Mahnungen, Drohungen usw.,  weil angeblich so gehört und dann schriftlich festgehalten und letztlich vom Himmel selbst her  herabgefallen als Abschrift des QUR‘AN, das ist zirkelhafte Beobachtung und reflektiert nicht den Denker und Leser und  Hörer des QUR’ANS selbst.  

Anders gesagt: Kann der Begriff der Freiheit durch die höchste und sich selbstbegründende Evidenz des Guten und Heiligen (des Gottesbegriffes) nicht generiert werden, d. h. kann Freiheit in einer religiösen Aussage,  generell in Formen des Medialen (wie Sprache und Schrift) und Interpersonalen nicht frei erkannt und zurechenbar und frei entscheidbar erkannt werden, ist dringend Ideologieverdacht geboten. Ob Gott sich dem Mohammed geoffenbart hat in bestimmten Weisungen und Worten, schriftlich fixiert dann im QUR’AN, kann vernunftkritisch nicht für unmöglich erklärt werden, sofern das Gehörte und Aufgeschriebene mit den prinzipiellen und reflexiven Formen des Sich-Wissens und Sich-Bildens in implikativer wie appositioneller Formen vereinbar ist. Es muss die Evidenzmöglichkeit einer absolut sich selbst begründenden Wahrheit  a) für den Offenbarungsträger selbst und b) für den hörbereiten, gläubigen Hörer/Leser  gegeben sein, eine akthafte, prozessuale Entscheidbarkeit für das Gehörte in Zeit und Raum,  andernfalls  das Gehörte nicht verstanden und übernommen werden kann. 

8) Die von Gott an Mohammed  angetragenen Intentionen seien keine bloß sinnlichen Empfindungen, sondern Willensäußerungen, Gemütsbewegungen gewesen, so ist zu lesen – z. B. bei A. M. KARIMI. Der Koran ist primär ein „ästhetisches Ereignis“, ein „ existentielles Erzittern“ (ThpQ, Linz, Nr. 164 (2016), 265-271.) Sicherlich wird die Offenbarung Gottes nur eine Willensäußerung sein, hängt mit einem emotionalen und ästhetischen Erfahrung zusammen, aber das entbindet nicht von einer Vernunftkritik.   Erkenntnis ist wesentlich sittlich-praktisch, gefühlshaft, ästhetisch.  Wenn ich arabisch könnte, hätte ich vielleicht ein ästhetisches und akustisches Erlebnis beim Lesen des Korans. Ein ästhetisches und akustisches Erleben ist aber, wie jedes Gefühl, mehrdeutig und kann ohne weiteren Begriffe und Anschauungen nicht erkannt werden. Die Bedeutung eines lautmalerischen Zeichens, die Bedeutung einer sprachlichen Sequenz, die Schönheit eines Versmaßes, die Folge von Tönen in der Musik, das verlangt eine umfassende Freiheit und Bildung – und wesentlich auch sittlich-praktische Anerkennung und Wahrheit. Die Ästhetik und Ethik führt hin zum Gewissen. Kann aus der Offenbarung im Islam ein Gewissensbegriff gebildet werden? Ein Terrorist mit einer Waffe in der Hand, der für ALLAH kämpft und vielleicht noch einen „schönen“ Vers zitiert, das ist kein Dichter, sondern Mörder,   und widerspricht dem Begriff Gottes und der Freiheit des Menschen. Ein Vers, eine Satzmelodie,  erhält nicht durch sich selbst seine/ihre Schönheit und  Bedeutung, sondern erst a) durch den (die), der (die) weiß, wofür das Zeichen steht und was es bezeichnet – und b) durch den, der das Wort hört und es eigenständig rezipiert.
Gibt es eine epistemologische Begründung von Schönheit und Wahrheit ohne appositionelle und reflexive
Realisierung, ohne nachvollziehbare Bildlichkeit eines über das lautmalerische Zeichen hinausgehenden Lebens?  

9) Die Wahrheitsfrage vernunftkritisch an den QUR‘AN  zu stellen, ist notwendig geboten. Das gilt natürlich genauso für die Bibel wie für jede Wissenschaft – und gilt natürlich für jede Praxis der Religionsausübung. Ist das wahr, was gesagt wird, und wird es so gesagt, wie es wahr ist,  und soll es so sein, wie es gesagt wird und wird es so gesagt, wie es sein soll?

7. 10. 2017 © Franz Strasser
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1J. Widmann, Die Grundstruktur des transzendentalen Wissens nach Joh. Gottl. Fichtes Wissenschaftslehre 1804/2, Hamburg 1977, S 60.

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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser