Transzendentalkritische Lektüre – Ignatius von Antiochen, oder die Priesterweihe von Frauen; 2. Teil

Dass es vor dem Hl. Ignatius eine größere Vielfalt der kirchlichen Ämter gab, darauf weisen uns die Exegeten gerne hin: die paulinischen Gründungen, der Jerusalemkreis, die Beschreibungen in den Pastoralbriefen, die johanneischen Gemeinden. Das ist doch bemerkenswert, aber auch rätselhaft,  warum sich in der Rezeption des 2. Jhd. und der weiteren Jahrhunderte diese Dreier-Form der Ämter durchgesetzt hat –  Bischofsamt, Priesteramt, Diakonenamt – und dann beschränkt auf das  männliche Geschlecht!? Welche Erkenntnisbemühung und Erkenntnisbegründung steckt dahinter? Wie lässt sich der Geltungsanspruch eines zu leistenden Gehorsams, die Hervorhebung einer kirchlichen Hierarchie, die Reglementierung von Sakramenten u. a. m. begründen und rechtfertigen? 
Sind die in letzter Zeit aufkommenden Fragen zu einer Priesterweihe für Frauen mit Ignatius/dem anonymen Autor 160/175 n. Chr. absolut inkompatibel? Jahrtausendelang gab es offensichtlich in der jüdischen und christlichen Kirche keine Frauen als Priesterinnen, wie schwer fällt ein Umstellungsprozess? Wie groß wäre eine Befürwortung oder eine Ablehnung bei einer Abstimmung? Wie lange dauert es in unseren Affekten, bis ein lang eingelerntes und internalisiertes Verhalten geändert wird? Offensichtlich sind die vielen Formen von Gemeindeleitung und Repräsentation des  1. u. 2.  Jhd. n. Chr. untergegangen und die aufkommende Dreier-Struktur des Hl. Ignatius/des Autors (160/175 n. Chr.) hat sich durchgesetzt, dazu in nur männlichen Form. Aber das alles historisch zu erklären, vielleicht auch diskurstheoretisch, vielleicht auch patriarchalisch, metaphysisch – das akzeptiert heute niemand mehr. Das wäre keine vernünftige Geltungsbegründung! 

1) Für mich auffallend und fraglich: Ist die absolute geschichtliche Rückbindung an Jesus Christus im Bischofsamt, wenn man will, „monarchianisch“ bezeichenbar, wie R. M. Hübner sagt,  in Anlehnung an NOET und als Gegenposition zur Gnosis gesehen,  ein hinreichender Erklärungsgrund für die Schaffung eines so exklusiven, herausgehobenen Bischofsamtes? Generell die geschichtliche Rückbindung an die Apostel, an Paulus, an die Pastoralbriefe – siehe alles sehr ausführlich bei R. M. Hübner historisch dargestellt  – wie lässt sich diese Historie im  Hinblick auf die Schaffung der drei expliziten kirchlichen Ämter in ihrem Geltungsgrund deuten?   

2) Ich möchte die vielen historisch-kritischen Methoden des Verstehens eines Textes nicht gering achten, aber letztlich muss es ein erkenntniskritisches und überzeitliches Kriterium des Verstehens über alle historisch-hermeneutischen Bedingungen hinaus geben, einen absoluten Bestimmungs- und Geltungsgrund, um eine Aussage nachvollziehen und  rechtfertigen und in Zeit und Geschichte bewähren zu können.  Warum ist dem Autor plötzlich die Ämterfrage so wichtig geworden und darin wieder das Monoepiskopat, wo doch, soweit bekannt, rundherum nichts davon geredet wurde?  
Rhetorisch fällt mir ein sehr paränetischer, emotional-warmherziger, dann wieder energisch-performativer Stil auf: Die vielen interpersonalen Aufforderungen, Mahnungen, Tröstungen, Anreden, Dankgebete, Bittgebete, Freundschaftsbekundungen usw. Dieses ganze Repertoire von Sprechakten, sie weisen hin auf eine Einsicht und Erkenntnis, die a) jeder/jede selbst nachvollziehen konnte (dank des Inhalts der positiven Offenbarung) und verweisen b) auf einen unmittelbar einsehbaren, apriorischen Geltungsgrund, der in genetischer Folge und prinzipiierender Kausation weiterentwickelt  ist zu einer sakramentalen Durchdringung – oder man könnte auch sagen, vernunftkritischen Durchdringung – des ganzen Lebens. 
In so ursprünglichen, wertvollen Texten – mit allen Spiegelungen der damaligen Zeit, – wird buchstäblich Neues verkündet im übergehenden Wollen und wirklichen Sehen. Der Heilige/der anonyme Autor/die Gemeinde weiß sich begnadet, erlöst, gerettet, wiedergeboren, von Gottes Präsenz erfüllt – und diese Erkenntnis, die ich als apriorisch, zeitlos ansehe, versuchte er/sie zu allgemein akzeptierten, bekannten Bedingungen weiterzugeben und zu verkünden.
Nach außen hin muss er/sie notwendig auf die patriarchalisch geprägte Vorstellungswelt männlicher Hierarchie-Strukturen Rücksicht nehmen, nach innen hin aber geht es dem Heiligen/dem Autor/der Gemeinde gar nicht um ein Fortschreiben und Weitermachen altbekannter  Traditionen und Gebräuche,  sondern um einen Geltungsgrund des Wissens, der absolut positiv und erlösend und sich in Gegenwart  und in einer eschatologischen, sakramentalen Vollendung, individuell  und interpersonal,  als Geltungsgrund manifestieren will – mit allen defizienten modi der Realisierung dieser Erkenntnis durch sündhafte Menschen.
M. a. W. durch den Rückbezug auf die positive Offenbarung in Jesus Christus schien dem Heiligen/dem Autor/der christlichen Gemeinde eine neue Religionspraxis und Realisierung des Glaubens möglich: Alles konnte  und sollte in zeitlicher Realisierung, anschaulich,  sakramental, individuell, interpersonal,  übernational, „katholisch“ im ursprünglichen Wortsinn, vermittelt werden. In concreto war die apriorische Gottesoffenbarung, wie sie wohl jedem Menschen zuzuerkennen ist,   in JESUS positiv sichtbar geworden – jetzt in dem Sinne, dass die Erkenntnis Christi Jesu zu einer applikablen individuellen wie universellen,  mit einem Wort, zu einer sakramentalen Erkenntnisweise, übergegangen ist. 
Der höchste Begriff des Wissens, die absolute Wahrheit Gottes, führte zu einer „Anschaulichkeit des Eschatons der sich konkretisierenden Genesis“. (vgl. J. Widmann, Die Grundstruktur des transzendentalen Wissens, a. a. O., S 308) .
„Genesis“ heißt hier: Zu wissen,  wie es zu einem  begründeten und gerechtfertigten, faktischen Gottesbild kommen kann – in Unterscheidung zu anderen faktischen Religionen und Götterbildern. Ein historisch vermitteltes Gottesbild (aus  dem Ersten und Zweiten Testament) wird aus einer neu erkannten, erfahrenen,  transzendentalen Sinnidee  expliziert und appliziert.
Die Begriffe mussten nicht neu erfunden werden – außer vielleicht das Wort „katholisch“? – aber die  Verwendung altbekannter Begriffe wie „Priester“, „Bischof“, „Diakon“ wurden mit neuer epistemologischer und differenzspezifischer Begründung und Rechtfertigung eingeführt bzw. neu gedeutet und typologisch ausgelegt. 
Wie hätte der Heilige/der Autor oder die im Hintergrund mitredende Gemeinde das Neue applizieren und konkretisieren können, wenn nicht einerseits ein altbekanntes Schema vorgelegen hätte, das aber anderseits neu und aktuell von jedem/jeder nachvollziehbar und einsehbar  war?  Hätten die Autoren es besser gemacht, wenn sie sozusagen gewaltsam egalitär  alles umgestürzt und ganz anders praktiziert hätten? Das ist erstens nicht vorstellbar und zweitens nicht notwendig, weil a) es gerade die neue Sinnidee und die neu geschaute Bedeutung des Episkopen-, Priester- und Diakonenamt  war, die von allen für alle   selbstevident einleuchtete und b) Geschlechterfragen, Standesfragen, Gesellschaftsfragen relativ nebensächlich geworden sind.   

Die  Bedeutung allerdings der Bewahrung und zugleich der Notwendigkeit kreativer, innovativer Fortführung  von Erlösung, Vergebung, Glauben, Erinnerung,  war wohl so aktuell geworden, dass kirchliche-sakramentale  Ämter überhaupt konstitutiv, und transzendental-regulativ im Bischofs-, Priester- und Diakonenamt, eingeführt werden mussten (in der Sicht der damaligen christlichen Gemeinden).  Mit  Zwang  hätten sich  alte Begriffe als neue kirchliche Ämter nicht durchgesetzt.  Die  männlichen Form war aber rein akzidentiell den historischen Umständen geschuldet.  

3) Anders gesagt: Es schien aus einem lebendigen Traditionsbewusstsein, getragen  und gestützt durch die Hl. Schrift notwendig, noch dazu im   Unterschied und im Gegensatz zur Gnosis und zu anderen religiösen Formen seiner Zeit, inklusiv Judentum, sakramentale Geltungsformen  zu schaffen.  Eine Geltungsform ist dabei nur soweit tauglich und mächtig, als sie rekursiv auf den Geltungsgrund selbst verweist. 

Andernfalls wäre die Geltungsform leer und nichtig und  würde bald durchschaut und würde zum bloßen Zwang. Wie hätte deshalb allein das männliche Geschlecht die  Aussagekraft der  Rückbindung an Jesus Christus garantieren können? Weil JESUS, die Apostel, Paulus selber Männer waren? Welche unrühmliche Rolle haben oft die Männer im Evangelium gespielt und welche besseren die Frauen!? 

Die Geltungsform, begründet allein auf das männliche Geschlecht, das hätte vielleicht zu einer  phallisch-repräsentativen Naturreligion geführt – natürlich total abgelehnt von der Bibel –  oder zu einem rechtlichen  Patriarchat im üblichen Stile der römischen Antike.

Aber diese patriarchale Struktur und Herrschaftsform hätte sich auf Dauer trotzdem nicht gehalten: Das hätte eine sehr  selektive Bibellektüre verlangt,  das hätte explizit andere Formen als „katholische“ und geschlechterübergreifende Erlösungsbotschaft verlangt.   Wäre alles  entartet zu einem puren Machismus und zu einer höchst fragwürdigen Bibelauslegung – es  hätte keine zwei/drei Generationen überlebt. 
Der Geltungsgrund der geschenkten Erlösung und die gelebte Hoffnung,  das bezog sich auf das Wissen und den Glauben jedes Geschlechts, ob Mann oder Frau, Jung oder Alt, Jude oder Grieche, Sklave oder Freier – und das war überzeugend und diskriminierte niemand. 
Die Form der männlichen Hierarchie war nur die  momentane, administrative, gesellschaftliche Seite. Dass dann später explizit patriarchale  Herrschaftsmuster und Herrschaftsideale folgten, das möchte ich ebenfalls nicht leugnen, leider,  siehe bereits bei CYPRIAN v. Karthago, aber das widerlegt nicht den Sinn der Idee, dass sakramentale Ämter geschaffen werden mussten. 

Schauen wir probeweise nicht auf das 2./3. Jhd.: Patriarchale Herrschaftsmuster finden wir bis heute :  Wie lange ist es her, dass die Frauen Stimmrecht haben?  In wievielen Staaten der USA, die sich oft überaus evangelikal-christlich nennen, sind Kinderehen noch erlaubt?  
Von der expliziten Unterdrückung der Frau in islamischen Ländern  möchte ich gar nicht reden. Dazu gibt es Rückfälle in der Gottesidee selbst, schauen wir auf den Hinduismus in Indien, schauen wir auf den Atheismus mit seiner verkürzten Idee von Erkenntnis.  
„Fortschritt“ gibt es nur nach einem apriorischen Maßstab der Freiheit – und dann realisiert in  Zeit und Geschichte. Anders gesagt, wie ich das sehe: Die Hörer und Leser des 2. Jhd. n. Chr.  haben den „Fortschritt“ an Freiheit in der sakramentalen Struktur erkannt. Die  damit leise einziehende klerikale, männliche Hierarchie, sie bekam leider immer stärkere Faktizität.    
Selbst 1800 Jahre später hören wir noch das eigentliche Anliegen heraus, die Intention, das ganze theoretische Erkennen und praktische Wollen, worum es dem Heiligen/dem Autor und der christlichen Gemeinde  gegangen ist und worum nicht. Realisierung und Verwirklichung einer christlichen Sinnidee – nicht Realisierung und Dominanz des  Männlichen.   

4) Man kann natürlich jetzt die patriarchale Schlagseite heraushören, aber ebenso ist die freudige, dankende, bittende, flehende, ermahnende, intentionale, performative Form unüberhörbar, weil sie zum Geltungsgrund passt. Wenn es dem Autor tatsächlich um Patriarchalismus und Herrschaftsausübung gegangen wäre, wäre der Stil und der Inhalt ganz anders ausgefallen. 
Der Bestimmungsgrund ist das, worum es dem Willen eigentlich immer geht, wenn er will und handelnd übergeht von einer Kausation (Prinzipiierung) zur anderen Kausation – und so wird die Zeit erzeugt! Die zeitliche und geschichtliche Erstreckung wird zusammengehalten in der sich wandelnden Unwandelbarkeit des Bewusstsein – und im Bewusstsein ist eine Vollendung des Geschichte und des Sinns projiziert. Diese projektierte Geltungseinheit ist als dauernder Rückbezug auf den absoluten Bestimmungsgrund stets präsent. Der absolute Bestimmungsgrund ist nicht vermittelt durch ein anderes Moment, oder als Mittel zu einem anderen bestimmt, sondern ist a) höchster Wert einerseits, b) andererseits nicht nur Wert, sondern ebenso auch die diesen Wert verwirklichende Existenz.  Der geschichtliche Rückbezug und die lebendige Erinnerung ist  konstitutiv, überzeitlich wahr  – die konkrete Umsetzung und Lebensform ist im Werden, ist frei gefordert, auf den apriorischen Sinngehalt zu schauen und zu hören – wie es heißt: Joh 16,13 Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird redenwas er hört, und euch verkünden, was kommen wird.
Könnte ich einen höchsten Wert und geschichtlichen Bestimmungsgrund als männlich/maskulin verstehen? Das wäre  pure Perversion der Absicht Jesu Christi und des ganzen Sinns seiner positiven Offenbarung.  Dann hätte Jesus in seinem Tun und Handeln ganz anders auftreten müssen, keine Frauen heranlassen und heilen dürfen, würde von keinen Frauen am Ostermorgen erzählt usw. usf.  Nach den Gesetzen des Bildens bildet sich die Vernunft im Allgemeinen und jedes Individuum im Besonderen interpersonal und zeitlich und räumlich – und will sich entfalten und sich in Identität durchhalten, d. h. es muss sich stets reflexiv erinnern, um im nächsten Augenblick sich neu bestimmen zu können, aber es wird sich doch nicht narzistisch und facebookmäßig nach dem Geschlecht alleine bestimmen?
Der Heilige/der anonyme Autor/die Gemeinde schöpft aus einer unerschöpflichen Quelle des höchsten Wertes und des Lichtes, des erschienenen Logos und des Sinns – und damit verbunden ist ein zeitliches Werden und natürlich eine neue Deutung bereits bekannter Begriffe und überlieferter Traditionen.
Ich könnte dem Heiligen psychologische Gründe der Herrschsucht,  politisches Kalkül,  expliziten Patriarchalismus unterstellen, stoische Weisheit, gnostischen Eigensinn usw. Das ist aber alles nicht schlüssig und kohärent, wenn ich die Texte in diese Richtung auslegen würde, weil es rein textlich nicht möglich ist. 
Ich könnte noch die prekären Rahmenbedingungen der Christenverfolgung zu dieser Zeit einbeziehen, irgendwelche Häresien und Konflikte, systemtheoretische Gründe aller Art bedenken, um die Etablierung einer kirchlichen Hierarchie deterministisch zu erklären – das ist aber alles ebenfalls nicht hinreichend angesichts der starken, empathisch-performativen Rede und ihres Inhalts einer intelligierten Einsicht in die positive Offenbarung.

5)  Die dem absoluten Bestimmungsgrund zugrundeliegende und im platonischen Sinne zu reflektierende Idee ist positive (kataphatische) Gottesrede – wie JESUS im Evangelium diese positive Gottesrede gepflogen hat. (Viele poetische und liturgische Gesänge und Texte dieser Zeit des 2. Jhd. könnten  zur  Illustration der positiven Gottesrede herangezogen werden.) 
Die positive Gottesrede des Heiligen/des anonymen Autors klingt bei oberflächlicher Lektüre sittlich-moralisch, ist aber mehr als moralisch, denn die Genese der Sittlichkeit geht ja von der apriorischen wie positiven Offenbarung aus. Seine Rede ist gerade nicht explizit moralisch, nicht geschlechtsspezifisch, nicht elitär, nicht national,  sondern explizit katholisch und auf den einzelnen und auf eine solidarische Gemeinschaft zielend und geschlechterübergreifend-universell. Das Postulat einer Rettung aller Menschen, gleich welchen Geschlechts, welchen Alters, welchen Standes, welchen Volkes, soll jetzt kraft genetischer Erkenntnis in eine sakramentale Lebensform übergeführt werden, nicht bloß in eine moralische Lebensform.  
Nochmals anders gesagt: Die positive Gottesrede des Heiligen/des Autors/der Gemeinde  ist nicht esoterisch-gnostisch in dem Sinne, dass eine besondere Privilegierung dazu nötig wäre, sondern jeder/jede konnte durch Glauben und durch das Bekenntnis und sakramentale Formen zu dieser erlösten Gemeinschaft übertreten. Es entstand eine möglichst weit zu fassende liberale Ordnung der Kirchenzugehörigkeit, eine äußere, figurative Repräsentationsform einer inneren zeitlichen Rückbeziehung auf die positive Offenbarung. 

Nochmals anders formuliert: Die positive Gottesrede ist weder eine rein moralische Rede, noch eine rein   philosophische Erkenntnislehre, als könnte die biblische Überlieferung und die Generationenkette der Überlieferung durch reine formale Erkenntnis abgelöst werden, sondern explizit soll  die ganze geschichtliche Überlieferung der Hl. Schrift und die ganze Reihe der Zeugen in einen vernunftkritischen Kanon der Schriften eingebunden werden zwecks Rettung von Vergangenheit wie Zukunft (aus der Gegenwart heraus.) 

Die sakramentale Sinnordnung, die im Entstehen begriffen war, eine Hierarchie in einem besten Sinne einer heiliger Ordnung für alle, von allen, zu aller Zeit realisierbar – das macht die Zeugnisse dieser Zeit so wertvoll. Im  Grunde sind es rational nachvollziehbare Gründe, analytische Folgestücke und allgemein hinzukommende Vernunftgesetze und Geltungsgründe, wenn es eine Repräsentation zu etablieren galt. Dass irgendwie verfassungsmäßige und juridische und soziologische Wissensstrukturen folgen mussten – das liegt praktisch-logisch in der Vernunftform der Realisierung einer Einsicht und musste gar nicht erst gewaltsam in gesellschaftliche Verhältnisse hineingetragen werden. 

Transzendental-reflexiv formuliert: Der pertinente Wert der positiven Offenbarung wurde Bestimmungsgrund der damaligen Gegenwart – noch dazu durch Gegensatz und Widerstand geprägt durch die ständige Bedrohung und Verfolgung seitens des römischen Staates, gefährdet durch die Gnosis oder anderen Institutionen, gefährdet durch andere Religionen inklusiv Judentum.  Solche Gefährdungen waren systemtheoretisch natürlich nicht belanglos, sie waren widersinnige Potenz, die indirekt miteingeflossen sind, aber nicht so bedingend, wie die genetische Erkenntnis selbst.   Gefühlt wurde die Gefahr, in der der Heilige/der anonyme Autor/die Gemeinde stand, die Repression des Glaubens, der Synkretismus des Götterglaubens, die griechisch-römischen, heidnischen, doketistischen und gnostischen und judäischen Sitten und Gebräuche – aber entscheidend und sakramental wirksam sollte  die geschenkte Gnade, die Botschaft der Vergebung, die Wiedergeburt aus dem Glauben, werden.  Die Relevanz der zu gewinnenden Hoffnung, die Relevanz der sakramentalen Sinn- und Lebensordnung, die Relevanz der Sinnidee, sie sollte unmittelbar gegenwärtig gesetzt werden, und im Gegensatz zur übrigen Kultur und Welt. So entstand die Notwendigkeit einer neuen Sinn-Ordnung, inklusiv Weihe-Ämter. Es ging aber  letztlich nicht um die Geschlechterfrage, als sei das das große Problem gewesen – und als seien wir heute durch einen Art „Traditionsbeweise“ oder „Autoritätsbeweis“ daran gebunden.  Das wäre eine höchst fragliche Tradition und Autorität. 

Man liest in historisierender Literatur, dass mit der Schließung der Tempel die arbeitslos gewordenen „Presbyter“ eine Anstellung brauchten u. a. m., deshalb ist alles so patriarchalisch überfrachtet worden. Das sind aber nur historische Kompilationen –  ohne apriorische Wissensgesetze.

In ähnlicher Weise wie bei IGNATIUS  finde ich beim Hl. IRENÄUS von Lyon (ca. 135 – 200 n. Chr.) diese neue, sakramentale Weltsicht, formuliert aus einem geschichtsphilosophischen Denken heraus. Er pochte auf die apostolische Sukzession im Unterschied zur Gnosis u. a. Häresien.  Er nannte es  „ordo traditionis“, „Sukzession“,  apostolische Begründung etc., weil er intuitiv eine transzendentale Konstitution der Zeit im Bewusstsein kannte und damit verbunden einen qualitativen Wert an Einsicht veranschlagen konnte. Der Geltungsgrund war ihm klar, so kam er zu einer Art apriorisch-geschichtlichen Schriftauslegung und zu einem figuralen Denken von Kirche in zeitlicher Erscheinung.  (Siehe Blog von mir zu Irenäus).  

© Franz Strasser
21. 8. 2019
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Weiterführende Literatur

Zur philosophischen Konstitution der Zeit –  siehe 
Reinhard Lauth, Die Konstitution der Zeit im Bewusstseins. München 1981

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Literatur Ö1 8. 1. 2021 Radiokolleg – Krise der Männlichkeit?

Die Suche nach einer neuen Maskulinität (1). Gestaltung: Johannes Gelich

Klaus Theweleit: Männerphantasien, 2. überarbeitete Auflage; Matthes & Seitz Berlin, 2019

Wolfgang Schmale: Geschichte der Männlichkeit in Europa (1450-2000), ? Böhlau Verlag, 2003

Dasa Szekely: Das Schweigen der Männer: Warum der Mann in der größten Krise seines Bestehens ist und wie er wieder herauskommt, Blanvalet Verlag, 2016

Paul Scheibelhofer: Der fremd-gemachte Mann: Zur Konstruktion von Männlichkeiten im Migrationskontext, ? Springer VS, 2018

Paul Scheibelhofer in: Jens Luedtke (Herausgeber): Die soziale Konstruktion von Männlichkeit: Hegemoniale und marginalisierte Männlichkeiten in Deutschland, Budrich, 2008

Bernhard Heinzlmaier: Performer, Styler, Egoisten: Über eine Jugend, der die Alten die Ideale abgewöhnt haben, Archiv der Jugendkulturen, 2013

Anil Altintas in Blu Doppe (Herausgeber), Daniel Holtermann (Herausgeber): Vom Scheitern, Zweifeln und Ändern: Kritische Reflexionen von Männlichkeiten, Unrast Verlag, 2021

Harald Werneck: Übergang zur Vaterschaft: Auf der Suche nach den „Neuen Vätern“, Springer, 2013

Stefan Krammer: Fiktionen des Männlichen: Männlichkeitsforschung in der Literaturwissenschaft, ? Facultas, 2018

Susanne Kaiser: Politische Männlichkeit: Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen, edition suhrkamp, 2020

LthK, Stichwort „Repräsentation“, Bd. 8

 

 

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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser