Historische und transzendentale Argumente – zur Gestaltung eines Altarraumes.

1) Historische Fakten begründen für mich nichts, wenn sie nicht in ihrer genetischen Entstehungsweise einsichtig gemacht werden können. Wie und warum sind Fakten so, wie sie jetzt sind? Welches Schema der Beurteilung haben wir für naturale Dinge angelegt, für gesellschaftliche Begriffe, für Architektur, für Gott und die Welt? Welcher Idealgrund der Schematisierung und  Begründung steckt dahinter? Jedes actuale Erkennen ist faktisches genetisches Geschehen, ist jeweils spezifisches, werthaftes  Erkennen von Natur, von Gesellschaft, oder Kunst, Religion, Moral.
Besonders beim Linzer Dom war ich immer so angetan von seiner Größe und Schönheit,
von den Bildern der Mosaike, von den Fenstern, vom Kreuzaltar, von den geschnitzten Bänken, der Kanzel, der Orgel. Ich habe wirklich sehr schöne , erhabene Stunden meines Lebens dort erfahren dürfen – und jetzt soll eine ganz neue, reduzierte Altarraumgestaltung durchgeführt werden, genau in der Mitte des Domes? Quid juris?

Es wurde dankenswerter Weise zu einer Debatte (Symposion) eingeladen.((Kath. Universität, Linz, Okt. 2017): Die vielen kunstgeschichtlichen, architektonischen und liturgischen Argumente waren etwa:
a) Das Raumkonzept der Erbauerzeit unterschied zwischen Priesterkirche (Kreuzaltar, Chorgestühl) und Laienkirche
b) Nach Fertigstellung 1924 (im Unterschied zu 1859) war die Differenz zweier Teile irgendwie sichtbar; offene Forschungsfragen gibt es dazu bis heute;
c) Es gab Umgestaltungen in den 1980-er Jahren
d) mehrere Vorarbeiten zur aktuellen Umgestaltung begannen bereits 2009. Die klaren Strukturen, die Größe des Raumes, die verschiedenen räumlichen Zonen des Domes, viele kunsthistorische Fragen tauchten auf, die berücksichtigt werden wollten.

Die Baugeschichte selbst ist nicht unwesentlich für das Verstehen: die Votivkapelle 1869, vorderer Kapellenkranz 1885, Turm 1901, Langhaus 1924.

Die durch das 2. Vatikanum (60-er Jahre) veränderte Liturgie rückte die Eucharistie und die communio ins Zentrum, was natürlich ein Bischof Rudigier oder der Baumeister V. Statz (2. Hälfte 19. Jhd.) auch gewusst haben dürften, aber eben anders topographierten. Der Volksaltar wurde geschaffen (in den 1970-er Jahren?), in den 1980-er Jahren einerseits noch im Presbyterium angesiedelt, andererseits aber deutlich vorgerückt … eine Orgel wurde ins Presbyterium verlegt. „Die Liturgie schafft den Raum“
Ab 2009 begannen Pläne der Umgestaltung. Die Vorgaben des ganzen Domes wurde dringlichst und behutsam berücksichtigt, die Vierung einerseits, die Geschlossenheit des oberen Teiles des Presbyteriums andererseits. Man wollte dem Raum gerecht werden – und natürlich der Liturgie. Auf die Vorgaben des 2. Vatikanums und nachfolgender Dokumente, auf pastorale Verlautbarungen der Bischofskonferenzen, diverse Richtlinien etc. wurde geachtet.

Es sollte eine liturgischer Raum der Eucharistie und des gleichberechtigte Volkes Gottes sein – und ein Zeremoniale für eine Bischofskirche mit dort stattfindenden Weihen musste bedacht werden.

Dokumente wurden genannt: Siehe Dokument SC, 7 … dort besonders Nr. 124; oder Nr. 128. Die liturgischen Hauptfeiern sollten stattfinden können zwischen „Funktionalität und Symbolgestalt“.

Dann kam die Rede auf die Sedes d. h. auf den Vorsteherort, wiederum auf den Verkündigungsort (Ambo) und auf den Eucharistieort. Auf ein Dokument der italienischen Bischofskonferenz zur Adaption alter Räume wurde hingewiesen. Die tätige Teilnahme sollte berücksichtigt werden, alles gut hörbar und sichtbar sein, die Egalität der Berufenen sollte zum Ausdruck kommen. Liturgie ist ein Kommunikationsereignis – und deshalb soll der Raum ein Kommunikationsraum sein.

Es kamen dann ebenso interessante kunstgeschichtliche Schilderungen: Der Tempel in Jerusalem, die Dura-Kirche in Syrien, die sog. „Hauskirche“, das synagogale Bedenken des Wortes Gottes. Es kam die Staatskirche des 4. Jhd. vor z. B. Ravenna, St. Appolinaris, wurde zitiert, das Kreuz rückte in die Mitte, Christus wird durch den Vorsteher repräsentiert……. Das Mittelalter hatte das weitergeführt, aber eine immer größere Distanz trat ein zwischen Leiter der Liturgie und Volk ….

Die Kunst und Architektur des Kirchenbaus sollte dann, wie gesagt, den neuen liturgischen Vorschriften des 2. Vatikanums angepasst werden.

Aktualisiert wurde gefragt: Wie kommt die Sakralität in das Raumkonzept der Gegenwart hinein? Die Parameter im Linzer Dom sind vorgegeben: Die Größe, der Stein, das Licht. Psychologische und raumsoziologische Argumente wurden vorgebracht. Die Begriffe waren viefältig. Die Sakralität kommt nicht von selbst, sie „muss benannt werden können.“

Das liturgietheologische Konzept, die Realsymbole, die Sinnvollzüge, sie können durch den Raum aufgefangen, verbreitet, vertieft werden ……. die liturgischen Handlungen soll ermöglicht werden, die Qualität des Tuns inklusiv tätiger Teilnahme aller Mitfeierenden soll gewährleistet sein. Der Raum wird vom Leib her erfahrbar, Raum und Mensch können aufeinander bezogen sein. Die Heiligkeit des Raumes ist ein verdichtetes Beziehungsgeschehen, eine göttlich-menschliche Kommunikation.

Das Hauptkriterium ist diese neue Zone für die Feier der Eucharistie, der communio-Raum, „die Gemeinde versammelt sich“ und viele tragen zum liturgischen Spiel etwas bei. Es braucht keine Bühnenräume für den Chor, sondern die Beteiligung aller ist möglich. Die Communio der Christen ist auch eine Weg-Kirche – um nur ein paar Stichworte zu rekapitulieren.

2) Soweit ein paar Notizen aus den Vorträgen. Ich verstehe unter Erkennen eine Akt-Einheit, ein rekonstruierendes Bilden eines Gehaltes, den jeder Mensch qua Vernunft im Herzen nachvollziehen und bilden kann. Das besagte Raumgeschehen, das liturgische Zeremoniell, weckt das einen Gehalt im Herzen eines jeden Christen/einer Christin?

Sinn und Zweck dieser Debatte (des Symposions) im Okt. 2017 war, so scheint mir zumindest:  Der Umbau sollte begriffen werden.  Ich möchte hier etwas frei räsonieren: Die Trias eine Altarraumes von Altartisch, Ambo, Sedes in der Mitte des Domes, ist für sich eine starke Fokussierung – an die ich mich jetzt, zugegebenermaßen, erst gewöhnen muss bzw. die ich noch nicht ganz verstehe. Der ideelle Überbau dieser Trias klingt sehr einleuchtend, leistet er aber, was er soll? 

Die Idee der Gemeinschaft, der schlichte, imposante Altartisch aus einem Kalkstein Mitteldeutschlands, die Sedes, der Ambo – das wird auf eine Idee zurückgeführt, wie sie dem 2. Vatikanum vorgeschwebt ist – und wie sie aus Interpretationen der Mahlfeiern der Antike herausgelesen werden kann.  Die Idee des Altarraumes genau im Kreuzungsbereich des Domes könnte vielleicht auch auf den Kreuzungsbereich der Straßen der Stadt Linz und OÖ hinweisen, oder auf die Sammlung des Gottesvolkes aus allen vier Himmelsrichtungen, die prinzipielle Gleichheit der Getauften.

Im Widerschein des Konkreten wird die Abstraktion einer Idee von Liturgie, Gemeinschaft, Treffpunkt, Durchzugsstraße, eingeholt. Die Wirklichkeit des Domes insgesamt, hermeneutisch aus dem 19. Jhd. heraus zu verstehen, bekommt eine zusätzliche Deutung. Generell, der gewaltige Bau, der neue Altarraum, sie sind eine fortlaufende Synthesis der Erzeugung von neuen Glaubenssymbolen, Glaubensideen –  und frühere Gebilde werden mit gegenwärtigen Bildern vereinigt.

Das nenne ich Geschichte, architektonisch gestaltete Geschichte im  begrifflichen Sinne.  Unter „begrifflichem Sinn“ verstehe ich  einen aus der positiven Offenbarung Gottes kommende Repräsentationsform des absoluten Bezugspunktes. Dieser absolute,  um alles gehende, pertinente Bezugspunkt des Verstehens von Geschichte, das ist die positive Offenbarung in JESUS CHRISTUS. Zeigt sich in der Architektur, im Altarraum, in der liturgischen Versammlung dieser  absolute Bezugspunkt?  

Im actus des Erinnerns liegt der actus eines geschichtlichen Zusammenhangs – und schon eine geraume Zeit hat der Linzer Dom den geschichtlichen Zusammenhang in unserem Land geprägt. Viele Menschen haben durch ihn Kontinuität, Halt, Geschichte erfahren. Allein schon die Entstehung verdankt sich ja der ganzen Bevölkerung von OÖ, in jeder Pfarre gab es einen Domverein usw… Ohne Kostenvoranschlag hat Bischof Rudigier begonnen!

Es liegen nicht zeitliche Dinge diskret nebeneinander, Neugotik, 19. Jhd., der halbfertige Dom beim 1. Weltkrieg, der 2. Weltkrieg, sondern zusätzlich schaffen wir einen geschichtlichen Zusammenhang der verschiedenen Epochen und identifizieren uns ein Stück weit mit dieser Architektur, mit diese Idee, mit dem Kreuzaltar vorne, mit der Marienkapelle, mit Anton Bruckner, mit dem Sel. Franz Jägerstätter, mit Mariä Empfängnis, mit der Weihe an die Gottesmutter 1944, mit Friedenswallfahrten, mit Chrisammessen……. – und vielleicht auch mit dem Vierungs-Altar.

3) Aber ganz klar ist mir die Idee hinter dem Begriff in ihrer Konkretion doch nicht geworden. Der Gemeinschaftsgedanke, die Möglichkeit des tätigen Mittuns, die Einbettung des Sakralen in der Mitte der Stadt, die gemeinsame Feier, das sind alles gute und pragmatische Gründe, einen Altarraum so auszulegen und zu gestalten, wie er jetzt aussieht, aber jetzt angefragt: Wie relevant ist heute das Sakrale im Profanen eines Stadtlebens, wie relevant das gemeinsame Feiern?

Ich weiß es nicht. Der Altar, der Ambo, die Sedes, wie bildhaft wird hier das Wesen der christlichen Offenbarungsreligion noch festgehalten? Wenn ein Altarraum im alten Syrien oder manche Kirchen in Rom oder manche Sedesbänke so ausgesehen haben, so respektiere ich das voll und ganz und traue den Christen damaliger Zeit eine existenzrelevante, werthafte Auseinandersetzung mit den Anforderungen der damaligen Zeit und der Überlieferung ihrer Glaubens zu, aber zeigt die Intention einer so modernen Altarraumgestaltung eine existenzrelevante Auseinandersetzung mit den Gefühlen, Anfragen, Zweifel unserer Zeit? 

Die Sinnidee eines Altares und eines Ambos – bei der Sedes bin ich skeptisch – ist der Rückbezug auf die positive Offenbarung und auf die Hl. Schrift als pertinenter Bestimmungsgrund sichtbar? Rein historische Auskünfte sind  noch keine Argumente.1  

4) Letztlich geht es doch darum, dass unsere Kirche so etwas wie „Gotteserfahrung“ ermöglichen soll, sei es für den einzelnen stillen Beter, wenn er ganz alleine in der Kirche ist, oder für mehrere Personen in einer liturgischen Feier: Ich lasse mich jetzt vom Wort „Repräsentation“ leiten: Dieses Wort ist manchmal umstritten, aber mangels eines besseren Paradigmas, wie ich den Sinn eines Altares und des ganzen Feierraumes und auch einer liturgischen Rolle (des Priesters, des Bischofs) beschreiben soll, bleibe ich einmal dabei. Der komplizierte Begriff hat den Vorteil, dass in ihm ein religiöser, göttlicher Anspruch zum Ausdruck kommt, eine göttliche und interpersonale Forderung, die in einer rein kunsttheoretischen und historischen Betrachtung zwar enthalten sein mag, aber noch nicht ausdrücklich enthalten sein muss.  Es kann und soll etwas repräsentiert werden – durch die Architektur, durch den Raum, durch die Zeichen, durch den Vorsteher. In einem Museum spricht uns vielleicht auch ein Bild an, dann repräsentiert es bereits etwas, aber prinzipiell ist der Anspruch dort „niederschwelliger“.  Meine Frage wiederum: Wird durch die neue Altarraumgestaltung etwas re-präsentiert? Der pertinente, absolute Bestimmungsgrund unseres Feierns, die lebendige Erinnerung an die Erlösung durch Jesus Christus, die lebendige Erinnerung einer bleibenden Hoffnung, die lebendige Erinnerung einer über die Zeiten hinweg zusammengehörenden, geistgewirkten Gemeinschaft – kommt das  zum Ausdruck? 

Dazu möchte ich mich hypothetisch leiten lassen von einem „entymemischen“ (oder entymematischen) Verfahren, wie es die STOA oder das spätere Mittelalter oder DESCARTES gepflogen haben: Das Denken in „Entymema“ ist ein rhetorisches Verfahren, wodurch durch analogisierendes und nachvollziehendes Denken eine Erkenntnis hergestellt wird, die anders gar nicht hätte gefunden werden können. Der Mittelbegriff in einem Schlussverfahren von terminus maior und terminus minor ist das argumentum, das als einleuchtende, intuierende Einsicht in jedem/jeder, der/die diesen Erkenntnisschritt mitvollzieht, sich von selbst einstellt und bewährt (oder bescheidener gesagt, einstellen und bewähren kann). Die Einheit der Erkenntnis, worin das Wissen mit dem Sein zusammenfällt und das Wissen sich im Bilde durch das wahrhafte Bild-Sein bewährt, kann natürlich nicht bloß faktisch und  historisch festgestellt werden, denn dann entfiele die ganze selbsttätige Evidenz. Sie kann nur individuell und im Gewissen verantwortet  nachvollzogen und innerlich eingeschaut und überprüft werden.2

In einem christlichen Altarraum mit Tisch/Altar, Ambo, Sedes,  in der ganzen Architektur eines Kirchenbaus, müsste für einen Eintretenden (vielleicht sogar Neuheiden) die Hermeneutik des Verstehens sofort anspringen, ohne dass er jetzt viel gehört hätte über Gotik, Neugotik, Romanik, 2. Vatikanum, ja nicht einmal über die biblische Überlieferung oder Jesus Christus.  Das erkenntniskritische und zeitüberhobene, apriorische argumentum eines Altarraumes ist, so möchte ich es hier zusammenfassen, die repräsentatio dei“, die lebendige Einschau in die Gegenwart Gottes. Die „repräsentatio“ ist das argumentum als schlusstiftender Mittelbegriff, die die Architektur, den Kirchenraum, den Altarraum, die liturgische Feier, zusammenhält. 

Stellt sich diese Erkenntnis als evidierender Rückbezug in einem  geschichtlichen Zusammenhang von Erlösung, Glauben an einen Gott, Glauben an den Hl. Geist, geschwisterliche Kirche mit gleichberechtigten Mitgliedern usw., unmittelbar (unbewusst) sofort ein, wenn man den heiligen Raum betritt? Die kirchliche Hierarchie, die geschwisterliche, liebende Gemeinschaft, die Sakramente, das Sakrale – und wir dürfen folgern –  die liturgischen Räume, der Kirchenbau, die Kunst und Architektur – alles soll der „repräsentatio dei“ dienen und die lebendige Erinnerung an Jesus Christus wecken. Alles möge eine mystisch-existentielle und sittlich-praktische Teilnahme und Teilhabe eröffnen (in einem quasi entymemischen Verfahren.)  Beim Symposion fiel z. B. das schöne Wort: „Der Mensch wird von außen nach innen gebaut. Es braucht anspruchsvolle Räume, die Ehrfurcht einfordern.“
Das ist zweifellos durch den Linzer Dom gegeben. An wie viele schöne Feiern denke ich! An welche großartige Musik! An die Erhabenheit des Raumes, an die Fenster, an die Säulen…… Repräsentation in zweierlei Hinsicht: Gottes Nähe wie Gottes Ferne.  

5) Die neue Anordnung von Altar, Ambo, Sedes (d. h. zweifacher Sedes) –  hat das aber nicht, wenn es erlaubt ist zu fragen und das zu sagen, etwas Dogmatisches und dekretal Kirchenrechtliches an sich?   So ist es in unserer katholischen Hierarchie – heute sagt man auch gerne, in unserem „Organigramm“: Christus im Altar – Christus im Ambo (das Wort Gottes)  – und der Vorsitz – hier in Linz zweifach, als Auszeichnung einer bischöflichen Kathedralkirche und als Auszeichnung des zelebrierenden Priesters.  

Die „repräsentatio dei“ in der geschwisterlichen Gemeinde, in einem Altarraum, in der Architektur, in der Kunst, in den Riten, das darf sein und muss sein, wenn wir von einem dreifaltigen Gottesbild ausgehen, von der Inkarnation Gottes in Jesus Christus sprechen, von der beständigen Nähe Gottes in Zeit und Geschichte, aber kann sie ebenfalls durch eine Sedes zum Ausdruck kommen? 

Der Begriff „Repräsentation“, wenn er denn wahr und gültig sein soll,  sozusagen entymemisch erfahrbar, er enthält  m. E.  eine dauernde,  konstitutive Differenz zum transzendenten, unbegreiflichen Gott in sich. Ohne den unbegreiflichen Gott wäre keine Repräsentation. Wenn wir als Gemeinschaft im actualen Vollzug oder der einzelne Priester in der Feier der Eucharistie  eine „repräsentatio dei“ sein wollen,  braucht es dafür eine künstlerisch stark hervorgehobene Sedes?  War JESUS so von der Sedes beeindruckt?  

Die Idee einer gelungenen und zugleich differentiellen Repräsentation haben Millionen Gläubige von OÖ im Linzer Dom schon erlebt, im Gebet, in der Musik, in der Architektur und Kunst, in den liturgischen Feiern. Der Linzer Dom war und ist ein Ereignis. Der neue Altarraum – ist die konstitutive Differenz zum repräsentierenden Inhalt jetzt gewahrt, gefördert, oder ist sie ein Stück weit auf menschliche Begriffe wie „Sedes“, Vorsitz und kirchliche Hierarchie herabgestuft?  

30. 10. 2017

© Franz Strasser

1Ich habe hier schon meine Erfahrungen gemacht mit „historischen“ Argumenten. Mit transzendentalen, ideellen Argumenten kommst du gegen die bürokratischen und historischen Argumente eines BDA nicht an. Ein Beispiel war auch zu hören bei dieser Tagung: Es erzählte z. B. eine Architektin aus Berlin, dass die Neugestaltung der St. Hedwigs-Kathedrale seit zwei/drei Jahren stagniert, weil das Denkmalamt dagegen ist. Transzendentale versus historische Argumente möchte ich sagen. Ohne lebendige Übersetzung der absoluten Sinnidee in Kunst und Architektur geht es nicht, aber auch umgekehrt: die Kunst speist sich vom Begriff des Prinzipiellen im Konkreten. Transzendentale Bestimmungsgründe unseres Glaubens und ästhetische Deutungen unseres Glaubens gehören eng zusammen, das Prinzipielle muss im Konkreten sichtbar sein. Wenn nur mehr Historisches kolportiert wird ohne ideellen Sinn-Bezug und Zusammenhang, erlischt selbst das Historische.  

2Natürlich ließen sich hier viele Parallelen der Philosophiegeschichte aufzählen, nicht nur die hier von mir genannten. Man denke an die Idee des Guten bei PLATON, an das argumentum bei ANSELM, an die transzendentale Freiheit bei KANT usw. Das verkürzende Verfahren zwecks Gewinnung einer eigenen Anschauung und Erkenntnis nenne ich den Gebrauch eines „entymemischen“ (oder entymematischen) Verfahrens. Es gäbe auch eine schlechte Art und Weise eines „entymemischen“ Verfahren, wenn die ausgelassenen Argumente im Resultat das  Ausgeblendete absichtlich etwas verfälschen oder vergessen lassen wollen, um eine Teilerkenntnis zur Erkenntnis des Ganzen hochzustilisieren. Das ist dann Sophismus. Viele Einzelwissenschaften arbeiten so. Sie erzielen Teilerkenntnisse, leiten aber daraus allgemeine Prinzipien ab, die sie auf die ganze Wirklichkeit umlegen. Wenn es um den Begriff der „repräsentatio dei“ gehen soll, so soll eine Notwendigkeit im Denken selbst liegen, diese Repräsentation zu realisieren. Ich nehme mit dem Wort „entymemisch“ Bezug auf Vorlesungen von Prof. R. LAUTH bzw. Literatur von K. HAMMACHER. Letzterer siehe z. B. in: Sein, Reflexion, Freiheit. Hrsg. v. C. Asmuth, 1997, 115- 141 (bes. S 127f).

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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser