Schöpfungserzählung 2. Teil, der substantielle Denk- und Selbstbestimmungsakt und die Zeitvorstellung

Um zum zeitlosenIm Anfang“ von Gen 1, 1 aufzusteigen, ist es notwendig, den Ursprung der Zeitvorstellung zu erreichen:

1) FICHTE setzt in § 3 seines NATURRECHTS 1796 mit dem als Zirkel beschriebenen Verhältnis von zwecksetzender freier Wirksamkeit und Objektvorstellung an – kein Handeln ohne Zweckbegriff, kein Zweckbegriff ohne Handeln – in dem sich ein endliches Vernunftwesen („Subjekt“) als dem Ausgangspunkt seiner freien Wirksamkeit anfänglich befindet. Die Objektvorstellung, (die Welt, die Schöpfung) geht der freien Wirksamkeit (des Vernunftwesens) als Ermöglichungsbedingung, d. h. als Sphäre für seiner freie Wahl zeitlich voraus. Denn sonst wäre dem Subjekt nichts gegeben, woraus es für seinen Zweckentwurf und seine freie Entscheidung auswählen könnte. Umgekehrt gehen aber Wirksamkeit und Zweckentwurf der Objektvorstellung als Ermöglichungsbedingung zeitlich voraus, denn wenn sich die Freiheit nicht zuwendet und attendiert, ist ihre keine Sphäre für ihre freie Wahl gegeben. Eines führt aufs andere als seine Konstitutionsbedingung  zurück. Es gibt keinen zeitlichen Anfang des Bewusstseins und der Freiheitsvorstellung. Daraus folgert FICHTE, nicht deduktiv, sondern in synthetischer, eine weitere Konstitutionsbedingung hinzupostulierender Methode, die freie Wirksamkeit muss mit der Objektvorstellung zugleich, also ohne Dazwischentreten von Zeit erfasst werden, damit das Subjekt sie sich zuschreiben kann. Dies ist nur möglich, wenn die freie Wirksamkeit mit und in der Objektvorstellung zugleich mitgegeben wird, also dem Subjekte gegeben wird. FICHTE nennt es ein „Bestimmtseyn des Subjekts zur Selbstbestimmung, eine Aufforderung an dasselbe, sich zu einer Wirksamkeit zu entschließen.“ (SW, III, 33) ( GA I, 3, 343) (Hervorhebung von mir)

Die niederste Form des Willens ist der deliberierende, das heißt beratschlagende und erwägende Wille, der alternativ-freie Wille, der aus der Unentschiedenheit übergeht zur Bestimmtheit seiner durch sich selbst, zum Wollen in actu. (GA IV, 2 113f; 134; 188;) Davon ist dann zu unterscheiden – und das ist die großartige Herausarbeitung der Wlnm 1796/97 bis § 12/13 – der prädeliberative Wille, der durch sich selbst bestimmte, reine Wille. 1 Es liegt dem deliberierenden, übergehenden Willen ein prädeliberativer Wille zugrunde, der als substantieller Denk- und Selbstbestimmungsakt verstanden werden muss. Dieser prädeliberative Wille ist ein konstitutiver Vernunftakt im empirischen Ich, ein vorbewusster Ichakt, ein vor aller Zeit geschaffener Selbstbewusstseins- und Selbstbestimmungsakt. „Erst auf dieser Basis kann es dann zu einem deliberativen Selbstbestimmen und dem ihm inhärenten zeitlichen Übergang kommen.“ 2

2) F. BADER führt diesen substantiellen Denk- und Selbstbestimmungsakt anhand des prädeliberativen Willens in der Wlnm weiter aus: In jedem faktischen Vollzug des Willens bewährt sich das Sein eines prädeliberativ gewussten Wollens, das „unum argumentum“ des ANSELMS. 3 Ich muss immer schon zu Bedingungen dieses Wollens übergehen können, muss wissen können, was „Wollen“ heißt, wenn ich will. Ich muss in meinem Übergehen, überzeitlich, prädeliberativ schon konstitutiert sein.4

Es ist dies keine neue Lehre, sondern das bei PLATON wiederholt angesprochene „apriorische Vorwissen“, die Einheit von Denken und Sein. 5 Ich kann mich als Individuum und andere als Individuen gar nicht wissen, wenn ich nicht ein apriorisches Vorwissen der Vernunfteinheit (in der WL 1801/02 spricht FICHTE von „universeller Vernunft“) als solcher besitze. Ich muss die Einheit wissen können, aus der ich mich als besondere Einheit ausgrenze; die Korrelation muss dabei immer schon ermöglicht und offen sein. Ließe sich das nur regulativ denken, sozusagen Gott nur als „regulative Idee“ ansetzen, wäre die Vernunfteinheit nicht konstitutiv; ich wüsste nicht um meine Individualität und nicht um die Individualität anderer. Ich muss mich (und andere) in der Vernunfteinheit von vornherein wissen können und in weiterer Folge die gemeinsame Welt und gemeinsame Zeit.

Die Vernunfteinheit oder „universelle Vernunft“ ist dabei als solche Vollzug. Sie denkt allaugenblicklich in uns und nimmt relativ zu uns bestimmte Ansichten ein – und wir nehmen als Individuen relative Ansichten zu ihr ein. Die Individualität des einzelnen Menschen ist dabei nicht solcherart in der Einheit der Vernunft eingeschlossen, dass das Individuum dadurch in einem implikationslogischen Verhältnis determiniert wäre; das Verhältnis ist ein Aufforderungs – und Aufgabeverhältnis, erscheinend unter uns und für uns. Wir sind Ausgliederungen der Vernunfteinheit in der Form eines Aufrufs, welcher Aufruf uns zugleich frei lässt als individuierte Vernunftwesen. Das geistige Schauen und Erkennen des prädeliberativen Willens wird dabei nicht verdoppelt zum empirischen, deliberierenden Willen hinzugesetzt, sondern mittels diskursiver Schritte wird schematisierend die Wirklichkeit der sinnlichen wie der intelligiblen Natur bestimmt, d. h. ihre kategoriale Bestimmung abgeleitet und gerechtfertigt aus der Grundbestimmung des reinen Willens. Der reine Wille schematisiert sich zur Vollendung in die Zeitform hinein. Die interpersonal sich ausschematisierende Aufgabe ist und bleibt auch in der Zeitform die eine, zeitlose, überzeitliche, transzendentale Lichtheit und Helligkeit ihrer selbst, die sich als selbstständige Quelle der Wahrheit und des Gutseins (als Zurückkunft des GEISTES in einem bestimmten Wissen) durchhält. Das Quale dieser Lichtheit ist untrüglich und absolut recht; sie erlischt auch nicht als lebens- und lichtzeugende Quelle durch die Zeit hindurch und kann in der Zeit nicht erschöpft werden, weil sie aus der Selbstbeschränkung des reinen Willens selber kommt. Der reine Wille „procreirt“, wie FICHTE in der WL 1801/02 sagt, die Zeit als Form seiner Selbsteinschränkung und als Form des Schöpfertums, sich unter zeitlichen Bedingungen zu verwirklichen.

M. a. W.: Die formale und materiale Bestimmtheit der Welt (=der Schöpfung), wie sie der Hymnus Gen 1 erzählt, ist hervorgehend aus einer prädeliberativen Konstitutions- und Willensordnung, ist weder mythenhaft-verklärte, göttlich-emanierende Natur,  noch historisch-determiniertes Kausalgeschehen; sie ist auch nicht anonyme, böse Macht – wie die Manichäer glaubten – oder wertfreie, ausbeutbare Masse gewissenloser Vernunftwesen. Die Schöpfung als solche, mit dieser Prädikat, ist apriorisches Vorwissen,   Ur-Aufforderung durch Gott, damit Freiheit als mitkonstituierende Bedingung in jedem spezifischen Sein  miteinfließen  und realisiert werden kann.  

3) In das Wort Gen 1, 1 „Im Anfang“ wird oft eine zeitliche Prozessualität hineingelegt, sodass einerseits Gott selbst verendlicht wird und in einer Art Emanation sich mitteilt, oder umgekehrt, die Schöpfung als von Gott ganz losgelöst, ab-solut immanent und a-theistisch (naturalistisch) gesehen wird. Die Existenzialphilosophie des letzten Jahrhunderts hat ihr Übriges getan, die Wahrheit zu verzeitlichen! Man kann den Widerspruch konstruieren, „Beginn ist nicht Anfang“, wie im Aufsatz von H. Lüssy  beschrieben (siehe Anm.)6, aber damit ist das Problem rational nicht erklärt, wie eine zeitliche Sicht zusammen mit einem zeitlosen Schöpfungsakt bestehen kann.

Das Problem des zeitlichen Anfangs vermag auch  KANT nicht zu lösen. Er behilft sich mittels einer Differenzierung in Erscheinungswelt, worin alles unter den Prämissen der Zeitanschauung und der Raumanschauung fällt, und einer dahinterliegenden intelligiblen Welt. Die Vernunft täuscht uns im dialektischen Schein, wenn wir über intelligible Dinge, wie z. B. über den Begriff eines (absoluten) Anfangs etwas sagen wollen, denn wir haben nur Begriffe von sinnlichen Erscheinungen. Der Verstand bleibt auf die sinnlichen Anschauungsformen restringiert. (Siehe diverse Blogs von mir zu Kant). Das ist  aber einerseits ein idealistisches Prinzip, die Vorstellungen von Zeit und Raum sollen bloß von uns und für uns gelten, andererseits ein realistisches Prinzip, die Erscheinungen sind doch nicht bloßer Schein, sondern haben ein reales Substrat. Gibt es eine Herleitung dieses Wechsels? FICHTE wird später einmal sagen, KANT habe die Frage der Antinomien zwar gut gestellt, aber schlecht gelöst (WL 1804), denn der Grund der Differenzierung zwischen Erscheinungswelt (Phänomenalität der Dinge) und realer Welt (das „Ding an sich“) ist von KANT nicht eingesehen. Vielmehr wird von vornherein ein idealistisch-realistischer Wechsel angenommen. Die Welt ist einmal bloß erscheinend, dann wieder real existierend. Das Ich der transzendentalen Apperzeption (nach KANT) synthetisiert die Erscheinungen dieser Welt in eine abstrakte Einheit hinein, zu der die reale Welt dahinter realistisch, uneingesehen hinzupostuliert werden muss. Hier das Zitat der Zeitantinomie nach KANT. Die Zeitantinomie und die indirekt dazugehörende Teilungsantinomie – sie lassen sich nicht  nach falsch und nicht nach wahr auflösen.

  1. Antinomie

    • Die Welt hat einen Anfang in der Zeit, und ist dem Raum nach auch in Grenzen eingeschlossen.

    • Die Welt hat keinen Anfang und keine Grenzen im Raume, sondern ist, sowohl in Ansehung der Zeit, als auch des Raums, unendlich.

Die Zeitantinomie, um sie noch etwas weiter zu problematisieren, könnte auch  in Hinblick auf die mathematische Antinomie dahingehend verstanden werden, dass gefraft wird: Wie wird gezählt? Wie komme ich von der Eins zur  Zwei?
Existiert die Zwei noch vor dem Zählen, oder erreiche ich die Zwei erst durch das Zählen, durch die Wiederholung von Eins?
Nach der bekannten Definition „Zeit ist das Maß der Bewegung“ (ARISTOTELES) – kann ich den gesuchten Übergang  – hier die Frage: zeitloser Schöpfergott/zeitliche Schöpfung –  durch den Maßbegriff erreichen? Woher aber das Maß?  Muss ich nicht schon apriorisch wissen, was ein Maß ist, was  Zahlen sind, damit ich sie zu einer logischen Herleitung und Menge zusammenzählen kann? Sobald ich der Eins etwas entgegensetze, bekomme ich eine zweite Eins und dieser zweiten Eins muss ich eine dritte Eins entgegensetzen u. s. w. ins Unendliche.
Sobald ich zu zählen anfange, komme ich zur Unbegrenztheit und Unendlichkeit, und habe den absoluten ersten Anfang wieder verfehlt. 7 Nach KANT lässt sich die Antinomie, es gibt einen Anfang/es gibt keinen Anfang, mit Verweis auf die Täuschungsmanöver unserer Vernunft und dem dialektischen Schein nicht befriedigend lösen. Also kann man einen absoluten Anfang nicht denken.

Kants erkenntniskritisch erscheinende Behauptung ist dogmatischer Realismus! Es ist nur ein „relativ transzendentaler Ansatz“8.
Der behauptete Wechsel der Ansicht
Erscheinungswelt/reale Welt ist eine von KANT selbst eingenommene, unausgewiesene Position und bedingt einerseits eine Verabsolutierung des Denkaktes, andererseits eine realistische Auffassung z. B. des Anfangs oder der Gottesidee (der „intelligiblen Welt dahinter“), wodurch der Anfang oder die Gottesidee nolens volens selbst verendlicht und verzeitet wird. KANT spricht hier von einer „regulativen“ Idee der Welt oder des Gottesbegriffes (KrV B 599 – 611; 642 – 648), aber was sind die Bedingungen der Wissbarkeit derselben Idee, wenn sie doch nicht mit endlichem Verstand begriffen werden kann? Irgendwie wird sie ja doch begriffen! „Nach Kant ist unserem endlichen Wissen ein konstitutives Wissen von Gott als absoluter Vernunft verschlossen, denn das endliche Wissen relationiert und relativiert alles in ihm Gewußte.“9 ? Ich muss ein konstitutives, apriorisches Vorwissen von Gott haben können, zumindest implizit, wie es ebenfalls in der Philosophiegeschichte oft formuliert worden ist, aber hier von KANT abgelehnt wird.

Transzendentalkritisch und erkenntnistheoretisch nach PLATON, ANSELM, DESCARTES, FICHTE muss gesagt werden, dass a) die Bedingungen der Begreifbarkeit des endlichen Wissens nur durch ein absolutes Wissen abgeleitet werden können und b) die „regulative“ Idee von Gott als bloßes Regulativ  selbst von einer unbedingten Idee aus deduziert werden muss, um als „regulative Idee“  qualifiziert werden zu können. KANT ließ diese Fragen offen, obwohl er z. B. in dem Gedanken des „transzendentalen Ideals“ diese unbedingte Idee schön formuliert hatte (KrV, B 605-607). Ein nicht vollständig durchgeführter transzendentaler Ansatz (wie hier bei KANT) führt aber zu einem dogmatischen, unbewiesenen Realismus bzw. treibt einen beständigen Wechsel zwischen idealistischen und realistischen Positionen hervor. Weder darf die in der Selbstbezüglichkeit der Vernunft liegende Gottesidee relativiert werden, als müsse Gott sich darin selbst verendlichen, noch darf umgekehrt die Selbstbezüglichkeit der Vernunft verabsolutiert werden, denn sie bleibt als Reflexivität des Wissens abhängig vom Reflex eines vorauszusetzenden und es bedingenden Absoluten, d. h. seiner Sich-Erscheinung im Bildsein der Freiheit.

4) Sobald ich bildlich einen  „Punkt“ vorstelle, hier den absoluten Anfang punktuell fassen möchte, geht die Einbildungskraft zu einer Vereinigung der Gegensätze von Punkt und Linie über, sie schwebt im Hin und Her der unterschiedenen, aber nicht wohlunterschiedenen Gegensätze, und vereint sie zu einer  appositionellen Synthesis.  Die Selbstbezüglichkeit des Wissens wird aber damit im übergehenden Willen zu einer erscheinungsmäßigen, verobjektivierten Reflexion, mithin entsteht eine Verzeitung und Verräumlichung des Punktes. 

Der Text Gen 1 wahrt unübertrefflich die Unableitbarkeit des „Punktes“, die Genetisierung der unableitbaren Erscheinung (Schöpfung) aus dem Absoluten – und kennt doch den „procreierenden,   reinen, prädeliberativen Willen dahinter, der sich in seinem Übergehen öffnet zu einer Verzeitlichung und Versinnlichung und Verobjektivierung  im Bilden der Freiheit auf Basis der Vernunftevidenz, Geschichtsevidenz und Sinnevidenz. Implikative Grund-Folge-Ordnung der Erscheinung  und appositionelle und initiatorische Aufforderungs- und Aufruf-Ordnung  gehen zusammen und  ergeben die zeitliche und räumliche Schematisierung dieser Erscheinung, genetisiert aus der Ur-Erscheinung des Absoluten. Der absolute Anfang der Zeit disjungiert sich in die Spontaneität des einmaligen, absolut faktischen Anfangs und in das ursprüngliche Anfangen der Zeitfaktizität und ihrer Folgen.


Diese Zeitfaktizität  könnte  jetzt ausführlicher beschreiben werden. Ich verweise  – weil es nur ein kurzer Blog sein kann –  auf Literatur wie z. B. bei J. Widmann, Grundstruktur des transzendentalen Wissens, ebd. S 279 – 286. 

Der Hymnus Gen 1 gibt sogar einen einzigartigen Schlüssel für die Erfassung der Zeit an die Hand, weil er ein Schema der Zeit kennt, sowohl was den Wandel betrifft, „Tag und Nacht“, wie zugleich eine zeitlose Ewigkeit, eine Feier der  Unwandelbarkeit, den „Sabbat“. Das Schema spiegelt das Wesen und die Aufgabe des Menschen wider. Er ist eingebettet (in seiner unwandelbaren Wandelbarkeit und seinem beständigen Werden) in die Bestimmungen von Tag und Nacht, in den Wandel von Kommen und Gehen – aber zugleich zu einer bleibende Ewigkeit und Ruhe und Feier bestimmt, ausgedrückt in diesem Bild vom Ruhen am Sabbat: Gen 2, 2 Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte.

Gen 1 knüpft die Zeit und den Ablauf der Zeit (den Wandel) durch ein Schemaim Begriff des „Schemas“ liegt eine allgemeinbegriffliche Vereinheitlichung, ein Regel der Bestimmung der Anschauung nach einem Begriffe, hier der Begriff eines durch sich selbst bestimmten, prädeliberativen Willens – an einen absoluten Anfang an, wodurch einerseits Zeit, wie andererseits Ewigkeit (oder besser Zeitlosigkeit), aneinander gebunden werden können. Einfach genial. Hätten die Autoren nicht das Schema gekannt, hätten sie den Begriff eines absoluten Anfangs nicht gefunden.

Wie die Zeit transzendentalphilosophisch genauer  bestimmt werden kann, siehe dazu  J. Widmann. 10  

So liegt einerseits eine ungeheure  Dynamik in diesem Sechs-Tage-Werk und zugleich eine beständige Ruhe und Ausgeglichenheit, ein Anknüpfen an die Unwandelbarkeit Gottes im Schema und im Bild des Siebten Tages. So darf gefolgert werden, was ich aber selber noch mehr begründen müsste, das ist heilige, sakramentale Schöpfungsordnung: Der Mensch darf einmal  nach dem Wandel seiner Zustände, dem Wandel der Tage und Nächte, dem Sechstagewerk, und nach der Zahl seiner Jahre, ausruhen. Am 7. Tag gibt es dann keinen Abend und keinen Morgen mehr, vielmehr breitet sich der Segen Gottes aus: Gen 2, 3 „Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk erschaffen hatte.“

(Mein Begriff „sakramentale Schöpfungsordnung“ ist nur ein momentaner Hilfsausdruck und müsste mehr begründet werden. Ergänzen möchte ich noch das schöne Bild und Schema des christlichen Glaubens: Der Sabbat wird christlich durch die Auferstehung JESU abgelöst, sodass sozusagen eine doppelte Schöpfungsordnung einkehrt, Sabbat und Neu-Schöpfung am 8. Tag.)

Welch ein Gegensatz zur negativen Anthropologie von heute: Der Mensch ist dort unbestimmt, nervös, in uneasiness oder inquiétude gefangen u. a. m. Dazu die vielen physikalischen Vorstellungen vom sich ausbreitenden Universum in unendlicher Geschwindigkeit, von purem Zufall etc… wie sollte sich der Mensch noch erschaffen fühlen und zur Ruhe kommen können, irgendwo ankommen und zu Hause sein?

In Gen 1 ist der Mensch beides, zeitlich und vergänglich – und ewig geschaffen, fremd (in Babylon?) und doch zu Hause.  Er fristet seine Tage zeitlich, und ist doch zur Ewigkeit erschaffen, woran er sich an jedem Sabbat/Sonntag  (auf fremder Erde)  erinnern kann.  

(c) Franz Strasser, 15. 10. 2015

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1WLnm, siehe z.B. (GA IV 2, 134. 135) „(es gibt kein Übergehen mehr vom Bestimmbaren zum Bestimmten), sondern ein reines wollen (…), das die Erkenntniß seines Objekt(s) nicht erst voraussezt sondern gleich bey sich führt, dem kein Objekt gegeben ist, sondern das es sich selbst giebt, das auf keine Berathschlagung (/) sich gründet, sondern das ursprünglich u. reines wollen ist – u. ohne alles zuthun als empirischen Wesen (,) bestimmte(s) wollen, es ist ein Fodern – aus diesem wollen geht alles empirische wollen erst hervor.“

2F. BADER, Zu Fichtes Lehre vom prädeliberativen Willen, in: Transzendentalphilosophie als System, hrsg. v. ALBERT MUES, Hamburg 1989, 215.

3F. BADER, ebd. S 216 – 226.

4In der WLnm hört sich das so an:

Dieses Übergehen u.Fließen – muß daher in jenem Wollen als intellectuell angeschaut und ganz und gar weg gedacht werden; es bleibt uns also blos die Anschauung unserer (sc. konstituierten) BESTIMMTHEIT übrig, die da ist aber nicht wird.“ (§ 12, ebd. 134)

Durch das discursive Denken wird dieses (sc. prädeliberative) Wollen daurend, und dadurch entsteht uns die Zeit, obgleich mein (sc. prädeliberatives) Wollen in keiner Zeit ist, denn es ist nicht (sc. durch zeitlich vorhergehende Faktoren ) bedingt.“ (§ 12, ebd. 126).

5„Notwendig also kennen wir das Gleiche schon vor jener Zeit, als wir zuerst, gleiches erblickend, bemerkten, daß alles dergleichen strebe zu sein wie das Gleiche, aber doch dahinter zurückbleibe?“ (vgl. ebd. „Phaidon“, S 75a)

6In einer symbolorientieren Auslegung, die ich aber nicht genau überprüfen kann, wird m. E. richtig erkannt, dass mit dem Wort „Anfang“ nicht ein zeitlicher Beginn gemeint sein kann, sondern ein transzendent-immanentes, zeitloses Verhältnis – so deute ich die Aussage von H. Lüssy – siehe online Quelle: „ Gehört nun der Anfang selber auch zur geschaffenen Zweiheit, muss er nicht vielmehr als das Prinzip von allem, was existiert, eines sein? Einer solchen vorsokratisch griechischen Deutung der Schöpfung wehrt die Exegese der Tora, indem sie ernst nimmt, dass der erste Buchstabe darin Bet, eine Zwei ist, nicht Alef, die Eins. – בראשית ברא אלהים את השמים ואת הארץ :Genesis 1, 1 lautet auf hebräisch „bereschit bara elohim et haschamaijim weet haarez“. Die Reihenfolge der ersten Buchstaben der ersten vier Wörter ist demnach: Bet Bet Alef Alef, oder nach dem Zahlenwert: 2 2 1 1. ראשית – reschit, Anfang, ist ein feminines Abstraktum zum Substantiv ראש – rosch, was ›Kopf‹ heißt. Diese Ableitung von einem Substantiv nach Analogie der Adjektivabstrakta ist selten. Als Zeitangabe erscheint das Wort mit vorgestellter Präposition und ohne Artikel: b-, wörtlich demnach: In–Anfang. Solche präpositionalen Zeitbestimmungen stehen in der Regel vor dem Prädikat. Die Wortstellung im biblischen Satz entspricht also der syntaktischen Regel. Soweit zur Wortbildung und Grammatik. Im Talmud wird die Fügung bereschit als ein eigenes Substantiv genommen, das ›Schöpfung‹, ›Urzeit‹ heißt, ferner ›Erstling‹, ›Bestes‹. Jeder dieser Begriffe setzt, ebenso wie der Kopf den Rumpf, eine von ihm abhängige Folge bereits voraus. Der letzte Buchstabe des Worts ת – taw ist der letzte Buchstabe des Alefbets und deutet hier an, dass dem Beginn bereits das Ende innewohnt. Im Beginn steckt, wenn wir die Etymologie von bereschit mithören, demnach der Kopf des Wesens, das nachfolgt, und es wäre untunlich, den Kopf vom Rumpf zu trennen, wie denn – wie Friedrich Weinreb in diesem Zusammenhang pointiert – das Enthaupten eine »sehr prinzipielle Angelegenheit« ist. Dass der ganze Text Genesis 1 hinsichtlich der Reihenfolge feinsinnig verfährt, beweist der Refrain zum ersten Schöpfungstag. Es heißt: Und es ward Abend und ward Morgen: ein Tag (אחד יום – iom echad), nicht »der erste Tag« (das wäre ראשון יום – iom rischon; in rischon steckt rosch, ›Kopf‹), denn die Ordnungszahl würde eine bestehende Reihe bereits voraussetzen.“ Der hebräische Buchstabe „Bet“ als Zwei offenbart sehr schön die transzendentale Differenz zwischen Gott und der Schöpfung, dass das Prinzip der Schöpfung nochmals über der Schöpfung ist, Grund einer Folge, aber nicht verdoppelte Zwei, unendliche Zwei.

7 Mit dem Begriff der Schöpfung wurden weitere Begriffe mitgesetzt gedacht: die Schöpfung durch die Thora, der ewige Logos (Joh 1), die   chokmah (=sophia), die schechina  (Einwohnung) usw.
Eine Zählung in das Wort hinzubringen – siehe Anm. 6 bei Lüssy – , wäre gerade verkehrt. Eine Trinität als mathematische Reihe zu denken, wäre ebenfalls falsch  und  würde die begriffsscharfe  Einheit des einen Gottes, der sein Volk aus Ägypten befreit hat, wieder verlieren.  

8F. Bader, Die Ursprünge der Transzendentalphilosophie bei Descartes. Erster Band: Genese und Systematik der Methodenreflexion. Bonn, Bouvier. 1979, 235.

9F. Bader, ebd., S 235.

10J. Widmann, Die Grundstruktur des transzendentalen Wissens nach Joh. Gottl. Fichtes Wissenschaftslehre 1804/2, Hamburg, 1977, 279 – 286. „Dieser absolute Anfang faktischer Zeit kann vor sich keine faktische Zeit haben, sonst wäre er nicht ihr Anfang. Ebenso wenig kann er selbst vor – im Sinne von außerhalb – der Zeitreihe liegen, sonst wäre er nicht Moment der Zeitreihe. Als Anfang der Zeitreihe ist er nicht nur erstes Zeitmoment der Faktizität, sondern ineins erstes Moment zeitlichen Geschehens. Er muss in seiner anfänglichen Faktizität durchdrungen sein von dem kontinuitätsstiftenden Movens der Zeit – anders würde er nicht zum Kontinuum des Zeitgeschehens gehören. Als Anfang faktischer Zeitgenesis ist er allerdings nicht schon Resultat aus dieser faktischen Genesis; in ihm beginnt erst das Erzeugen von Faktizität überhaupt. So ist er selbst noch nichts fertig Geschaffenes, nicht vollständige Faktizitätsgenesis, sondern nur erstes Teilmoment (Zl) sich verwirklichender Faktizitätsgenesis. (…) „ S 280.

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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser