1) In einem komplexen Aufbau von empirischem Sinn, Einbildungskraft und Apperzeption (KrV A 115) ist für KANT eine objektive Erkenntnis möglich. Die letzte Übereinstimmung von Denken und Sein (traditionell als „Wahrheit“ definiert, adäquatio rei et intellectus) liegt dabei nach KANT in einer Verhältnisbestimmung von Begriffen a priori einerseits und Gegenständen sinnlicher Erfahrung andererseits.1
Ich zitiere der Kürze halber das Problem nach P. Tschirner: „Es geht nicht darum, die zwölf Verstandeskategorien aus dem Ich abzuleiten, wie die Überschrift des Abschnitts „Von der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe“ in der Kritik der reinen Vernunft vermuten läßt, sondern es geht um die Klärung des Verhältnisses zwischen der Anwendung der Kategorien und der Kontinuität im Verstehensvollzug. Die Kategorien sind die Regeln des Verstandes bzw. Vollzugsformen, das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung zu synthetisieren. „Der Verstand ist selbst nichts weiter, als das Vermögen, a priori zu verbinden und […] unter die Einheit der Apperception zu bringen, welcher Grundsatz der oberste im ganzen menschlichen Erkenntnis ist.“ (KrV B, 135) Die Synthesis oder das Verbinden des Verstandes ist nichts anderes, „als die Einheit der Handlung“ (KrV B 153). Das „Ich denke“ ist zum einen Ausdruck der Kontinuität im Verstehensvollzug bei den wechselnden Vorstellungen und zum anderen der Garant für die Einheit und Identität von Bewusstsein und Gegenstand. So wie das Bewusstsein durch die Apperzeption eine Einheit ist, indem das Mannigfaltige zu einer Einheit verbunden wird, wird diese Einheit in der Einheit des empirischen Gegenstandes abgebildet, d.h. von der Einheit eines Gegenstandes kann erst aufgrund der Einheit des Bewusstseins gesprochen werden. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass Kant in erster Linie nach den Bedingungen der Anwendung der Kategorien fragt und es aus diesem Grund zu einem Primat der Synthesis kommt. Kant schlussfolgert nämlich weiter, „nur dadurch, dass ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen in einem Bewusstsein verbinden kann, ist es möglich, dass ich mir die Identität des Bewusstseins in diesen Vorstellungen selbst vorstelle, d.i. die analytische Einheit der Apperception ist nur unter der Bedingung irgend einer synthetischen möglich“ (KrV B 133)“
Die synthetische Einheit ist der Grund für die Identität der Apperzeption, d.h. ohne die Synthesis kann die Identität des Selbstbewußtseins nicht gedacht werden. Genau an dieser Stelle entsteht aber eine Spannung in der Bestimmung des Verhältnisses von Synthesis und Einheit. Behauptete Kant zuvor, dass die Einheit nicht aus der Verbindung folgt, sondern umgekehrt die Vorstellung der Einheit die Verbindung überhaupt erst ermöglicht, so wird in der eben zitierten Passage der Eindruck erweckt, dass doch die Synthesis zur Einheit führt: (…)2
FICHTE wird bei dieser Apperzeption ansetzen und sie als unklar kritisieren, denn kommt jetzt die Einheit der Erkenntnis durch die Einheit des „Ich denke“, „dass alle meine Vorstellungen begleiten können muss“ (KrV B 132) spontan und selbst erschaffend, oder liegt die Einheit der Erkenntnis in einem nachbildenden und abbildenden Verfahren (der Vereinheitlichung) einer vorgegebenen, vorliegenden Mannigfaltigkeit? Nachträglich und nachbildend würde die Mannigfaltigkeit in der Anschauung gemäß des synthetisierenden Verstandes geordnet und zur Einheit des „Ich denke“ zusammengefasst und darin gewusst. Wäre aber das nicht sehr willkürlich und subjektiv?
M. a. W., natürlich kommt die Vorstellung der Einheit aus dem Geiste3, aber warum soll sie eine objektive Einheit des Mannigfaltigen (in der Anschauung) widerspiegeln oder abbilden? Die Mannigfaltigkeit erscheint! nur in der Einheit des „Ich denke“ und in der Anwendung der Kategorien auf die Anschauungsformen, richtig. Aber warum soll gleichursprünglich mit der subjektiven Erscheinungs-Einheit eine objektive Einheit an sich in der Erkenntnis realisiert und aktualisiert werden? Mit dem Argument, dass sonst eine Erfahrung nicht möglich wäre?
Wenn ich KANT nachspreche, so gibt es diese formale Einheit der Synthesis der Erkenntnis, die a priori der Erfahrung vorausgehen muss, aber könnte das nur eine Gewohnheit des Denkens (aus vielen Erfahrungen) sein (S. Maimon)? Ich könnte sehr skeptisch bleiben! Es müsste genetisch und vom Begriff her eingesehen werden, wie subjektive Erkenntnisbedingungen und objektive Mannigfaltigkeit in der Anschauung zusammenhängen, d. h. in Einheit gebildet sind und auseinander hervorgehen.
2) In der Sicht FICHTES muss der subjektiven Einheit der Erkenntnis der Gegenstände sinnlicher Erfahrung (nach KANT gesprochen) eine höhere, gemeinsame Einheit von Subjekt und Objekt zugrunde liegen, ein materiales Substrat, ein Transzendental der Wahrheit, aus dem gleichursprünglich im Bewusstseinsakt des Bildens – das sind theoretische und praktische Konstitutionsakte mitsammen – die Erkenntnisbedingungen des Denkens und das Sein der Anschauung hervorgehen. Die These von KANT gilt zwar, dass „Die Erkenntnisbedingungen auch die der Gegenstände selbst (sind) “ (KrV, A 158), aber das ist bislang nur eine subjektive Behauptung – und der Rekurs auf die Erfahrung wäre ein Zirkel.
Philosophie soll im Sinne KANTS auch bei FICHTE a) die Grenzen der Erkenntnis der Vernunft aufzeigen, deshalb „Kritik“ der reinen Vernunft bleiben, aber auch b) die transzendentalen Wissbarkeitsbedingungen möglicher Erkenntnis darstellen (ableiten, veranschaulichen), sodass sie als „Transzendentalphilosophie“ begründete und gerechtfertigte Antworten zu geben vermag auf die Fragen der Erkenntnis und der Existenz.
M. a. W.: Für FICHTE ist die von KANT extrapolierte transzendental-synthetische Erkenntnisart prinzipiell richtig, aber in ihrem Modalstatus zu einseitig und zu wenig begründet und gerechtfertigt. Auf der Ebene einer zeitlichen Kontinuität des „Ich denke“ und des kategorial-synthetischen Denkens kann das Transzendental des adäquaten Verhältnisses von Denken und Sein nicht erreicht und evident eingesehen werden. Man muss über diese Synthesis der Vorstellung und den Schematisierungen des Verstandes auf zeitlicher Ebene hinausgehen können. 4
Bei aller behaupteten, spontanen Synthesisfunktion des „Ich denke“ und der Kategorien und ihrer schematisierenden Anwendung auf die Anschauungsformen (und etwas missverständlich auf die „Realität“ bezogen – siehe KrV Schematismuskapitel) muss analytisch in und aus einer unbedingten Ich-Einheit sowohl Denken wie Sein eins sein und zugleich synthetisch auseinander hervorgehen.5
Ich zitiere wieder P. Tschirner, der aus der späteren Sicht Fichtes das Problem gut beleuchtet und beschreibt – obwohl ich schlussendlich mit seiner Gesamtinterpretation Fichtes wieder nicht konform gehen:
„Dass das Ich sich nur vermittels und über den Umweg seiner synthetischen Leistungen auf sich selbst beziehen kann, ist von Fichtes Standpunkt aus nicht plausibel. Fichte wird daraus die Konsequenz ziehen, dass das Ich, insofern es sich auf sich selbst beziehen kann, eine unbedingte, sich selbst erzeugende Einheit sein muss. Bei Fichte ist die Synthesis ein Moment der Einheit, und es ist die Einheit, bei der auch der logische Primat liegt: „Es ist aber von ihr [der synthetischen Einheit Kants] uns wenigstens klar, dass sie nicht eine Einheit schaf[f]t: sondern nur eine nachbildet, die schon ist“ (Transzendentale Logik II, 1812, StA, 69.). Die grundsätzliche Differenz zwischen Kant und Fichte besteht darin, dass sich nach Fichte der „Quell aller Verbindung“ sehr wohl inhaltlich bestimmen lässt, (…)“ 6
3) In zahlreichen Verwendungen taucht die Synthesis der transzendentalen Apperzeption in der „Transzendentalen Analytik“, Ausgabe A der KrV, auf – und wird in der Ausgabe B § 16 ff eigens nochmals thematisiert – siehe KrV B 132ff.
KANT wollte damit die sein kritisches Geschäft leitende Frage auflösen, „ob man nicht die menschliche Vernunft zwischen diesen beiden Klippen (sc. zwischen einem dogmatischer Idealismus wie z. B. bei G. BERKELEY und einem empirischen Skeptizismus eines HUMES) glücklich durchbringen (könne) (…)“ (KrV, B 128).
KANT wird vor allem in der 2. Auflage der KrV nicht müde zu betonen, dass die Deduktion der apriorischen Verstandesbegriffe durch die Funktion der transzendentalen Apperzeption geleistet wird, aber, so wieder die crux und der Zirkel, die Kategorien nur für die „(…) Gegenstände möglicher Erfahrung“ (KrV, B 166) gelten (oder siehe § 24, KrV, B 149ff).
Wie können die apriorischen Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung einsichtig im Wissen durch die transzendentale Apperzeption auf die sinnliche Anschauung bezogen werden? Es sind zwei völlig „ungleichartige“ Sphären des Verstandes und der Anschauung (vgl. KrV, B 176.177 u. a.), die aufeinander zu beziehen sind?
Er gibt als Lösung an – und da kommt er FICHTE schon ziemlich nahe – dass die „transzendentale Synthesis der Einbildungskraft“ (KrV B 151) ein Schema erzeugt – und diese Synthesis der Einbildungskraft sogar eine„figürlichen Synthesis“ (synthesis speciosa) (KrV B 151 und KrV B 154) schafft, die den „Begriff der Sukzession“ (sc. also den Begriff der Zeit) “(KrV B 154) hervorbringt.7
Hier aber beginnt die Schwierigkeit und das Problem. Die apriorischen Begriffe und die apriorischen Anschauungsformen sind zwar sekundär durch das Schema zu vermitteln versucht (Subsumtion der Anschauung unter Begriffe und Restriktion der Begriffe auf die Anschauung), aber das konstitutionsgenetische Prinzip, warum und wie das Schema den Verstand und die Anschauung vermittelt, bleibt ungeklärt. Woher der Geltungsanspruch, dass die Erkenntnisbedingungen die der Gegenstände selbst sind? Woher der Anspruch und die Willkür, dass die transzendentalen Apperzeption (nur) für die Gegenstände sinnlicher Erfahrung gelte?
Es ist zwar ein genialer Gedanke – in der Traditionsgeschichte als species sensibilis und species intelligibilis immer schon da gewesen – in einer rationalen Synthesis die Mannigfaltigkeit der sinnlichen Anschauung zusammenzufassen und so zu den „species“ zu kommen, doch gerade die schematisierende Vermittlung einer intellektuellen Synthesis (Apperzeption des „Ich denke“) mit der sinnlicher Anschauung verlangt selbst eine apperzeptive Form des Wissens, worin im Schematisieren a) die Zeit und der Raum und b) die Objekte zusammen hervorgehen, anstatt bloß faktisch aufgenommen zu werden. 8
M. a. W. die von Kant zurecht geforderte Rückbezüglichkeit (Reflexivität) des Wissens auf eine apperzeptive Form des Wissens verlangt einen formalen und materialen Grund der Einheit der Erscheinung, mithin auch einen begrifflichen Grund, der von sich her sich reflektiert in der Mannigfaltigkeit der Anschauung.
Nach Kant: Die Zeit- und die Raumanschauung bestimmen apriorisch vorgängig die Gegenstände der Erfahrung, d. h. diese werden dadurch zu Erscheinungen, aber wie und wodurch bestimmen Zeit- und Raumanschauung wiederum rekursiv den transzendentalen Erkenntnisakt? Wenn das „Ich denke“ auf eine realistische Zeitbestimmung im inneren Sinn bezogen bleibt, ergibt das doch wieder eine äußere und psychologische Bestimmung? KANT wollte zwar diese Psychologie vermeiden, doch schnell ging im 19. Jhd. die Interpretation in diese Richtung (Fries u. a. Namen wären hier zu nennen).
4) Ich will die immense Leistung FICHTES (als Lösung dieser Fragen) hier nur kurz skizzieren: Es ist das „Schweben der Einbildungskraft“, die in Unterschiedenheit, aber nicht in Wohlunterschiedenheit (sondern in Unschärfe), Anschauung und Begriff mit den Objekten (seien es sinnliche oder formal anschauliche Objekte) vermittelt und zugleich mit den Objekten die Formen der Anschauung von Zeit und Raum erzeugt und bildet.
Das Schweben (dialegein) der Einbildungskraft zwischen dem durch den Anstoß verendlichten und dem die Unendlichkeit ausfüllenden Ich liefert ein Bestimmbares, das von der Vernunft bestimmt werden kann in der Systematik einer fünffachen Reflexion von Ich-Einheit, Natur, Recht, Moral und Religion.
Vom Begriff der Vernunft aus, eingeschaut als Tätigkeit und Tathandlung, verfolgt die Wissenschaftslehre die systematische Konstitution der einen „Welt“ , der Innen- und Außenwelt.
“Das Vernünftige Wesen handelt; u. handelt auf eine gewisse bestimmte Art. Man findet in seinem Handeln etwas einförmiges, festes, stets wiederkommendes: z. B. den Begriff der Kausalität [angewendet). Diese Handelnsweisen [des Verstandes] heissen, nachdem sie begriffen sind, […] AllgemeinBegriffe, wenn man die implicite Regel in Sätze bringt, Grundsätze der Vft.” (Fichtes Vorlesungen über Platners „Philosophische Aphorismen“ 1794-1812; J. G. Fichte, Akad.-Ausg. II, 4, 49)
“Auf Veranlassung eines […] Anstoßes auf die ursprüngliche Thätigkeit des Ich produciert die […] Einbildungskraft etwas […] zusammengeseztes (cf. das Bestimmbare). Da im Ich, laut seines Begriffes, nichts seyn kann, das es nicht in sich setze, so muß es auch jenes Faktum in sich setzen, d.i. es muß sich dasselbe ursprünglich erklären, vollständig bestimmen und begründen. Ein System derjenigen Thatsachen, welche in der ursprünglichen Erklärung jenes Faktum im Geiste des vernünftigen Wesens vorkommen, ist eine […] Wissenschaftslehre […]. Ich sage mit Bedacht: die ursprüngliche Erklärung jenes Faktum. Dasselbe ist ohne unser wissentliches Zuthun in uns vorhanden; es wird ohne unser wissentliches Zuthun […] nach den Gesetzen und der Natur eines vernünftigen Wesens erklärt.” (Gr.d. E., Akad.Ausg. 1,3, 143.)
Die Form der Einbildungskraft bezieht sich notwendig auf einen materialen, qualitativen Gehalt des Wissens – wie KANT auf dem Prinzip der Erfahrung bestand in der Bestimmung der transzendentalen Erkenntnisart -, aber gerade an und in diesem Gehalt (Hemmung oder Anstoß oder interpersonalem Aufruf) verzeitet und versinnlicht sich der Setzungs- und Seinsgrund des Bewusstseins. Es ist eine Form einer sich-verzeitenden Selbstanschauung in der Einbildungskraft – nicht unterbestimmt in der Form des objektivistisch vorausgesetzten „inneren Sinnes“ wie bei KANT – aber auch nicht überbestimmt in der Form eines göttlichen Verstandes, der zugleich anschaut, was er begrifflich denkt.
Durch das Schweben der Einbildungskraft werden Begriff und Anstoß – primär als Aufruf zu verstehen, dann als sinnliche Hemmung – zu einer Anschauung verarbeitet und sukzessive verobjektiviert und verzeitet und verräumlicht.
5) Die Anschauung im „inneren Sinn“ zu generalisieren in einen Begriff hinein und umgekehrt, den Begriff so zu restringieren, dass er auf die Anschauung im „inneren Sinn“ passt – das war das explizite Anliegen KANTS im Denken des Schematismus, aber notwendig musste ein Graben zwischen Anschauung und Verstand bleiben, weil die Zeit und der Raum selbst noch in keiner reflexiven Bestimmung (wie bei FICHTE in der Form der Einbildungskraft) erfasst war. Durch die faktische Bestimmung des „inneren Sinnes“ in der Zeitanschauung trat das Dilemma ein, dass die durchgängige Einheit der Erkenntnis des „Ich denke“ selbst nicht mehr transzendental-apperzeptiv erkannt und eingeschaut werden konnte. Es wurde dogmatisch durch eine Art Introspektion (Selbstbeobachtung) in das „Ich denke“ eine Einheit supponiert – indirekt legitimiert durch die rekursive Erfahrung, die sonst nicht möglich wäre.
KANT bekommt dann allerhand Probleme, sodass er sich z. B. von einer rationalen Seelenlehre im Paralogismuskapitel der „ Transzendentalen Dialektik“ abgrenzen (KrV B 399ff, A 341ff) muss. Das „Ich denke“ beweist noch nicht eine objektive Seele. Eine bloß logische Verwendung oder Prädizierung des „Ich denke“ genügt nicht, eine Seelensubstanz nachzuweisen. Dazu muss notwendig die Anschauung kommen.
Oder ein anderes Problem bei Kant: Er sieht sich genötigt, den „Skandal“ einer Scheinwelt, wie sie der Idealismus behauptet, zu widerlegen.
Aus der Sicht des Schwebens der Einbildungskraft bei FICHTE stellen sich diese Fragen eines „Paralogismus“ oder eines skandalösen Idealismus nicht mehr. Durch und im Schweben der Einbildungskraft entstehen verobjektivierte Subjektivität der Innenwelt und subjektivierte Objektivität der Außenwelt. Sie sind verschieden, können aber in ihrem Grund der Disjunktion durch die Einheit der Tathandlung, d. h. durch ein transzendental sich wissendes Setzen und rekursiv in einem „absoluten Ich“, eingesehen und als notwendige Verschiedenheit abgeleitet werden. Ein „Paralogismus“ einer Seelensubstanz ist ein Scheinproblem – und ein Idealismus oder Realismus in der Außenwelt ist ein einseitiger Standpunkt verglichen mit dem transzendentalen Standpunkt der Einheit des Wissens bei bleibender Offenheit zuwachsender Erfahrung.
(c) Franz Strasser, 19. 10. 2021
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1„(…) die „Art [zu erklären, wie sich Begriffe a priori [die Kategorien bzw. die reinen Verstandesbegriffe] auf Gegenstände beziehen können. (KrV B 117)
2P. Tschirner, Totalität und Dialektik. Johann Gottlieb Fichtes später Wissenschaftslehre oder die lebendige Existenz des Absoluten als sich selbst bildendes Bild. Berlin 2017, 54-55.
3„Verbindung ist Vorstellung der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen. Die Vorstellung dieser Einheit kann also nicht aus der Verbindung entstehen, sie macht vielmehr dadurch […] den Begriff der Verbindung allererst möglich“ (KrV B 130f)
4Man könnte diese Verhältnis von Denken und Sein, subjektiver Erkenntnisleistung und objektiver Gegenständlichkeit, auch als Naturevidenz oder Naturbegriff beschreiben. Wahr ist und gültig, was der Natur nach erkannt werden kann, was gilt von „Natur“ aus: „Unter Natur (im empirischen Verstande) verstehen wir den Zusammenhang der Erscheinungen ihrem Dasein nach nach nothwendigen Regeln, d.i. nach Gesetzen. Es sind also gewisse Gesetze und zwar a priori, welche allererst eine Natur möglich machen; die empirischen können nur vermittelst der Erfahrung und zwar zufolge jener ursprünglichen Gesetze, nach welchen selbst Erfahrung allererst möglich wird, stattfinden und gefunden werden. Unsere Analogien stellen also eigentlich die Natureinheit im Zusammenhange aller Erscheinungen unter gewissen Exponenten dar, welche nichts anders ausdrücken, als das Verhältniß der Zeit (so fern sie alles Dasein in sich begreift) zur Einheit der Apperception, die nur in der Synthesis nach Regeln stattfinden kann. Zusammen sagen sie also: alle Erscheinungen liegen in einer Natur und müssen darin liegen, weil ohne diese Einheit a priori keine Einheit der Erfahrung, mithin auch keine Bestimmung der Gegenstände in derselben möglich wäre.“ KrV B 263
5FICHTE wird die initiierte Aufgabe der Erkenntnis der transzendentalen Möglichkeitsbedingungen (Wissensbedingungen) einer objektiven und wahren Erkenntnis nicht aufgeben, seine WISSENSCHAFTSLEHREN sprechen ebenfalls (wie KANT) von den Erscheinungen der Dinge als „innere Mannigfaltigkeit, als ursprüngliche Vernunft-Effekt in der Erscheinung“ (WL 1804/2, 28. Vortrag), aber das Transzendental der (übereinstimmenden) Wahrheit muss ein übergeordnetes Prinzip sein, worin und wodurch Denken und Sein eins sind wie disjungierend hervorgehen. Es gäbe keine von KANT behauptete synthetische Einheit, läge nicht eine analytische Einheit diesem Synthesis-Akt schon zugrunde.
6P. Tschirner, Totalität und Dialektik, ebd. S 56.
7KANT ist hier in der Deduktion der Kategorien gespalten. Einerseits sagt er, dass die Handlung des Subjekts „(…) den inneren Sinn seiner Form gemäß bestimmen (kann), (sie) bringt so gar den Begriff der Sukzession zuerst hervor (…) KrV, B 155, Bd. 3, 151), dann aber wird er wieder un-transzendental, wenn er wieder stark betont, dass die Anwendungsbedingung der kategorialen Verstandesbegriffe nur für den sinnlichen Bereich gelten. Die originäre Leistung der Einbildungskraft wird zwar vorausgesetzt, aber nicht mehr reflektiert.
8 “Kant, der die Kategorien ursprünglich als Denkformen erzeugt werden läßt, und der von seinem Gesichtspunkte (cf. der Kritik] aus daran völlig Recht hat, bedarf der durch die Einbildungskraft entworfnen Schemate, um ihre Anwendung auf Objekte möglich zu machen” (J. G. Fichte, “Grundriß des Eigenthümlichen der Wissenschaftslehre”, Akad.-Ausg. 1,3,189). “In der Wissenschaftslehre (cf. als einem System der Vernunft] entstehen sie [sc. die Kategorien] mit den Objekten zugleich und um dieselben erst möglich zu machen, auf dem Boden der Einbildungskraft selbst.” (Ebd.)