Evolutionstheorie – 6. Anfrage; über die Einbildungskraft, von Pflanzen, Tieren und Vernunft, Trieb und Streben.

Gleinker Weltchronik

1) Das Schweben der Einbildungskraft, worin Subjekt und Objekt noch nicht unterschieden sind, ist der Ausgangspunkt allen Wissens und aller reflexiven Einheit des Wissens. Der Weg zur basalen Empfindung und Wahrnehmung über die raum-zeitlichen Anschauungsformen, reflexiven Ideen und Kategorien des Verstandes muss über die ursprünglich produzierende Einbildungskraft in theoretischer wir praktischer Funktion rekonstruiert werden.

a) Das zeitliche Werden, noch nicht übertragen auf anorganische oder organische Objekte oder auf den eigenen Leib bzw. auf die Geschichte mit anderen Personen, ist eine  Form der übergehenden Imposition von einer Setzung zur anderen, ein primäres Linienziehen, das auch im kleinsten Punkt nicht aufhören darf, ein Übergehen und ein Werden zu sein.

Diese nach allen Richtungen hin vorstellbare, durch beliebig viele Punkte gehendes Linienziehen nennt FICHTE diereine Bestimmbarkeit“ (GRUNDLAGE GA I, 2, 359f). Die auf dieses Linienziehen treffende Hemmung ist der Stoff in der Linie des Werdens und wird als aufgefasste Hemmung mittels Kategorien als Qualitatives und Quantitatives und  in Relations- und Modalitätskategorien weiter bestimmt – zur sinnlichen Außenwelt und zur intelligiblen Innenwelt.  Die produzierende Einbildungskraft arbeitet aus Anlass der einzelnen Hemmungen (an ihnen und mit ihnen) Form und Materie zusammen, veräußert das Konstruierte anschaulich, und verinnerlicht den unkonstruierbaren Gehalt als „Gefühl“. Es kommt zu denFormen der Empfindbarkeit“ (EIGNE MEDITATIONEN), d. h. zur aktuellen Linie der Zeit und zur aktuell-objektiven Fläche des Raumes.

b) Da kongruierend und parallel zur realen Reihe des Aufbaus der objektiven Außenwelt die ideale Reihe mitgedacht werden muss (gemäß Fünffachheit der Reflexion nach der Wlnm), kommt notwendig zum  Linienziehen der Zeit und des Denkens von Raum die interpersonale und geschichtliche Wirklichkeit hinzu: Es müssen virtuell unendlich viele Grundpartien des  Linienziehens und des objektiven Veräußerns vorausgesetzt werden, aber nur unter Voraussetzung anderer Personen können wir individuell uns bestimmen.1
Hier ist ebenfalls wieder zu bedenken: Die
Gemeinsamkeit eines Wollens und Handelns geht apriorisch dem Begriff des individuellen Wollens und Handelns voraus. Durch das gemeinsame Wollen und Handeln haben wir ein gemeinsames Sittengesetz – und deshalb auch eine gemeinsame Außenwelt und gemeinsame Zeit und gemeinsamen Raum – und zwecks Sich-Verstehen und einander Verstehen ist die Wechselwirkung durch sprachliche und ästhetische Gebilde angeboren und geschaffen und geschenkt (dreifach; zur Erklärung der Sprache – siehe Blogs dazu.) Die sogenannte „Evolutionstheorie“ ist ein halbherziger Versuch, mittels genetischer und biologischer und geschichtlicher  Abhängigkeitsverhältnisse eine Verwandtschaft und Gemeinsamkeit zu erzeugen, die aber nicht gefunden werden kann, wenn im entwerfenden Zweckbegriff das Wesen der anorganischen und organischen und intelligiblen Welt nicht bekannt ist.  

2) Die Zeitform als Linienziehen im inneren Sinn ist ein aktives Schweben der Einbildungskraft, das sich als Kontinuität und als ideale Entscheidungszeit und reale Erscheinungszeit zeigt. Die Raumform fixiert dieses Linienziehen und fixiert die Veränderungen in diesen inhaltlichen Vorstellungen zu einer materiellen Außenform. Der innere Sinn wird durch die Raumform verobjektiviert dargestellt. FICHTE nennt diese Urform einer Verobjektivierung und Veräußerung „reine Bestimmbarkeitoder „Quantitabilität(WL 1801/02). Das Virtuelle, das Pluripotentielle ist dabei bedingt durch den Vorstellungsrahmen des Möglichen. Was nicht möglich gedacht werden kann, kann auch  nicht wirklich gefunden werden. Das Mögliche kann durch wirkliches Linienziehen der Zeit aktualisiert und in der Wirklichkeit gehoben bzw. verifiziert und falsifiziert werden. (vgl. R. LAUTH, Naturlehre, ebd., S 25)

Ein zeitliches Werden an sich (eine „Evolution“) liegt weder in den Dingen der anorganischen Natur, die mit ihren Kräften als Attraktion und Repulsion und in Vektoren „beschrieben“ werden können,   noch liegt sie in den an sich schon zweckhaft zu denkenden  distributiven Einheiten eines organischen Lebens,  noch liegt sie in einer von selbst ablaufenden, geschichtlichen Zeitreihe einer anonymen  „Evolution“.2 Erst durch die prinzipiell erfolgende Imposition (Implikation) und Apposition der Einbildungskraft wird ein kontinuierliches Werden aufgebaut. Die reellen Quanten sind keine Dinge an sich, sondern Sein im Ich, und werden erst im Akt der Bestimmung bestimmt (siehe oben 2. Anfrage, zur Dualität der Materie nach A. MUES) und ergeben so, in Folge  eine zeitliche und räumliche Reihe. Dass sie unkonstruierbar sind, macht ihre Eigenständigkeit aus;  dass sie nicht chaotisch sind, das ist eine Frage des Zweckbegriffs und der Sinnidee des Ganzen, ausgedrückt in der  fichteschen Lehre vom „Weltenplan“ (WL 1801/02) und der göttlichen Weltregierung. 3

Die Realität der Natur (…) erscheint in der TranscendentalPhilosophie als durchaus gefunden, und zwar fertig und vollendet, und dies zwar (gefunden nemlich) nicht nach eigenen Gesetzen (der Natur), sondern nach immanenten der Intelligenz (als ideal-realem).“ (FICHTE gegenüber Schelling, Briefe, GA III, 4, 360)

3) Absolut verschieden zu den anorganischen Kräften der Attraktion und Repulsion in der Physik tritt dabei die distributive Einheit der Organisation, sprich, das Leben, in den Naturprozess ein. Die Wechselwirkung der beteiligten chemischen Kräfte, die Osmose etc.. bilden nicht eine additive Einheit, sondern sind um einer organisierten Einheit willen gesetzt. Wenn in weiterer Folge die organische Eigenbewegung z. B. einer Pflanze mit verschiedenen sukzessiven Bestimmungen der Veränderung ausgezeichnet wird, so entsteht hier nichts evolutiv Neues, sondern alle Bewegung ist von vornherein als geschlossener Kreislauf gesetzt, ein Ganzes mit einem absoluten Durchdringungspunkt des Lebens. 4 Falls Leben so gedacht werden soll, dass eine zugrundeliegende Substanz sich erbgenetisch (epigenetisch) weitergibt – wie es gang und gäbe in der naturalistischen Betrachtung ist – würde das einen Einblick in den Ursachenzusammenhang der Manifestationen der Wirkungen verlangen, den ich aber nicht haben kann. Eine realistische Substanz als Grundlage aller Veränderung und Ursache aller weiteren Wirkursachen erkenne ich nicht denknotwendig; ich erschließe nur durch Induktion und Hypothese einen nachträglichen Zusammenhang. Es evolviert oder entwickelt sich nicht eine Substanz an sich, sei es eine Substanz der Gene – manche sprechen sogar von Meme -,  oder sei es ein wie immer zu nennender anonymer, dann substantiell zu denkender „Prozess“ materieller Akzidenzien. Das  Organisationsganze der Pflanze, diese gedachte Substanz, wächst und gedeiht und blüht und verwelkt, um als Gattung in der Frucht zu bleiben. Wenn das zweckgerichtete Streben des Wachsens an sein Ziel gelangt ist, ist das Produkt fertig da. Zum fertigen Produkt, so FICHTE, gibt es kein zu vergleichendes analoges Produkt, keine Homologie und keine Ähnlichkeit. Die Pflanze hat das in ihr liegende Ziel erreicht und das einmalige Produkt erbracht. Sie strebte nicht selbst eine Homologie an oder organisierte sich nicht nach einer (idealisiert übertragenen) Homologie. Was würde schon ein Begriff der Homologie erklären? Dass sukzessive, neue, „emergente“ Bestimmungen in und aus einer Substanz entstanden sind? Das ist reine, idealistische Supposition.  So verfährt aber die reflektierende Urteilskraft nicht. Auf einen Schlag, im zeitlosen Akt der Vorstellung, setzt die Urteilskraft eine durch den Organismus aktualisierte Wechselwirkung an – und die Pflanze erbringt ihr spezifisches Produkt. Erst in secundo kann die Urteilskraft verschiedene Merkmale feststellen, Ähnlichkeiten (Homologien) konstruieren und einen „Prozess“ konstruieren, aber das ist ein anderer Zweckbegriff als der einer selbst-organisierten Zweckeinheit einer bestimmten Art.

So wie die Pflanze nur als ein organisches Ganzes verstanden werden kann, wobei das Einzelne um des Ganzen willen da ist und umgekehrt, so übertragen wir das Organisationsganze auf den artikulierten Körper eines Tieres, dessen Organisationsmittelpunkt der Trieb ist.5 Es ist ein spezifisch gedachtes Organisationsganzes, ein Streben, das im Handeln durch eine Hemmung gehindert wird, und folglich als Trieb zur Erscheinung kommt. Der Trieb ist erfüllt (befriedigt), sobald die Bedingungen seiner Anwendung eintreten. Das Wasser weckt nicht den Durst, sondern der Durst erklärt (durch den Trieb) den Sinn des Wassers. Es ist wiederum der in die Organisation hineingelegte Zweckbegriff, der die wechselwirkenden Kräfte durchdringt und zu einer Anziehung und Abstoßung mit gleichzeitigem Angezogen- und Abgestoßenwerden formt. Der Trieb ist Teil dieser organischen Natur, höchster Begriff der erscheinenden Natur, insofern sie sich dadurch selbst bestimmt und zu erhalten versucht.  Siehe oben 1. Anfrage, das Beispiel des mexikanischen Kärpflings: Dessen Trieb will das Überleben und strebt nach dem Überleben, die Gen-Codierungen sind für ihn als solche substantiell (durch Übertragung von Realität des Strebens aus dem Ich an das Nicht-Ich der Gene)  an die wechselnden (akzidentiellen)  Umweltfaktoren angepasst. Rein „zufällig“ haben sie sich nicht angepasst, sonst hätte der Kärpfling nicht überleben können. Sein Selbsterhaltungstrieb hat ihn überleben lassen, nicht die „neue“, „evolutive“ Gencodierung. 

Und nochmals weiter nach den transzendentalen Wissensbedingungen dieser triebhaften Bestimmung im Tier  gefragt: Es muss ein zusammenhängendes Ganzes einer abgestimmten sinnlichen Natur geben, die in Motorik und  Sensorik nochmals offen ist für eine  Artikulation und für eine freie und echte Selbstbestimmung des Lebewesens „Mensch“.  Die Welt ist den transzendentalen Wissensbedingungen nach ein teleologisches Ganzes, sozusagen eine dritte Stufe der Organisation nach Pflanze und Tier, der mechanisierend (nicht organisierend) in das Ganze eingreifen kann. Die Verwirklichung des Organischen im Menschen bleibt dabei an vielfältige Abhängigkeiten und Realisationsmöglichkeiten gebunden, a) an die anorganischen Grundlagen, b) an die organischen Grundlagen und an die Umwelt, aber zugleich c)  kann dieses lebendige Ganze nur als zweckorganisiertes Ganzes um der Freiheit willen gesehen werden, weil in und an den Hemmungen  ein Vorstellen möglich geworden ist – und, was jetzt konstitutiv noch reflektiert werden muss, ein interpersonales Aufrufen und Antworten.  

Die Hemmung bleibt aposteriorisch unableitbar und letztlich nicht begreifbar. Wir können weder theoretisch die Abhängigkeit des Ichs vom Nicht-Ich der Hemmung nach auflösen, noch können wir die Hemmung im praktischen Streben gänzlich in Erkenntnis auflösen und einem willkürliche Zweck unterwerfen, als wüssten wir in jedem Augenblick sicher, was der praktischer Zweck und die Sinnidee einer Erscheinung ist.  Das zeitliche Werden geht von der produzierenden Einbildungskraft aus und alles zeitliche Werden (und räumliche Vorstellen) ist diese Verwirklichung einer transsubjektiven Objektivität, sei es in der sinnlichen Natur, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, im eigenen Leib oder in der religiösen Wirklichkeit, je nach Wissensform der Reflexivität des Ichs. Es bleibt für die endliche Reflexivität immer eine Wechselwirkung und ein Rest unableitbarer Hemmung bzw. interpersonaler und geschichtlicher Erscheinung, woran und wodurch die Freiheit sich bestimmt werdend bestimmen kann. Aus diesem Rest der Unableitbarkeit ist aber keine „Evolution“ abzuleiten.  

4) In der Ableitung der „Formen der Empfindbarkeit“ (3. und 4. Anfrage) wurde betont: Die Vorstellbarkeit der inneren, zeitlichen Empfindung erzeugt und nimmt Gleichzeitigkeit in Anspruch. Es hebt sich somit im Denken die Zeitgebundenheit der Empfindung abdie den materiellen Dingen ihre Realität gibt und  sie räumlich und zeitlich und veränderlich und beweglich erscheinen lässt. Die Zeitform und Raumform können aber damit einerseits mit den Dingen nicht realistisch gleichgesetzt, können aber andererseits nicht unabhängig von ihrer materiellen Erscheinungswirklichkeit gesehen werden. Die vollständige Bestimmung eines objektiven Seins und des Sinns der Anschauungs- oder Empfindungsformen  tritt erst durch den Begriff ein, d. h. durch die Kategorien und die Reflexionsformen des Denkens. Die Vorstellung erzeugt einen Begriff und überprüft anhand der durch das Gefühl und die Erfahrung gebildeten Anschauung, ob sie der Idee gemäß mit dem Begriff zufrieden ist oder nicht. 

Die Anziehungskraft und Bewegung der Physik ist  auf anorganischer Ebene total anders (und hat einen anderen reflektierten Zweckbegriff) als das Wachsen der organischen Wirklichkeiten;  die Bewegungskraft auf organischer Stufe (das Wachsen) erscheint höherstufig, selbstbewegend. Die „Bewegungskraft“  schließlich auf der Stufe der Freiheit äußert sich als Selbsttätigkeit der Vernunft und primär im Vorstellungstrieb und ist nochmals anders als das organische Wachsen.  Nach den Prinzipien der WISSENSCHAFTSLEHRE muss es einen geschlossenen, apriorischen Zusammenhang zwischen Naturstreben und Vernunftstreben geben; ersteres Streben ist bereits eine erste Sphäre der Vernunfttendenz überhaupt – eine ursprüngliche Spontaneität. Letzteres Streben ist ein freies Nachbilden  und Bilden und ein im Bilden sich selbst prüfendes, bewährendes Bilden. Das System der spontanen wie der freien Vernunfthandlungen ist in einem apriorischen Sinne eine bestimmte Größe der Wissensformen und in sich endlich – und ist zugleich ein offenes System, weil konstitutiv die aposteriorischen Bedingungen der Realisierung hinzukommen müssen. M. a. W. der Trieb als Naturtrieb ist einerseits vollendet, weil er die lebendige Natur als selbsttätig und selbstständig erscheinen lässt, andererseits verweist er gerade als Trieb – und letztlich nicht freie Bildungsmöglichkeit einer Sinnidee – über seine Realisierung auf eine freie Bildungsmöglichkeit hinaus. Er will in seiner Bedingung durch spontanes und! als freies Bilden nach-gebildet und  begriffen werden. Naturtrieb und Vernunfttrieb sind in letzter Konsequenz nicht entgegengesetzt, sondern beide sind Vernunfttendenz. Auf die Wechselwirkung der beiden Triebe beruht die Erscheinung des empirischen Ichs.

5) Das gesamte Naturstreben müsste jetzt viel detaillierter dargestellt werden. R. LAUTH spricht z. B. von verschiedenen Organisationsverbänden innerhalb mehrstufiger Organisationen (Naturlehre, S 113ff) oder von der „Ramifikation“ des Naturstrebens. (Naturlehre, S 119ff). Durch die reflektierende Einbildungskraft kann von der einzigen Dimension des zeitlichen Werdens abgegangen und in andere Dimensionen des Raumes übergegangen werden. In diesem virtuellen Raum wird die Hemmung verbreitet und präsent. Durch mehrere, verschiedenartige Hemmungen wird das Streben nochmals in  entsprechend verschiedenen Trieben fixiert. Wir erhalten eine Verzweigung des Gesamtstrebens in verschiedenen Streben, die aber alle darauf aus sind, die jeweils verschiedenartigen Hemmungen zu überwinden. Durch Umreihung treten dann andere Hemmungskonstellationen auf, die als Wirkenserfolge erlebt werden. Der spontane, naturgetriebenen Akt muss zwar von Anfangspunkten ausgehend gedacht werden, um sich dann mannigfaltig zu verzweigen, wir erhalten dann eine Gesamtorganisation in untergeordneten Organisationen und Organisationsverbänden, aber eine einzige Ursache dieser Wirkungen lässt sich kaum feststellen. Das bestimmende Gesetz diese wechselwirkenden Abhängigkeiten von Streben und nicht-ichlicher Hemmung kann endgültig nicht in Erkenntnis aufgehoben werden, weil uns dann vollkommene theoretische und praktische Erkenntnis geschenkt sein müsste (wie wir uns den göttlichen Verstand vorstellen.) Umgekehrt aber so zu tun und vorzugeben, als könne selbsterklärend durch „Evolution“ das System der Natur verstanden werden, dass es eine dahinterliegende, wenn auch zufällige und unbekannte, anonyme, substantielle  Wirkursache gäbe,  „Evolution“ genannt, erklärt nicht das mannigfaltige  Naturstreben und das geistige Freiheitsstreben. Es wird Erkenntnis vorgetäuscht, die aber keine ist und niemals eine werden kann, weil der versteckte  Zweckbegriff nicht offen deklariert und  konsequent gedacht werden kann.  

Die stufenartige Höherentwicklung eines Naturstrebens von der Pflanze bis zum Tier und bis zur Vernunft des Menschen, mit dem zuletzt angedeuteten verzweigten Naturstreben, offenbart ein Richtungnehmen des zeitlichen Linienziehens (des vorstellenden Aktes der Vernunft) und eine  in der Zeit liegende Sinnlichkeit und aktive! Rezeptivität, offenbart einen immanenten Sinn von Entwicklung, aber nicht Entwicklung an sich. Durch die freie Serie der Imposition der Einbildungskraft und durch Apposition wird eine ideale und reale Zeitbindung einer Entwicklung in der Erscheinung! aufgebaut, die aber nicht an sich abläuft.  Es entsteht eine ideale Entscheidungszeit und reale Erscheinungszeit –  sei es im sinnlichen Bereich der äußeren Natur oder im geistigen Bereich der gesellschaftlichen Natur. Eine automatische, naturale Entwicklung oder oder ein automatischer Fortschritt in Kultur und Geschichte sind aber damit nicht gesetzt.  

6) Von der anorganischen Wirklichkeit der Bewegungs- und Veränderungslehre sind wir ausgegangen; die höhere Möglichkeit zeigte sich in der Erscheinung einer Selbstbewegung im Organismus. Die Pflanze zieht an und stößt ab. Ihr Wirkungskreis, ihre „Bewegungsfreiheit“ bleibt aber trotzdem noch eingeschränkt. Die nochmals höhere Möglichkeit erscheint im Tier. Das Tier vermag sich zu bewegen, zwar nicht total frei, es ist getrieben und instinkthaft geleitet, aber immerhin, es zieht selber an und stößt selber ab und wird angezogen und wird abgestoßen. (Inwiefern die Pflanzen selber die Tendenz haben, sich bewegen zu können und bestens anzupassen – das ist noch ein weites Forschungsgebiet.) Die höchste Stufe der Bewegungsfreiheit und Wirksamkeit – ohne Determination eines zweckentsprechenden (teleonomischen) Agens – zeigt sich schließlich in der freien Darstellbarkeit der Einbildungskraft im ästhetischen und praktisch-moralischen Sinn bzw. im Denken. Das reflexive Bewusstsein vermag im Vorstellungstrieb über die Hemmung hinauszugehen und dementsprechend, einerseits gebunden, andererseits frei, zu wollen und zu handeln.Das Thier ist da, um den freien Geist in der Sinnenwelt zu tragen, und mit ihr zu verbinden.“ (NATURRECHT, GA I, 3, 381).

Jetzt wieder meine Anfrage an die anscheinend alles erklärende Evolutionstheorie in Natur und Kultur: Denkt die Evolutionstheorie das zeitliche Werden auf diese  durch das Streben und die Freiheit ermöglichte Prinzipiieren hin?   Sicherlich nicht, denn was faktisch ist, ist so geworden, wie es ist – es gibt dafür kein Erklärung und kein Werden.  Es trägt kein Kriterium des Sollseins oder Nichtseinsollens an sich und keine aktive Potenz des Prinzipiierenkönnens, wie es das reflektierenden Ich tut. 
„An sich entsteht die Welt nicht (…) in der Zeit; sie ist fertig.
(PLATNER-VORLESUNG, GA IV, 1, 409.) Für uns aber fällt ihr Fortgang und die Entstehung neuer Produkte in die Zeit, u. wir müssen die Bildung der Welt auch in die Zeit setzen.“ (ebd.)

23. 12. 2015

© Franz Strasser

1Wir gehen von Anfang an daraufhin aus, das Vorgestellte so ichlich wie möglich zu bilden. Wenn wir die Außenwelt daraufhin durchforschen, erforschen wir stillschweigend in ständigem Interesse, wie kann ich den Gegenstand ichlich konstituieren, d. h. wie weit kann ich ihn nicht nur anschauen, sondern auch einsehen, dass er so sein soll. Seine Eigenschaften sind a) Übertragungen von Bewusstseinsmomenten in die Außenwelt und b) Übertragungen von Willensmomenten und ichlichen Momenten, dass der Gegenstand bzw. in höchste Stufe eine andere Person, so ichlich wie möglich sei. Wir gehen immer schon darauf aus, dass wir uns gegenüber fremden Personen vorfinden. Wenn wir nur Anorganisches oder Organisches fänden, so ist das Weniger als wir im Vorstellen finden wollen. Eine Einschauung ist somit nur im interpersonalen Bereich möglich. In der sinnlichen Natur ist Anschauung angemessen.

2Im Zusammenhang des Wachsens sagt FICHTE einmal: in dynamischer Sicht ist „die Bewegung ein Bild des Werdens einer Anziehung; einer, sage ich; eines bestimmten Accidens derselben; denn die Anziehung selbst ist, wird nicht, wie das System de Empirie, die Natur (in Wahrheit auch) ist, und diese ist, wie die Erscheinung selbst ist.“ (FICHTE, TRANSZENDENTALE LOGIK 1812, S 222). M. a. W.: Es gibt einen Modus von physikalischen Bewegungen (Kräfte der Anziehung und Abstoßung), einen Modus der bloßen Anziehung (im pflanzlichen Bereich), einen Modus von Anziehung und Angezogenwerdens zweier Organisationen (im biologischen Bereich der Tiere) – und einen Modus der Freiheit (der Geschichte).

3Vgl. R. LAUTH, Naturlehre, a. a. O. S 165.

4Vgl. R. LAUTH, Naturlehre, a. a. O., S 128 – 130.

5Vgl. R. LAUTH, Naturlehre, a. a. O., S 131 – 135.

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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser