Gottfried Boehm, Der Grund. Über das ikonische Kontinuum. S. 28-92.
In: G. Boehm/M. Burioni, Der Grund. Das Feld des Sichtbaren, München, 20121.
Wenn über den Grund der Entstehung von Bildern nachgedacht wird, verstehe ich nicht, warum nur diversen mythologischer Erzählungen der Griechen nachgegangen und nicht gleich zum absoluten Grund der biblischen Wahrheit aufgestiegen wird? Wäre das Buch der Genesis 1 und 2 Kapitel oder ein Jesaja-Stelle nicht der alleinige Maßstab, über Grund und Folge nachzudenken?
Ich akzeptiere, dass Bildbetrachtungen ganz verschiedenen angegangen werden können, hermeneutisch, geistesgeschichtlich-ikonologisch, kunstsoziologisch, rezeptionsästhetisch, semiotisch, anthropologisch, aber warum wird von einem namhaften Autor gerade die biblische Grundlage sorgsam umgangen?
So erlaube ich mir einen Kommentar zum begrifflichen Denken vom „Grund“ zu schreiben, weil notwendig alles in Widersprüchen und idealistischer/realistischer Positionen enden muss, sofern nicht der absolute Grund allen Seins und aller qualitativen Erscheinung und aller Bildwerdung angesprochen wird.
Ein Titel wie „Der Grund. Über das ikonische Kontinuum“ reizt mich, denn das kann nur philosophisch angegangen werden, wenn die Philosophie sich nicht selber aufgeben will – und muss enden mit einer Metaphysik des Absoluten, nicht mit einer freien, poetischen und metaphorischen Rede zum Begriff „Grund“.
1) Ab den Seiten 65 -75 des obigen Aufsatzes kommt der Autor Gottfried Boehm zu einer Explikation, was und wie ein „Grund“ vom Begriff her sein soll. Der ganze Artikel (S. 29- 94) zeugt von einer ungemeinen Belesenheit und einem großen Kunstsinn, aber je begrifflich genauer der Autor werden soll, umso metaphorischer und ungenauer wird er. Er verfällt m. E. ins bodenlose Dichten und assoziative Denken, wie ich das einem Dichter gerne zubilligen möchte, aber nicht, wenn es um eine genaue Begriffsbestimmung geht. Das ist alles, man erlaube den Ausdruck, griechische Poesie und heidnische Philosophie, die nicht zum absoluten Seh-Punkt aller Begründung vordringen kann oder nicht vordringen will. Wo kommen wirklich methodologische Begriffe, d. h. wenn es um die Art der Begründung geht, und prinzipientheoretischen Überlegungen, d. h. wenn es um die Geltung von Sätzen geht, vor?
Vielleicht will G. Boehm aber gar nicht auf einen absoluten Grund von Denken und Sein hinaus, sondern nur auf den Grund, wie er sich in den vielfältigen Formen eines kunstästhetischen Bildes ausdrückt? Ja, bitte, aber dann ist das bloße Meinung und komparative Lektüre und spaltet sich in die diverse subjektivistischen Ansätze, aber ein Geltungsanspruch kann nicht mehr erhoben werden. Wenn die Metaphysik eines absoluten Grundes verschwiegen und nicht angegangen wird, was bleibt dann übrig?
(Ich zitiere den wörtlichen Text von G. Boehm in roter Schrift, Hervorhebungen sind stets von mir).
1) Seltsam, wie schnell anhand äußerer Erscheinungen zum materialen oder idealen Grund aufgestiegen werden kann:
„So vielfältig lesbar sich der Grund auch erwiesen hat, eine Eigenschaft kehrte wieder und sie zeichnet ihn aus: die der Kontinuität. Kein Grund ist, wo es daran mangelt. Doch manifestiert sie sich höchst verschieden: abstrakt als ein mathematisches Kontinuum, zum Beispiel der Zahlen, als die Unabsehbarkeit des Unendlichen oder als eine theoretische Kategorie der Philosophie bzw. – als eine zugleich materielle und anschaubare Größe, als der Grund des Bildes. Dieser wiederum zeigt sich in aller Regel als die andere Seite der Figuration, als Bedingung ihres Erscheinenkönnens. Nimmt man den Grund lediglich als den statischen Träger jeweiliger Zeichen, dann reduziert man ihn, wie wir gesehen haben, auf eine bloße Oberfläche und übersieht sein fundierendes Potenzial. Die Frage: Was macht den Grund zum Grund?, mündet mithin in eine Diskussion der Eigenschaften und Funktionen des anschaulichen, materiellen Kontinuums. (…)“ (ebd. S 65.66)
1. 1) Die Kontinuität, die eigentlich eine zeitliche Anschauung ist, wird übergeführt zum „Kontinuum“, das für mich eine räumliche Anschauung ist. Bitte, das sei noch geschenkt. (Zeitform und Raumform sind letztlich nicht zu trennen.) Wie selbstverständlich wird aber behauptet, die „ikonische Kontinuität“ oder „Kontinuum“ äußert sich zuerst „abstrakt als ein mathematisches Kontinuum, zum Beispiel der Zahlen“.
Wenn ich bei Kant nachschlage, meint dieser aber gerade es anders herum im Schematismuskapitel, nicht „abstrakt“. Die Zahlen, oder das „mathematische Kontinuum“, ist eine Form der Anschauung und des anschaulichen Übergangs, ein Schema. Sicherlich, Kant kann dieses Schema und Schematisieren selbst nicht mehr aus einem transzendentalen Tun und einer transzendentalen „Agilität“ (wie Fichte) ableiten, aber immerhin kommt er zur Vorstellung einer Form der Anschauung von Raum und Zeit. G. Boehm will diese anschauliche Form abstrahieren und stratifizieren und begrifflich fixieren. Es wird ein „mathematisches Kontinuum“ daraus. Zuerst hier Kant, KrV, B 180)1.
Von den räumlichen Größen, den Anschauungs-Quanta in der Geometrie, mag man, wenn man will, die formale Anschauung der Mathematik unterscheiden, die quantitas in Arithmetik und Algebra, aber auch darin steckt noch eine Form und ein anschauliches Agieren und Schweben der Einbildungskraft. 2
Eine schematische Konstruktionsform nach einer Regel (einem Gesetz) innerhalb der quantitas der Arithmetik hat noch etwas mit einem „Kontinuum“ zu tun. Zunehmend aber, so scheint mir, verlässt G. Boehm das anschauliche Denken eines „Kontinuums“. Er wird bald nur mehr von einer begrifflichen Verwendung und Anwendung des „Kontinuums“ der Zeit- und Raum-Anschauungsform sprechen. 3
Der Begriff „Kontinuum“ wird zur Erklärung des „Grundes“ jedes bildnerischen Denkens und Erzeugens – und wird quasi mit immanenten Kräften aufgeladen.
1.2) Ich würde das ganz anders beschreiben:
Ein „Kontinuum“ entsteht in einer zeitlichen und räumlichen Anschauungsform – und setzt a) eine intellektuelle Apperzeption der Zeit und ein inneres Konstruieren eines Raumes voraus bei einer bleibenden, unwandelbaren Einheit des Bewusstseins – und b) ist eine Art Schematisierung und Anwendung der Anschauungsformen, wodurch es c) erst zu einem Werden und einem Kontinuum kommen kann. Es ist aber nicht selbst eine immanente, objektivierte Kraft und Größe.
G. Boehm übergeht die transzendentale Frage nach dem Wie der Entstehung der Anschauungsformen von Zeit und Raum, weil der Begriff des „Kontinuums“ schließlich ausreichen soll, die Frage des „Grundes“ von etwas zu erklären.
2) Für das Denken des „Grundes“ führt er folgende Bedingungen ein:
a) „Die Unabsehbarkeit des Unendlichen“. Damit wäre ich noch völlig einverstanden, wenn darunter nur eine potentielle Unendlichkeit gemeint ist. 4 G. Boehm meint aber ein aktual Unendliches, wie sich später herausstellt, weil im Kontinuum selbst eine Schöpferkraft und eine Emergenz enthalten ist?!
b) Der Begriff „Grund“ ist eine „ theoretische Kategorie der Philosophie“. Das ist kantisch gedacht, d. h. die Kategorien sind Formen der faktischen Urteile. Wie sind aber faktische Urteile möglich? Wie im aktiven Schematisieren (Sehen) der Begriff einer Kategorie oder der Begriff eines Grundes erst gebildet und gerechtfertigt wird – das wäre die transzendentale Frage.
Es wird in der weiteren Argumentation Boehms großzügig auf jede Form der Bestimmbarkeit und Quantitabilität des Raumes und der Zeit verzichtet, auf jede phänomenale Qualität eines Gefühls oder Zustandes, und für mich unerwartet wird zum einem „Ort“ des Kontinuums übergegangen.
„Es geht darum, die Genese des bildlichen Sinnes nicht, wie gewohnt, von der Seite der Distinktion her zu beleuchten, von dem her, was sich in Bildern an Details unterscheiden lässt, sondern umgekehrt vom Ort her, an dem der Sinn entsteht. Das kontinuierende Momentum bleibt dabei ein Aspekt der ikonischen Differenz. Es wird sich des Weiteren aber auch zeigen, inwiefern sich im Kontinuum die chaotischen Kräfte des Grundes manifestieren und welche Rolle dabei überhaupt Potenzialität – als Inbegriff des Werdens, des Bewegungsantriebs, der Lebendigkeit und der Erscheinungsfülle – spielt. Ihren Wirkungsraum gewinnt sie dank eines Verzichts auf Distinktion. Zum Potenziellen gehören Vieldeutigkeit und der Glanz des Unbestimmten. Wir bauen nun auf Voraussetzungen und Einsichten weiter, die sich in den drei ersten Abschnitten bereits angedeutet hatten. Dazu gehören insbesondere die folgenden Gesichtspunkte:“ (ebd. S 66)
Solche Rede wie hier im Zitat ist für mich eine Art Materialismus oder Evolutionismus. Irgendetwas wird hier ermächtigt, Leben und Kraft in sich zu haben!? Einen „Ort“, „an dem der Sinn entsteht“ als Ursprungs- und Sinnquelle für Bedeutung? Wo ist hier die reflexive Erkenntnis der Bedeutung? Wer erkennt hier was?
Es geht wohl um das Sehen und das Schematisieren a priori. Nach Kant ist das Schematisieren eine Zeitbestimmung a priori nach Regeln, die durch die Ordnung der Kategorien gegliedert ist: Die Schematisierung geht auf die Zeitreihe (Quantität), auf den Zeitinhalt (Qualität), auf die Zeitordung (Relation) und den Zeitinbegriff in Ansehung aller möglichen Gegenstände (Modalität) (KrV B 185). Wie kann G. Boehm auf einen spezifischen „Ort“ hinsteuern, auf eine „Kontinuum“, das von eminenter Kraft und Wirkung sein soll, das heller, einsichtiger Ursprung und Grund ist, aber keinen Autor dieses Schematisierens kennen? (Bei Kant Subjekt, transzendentale Apperzeption, bei Fichte Ich/Ichheit.)
Er widerspricht sich m. E. direkt, wenn er einmal diesen Grund als „geistiges Prinzip“ (ebd. S 67), dann wieder „das anschauliche Kontinuum als materielles und ein ausgegrenztes Faktum“ (ebd. S 70) kennzeichnet.
Er müsste m. E. hier beim Schematismus einer streng gebundenen Einbildungskraft bleiben, wodurch mittels Linienziehen die Anschauungsformen von Zeit und Raum, die realen Objektivierungen der Hemmungen und Aufrufe, die Denkformen der Kategorien und höherer Reflexionsideen wie Zweck, Bewegung, Organisation oder den Gottesbegriff, entstehen und eingreifen.
G. Boehms Begriffe der „Differenz“ und „Potentialität“ hängen aber völlig in der Luft, weil diese Vorstellungen ohne Rückbindung auf die Darstellungs- und Vorstellungskraft der Einbildungskraft (der Quantitabilität) und ohne konkreten Bezug zur Hemmung oder zu einem interpersonalen Aufruf oder zu Reflexionsideen einfach eingeschoben sind.
Er nimmt es nicht sehr genau: „Potenzialität – als Inbegriff des Werdens, des Bewegungsantriebs, der Lebendigkeit und der Erscheinungsfülle (…)“
Das ist für mich Poetik, Assoziation, Introspektion, energeia-Denken des Aristoteles, Materialismus.
Alles wird schon real vorgestellt und dann „Kontinuum“ genannt.5
Die Vorstellung des Grundes wird bezogen auf eine objektivierte, faktische Vorstellung eines Bildes, ist aber damit immer schon befangener, nicht genetischer Grund dieser Vorstellung. Wie z. B. die Arithmetik die Zusammensetzung zweier Zahlen in einer Anschauung a priori darstellt, als kategoriale quantitas und Größe, indem sie die in beiden Zahlen enthaltenen Einheiten nacheinander aufzählt und wiederholt, so müsste der darstellende, erscheinende Grund ein spezifischer Grund der Geltung und der Wahrheit sein, der in und aus der Einheit des Wissens als solcher ausgewiesen wird.6
2.1) G. Boehm geht zu näheren Eigenschaften des Grundes über:
„Erstens. Der Grund, der trägt zum Beispiel ein steinernes Mal, ein Relief, eine Linie oder eine farbige Lasur, ist eben nicht nur eine horizontale, zweidimensionale Oberfläche, sondern zwangsläufig mit einer vertikalen Mächtigkeit ausgestattet. Der Grund hat Tiefes, unter ihm liegen Strata, die dafür sorgen, dass er sich als stabil oder auch als schwankend erweist. Arbeit auf dem Grund oder mit dem Grund impliziert stets eine Logik der Schichtung, des Aufeinanders, zu der das Verdeckte eines Untergrundes gehört. Verdeckt und sichtbar sein geht freilich nicht mit Wirkungslosigkeit einher. Wer zum Beispiel aufgerichtet auf der Erde seiner Wege geht und zum Horizont ausblickt, der weiß sich eines vertikalen Haltes sicher, der sich des Weiteren auch in Schwerkraft, Gewicht, Balance oder in Adhäsion bemerkbar macht. Das Kontinuum als geistiges Prinzip dagegen, der logische Grund ist frei von jeder Materialität, er ist gewichtslos und unsichtbar.“ (ebd. S 66.67)
Es ist hier alles vermischt: Sinnliche Wahrnehmung, geometrische Nachkonstruktion, faktische Supposition und Erfindung eines „geistigen Prinzips“ (des Kontinuums).
Das Schematisieren a priori einer inneren Zeitbestimmung, das ideale Konstruieren einer Anschauung und das Erzeugt-Sein einer bestimmten Richtung aus einem realen Gesetz des Selbstbestimmens – genauere Herleitungen muss ich hier überspringen – das ist alles unterschlagen und übersprungen. Das „Kontinuum“ ist, wie gesagt, der alles erklärende Grund der Anschauung und Objektivierung. Es verläuft, wie in der von G. Boehm anfangs breit geschilderten Theogonie des Hesiod, dass das Kontinuum zum heidnischen Schöpfergott stilisiert wird.
2. 2) „Zweitens. Der kontinuierende Grund ist das Formlose, genauer: das Formlosere, gegenüber der Form respektive der Distinktion, Sie wiederum tragen Kennzeichen, die auf den Grund, der ihnen einen Ort schafft, zurückverweisen. Die Differenz, will sie erscheinen, setzt Differenzlosigkeit zwingend voraus. Distinktionen aber lassen sich in die Erscheinung eines Kontinuums auch wieder zurückverwandeln. Beispielsweise indem sich die einzelnen Zeichen so eng miteinander verbinden, dass sie für das Auge zu verschmelzen scheinen. An die Stelle des Details tritt dann ein transitorischer Übergang, eine chaotische Mannigfaltigkeit, die aus einer visuellen Subtraktion hervorgegangen ist.“ (ebd. S 67)
Ich möchte nicht auf jedes Wort eingehen, aber allein Begriff des „kontinuierenden Grundes“ ist ein Widerspruch in sich, denn wie sollte ein Grund selbst zeitlich werden (emanieren) bzw. wie könnte aus diesem kontinuierenden Grund die unwandelbare Einheit des wandelbaren Bewusstseins erzeugt werden, worin alle Anschauungsformen und Begriffe epistemologisch erst erzeugt und kontinuiert werden? Den Grund der Einheit des Bewusstseins, der intuitiv und intelligierend zu finden ist in apriorischer und positiver Gottesoffenbarung – der scheint in diesen Kunst- und Bildtheorien verbannt zu sein?
2. 3) „Drittens. Grund ist Differenz in statu nascendi, allein schon deshalb, weil er es ermöglicht, dass sich jeweils die Waagrechte mit der Senkrechten verbinden kann, wie das exemplarisch durch die Erfindung des zentralperspektivischen Bildkonzeptes geschehen ist oder wie, in der Moderne, auf ganz andere Weise durch das Konzept des Bildrasters. Aus dem Kontinuum entfalten sich jene Strukturen, die im Bilde Raum und Zeit als das Gefüge der Dimensionen determinieren. Wir werden in Betracht ziehen, in welcher Weise sich die Desintegration von Horizontalität und Vertikalität in Werken des 20. Jahrhunderts durch Prozesse der Entdifferenzierung der Form ereignet hat (Abb. 30]. Formlosigkeit (formless) wird unter diesen historischen Vorzeichen zu einer künstlerischen Maxime.“ (ebd. S 69.70)
G. Boehm verweist auf die neuere Kunstgeschichte und anschauliche Beispiele – und dadurch gewinnen seine Schematisierungen oder Beschreibungen vom Grund sicherlich eine gewisse Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit. Aber die Künstler dieser Werke haben diese Inspirationen und Vorstellungen nicht von einem abstrakten, differentiellen Denken gewonnen, sondern in genauer Beziehung der Vorstellung auf das spontane Schaffen der Einbildungskraft a priori, die von sich her einen teilabsoluten Grund freigibt, wie Fichte im 3. Grundsatz der GWL von 1794 gesagt hat.
Deshalb diese pluriformen, jedesmal einmalig erscheinenden Bildungskräfte in den Künstlern, die verschiedenen Darstellungsweisen im Entwerfen und Malen eines Bildes, in der unendliche Vielfalt künstlerischen Schaffens in der Musik, in der Sprache, in der Technik. Das philosophische Denken reflektiert nachträglich, in abstrakter Form, die ursprüngliche Pluripotentialität der Bildungskraft und Einbildungskraft und fasst ihre Potentialität und Aktualität in der Einheit eines Bildes zusammen. Im ursprünglichen, spontanen Projizieren und Entwerfen, im ursprünglichen Rezipieren oder im konkreten Realisieren eines Werkes, da verläuft nichts abstrakt, sondern immer alles konkret. Im Wählen einer Bestimmtheit einer Form, einer Musik, da kontrahiert die Selbstbestimmung des Künstlers/der Künstlerin zu einer konkreten Bestimmtheit eines Werkes. Mit einem „kontinuierenden Grund“ von G. Boehm ist kein Wille, kein Wählen, keine Selbstbestimmung, kein Schaffen, kein Künstler angesprochen. Dieser „Grund“ oder dieses „Kontinuum“ ist nur Abstraktion, ist nicht lebendig, hat keine Kraft, ist kein Licht, ist keine Absolutheit.
Der Grund als Kontinuum bei G. Boehm ist reines Phantasieprodukt, Literatur, bleibt ohne Ableitungs- und Anschlussfähigkeit, ohne Erklärung im Wissen und im Wollen, ohne Licht und ohne Zeit- und Raumvorstellung.
Es ist ein bloß reduktiv erschlossener, hinzugedachter Grund. Dieser Grund (in der Abstraktion von G. Boehm) verdient nicht seinen Namen, er ist bestenfalls erschlossenen Bedingung.
Vom Grund zu reden, ist ein Widerspruch, wenn er sich nicht kraft Einbildungskraft manifestiert in der Verarbeitung aller Hemmungen und Aufrufe zu einer sinnlichen oder intelligiblen Anschauung (und appositionellen Reihe) und sich selbst repräsentiert als Erscheinung des Absoluten und in der Kraft der Sichtbarkeit des Wissens.
2. 4) „Viertens. Mit der Formlosigkeit verbindet sich ein Koordinationsverlust, der sich in der Erfahrung des Rausches bzw. des Rauschens niederschlägt. Es war wohl zuerst Friedrich Nietzsche, der in der Geburt der Tragödie Zweifel an der Gültigkeit des »Satzes vom zureichenden Grund« angemeldet hat und die Sonderbedingungen eines abgründigen Erscheinens erkundete, das sich in der Kunst als einer kalkulierten Gestaltlosigkeit ereignet. Nietzsche kennzeichnet diesen Rausch als einen sinnlich-geistigen Taumel. Er basiert darauf, dass die Akzentuierung des Formungsprozesses im Werk auch eine ausufernde und forttragende Energetisierung bewirkt. »Das Rauschen führt uns an den Rand unserer entwickelten Wahrnehmungsfähigkeit – dorthin wo wir nicht mehr erkennen und dennoch mit höchster Intensität wahrnehmen können.“ (ebd. S. 70)
Hier verschwimmt alles. Das kann ich jetzt nicht mehr kommentieren. Der Boden der Vernunft, d. h. des methodologischen Begründens und geltungsspezifischen Denkens, ist verlassen, schließlich alle praktische Freiheit und Selbstbestimmung.
2. 5) „Fünftens. Das anschauliche Kontinuum ist als materielles ein ausgegrenztes Faktum, als ein bildliches zugleich aber auch mit Energie und Emergenz ausgestattet. Die Energie resultiert aus jenem Gefälle, das sich zwischen der relativen Homogenität des Grundes und den unterscheidbaren Distinktionen etabliert, dessen visuellen Überschuss der Betrachter realisiert.“ (ebd. S. 70)
Hier kann ich ebenfalls nichts mehr kommentieren: Das ist Energetismus oder Physikalismus oder Neuro-Physikalismus chemischer Zustände oder was immer.
2. 6) „Sechstens. Der Grund ist ein Ort. Er schafft einen sinnlichen oder auch epistemischen Raum für das bildnerische Tun und den Sinn, den es bewirkt. (ebd. S. 70)
Hier kommt wiederum eine materialistische Schlagseite herein (Raum, Stoff), die etwas „schafft“.
Alleine eine Ortsangabe machen zu können verlangt schon ein komplexes Vorstellungsgebilde von Zeit und Raum, ein Schweben der Einbildungskraft und eine sinnlich wahrnehmbare Hemmung. Ein „Ort“ ist kein energetischer Punkt der Erzeuung von Bildern, Gegenständen, von Zeichen, von Wissen.
„Aus all dem folgt, dass die Rede vom Grund nicht nur ein Vorkommnis der äußeren Welt bezeichnet, sondern eine operative Kategorie der Erfahrung, der Erkenntnis und des Machens. Im Menschen selbst findet sich eine grundschaffende Kapazität, ein Vermögen des Grundes, der Grundlegung und der Begründung. Man kann eine Entwicklungslinie in der Geschichte des Denkens ziehen, die darauf verweist. Zu ihr gehören nach Apeiron, Arché, Hypokeimenon oder Hypotypose in der Antike der mystische Seelengrund des Spätmittelalters oder andere Ausprägungen des fundus animae, nicht weniger René Descartes‘ fundamentum inconcussum oder die Argumentationsfigur einer transzendentalen Grundlegung der Erkenntnis im Bewusstsein. (ebd. S 70)
3) Für G. Boehm fließt durch seine Belesenheit alles Mögliche an Philosophie jetzt zusammen, wodurch er seine vorhergehende Rede vom materiellen Kontinuum und den Begriff des „Grundes“ sogar konterkariert oder verbessert. Hätte er nicht gleich bei dieser „operativen Kategorie der Erfahrung“ beginnen können, wenn er über den Grund nachdenkt?
Es bleibt aber trotzdem alles sehr mehrdeutig und dunkel: Wenn es heißt, „Im Menschen selbst findet sich eine grundschaffende Kapazität….“, meint er das spirituell, mental, idealistisch?
Der Begriff des „Grundes“ wird wieder zu einem Ort, zu einer „Situation“, aber damit ist wiederum nicht erklärt, woher ein kreatives, schaffendes Vermögen kommt:
„Eine bildtheoretische Diskussion kommt nicht umhin, den Grund nicht nur als externen Sachverhalt, sondern als eine Form der Erfahrung zu entfalten, und sie wird dabei tunlichst von der Wahrnehmung ausgehen. Diese menschliche Lust an der Wahrnehmung, von der Aristoteles schon zu Beginn seiner Metaphysik als einem ersten Antrieb der Erkenntnis gesprochen hat, organisiert sich jedenfalls leiblich und damit: situativ. Der Begriff der Situation ist uns außerordentlich wichtig, denn er markiert genau die körperliche Basis der Wahrnehmung und ihre Wiederkehr in den Bildern. Sie sind in einem eminenten und terminologischen Sinne situative Konstrukte.“ (ebd. S 70.71)
Dass man „tunlichst von der Wahrnehmung“ ausgehen müsse, um zum Grund aufzusteigen, nichts dagegen einzuwenden, aber welche Standpunkt meint hier G. Boehm? Wenn ich guten Willens bin, kann ich die Wahrnehmung schon als transzendental-reflexiven Ausgangspunkt allen Wissens nehmen, insofern in der Wahrnehmung eine werthafte Synthese von Vorstellung und Hemmung angewandt und vollzogen wird, aber ist irgendwo von einem praktischen Streben nach Sinnerfüllung und werthafter Erfahrung bei G. Boehm die Rede?
Die Formen der Grundsätze des Verstandes, die Axiome der Anschauung, die Antizipationen der Wahrnehmung, die Analogien der Erfahrung und die Postulate des Denkens, sie enthalten eine intentionale Wertung, ja klar, das ist schematismusbedingt, die Frage ist nur, warum wird diese Wertung und deren transzendentaler Geltungsgrund nicht explizit benannt, sondern auf ein unerklärtes „Kontinuum“ geschoben ?
Nachdem ich nicht weiß, von welcher Standpunktreflexion des Wissens G. Boehm an dieser Stelle ausgeht, kann ich nicht sagen, was er unter „Wahrnehmung“ wirklich versteht.
Es wird auf den nächsten Seiten alles noch verschwommener. Ich möchte nicht jeden Satz zerlegen. Ich komme über vieles nicht hinweg:
„Ein solches Prozedere (sc. situative Konstrukte) kann sich auf Argumente Edmund Husserls, Martin Heideggers oder auch Maurice Merleau- Pontys stützen. Es geht darum, mit einer strukturellen Beziehung des Menschen zu seiner Umgebung zu beginnen. Fundierend erscheint, sich leibhaft unter Bedingungen eines Horizontes zu orientieren und weiter zu bestimmen, das heißt in einem anschaulichen Kontinuum, das stets mitwandert. Zu diesem gehört ein körperliches Subjekt, eine Origo, das heißt ein Kreuzungspunkt aller Koordinaten, die von da aus in den Raum der Wahrnehmung wegstreben und ihn gliedern. Wer sich orientiert, kommt nicht umhin, von sich auszugehen. Deiktische Angaben wie hier und dort, links und rechts etc. gewinnen aus diesem Bezug ihre ebenso relative wie klare Evidenz. Zugleich stellt sich ein Bewusstsein nicht nur von unterschiedlichen Richtungen ein, sondern auch davon, dass sie zusammengehören, dass das >Diese und das Jetzt eine Gegenwart, eine Ganzheit implizieren. Es ist hier nicht im Detail darzustellen, auf welche Weise die leibliche Orientierung im Raum zur Dimensionalität des Bildes führt, doch ist auch so deutlich, dass Bilder Horizonthaftigkeit einschließen, die mit dem gemalten Horizont, zum Beispiel des Landschaftsbildes, nicht identisch ist. Denn alles, was sich an Distinktionen in ihnen entfaltet, wird jeweils unter dem Vorgriff eines durchlaufenden Kontinuums, das heißt situativ, sichtbar.“ (ebd. S 71)
Je nach Ausgangspunkt und Standpunkt könnte ich sogar wohlwollend dieser oder jener Aussage von G. Boehm zustimmen, aber es ist mir viel zu poetisch.
Die Zeugen, die G. Boehm anruft, können erst recht nichts beweisen. Ein Husserl oder Heidegger können nicht aus der innersten Einheit des Wissens die Anschauungsformen von Zeit und Raum ableiten und konstituieren. Sie kommen zu keinem Denken der Kontinuität und des Kontinuums, anerkennen nicht die höchsten Reflexionsideen, durch die die Kategorien systematisch geordnet sind, kennen kein unwandelbare Einheit in der Wandelbarkeit des Bewusstseins und kein reflexives Wissen. Wie sollte ich die plötzlich bei G. Boehm auftauchende leibliche Verfasstheit des Menschen mit Husserl und Heidegger verstehen und akzeptieren können, wenn die Wirksamkeit des Leibes gar nicht abgeleitet ist als notwendige Bedingung eines höheren Strebens? Oder soll ich bei Schopenhauer nachfragen: Der Leib als konstitutive Mit-Bedingung der Wirksamkeit nach dem Zweckbegriff, als sich äußernder Wille der Vorstellung? Wenn der Leib konstitutive Bedingung der Wirksamkeit ist, ja, das könnte ich von einer Seite schon richtig auffassen, aber es ist bei G. Boehm gerade andersherum begründet, d. h. gar nicht begründet, indem der Leib vorausgesetzt wird.
Der Leib kann selbst nicht Grund und Träger des Zweckbegriffes und der Wirksamkeit sein, sondern ist notwendige Anschauung und Äußerung eines geistigen Strebens. Aber wo findet sich bei G. Boehm das geistige Streben, wenn nirgends von einem höchsten Geltungsgrund der Wahrheit und des Wissens gesprochen wird?
4) Schließlich wird wieder dogmatisch behauptet, dass die Distinktionen ermöglicht sind durch den „Vorgriff eines durchlaufenden Kontinuums, das heißt situativ, sichtbar.“ Wie sollte das gehen?
Da wären wir wieder beim Anfang. Ein solches Kontinuum ist definitiv kein Licht, keine Quelle des Geistes, keine Kraft, keine Vernunft und kein Sehen oder Schematisieren, weil es nicht aus einem Seh-Akt des Vernunftwesens abgeleitet ist. Wie und warum es zur Sichtbarkeit kommt, ja das wäre eine interessante Frage, stattdessen soll ein „durchlaufendes Kontinuum“ alles erklären.
Die Position, der von G. Boehm bezeichnete „situative Ort“ und der Standpunkt der Reflexion müsste freilich Auskunft geben, ob durch vermittelten Schluss vom Seh-Akt auf die qualitative Erscheinung des Absoluten geschlossen wird. Dies geschieht natürlich nicht, so bleibt die Standpunktreflexion im Dunklen. Es genügen die theogonen Vorstellungen eines Hesiod. Die biblische Wahrheit z. B. von Genesis 1 oder manche Jesaja-Stellen vom Schöpfergott, sie haben sich nicht durchgesetzt.
5) Es geht mit materialistisch angehauchten und emergenten Begründungsformen von Bildern/Objekten weiter. Ich kommentiere nur mehr eine Seite: Da G. Boehm die Ableitung von Zeit und Raum nicht angeben will, sondern gleich mit der „Kontinuität“ oder dem „Kontinuum“ beginnt, muss jetzt das Dasein des „Kontinuums“ durch ein stellvertretendes Zeichen ersetzt werden: Das „Kontinuum“ ist der „Raum der Bedeutsamkeit“.
Hier wird keine Mühe mehr aufgewandt, eine semantische Relation der Bedeutsamkeit aus der Epistemologie des Bildens abzuleiten. Mit dem „Kontinuum“ ist die Bedeutung von selbst mitgegeben.
„Die qualitative Ausgestaltung des ikonischen Wechselbezugs zwischen Grund und Figur ist nicht irgendein Vorgang in der Bildgeschichte, sondern ihr vielleicht produktivster Moment. Deshalb, weil hier darüber entschieden wird, auf welche Weise Sinn Gestalt annimmt, sich der eigentliche Nukleus der visuellen Kultur herausbildet. Wichtig erscheint es uns, festzuhalten, dass – aus der Perspektive des ikonischen Kontinuums – nicht nur eine Art Container für Zeichen zur Verfügung steht, sondern ein Raum der Bedeutsamkeit eröffnet wird. Bedeutsamkeit meint nicht: alle möglichen Bedeutungen auf einmal, sondern jene Voraussetzungen, die dafür geeignet scheinen, einen Ort zu schaffen und eine jeweilige Situation vorzuprägen. Was an Distinktionen erscheint, rückt unter die Vorzeichen eines situativen Totums, eben dieser Bedeutsamkeit.“ (ebd. S. 71)
Geht mit dieser inhaltlichen Hermeneutik der „Bedeutsamkeit“ nicht der letzte Rest verbliebener zeitlicher und räumlicher Anschauungs-Form des „Kontinuums“ verloren? Im „Raum der Bedeutsamkeit“, in einem stellvertretenden Symbol und Zeichen für Dasein, für das „Kontinuum“ – sind hier nicht alle methodischen und geltungsspezifischen Ansprüche aufgegeben? Es wird gleich zum Raum einer Bedeutung geschritten, aber wer bestimmt das – und wie kommt die Bedeutung in eine Aussage hinein? Wie erklärt sich methodisch und geltungsspezifisch ein ikonisches Wechselverhältnis von Bild und Abgebildetem?
Ich sehe das so: Nur in der unwandelbaren Einheit des wandelbaren Bewusstseins entsteht ein Kontinuum und ein Werden und entstehen die Anschauungsformen und Kategorien und Reflexionsideen und lagern die „Örter“ der Bilder und kommt es zu einer epistemischen Bedeutung von etwas. Das Kontinuum bleibt ganz auf die sich durchhaltende Einheit in der Ichheit zurückgebunden. Von selbst ergibt sich gar kein „Raum der Bedeutsamkeit“. Eine produziertes „eikon“ im weitesten Sinne (eine Aussage, eine Figur, ein Kunstwerkes) ist selbst nichts Kontinuierliches. Ein „ikonisches Kontinuum“ ist geradezu eine contradictio in adjecto, denn ein Bild kann kein Kontinuum und das Kontinuum kein Bild sein.
G. Boehm kommt immer wieder in eine dichterische, materiale Hermeneutik hinein. Für eine Ikonographie oder Ikonik oder andere Bildtheorie mag das vielleicht ausreichen. Ich möchte fragen: Gibt es kein biblisches Begründungs-Denken, keine Metaphysik des absoluten Grundes?
(c) Franz Strasser 4. 12. 2019.
1„(….) Dagegen wenn ich eine Zahl überhaupt nur denke, die nun fünf oder hundert sein kann, so ist dieses Denken mehr die Vorstellung einer Methode, einem gewissen Begriffe gemäß eine Menge (z.E. Tausend) in einem Bilde vorzustellen, als dieses Bild selbst, welches ich im letztern Falle schwerlich würde übersehen und mit dem Begriff vergleichen können. Diese Vorstellung nun von einem allgemeinen Verfahren der Einbildungskraft, einem |Begriff sein Bild zu verschaffen, nenne ich das Schema zu diesem Begriffe. In der Tat liegen unsern reinen sinnlichen Begriffen nicht Bilder der Gegenstände, sondern Schemate zum Grunde….“ (Kant, KrV, B 180) Andere Bemerkungen zur Mathematik bei KANT finden sich in der KdU § 59, worin die Form und die Anschaulichkeit der arithmetischen und algebraischen Zeichen zugunsten einer semiotische Anschaulichkeit zurückgenommen ist. Dies wirft aber wieder die Frage auf, wie diese Zeichen erzeugt werden können?
2 Zur Begründung der Mathematik bei KANT siehe z. B. Grünewald, Geist, Kultur, Gesellschaft, S 265 – 278, der das Problem mit einer Art realen „Mannigfaltigkeitsordnung“ zu lösen versucht. Während die (euklidische) Geometrie der Anschauungsform des Raumes durch die synthetische Einheit der Verstandesbegriffe eine gegenständliche Bedeutung gibt, ist die Arithmetik eine Wissenschaft, die zwar in ihren Beispielen der Raum- und Zeitanschauung bedarf (durch die 10 Finger, durch Punkte …; vgl. Kants Beispiele etwa in der Einleitung zur „Kritik der reinen Vernunft“), aber diese Veranschaulichung der zu zählenden Quanta lässt deren anschauliche Relationen und Strukturen gerade völlig unberücksichtigt, so sehr, dass auch gänzlich Unanschauliches – wie logische Prinzipien oder mathematische Axiome – zählbar sind. Aber, Frage meinerseits, das anschauliche Zählen und Sehen kommt doch vor der Zahl?!
3 Wie Kant die Philosophie von der Mathematik unterscheidet, ist bekannt und sehr schön formuliert, aber leider hält sich G. Boehm in weiterer Folge sowieso nur an diesen ersten Teil der Philosophie: „…Vernunfterkenntnis aus Begriffen“, sodass aber der Anschauungscharakter und das Visuelle jedes Denkens verloren geht. Die Geometrie und Mathematik braucht er bald nicht mehr. „Die philosophische Erkenntnis ist die Vernunfterkenntnis aus Begriffen, die mathematische aus der Construction der Begriffe. Einen Begriff aber construiren, heißt: die ihm correspondirende Anschauung a priori darstellen. Zur Construction eines Begriffs wird also eine nichtempirische Anschauung erfordert, die folglich, als Anschauung, ein einzelnes Object ist, aber nichts destoweniger als die Construction eines Begriffs (einer allgemeinen Vorstellung) Allgemeingültigkeit für alle mögliche Anschauungen, die unter denselben Begriff gehören, in der Vorstellung ausdrücken muß.“ (Kant, KrV, B 741)
4Siehe z. B. Fichte, Diarium III, wie er die „Unendlichkeit“ definiert: [* am Seitenende ohne Vermerk unter einem Strich:„Die Unendlichkeit liegt in der nie zu verwirklichenden Begriffsform.-. die nie faktisch ist, sondern ewig ein Postu- lat. – . Die Verwirklichung dieser Form ist IchIndividuum.“ (GA II, 17, S 15)
5 Wenn im Zusammenhang mit einem bereits fertigen, ästhetischen Bild von einem Grund gesprochen werden soll, hätte ich von der Methode her kein Problem, einen architektonischen oder skulpturalen oder malerischen Grund im Objekt oder im Subjekt des Künstlers anzusiedeln, aber es soll ja hinter das ästhetische Bild zurückgegangen werden?
6 Der spezifische Sinn des Grundes ist je nach Aufgabe und Thema und Bereich ein anderer. Ein naturaler oder gesellschaftlicher Grund wird von seiner Valenz her anders erscheinen als die Lösung der arithmetischen Aufgabe. Je existentieller, lebensumfassender der Grund sein wird, umso mehr wird das eine Gewissensfrage, welcher Erkenntnisgrund (Schematisierungsgrund) zur Anschauungsform von Zeit und Raum („Kontinuum“, wenn man so will) und welcher Seinsgrund hinzugedacht werden soll.