Zum Begriff des Transzendentalen – 6. Teil

Die Transzendentalien, das EINE (unum), WAHRE (verum), GUTE (bonum), SCHÖNE (pulchrum), seien konvertibel und austauschbar mit dem Seienden/dem wahren Sein.

1) Es ist in Fragen des methodischen Begründungsverfahrens transzendentalen Erkennens, d. h. in Fragen nach dem WIE des Erkennens und der Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit der Wissbarkeit durch Rückgriff auf eine transzendentale Geltungsform des Ich/der Ichheit/ und der daraus entspringenden, reinen Anschauungsformen und apriorischen Begriffen eine reine Akt-Kausalität der Freiheit vorausgesetzt – nennen wir sie „transzendentale Freiheit“ und „transzendentales Selbstbewusstseins“ -, welche Kausalität eine Produktion einer qualitativen Phänomenalität der Welterkenntnis schafft. Die Argumentation der GWL Fichtes von 1794/95 geht grosso modo in diese Richtung einer solchen dialektischen, deduktiven Darstellung der Welterkenntnis.

In der WLnm Fichtes (1796-1799) besteht umgekehrt das ausdrückliche Interesse, die Phänomenalität des Selbstbewusstseins und des empirischen Bewusstseins in intellektueller Anschauung zu bewähren und sinnlich und inkarnatorisch darzustellen. Die freie Tätigkeit oder „Thathandlung“ hat die „Ruhe“ zum Korrelat, und das Korrelat wird ausgebaut zum unendlichen Nicht-Ich der sinnlichen und intelligiblen Gefühle mittels Zweckbegriff – aber natürlich in Geltungsbegründung und als geforderte Einheit in und aus dem wahren Sein eines „absoluten Ichs“, in § 12 als „durch sich selbst bestimmter Wille“ reduktiv wie deduktiv bestimmt.

In der methodischen Geltungsbegründung der WLnm wird das Prinzip des Geltungsgrundes als höchste Synthesis a priori eines Zweckdenkens erreicht, mit der weiteren Absicht, wie gesagt, in synthetischen Schritten diese Quelle des Lichtes und des Lebens zu übertragen auf die konkrete Wirklichkeit interpersonaler und sinnlicher Erfahrung. Die sinnliche Erfahrung ist dabei vermittelt und vorbereitet durch die reinen Anschauungsformen von Zeit und Raum und abgeleiteten Kategorien.

Das Prinzip des Denkens ist die beabsichtigte Erklärung oder Deduktion der phänomenalen Qualität der Welterkenntnis aus dem wahren Sein, hier des durch sich selbst bestimmten reinen Willens – mittels begleitender intellektueller Anschauung.

Wohlgemerkt setzt dieses analytische Aufsteigen zur höchsten erscheinenden Synthesis a priori eines reinen Willens und dann das erneute analytische Aufsteigen zur Anwendung der reinen Anschaungsformen und der Kategorien einen Begriff des Vermögens zu diesem phänomenalen Erkennen voraus, d. h. ein Vermögen zur intellektuellen Anschauung dieser abgeleiteten Begriffe und Synthesen. Die Erkennbarkeit und Bestimmbarkeit der Wirklichkeit durch die Wahrheit der höchsten Synthesis a priori verläuft dabei nicht nach notwendigen Gesetzen, sondern ist höchste kreative und intuitive (poetisch-künstlerische) Transformation und Anwendung.

2) A. Schmidt hat in einem mir durch glücklichen Zufall in die Hände fallenden Artikel die darin liegenden Problematik m. E. gut dargestellt, ob denn eine qualitative Sphäre oder Phänomenalität der Erkennbarkeit und Wissbarkeit allein durch einen akteurhaften, schöpferischen Akt der Freiheit geleistet und gedacht werden kann:1

Es ist nun bemerkenswert, dass nach Fichte durch Intervention des Begriffs der Bewusstseinstätigkeit (die durch intellektuelle Anschauung unmittelbar gegeben ist) das Vermögen gleichsam nachträglich vorausgesetzt wird: Das Vermögen ist nicht ursprünglich Gegebenes, sondern Produkt des Begriffes.“2

Der Begriff ist also konstitutiv dafür, dass es so etwas wie ein Vermögen gibt. Die-selbe Idee findet sich auch in anderen Texten.“ 3

Es ist nämlich ein schwerwiegender Einwand, einfach ein „Vermögen“ als Ursache einer Objektkonstitution vorauszusetzen, wo doch, nennen wir es „transzendentale Freiheit“, dieser Freiheit keine Substanz vorhergehen darf, sondern nur durch aktuale Bildung und durch freie Tätigkeit etwas konstituiert und da sein kann.4 Also ist die „transzendentale Freiheit“ nur ein Schein, eine bloß gedachte Retorsion, dessen Existenz nicht bestätigt werden kann?

3) Wie wird die Erkennbarkeit und Bestimmbarkeit der phänomalen Welterkenntnis in der WLnm durchgeführt?
Die abgeleitete, qualitative Phänomenalität der Welterklärung und Welterschließung soll geleistet sein durch den selbst nicht ableitbaren, absoluten, „durch sich selbst bestimmten Willen.“ § 12. (Genauere Darstellung – siehe Blog zu WLnm).

Die Freiheit kann sich nach dem Begriff einer gewissen kausalen Selbstbestimmung in der Verzeitigung und Versinnlichung und Inkarnation darstellen durch diesen absoluten, reinen Willen. (Siehe zum Willen, insbesonders zum Begriff eines „prädeliberativen Willen“, ebenfalls Blog.)

Jetzt nochmals ähnlich skeptisiert und die Frage aufgeworfen: Wenn jetzt der Grund der Freiheit aber nur innerhalb der phänomalen Qualität der Welterschließung und Weltdarstellung, sozusagen nur in intellektueller Anschauung, eingesehen werden kann, ist das noch eine ursprüngliche, reine akteurhafte Freiheit, die einen kausalen Ursprung aller Objekte durch Freiheit zulässt?! Ist hier die Freiheit nur Schein in einer Erscheinung (in der intellektuellen Anschauung)? 5

A. Schmidt meint, dass Fichte gegen Ende seines Lebens die Geltung und den Geltungsgrund des transzendentalens Aktes der Freiheit und des Erkennes dem unmittelbar nachweisbaren intellektuellen Anschauen immer mehr vorziehen oder entziehen will, um desto deutlicher die akteurhafte Freiheit der Objektkonstitution herauszuheben:

A. Schmidt zitiert „Tatsachen des Bewußtseins“ von 1811:

Die Freiheit in der Reflexion [auf die Wahrnehmung] ergreift nicht sich selbst auf der That, die Freiheit zur That wird hinzugethan. [Dagegen:] Hier [sc. in der Reproduktion] wird die Freiheit ergriffen unmittelbar im Thun. Die Freiheit liegt hier nicht etwa im Begriff der sich verbirgt als Factor, sondern in der Anschauung. […] Das Denken giebt [in der Reflexion] den

Grund der Freiheit: die Freiheit ist nicht in der Anschauung, sie ist im Denken nach dem Grunde. Hier aber [in der Reproduktion] sind in der unmittelbaren Anschauung selbst Phänomen, Bild, und Grund desselben schlechtweg synthetisch vereinigt.“6 (Hervorhebung von mir)

Im Begriff einer Wahrnehmung kann ich nicht mehr meine ursprüngliche, akteurhafte Freiheit, mein Prinzipsein, einschauen. Es ist zwar ein notwendiger Gedanke, dass ich mich auch in der Wahrnehmung letztlich auf die Freiheit als mentale Ursache und mentales Prinzip berufen muss, aber die transzendentale Freiheit (als reiner Begriff) ist hier trotzdem infrage gestellt und könnte ein Schein sein!?
Ich muss für diese freie Tätigkeit eine andere Begrifflichkeit haben, eine unabhängig von der Wahrnehmung originäre Begrifflichkeit von kausaler Ursächlickeit – nicht bloß eine zurückerschlossene Ursache durch Gegensatz oder mittels intellektueller Anschauung.

Es ist wieder die Aenesidemus-Rezension, die uns weiterhilft: Hier wird die Not-

wendigkeit, ein Vermögen einzuführen, damit begründet, wir seien aufgrund des

Satz[es] des Grundes“genöthigt, einen Grund […] aufzusuchen, und denselben in unserem Gemüth zu setzen“.7

Was wir benötigen, ist also eine Konzeption des Begriffes, die den Begriff mit dem Satz des Grundes verbindet. Wenn wir uns in der Geschichte der Philosophie nach etwas Derartigem umsehen, werden wir auch schnell fündig: Es handelt sich um eine Spinozistische Theorie des Begriffs.“8

Andreas Schmidt erläutert dies anhand Spinoza, warum der Begriff eines Begriffs notwendig ist: Nur durch die Erkenntnis der Ursache lässt sich der Begriff einer Sache adäquat bestimmen.

4) Jetzt die Deutung der transzendentalen Freiheit bei A. Schmidt und mir: Der Begriff hat bei Fichte die transzendentale Rolle, dass der Begriff die Gründe in die Erscheinungswelt einführt, aber nicht nach logischer Notwendigkeit, denn dann wäre der Grund der Freiheit ja gar kein Grund der Freiheit mehr, sondern durch Freiheit soll ein jedes Ereignis hinreichend explizierbar und begründbar sein – sofern und sobald nach dem Grund gefragt werde und dieser Vollzug und Nachvollzug freiwillig gewählt wird.

Es ist aber nicht in der Art und Weise einer solchen Begründungsform verlangt (wie bei Spinoza), dass aus Notwendigkeit die Freiheit als eine hinreichende Explikation und Begründung eines Ereignisses oder einer Handlung supponiert werde.

Wenn die Freiheit als hinreichende Erklärung eines Grundes – oder sagen wir einer Hypothese – supponiert werden soll, wie, siehe unten, dann verlangt das ein Vermögen der Erklärung und Darstellung, einen Begriff des Begriffes (ganz nach Spinoza), d. h. hier ein Vermögen der Vernunft.9

Allerdings ist das Vermögen hier nicht irgendwie weitläufig eingeführt, sondern ganz bestimmt: Zur Erklärung einer Aufgabe, eines Solls! Wenn die Aufgabe einer hinreichenden Erklärung eines Grundes (oder einer Hypothese) geleistet werden soll, so geschieht das durch eine allgemein gültige, moralisch-allgemeingesetzgebende und verstandlich-logische, universelle Vernunft.

Wenn bei Spinoza der Begriff des Gegenstandes von der Ursache abhängt – nach notwendigen Verstandesgesetzen des Begreifens – so hängt bei Fichte der Begriff eines Ereignisses oder einer Handlung von einer Ursache der Selbstbestimmung ab, die natürlich nicht determinierend, sondern nur hinreichend (oder an-determinierend) ausfallen kann. Eine hinreichende Erklärung gemäß einem Postulat freier Selbstbestimmung ist verlangt, die in vernünftiger Begründungsform dann geleistet werden kann und geleistet werden muss – sonst wäre diese Erklärung ja irrational oder determinierend.

Der Geltungsgrund der Erklärung soll ganz im Soll und Postulat einer geforderten Selbstbestimmung liegen, worauf die Freiheit antworten kann oder nicht. Die Entscheidbarkeit zu diesem Soll oder Postulat muss dabei hinreichend von der Vernunft dargestellt werden. (Die Verweigerung der Freiheit, wie das möglich ist – dass würde jetzt noch weiterer Reflexionen bedürfen. Das muss ich hier ausblenden.) Das Vermögen der Vernunft expliziert den Geltungsgrund des Handelns nach dem Maßstab einer hinreichenden, universell und moralisch geltenden Lösung, sobald reflektiert wird. Oder darf ich sagen, nach dem Maßstab des EINEN, WAHREN, GUTEN und SCHÖNEN? (Diese Frage des WIE des Zusammenspiels von Freiheit und Vernunft ist ausführliches Thema im 27. Vortrag der WL 1804/2.)

Anders gesagt: Soll es eine akteurhafte Ursache einer freien Tätigkeit und einer Objektkonstitution geben, ist das möglich erklärbar und darstellbar kraft und dank einer vernünftigen Welterschließung und Welterkenntnis. Die mögliche Entscheidbarkeit wird durch Vernunft für die Freiheit als Begriff der Selbstbestimmung sozusagen vor-bereitet, zur Entscheidung frei gestellt und einsichtig gemacht.

Die der transzendentalen Freiheit der Selbstbestimmung (durch Vernunft) folgende intellektuelle Anschauung – wie besonders in der WLnm ausgearbeitet – ist dann aber damit nicht mehr möglicher Schein, unbegründet, aus Wahrnehmung rückerschlossen, sondern durch Vernunft begründete und durch die Erscheinung gerechtfertigte Akteurskausalität.

Anders gesagt: Entschließt sich die Freiheit zu einer akteurhaften Erklärung und Erkenntnis der phänomenalen Qualität der Erscheinung des Absoluten, so geschieht das nicht unbegründet, in existentialischer Weise – wie bei Sartre schön nachlesbar – sondern kohärent und korrelierend zum geforderten Soll einer Erklärung und nach Gesetzen des vernünftigen Vollzuges.

Der Begriff des Begriffes der freien Selbstbestimmung ist dialektisch gesetzt als gefordertes Soll einer möglichen Erklärung und Erkenntnis, aber nicht so dialektisch gesetzt, als müsste notwendig die transzendentale Freiheit auf diese gesollte Entscheidbarkeit antworten und müsste sie notwendig alles aus sich allein, existentialistisch, „zur Freiheit verdammt“, produzieren.

Die Freiheit initiiert sozusagen die Vernunft, nach vernünftigen, realen Gesetzen, das Soll der phänomalen Qualität der Erscheinung des Absoluten darzustellen und zu erklären und faktisch zu realisieren.

Das sich einstellende Gefühl (sinnlich oder intelligibel im Gewissen) in einer hinreichenden oder zufriedenstellender Erklärung muss nicht notwendig folgen, denn die Freiheit kann sich in ihrer Selbstbestimmung auch täuschen und wird dann durch die vernünftigen Gesetze des Vollzuges ent-täuscht. Stellt sich allerdings Zufriedenheit und gewissenhafte Ruhe in einer Entscheidung ein, so darf sich die Freiheit durch die Vernunft begründet und bestätigt fühlen. Nicht die Vernunft gewährt aber eigentlich dieses Gefühl und gewissenhaft Ruhe und Zufriedenheit, sondern der korrelierende und kohärente Bezug zum Soll eines absoluten Geltungsgrundes in seiner qualitativen Erscheinung.

Es bedarf einer immerwährenden Reflexion, oder wenn man sagen will, Kontrolle der Vernunft, wie die transzendentale Freiheit die qualitative Erscheinung des Absoluten kohärent und korrelierend setzt und intellektuell einschaut.

5) Was hat das jetzt mit den Transzendentalien zu tun? Ich deute das so: Sie können nicht in einem transzendentalen Bewusstsein oder einem transzendentalen Setzen als Eigenschaften des wahren Seins (der Ideen) rational bloß erdacht und wahrgenommen werden, dann dann wäre die Freiheit nicht selbst akteurhafte Ursache dieser Begriffe. Sie können nur kraft selbstkritischer Reflexion auf ein Soll einer Handlung in und aus Freiheit als gehaltvolle Identität der qualitativen Erscheinung des Absoluten bestimmt werden, d. h. sie sind bereits gnadenhaft als Eigenschaften der Erscheinung vorgegeben, oder werden relational aus dem Erkenntnisakt prädiziert und vorgestellt.

Wenn die Freiheit sich nach dem geforderten Soll einer hinreichenden Erklärung der konstituierenden Welterkenntnis und Welterschließung bestimmen will, so wird sie in ihrer Entscheidbarkeit die vernünftigen Bedingungen und differentielle Bestimmtheit der Wissbarkeit finden, d. h. sich selbst als Teil des Ganzen der Erscheinung des Absoluten erkennen, als Teil des Einen, Wahren, Guten, Schönen.

Die Parallele zu ANSELM, „Vater des Scholastik“, wurde schon hervorgehoben – siehe diese Reihe Blog 5: Die Wahrheit oder das Wahre ist nicht ein x-beliebiges Erfinden oder bloß logisches Zurückschließen auf eine „regulative Idee“ oder unbedingte Bedingung. Die Wahrheit ist eine allgemeingesetzgebende, moralisch-praktische und theoretische Norm.

ANSELM, „De Veritate“: „veritas est rectitudo mente sola perceptibilis“ (DV 11 u. 13), d. h. „als die allein mit dem Geiste erkennbare Richtigkeit“.
Im Geiste, mithin im Wissen und Bewusstsein, durch Vernunft, ist die Wahrheit  zu erkennen. Die Erkennbarkeit und Wissbarkeit der Wahrheit  ist durch das Soll einer Aufgabe des freien Handelns – dieses Soll ist gnadenhafte Entscheidbarkeit – normiert.

7) In abschließender Weise zum Zusammenspiel einer geforderten Aufgabe (Soll), einer transzendentalen Freiheit und dem Vermögen der Vernunft, möchte ich ein Zitat von Fichte bringen und in Klammer kommentieren: Die akteurhaft Freiheit, mithin der Begriff einer transzendentalen Freiheit (und eines transzendentalen Selbstbewussteins) ist gewahrt – und kann dargestellt und dargelegt werden durch die Vernunft. Die angehobene Möglichkeit der Entscheidbarkeit der Freiheit zur Selbstbestimmung ist klar hinaufgewandert und hineingelegt in einen absoluten Geltungsgrund der Erscheinung des Absoluten. Die reflexiven Vermittlung durch Vernunft als Erkennbarkeit und Bestimmbarkeit ist aber damit ebenfalls gnadenhaft gewährt, denn es gäbe keine vernünftige Sichtbarkeit und Bestimmbarkeit ohne qualitative Erscheinungsweise des Absoluten. Die akteurhafte, phasenweise existientialistisch anmutende Freiheit ist gnadenhaft ermöglichte Vernunftbestimmung (zu einer qualitativen Form von Sittlichkeit und Liebe.)


Aus der Schlussvorlesung der „Thatsachen des Bewußtseins“ von 1811 – 43. Vorlesung:

Das Seyn erscheint unmittelbar immer; die Erscheinung die da erscheint, ist die Erscheinung des Seyns. (sc. mit Platon gesagt: die Erkennbarkeit der Wahrheit ist mit der Idee des Guten geschenkt)  Im unendlichen Wissen kommt es niemals zum Seyn sondern zum Bilde des Seyns, (sc. durch die Vernunft und durch die disjunktive und appositionelle Vernunftordnung) zu einem Bilde welches möglich ist in diesem Momente. Aus der Reflexion, aus dem Sicherscheinen der Erscheinung stammt das ganze factische Wissen. vom Soll an. (sc. das objektivierenden und subjektivierende Bilden des Seins in der Erscheinung steht unter dem Wahrheitsanspruch eines Solls, welche nicht notwendig erkannt werden muss, aber durch Freiheit erkannt werden kann).  Das Gesetz einer Ichheit der Erscheinung ist das oben hin gestellte factische Gesetz, welchem die Erscheinung anheim fällt. (sc. der Vernunftakt=die Ichheit der Erscheinung spaltet sich notwendig disjunktiv in Denken und Sein; die Erscheinung fällt unter dieses faktische Gesetz; aber deshalb ist die Disjunktionsform des Denkens und des Seins nicht bloßer Schein, sondern durch das Soll eines sich selbst rechtfertigenden Grundes von Liebe und Gutsein gerechtfertigt.) Die Ichform ist der absolute factische Grund der Erscheinung. Durch diese ein doppeltes; theils eine gegebene (sc. intellektuelle) Anschauung: das Ich mit dem Triebe und die ganze Welt dieses Ich[;) 2) Freiheit, reale Freiheit, Grundbestimmung der Erscheinung selbst. (sc. Grundbestimmung, weil der Begriff der akthaften Selbstbestimmung als Grund – noch ohne Vermögen – bleiben soll) Freiheit des Sichlosreißens, welches giebt das Gesetz hervorzubringen das unmittelbare Bild des absoluten Seyns.“ (sc. wenn die Freiheit adäquat, nicht notwendig prädeterminiert, nur an-determiniert, sich zur phänomenalen Qualität der Erscheinung des Absoluten verhält, ergibt sich ein reales Gesetz der Vernunft, worin die akteurhafte Freiheit sich als zufrieden oder nicht zufrieden erkennen kann – und deshalb mit der Vernunft weiter strebt nach dem Einen, Wahren, Guten und Schönen der qualitativen Erscheinung. Die akteurhafte Freiheit des Sich-losreißens und das reale Gesetz der Sich-Erscheinung des Absoluten ist durch Vernunft darlegba – und fallen zusammen in einem unmittelbare Bild der Zufriedenheit, sei es im Gefühl, oder im Gewissen.) (StA -2, ebd. S 389, Z 10ff)

© Franz Strasser, Sept. 2025

1Andreas Schmidt, Grund und Begriff in Fichtes Wissenschaftslehre nova methodo. In: Die Rolle von Anschauung und Begriff bei Johann Gottlieb Fichte. Hrsg. v. Violetta Waibel, 2021, S. 145-155.

2Andreas Schmidt, Grund und Begriff, ebd. S. 145. (Hervorhebung von mir)

3Andreas Schmidt, Grund und Begriff, ebd. S 146.

4Andreas Schmidt verweist in diesem Zusammenhang auf die existentialistischen Argumente bei Sartre (vgl. ebd. S 147.148)

5Andras Schmidt diskutiert das anhand zweier englischer Philosophen, Gnet und O’Connor. Vgl. ebd. S 149-151.

6Fichte: Darlegung der Thatsachen den Bewußtseyns (Nachschrift, 1811), GA IV/4, 151.

7Fichte: Aenesidemus-Rezension, GA I/2, 53.

8Andreas Schmidt, ebd. S 152.

9Vgl. Andreas Schmidt, ebd. S 153.

Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser