Schöpfungserzählung 1. Teil – oder die Metaphysik des Absoluten.
1) בראשית ברא אלהים את השמים ואת הארץ

bereschit bara elohim et haschamaijim weet haarez
2) ᾿Εν ἀρχῇ ἐποίησεν ὁ θεὸς τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν.
3) In principio creavit Deus caelum et terram
Im Anfang schuf …….
Metaphysik definiert Kant einmal als Bestimmung des Seienden allein durch Begriffe. (Vgl. etwa Kants Stellungnahme zur Philosophie von Chr. Wolff z. B. KrV B XXXVI f oder KrV B 303). 1
Nach Kant bedarf es, um sichere und gewisse Erkenntnis zu erreichen, subjektiver Erkenntnisbedingungen, die auch die der objektiven Gegenstände selbst sind, und mithin einer Kritik der reinen Vernunft, wieweit sie gehen und erkennen kann. Von unbedingten Sachverhalten wie Gott, Welt, Seele ist keine sichere (theoretische) Erkenntnis möglich. Das Bewusstsein ist auf die synthetische Verarbeitung eines gegebenen Anschauungsmaterials eingeschränkt.
Für Fichte hat Kant die Frage nach den Erkenntnisbedingungen des Seins vorzeitig abgebrochen. Die transzendentalen Erkenntnisbedingungen verlangen ebenso den Einbezug der Erkenntnis der praktischen Konstitutionsbedingungen des Seins, mithin die Einbeziehung aller Wissbarkeitsbedingungen.
Die (subjektiven) Erkenntnisbedingungen und die Funktionsweise des Denkens müssen radikaler begründet und gerechtfertigt werden.
Fichte verstärkte sozusagen das Vorgehen der transzendentalen Erkenntnisart Kants, indem er überhaupt keine realistischen versus idealistischen Voraussetzungen mehr zulassen wollte, sondern aus einer analytisch-synthetischen Einheit des Setzens (dem „absoluten Ich“) mussten alle subjektiven wie objektiven Bestimmungen des Seienden ableitbar sein.
Der Begriff des Seins – Hauptthema herkömmlicher Metaphysik – ist ein im Ich begründetes und aus ihm ableitbares Konzept eines Bild-Seins.
In der späteren WLn Fichtes wurde allerdings eine noch genauere Präzision eingeführt: Das Denken des Seins muss zwar a) einerseits innerhalb des Selbstbewussteins angesetzt werden, die Begründung und Rechtfertigung dieser ganzen Funktionswiese des Denkens muss aber b) höhererseits selbst begründet und gerechtfertigt sein. Fichte kommt zum (alten) Begriff des „Seins“ zurück, aber in der Form der verstandenen Erscheinungsweise des Absoluten (Gottes). Der Begriff „Metaphysik“ wird im Sinne der Existenz- und Erscheinungsweise des Absoluten rehabilitiert, ohne aber in unerkanntes, bloß begrifflich erreichbares Sein abzustürzen. In der Form der freien Nach-Bildung und genetischen Wiederholbarkeit der Erscheinung des Absoluten/Gottes kann Transzendenz wie Immanenz des Erkennbaren verbunden werden.
Das Wort „Schöpfung“, und verbal gesagt „schaffen“, bekommt allerdings jetzt einen mehrdeutigen Klang: „schaffen“ bedeutet gnoseologisch ein moralisches und ästhetisches Schaffen, eine Selbstbestimmung durch Freiheit. „Schaffen“ kann allein die Reflexion der Freiheit und die ursprünglich produzierende Einbildungskraft. „Schaffen“ und „Schöpfung“ kann nicht in einer ontologischen Kategorie gefasst werden, weil dies das absolute Sein Gottes relativieren würde – so bereits bei THOMAS nachzulesen. 2
Allerdings im Akt des freien Setzens und im Erzeugen einer moralischen oder ästhetischen Kategorie muss die Seinsmöglichkeit dazu doch ontologisch vorausgesetzt werden – so immer deutlicher die Ausführungen in den späten WLn. Fichtes.
Eine Naturschöpfung hat ihren formalen Zweck der Erscheinung Gottes schon erreicht, ist teleologisch abgeschlossen, schaffen kann allein jetzt die Freiheit und Reflexion. WAS aber dann an materialem Gehalt in etappenweisen Schritten der Reflexion und Freiheit zutage tritt und erscheint, liegt keinesfalls mehr im Vermögen der auktorialen Freiheit selbst. Im moralischen und ästhetischen Schaffen beginnt die Sichtbarkeit der Erscheinung Gottes gnadenhaft hervorzutreten (oder verbirgt sich bei Missbrauch der Freiheit).
1) Genau das kann aber im Text GENESIS 1 herausgelesen werden. Die Natur-Schöpfung – mit implementierter Rechts-, Moral- und Religionslehre und Erwartung einer positiven Offenbarung – ist geöffnet, oder anders gesagt, ist ontologischer Möglichkeitsgrund, das Sein Gottes in unendlich vielen Sinn-Gebungen durch Freiheit zu finden.
Der Wert und der Sinn der Schöpfung treten – aufgrund der reflexiven Vernunftnatur nur sukzessive – im schematisierenden Nachvollzug der Schöpfungsabsicht Gottes heraus.
Sichtbar werden immer nur die individuellen und interpersonal hervorgebrachten Sichbarkeiten eines Zwecks und eines Endzweckes der Schöpfung, und dies nur in unendlicher Zeit. Nichtsdestotrotz gewährt gerade der Begriff „Schöpfung“ oder „schaffen“ die schöpferische Möglichkeit, im reflexiven Schöpfungsakt sich aus einer göttlichen Quelle der Genesis zu begründen und zu bewähren.
Man merkt es Gen 1 auf den ersten Blick an, dass weder rein komparativ zu anderen Göttergeschichten des Vorderen Orients etwas erzählt wird, noch rein naturalistisch etwas behauptet wird, sondern eine apriorische, universal gültige Geschichte eines Verhältnisses wird erzählt, oder besser gesagt, wird besungen und meditiert. Mangels besserer Begriffe möchte ich sagen, eine transzendentalkritische Erkenntnislehre auf höchstem Niveau, die apriorische Geschichte eines personalen und interpersonalen Verhältnisses wird dargestellt, besungen in vollkommener Schönheit.
2) Meine Herangehensweise: Wie sind die Aussagen in Gen 1 im geistigen Handeln des Menschen selbst begründbar, also auf ihre Bedingungen der Wissbarkeit hin analysierbar, sodass sie universal verstehbar und zeitlos gültig und wahr sein können? Dies bedingt weiter, dass so ein berühmter Text nicht zufällige Zeit-Erscheinung sein kann, der auf seine überlieferte Autorität hin historisch und blind hingenommen werden muss, sondern eine apriorische Form der Vernunft darstellt, die durch Hagiographen geschaut bzw. geglaubt worden ist, und jetzt jeweils aktualisiert nachvollzogen werden kann. Geschichte ist nicht Aneinanderreihung von historischen Data oder Anhäufung von unendlich vielen komparativen Vergleichen, Sammlung zufälliger Ereignisse, sondern immanente Produktionsform der Vernunft, gerade deshalb auch Erscheinungsform aus einem trans-immanenten Prinzip der Erscheinbarkeit Gottes überhaupt.
3) Es wird in Gen 1 in einer Vernunftform und in einer Sprache gesprochen, die im Durchreflektieren des Gemeinten verstanden werden kann – im Sinne eines apriorischen Maßes des Sollens und der Freiheit.3
Es handelt sich nicht a) um eine wissenschaftstheoretische Beobachtungssprache, als sei bei der Schöpfung etwas zu beobachten oder zu vermessen (gewesen), auch nicht
b) um eine bloße weitere Mythologie des Vorderen Orients, die aber dann nicht ernst genommen werden muss – ich möchte auf keinen Fall Mythologien abwerten -,
c) sondern durchaus vernunftkritisch und nachvollziehbar soll eine apriorische Erscheinungsform des Absoluten („Gottes“) in reflexiver Terminologie verkündet werden.
Wenn schon in der empirischen Empfindungs- und Gefühlswelt darauf gerechnet wird, dass wir spontan und unmittelbar auf Hemmungen reagieren und eine sinnliche Innen- und Außenwelt mit den spezifischen Werkzeugen der Sprache beschreiben, wie viel mehr wird uns a fortiori im Sprechakt eines Textes von Gen 1 und seiner ganzen Aussageabsicht angemutet, das darin liegende personale Sollen als Einheit von Zeichensetzung und Bezeichnung reflexiv zu verstehen und als Realisierungs- und Sinnforderung eines absolut guten, heiligen Willens, der sich in der Schöpfung aussagen will, spontan nachzuvollziehen? 4
4) So muss z. B. – um nur eine Sequenz herauszugreifen -, der explizite Schöpfungsauftrag Gen 1, 26.28 so ausgelegt werden, dass das „Abbild“ und „Bild Gottes“ bereits ein substantiell freies Vernunftwesen ist, damit eine Realisierungs- und Sollensforderung überhaupt an es ergehen kann. Das substantiell freie Vernunftwesen ist befähigt zu Bedingungen der Freiheit eine sinnvolle Realisierung und Lebensgestaltung einzuleiten – und die eine Erde von allen für alle zu jeder Zeit zu bebauen und zu bewahren und zu „herrschen“ im Sinne der Ordnung Gottes.
Im Abbild „Mensch“ – noch dazu dann zweigeschlechtlich gedacht – liegt die formale Sichtbarkeit des unsichtbaren Gottes, der reine, heilige Wille seiner Grundintention nach als „Bild Gottes“.
In der Einheit einer Aufforderung zu einem freien Handeln bildet sich die Intention des Schöpfers ab. Diese Einheit einer Aufforderung ist noch keine Trennung von Performation und Proposition, von Referenz und Prädikation, sondern projektiv-zweckhaft, virtuell ist vorweggenommen, was den Sprechakt und das Verstehen und die performative Kraft einer vorauszusetzenden Konstitutionsbedingung erst ermöglicht: eine gesollte und gewollte, genetische Einheit eines übereinstimmenden, glaubenden, vertrauenswürdigen Wollens im und durch einen heiligen, durch sich selbst bestimmten Willen zu sein, „Bild Gottes“.
M. a. W., das vorstellende und praktische Handeln des Vernunftwesens „Mensch“ kann als „Bild Gottes“ sich bewähren, wenn die Sichtbarkeit des heiligen Willens in ihm selbst zu Bedingungen der Freiheit zum Ausdruck kommt.
Ohne diese genetische Begründung eine Abbildhaftigkeit in und aus dem absoluten Geltungsgrund würde das „Bild Gottes“ augenblicklich in Nichts vergehen – und alle sichtbare Außenwelt würde nicht mehr als Schöpfung Gottes erkannt.
Anders gesagt: Nicht eine objektivierende Prädikationsform einer kausal-begrifflichen Erklärung von Welt oder ein bloß gegenständlich-epistemisch verstandenes „Abbild“ Gottes kann das Wissen der Rede von Gen 1 tragen und nachvollziehen, sondern das „Abbild“, das „Bild Gottes“, ist bereits der transzendental-wissende, gnoseologische Standpunkt, staunend und dankend auf die ontologische Vorgabe der Schöpfung zurückzukommen.
Wie diese Konstitutionsgenese eines Zusammenhangs des Unbedingten mit dem Bedingten eines Abbildes (einer Seele) möglich sei – das nenne ich hier die „Metaphysik des Absoluten“, d. h. die Wirklichkeit des Absoluten soll zu transzendentalen Bedingungen des Erkennens nachvollzogen und re-konstruiert werden.
5) Wie kann das Verhältnis Absolutes/Geschaffenes rational so gedacht werden, dass sowohl die Absolutheit und absolute Andersartigkeit Gottes, als auch das ständige Bezogensein des „Abbilds“ und der ganzen Schöpfung auf diesen absoluten Geltungsgrund hin, gewahrt ist?
Das Verhältnis eines Denkens von Schöpfer/Schöpfung (Absolutes/Geschaffenes) offenbart m. E. einen Setzungsgrund, der
a) weder aus dem Bewusstsein alleine erklärt werden kann, so als könnte das Bewusstsein aus eigener Position das Absolute denken und setzen. Das ist oberflächlich und dumm – siehe z. B. bei Schelling, Hegel, Feuerbach u. Co. Sie sind nur zu einem immanent vorgestellten absolutum aufgestiegen bzw. zur expliziten Leugnung desselben.
b) Noch offenbart das Verhältnis Absolutes/Geschaffenes ein bloß begrifflich gedachtes absolutum, einen ad infinitum fortschreitenden Erkenntnisgrund einer realen Ursache oder einer Emanation Gottes, wie es in asiatischen Religionen zu finden ist (oder ebenfalls bei Schelling oder in antiken emanatistischen Erklärungen).
c) Das Denken des Absoluten, außerhalb dessen Erscheinung notwendig kein anderes Sein sein kann, muss sowohl das Bezogensein gemäß der Wahrheit und der Liebe (ein prädeliberatives Wollen), als auch die Möglichkeit eines schematisierenden Bild-Seins und einer eigenständigen Freiheit und einer geschaffenen Wahlfreiheit zum Ausdruck bringen und zulassen.
Ich möchte dieses Verhältnis Absolutes/Geschaffenes etwas behelfsmäßig und ausbaufähig kurz so beschreiben: Das Verhältnis Absolutes/Geschaffenes ist eine Ursache, die ihren Grund außerhalb des Begründeten hat, eine Ursache als Grund, die Grund einer Folge ist, die im Aufgerufen- und Aufgefordertsein und in einem Bezogensein von Freiheit, existentiell und dauernd und zeitlos und freilassend, eingesehen werden kann. (Wie Grund und Folge bzw. Ursache und Wirkung zusammenhängen – siehe andere zwei Blogs von mir.)
Einerseits kann alles, was da ist, nur durch das absolute Dasein und den Existentialakt des Absoluten da sein; andererseits gewinnt im Grund-Folge-Denken und in der Eruierung einer transzendentalen Wissensstruktur (des Selbstbewusstseins) das Bild der Genesis (das Hervorgehen der Schöpfung in einem ewigen Sinne) erst Form und Gestalt in jedem interpersonal und individuell verfassten Selbstbewusstsein und freien Tun.
Anders gesagt: Das Vernunftwesen „Mensch“ kann sich nicht metaphysisch irgendwie abhängig oder emaniert aus Gottes Wesen hervorgehend begreifen, da würde es sich gar nicht begreifen, aber konkret als Teilrealisation des Ganzen der Sich-Erscheinung des Absoluten, als Genesis dem Sollen nach, kann es sich begreifen – zu Bedingungen der Freiheit.
Es ist in der Reflexion auf den absoluten Geltungsgrundes in Gen 1 ja bemerkenswert, dass weder a) idealistisch zurückgegangen wird auf ein erstes Prinzip in der Art, dass notwendig eine Bedingung der Möglichkeit des Seins supponiert wird, die man dann „Gott“ nennt, im Sinne der thomistischen fünf Wege,
b) noch wird versucht, realistisch auf eine kausale, physikalische oder sonst wie emanative Ursache zurückzugehen, die dann irgendwie pantheistisch sich ausströmt und verbreitet und zufällig zum „Abbild“ und „Bild Gottes“ und zu Sonne, Mond und Sternen führt.
Vielmehr wird c) intuitiv-intelligierend eingesehen, dass von vornherein eine Selbstbezugsform des Sich-Wissens und des Selbstbewusstseins konstitutiv angesetzt und vorausgesetzt werden muss, um sowohl begrifflich vom „Abbild“ oder „Bild Gottes“, wie von der Schöpfung des Himmels und der Erde überhaupt sprechen zu können.
Die Konstitutionsgenese der äußeren sinnlichen Welt wie der inneren Bewusstseinswelt wird dabei bildlich in Tage zerlegt, „erster Tag“, „zweiter Tag“…….. bis zum „Sabbat“, weil ein grundlegendes Diskursivitätsgesetz des Denkens uns auferlegt ist. Schlussendlich muss aber alles überzeitlich und konstitutiv wieder eingeholt werden können, bildlich ausgedrückt in dem Wort vom „Sabbat“.
Am „Sabbat“ ist die Erinnerung an das Hexameron gesetzt und zugleich das virtuelle Ende aller geforderten (postulierten) Realisierung. Das Ende ist der Lobpreis Gottes. Anders gesagt: Das Verhältnis Absolutes/Geschaffenes ist diskursiv in Tagen aufgeteilt, zugleich ist diese Diskursivität systematisch zusammengehalten in einer überzeitlichen, dauernden Konstitutionsgenese als creatio continua.
Bezieht man jetzt die geschichtliche Realisierungsformen von Gut und Böse ein, wie es transzendental notwendig geschehen muss, will sich das „Abbild“ ganz verstehen, so stellt sich ebenfalls die Frage nach Satisfaktion und Restitution des Bösen – und wie geht das mit der in die Schöpfung hineingelegten Intention Gottes und dem immer wiederkehrenden „es war gut“ zusammen?
Wenn die Schöpfung bereits als Aufruf-Antwort-Geschehen gesehen wird, so besteht Anschluss zu einer, nur historisch konstatierbaren, positiven Offenbarung im vollsten Sinne des Wortes: Der heilige Wille Gottes ist in der positiven Offenbarung JESU CHRISTI, in seinem Tod zur Vergebung der Sünden, in seiner Auferstehung und Himmelfahrt, kongruent zum Schöpfungsabsicht Gen 1 – als ergangene Aufforderung des Solls – und eingelöst als vollendete Sinnidee enthalten.
Die Offenbarung ist in ihrem virtuellen Ende des „Sabbats“ durch die positive Offenbarung JESU CHRISTI nicht irgendwie bloß moralisch vollendet, sondern genetisch vollendet im Bild der „Auferstehung“. Die christliche Liturgie spricht metaphorisch auch vom „achten“ Tag, nicht als Addition zum „Sabbat“, aber als konkrete Erfüllung des „Sabbats“. Der motivierte „Sabbat“ wird durch die Auferstehung JESU erfüllt und ist, in einem diskursiven Schritt des Nachvollzugs der positiven Offenbarung auf den „Sonntag“ übergegangen.
6) In Gen 1 wird gar nicht erst versucht, den Menschen evolutionär entstanden sein zu lassen, oder irgendwie bloß höher stehend als die Tiere einzustufen, nein, unmittelbar, überzeitlich wird der Mensch als Vernunftwesen ins Haus der Schöpfung gesetzt. Das Anthropozän beginnt sofort – und die Erde ist der terrestische Planet für jedes „Bild Gottes“, teleologischer Austragungsort friedlichen Zusammenlebens, jenseits aller politischen oder lokalen Grenzen. Kategorisch ist der Mensch als Freiheitswesen generell vom Tier unterschieden und im Vokativ und mit geschlechtsspezifischen Unterschied in eine genetisch-konstitutive Aufruf-Antwort-Situation hineingestellt. Der Mensch ist schon „substantieller Denk- und Selbstbestimmungsakt“ (Dr. Bader), als „Bild Gottes“ erschaffen, und wird nicht erst zeitlich zum „Bild Gottes“. Er ist als solcher fähig, wie die komparativen Vergleiche es ausdrücken, „Repräsentant, „Statue“ zu sein.5
7) Wie mit einem Paukenschlag beginnt es: Die erste Setzung im Wissen ist Dasein, Existenz („bereschit“) – und innerhalb dieser Setzung ist gleichzeitig ein Aufruf gesetzt. Transzendentalphilosophie ist Existenzphilosophie, Daseinsanalyse, insofern das Dasein des Menschen im Dasein Gottes begründet und gerechtfertigt ist. Die Kategorie der Realität, von der zwar anmaßend jeder Positivismus oder Dogmatismus ausgehen, ist solange hypothetisch, als die zu begründende Erscheinungsobjektivität und Erscheinungssubjektivität (die „Realität“) als Ursache der Vorstellung in ihren transzendentallogischen Gesetzen nicht abgeleitet ist, d. h. solange als ihre faktische Wirklichkeit nicht bedingt begriffen werden kann. 6
Die Wirklichkeit wird projiziert als Schöpfungs-Akt („bara“), zugleich aber mit der Intention, das im Anfang schon Wahrheit und Liebe enthalten sind – „bereschit“ – wenn überhaupt der Begriff eines Anfangs verstanden werden soll. Siehe dann nächster Blog zum Begriff des Anfangs.
Rein reflexiv im Wissen formuliert und konstitutiv im Wissen gesetzt: Es ist das transzendentale Prinzip einer absoluten Reflexibilität, eines „absoluten Ichs“, das Gen 1, 1 nachbildet und nachkonstruiert – und in den späteren WLn Fichtes durch ein absolutes Soll des erscheinenden Absoluten/theos deduktiv ableitet.
Die Autoren (oder der Autor) des ganzen Kapitels Gen 1 haben das intuitiv und intelligibel, unüberbietbar und genial erfasst.
Die Transzendentalphilosophie hat die Aufgabe, die Konstitutionsgenese des Geschaffenen aus dem Absoluten darzustellen: Mit den Begriffen der ersten WL Fichtes der GWL von 1794/95 könnte man das etwa so beschreiben: Die Handlungen des Geistes sind hier in Gen 1 in Reflexionsideen auf drei, ineinander zusammenhängenden Ebenen angesiedelt:
a) das nicht einmal der Negation fähige „absolute Ich“, das Absolute/Gott;
b) das Ich als Substanz, die „Totalität aller Realität“ (GRUNDLAGE, § 3) mit allen weiteren apriorischen Gesetzlichkeiten der Ichform, der Wissensform;
c) das begrenzte Ich, das durch das Nicht-Ich theoretisch begrenzt gesetzt wird bzw. umgekehrt sittlich-praktisch das Nicht-Ich begrenzt (GRUNDLAGE ab § 4 ff. ); m. a. W., das endliche Ich.
(c) Franz Strasser, 15. 10. 2015
1Vgl. dazu Johannes Brachtendorf, Der erscheinende Gott, Fichtes-Studien Bd. 20 (2003), S 240-251.
2 Zum mehrdeutige Begriff der Relationalität siehe z. B. Thomas v. Aquin, Summa theologiae 1 q 13 a 7 c: „…aber in Gott gibt es nicht irgendeine reale Relation von ihm zu den Geschöpfen“.
Oder noch krasser und direkter bei Fichte, AzsL (1806) nachzulesen: „Aus Unkunde der im bisherigen von uns aufgestellten Lehre entsteht die Annahme einer Schöpfung; als der absolute Grundirrthum aller falschen Metaphysik und Religionslehre und insbesondere, als das Urprincip des Juden- und Heidenthums.“ (SW, Bd. V, S 479)
„(…) nein, sagt Johannes: im Anfange, in demselben Anfange, wovon auch dort gesprochen wird, d.h. ursprünglich und vor aller Zeit, schuf Gott nicht, |und es bedurfte keiner Schöpfung, — sondern es — war schon; es war das Wort — und durch dieses erst sind alle Dinge gemacht. Im Anfange war das Wort, der Logos, im Urtexte; was auch hätte übersetzt werden können, die Vernunft, oder, wie im Buche der Weisheit beinahe derselbe Begriff bezeichnet wird, die Weisheit: (…)“ (ebd. S 479.480)
3Die Bibelexegese hat in den letzten 2 Jhd. viele textkritische Methoden entwickelt, dazu verschiedene literarische und anthropologische, soziologische, psychoanalytische Methoden beigezogen. Einen guten Überblick bietet dein Dokument aus Rom aus dem Jahre 1993. Zitat aus: Bibel und Kirche, 4. Quartal, 1994 speziell zur historisch-kritischen Methode: „Im derzeitigen Stand ihrer Entwicklung durch läuft die historisch-kritische Methode folgende Etappen: Die Textkritik, die seit langer Zeit geübt wird, er öffnet die Reihe der wissenschaftlichen Forschungsvorgänge. Indem sie sich auf das Zeugnis der ältesten und besten Manuskripte stützt, wie auch auf die Papyri, die alten Übersetzungen und die Patristik, versucht sie, nach bestimmten Regeln, einen biblischen Text zu erstellen, der dem Originaltext so nahe wie möglich kommt. Danach wird der Text einer linguistischen (morphologischen und syntaktischen) und semantischen Analyse unterzogen, die die Erkenntnisse der historisch-philologischen Forschung benützt. Die Literarkritik bemüht sich dann, Anfang und Ende der großen und kleinen Texteinheiten zu bestimmen und die innere Kohärenz des Textes zu prüfen. Die Existenz von Dubletten, unvereinbaren Gegensätzen und anderen Indizien lassen den zusammengesetzten Charakter gewisser Texte erkennen; man unterteilt sie in kleine Einheiten, um deren mögliche Zugehörigkeit zu verschiedenen Quellen zu ermitteln. Die Gattungskritik versucht, die literarischen Gattungen, ihr Ursprungsmilieu, ihre spezifischen Merkmale und ihre Entwicklung zu bestimmen. Die Traditionskritik situiert die Texte in den Überlieferungsströmen, deren Entwicklung im Laufe der Geschichte sie zu präzisieren versucht. Die Redaktionskritik schließlich untersucht die Veränderungen, die die Texte erfahren haben, bevor sie zu ihrer endgültigen Form gelangten; sie analysiert diese Endgestalt, indem sie die Texte unter dem Gesichtspunkt ihrer jeweiligen Orientierungen von einander unterscheidet. Während man in den früheren Schritten versucht hat, den Text in seinem Wer den in einer diachronen Perspektive zu erklären, so schließt dieser letzte Schritt mit einer synchronen Untersuchung: man erläutert nun den Text als solchen, dank der gegenseitigen Beziehungen der verschiedenen Elemente untereinander und betrachtet ihn unter dem Gesichtspunkt einer Botschaft, die der Verfasser seinen Zeitgenossen vermitteln will. So kann auch die pragmatische Funktion des Textes berücksichtigt werden. Wenn die untersuchten Texte einer historischen literarischen Gattung angehören oder in Verbindung mit geschichtlichen Ereignissen stehen, so ergänzt die historische Kritik die Literarkritik, um die geschichtliche Bedeutung des Textes im modernen Sinn des Ausdrucks festzustellen. Auf diese Weise werden die verschiedenen Stufen der konkreten Entwicklung der biblischen Offenbarung ans Licht gebracht.“ (S 186) Die transzendentale Frage ist dann: Wie kommt man von der diachronen zur synchronen Betrachtung? Wie ist die zeitliche Vorstellung überhaupt möglich?
4Vgl. dazu Peter Baumanns, Von der Theorie der Sprechakte zu Fichtes WL, in: Der transzendentale Gedanke, Hamburg 1981, S 184.
5Die im Schöpfungsauftrag Gen 1, 26.28 so genial festgehaltende Realisierungsforderung und Sinnforderung von Wahrheit und Sinn, von Heiligkeit und Gerechtigkeit, von Glaube und Wissen, konnten die griechischen Philosophen deshalb so schwer fassen, weil sie entweder das Sein oder die Negation des Seins als höchste Idee zwar gesehen haben, aber nicht den Bundesgedanken und den personalen Aufruf Gottes (aus der Hl. Schrift) kannten. Sie entdeckten eine göttliche Vernunftordnung, aber nicht den Glauben an einen Bundesgott in dieser Vernunftordnung. Das verdanken wir der Hl. Schrift!
Die historisch-kritische Bibelauslegung kümmert sich vielleicht? nicht um die systematisch und philosophisch zu ziehenden Schlüsse in vielen ihrer herrlichen Forschungen. Sie kommt aber m. E. nicht um eine transzendental-kritische Systematisierung herum, weil sie notwendig a) die apriorischen, unzeitlichen Erkenntnisbedingungen integrieren, als auch b) aus historischer Perspektive eine gewisse Vereinheitlichung der Theologiegeschichte Israels anerkennen muss, will sie den Sinn von Gen 1, der sogenannten „Priesterschrift“, ganz erkennen.
Ich zitiere z. B. aus Konrad Schmid, Der Pentateuch und seine Theologiegeschichte. In Zeitschrift für Theologie und Kirche, Sept. 2014, S 25: „Zum einen reformuliert sie die aus der Tradition, besonders den Psalmen, bekannte Schöpfungsthematik im Blick auf die creatio prima und ermöglicht von daher eine grundsätzliche Neukonzeption des Gottesbegriffs sowie der Vorstellung von Gottes Handeln in und an der Welt. Besonders in der Priesterschrift, aber auch bei Deuterojesaja, wird deutlich erkennbar, dass Gottes Handeln grundsätzlich als Schöpfungshandeln qualifiziert wird. Das ist eine Neuerung gegenüber den herkömmlichen Darstellungsweisen von Gottes Handeln in den Geschichtsbüchern, namentlich in ihrer deuteronomistischen Prägung: Gott wirkt unmittelbar oder durch andere Mächte, aber in der Geschichte, als ein Faktor neben anderen. Durch die Einleitung durch die Urgeschichte ergibt sich hier eine Perspektivenveränderung: Der Gott der Geschichte ist der Schöpfergott, der Zeit und Geschichte selbst erschaffen hat. Deshalb kann er zwar in und durch die Geschichte wirken, ist aber nicht einfach ein Faktor in der Geschichte. Zum zweiten ist der Urgeschichte die universale Aufweitung des in Gen 12–Dtn 34 vorherrschenden Israelhorizonts zu verdanken: Gen 1–11 bietet eine weltweit orientierte Kontextualisierung der ab Gen 12 einsetzenden Geschichte der Ahnväter Israels und dem aus ihnen entstehenden Volk.“
6Wir müssen vom Zirkel des Wissens und konkret von der Gestalt eines Einzel-Ich ausgehen, um den Zirkel des Wissenden und Gewussten zu heben. Eine biologische und evolutiv fortschreitende Kausalität kann die Gestalt eines Einzel-Ichs nicht erklären, wie der Evolutionismus vorgibt tun zu können. Auch der Evolutionismus setzt das Einzel-Ich voraus. Vgl. dazu z. B. A. MUES, Thesen gegen die evolutionäre Erkenntnistheorie und die sie ermöglichende philosophische Positionen, in: Fichte-Studien 4, 1992, 119ff.