1) Die Begründung eines sakramentalen Amtes in der Katholischen Kirche wird immer wieder in geschichtlichen Zusammenhängen gesehen.
Siehe z. B. 2. Vatikanum, Lumen Gentium 20: „Jene göttliche Sendung, die Christus den Aposteln anvertraut hat, wird bis zum Ende der Welt dauern (vgl. Mt 28,20). Denn das Evangelium, das sie zu überliefern haben, ist für alle Zeiten der Ursprung jedweden Lebens für die Kirche. Aus diesem Grunde trugen die Apostel in dieser hierarchisch geordneten Gesellschaft für die Bestellung von Nachfolgern Sorge.
Sie hatten nämlich nicht bloß verschiedene Helfer im Dienstamt (40), sondern übertrugen, damit die ihnen anvertraute Sendung nach ihrem Tod weitergehe, gleichsam nach Art eines Testaments ihren unmittelbaren Mitarbeitern die Aufgabe, das von ihnen begonnene Werk zu vollenden und zu kräftigen (41). Sie legten ihnen ans Herz, achtzuhaben auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist sie gesetzt habe, die Kirche Gottes zu weiden (vgl. Apg 20,28). Deshalb bestellten sie solche Männer und gaben dann Anordnung, daß nach ihrem Hingang andere bewährte Männer ihr Dienstamt übernähmen (42). Unter den verschiedenen Dienstämtern, die so von den ersten Zeiten her in der Kirche ausgeübt werden, nimmt nach dem Zeugnis der Überlieferung das Amt derer einen hervorragenden Platz ein, die zum Bischofsamt bestellt sind und kraft der auf den Ursprung zurückreichenden Nachfolge (43) Ableger apostolischer Pflanzung besitzen (44). So wird nach dem Zeugnis des heiligen Irenäus durch die von den Aposteln eingesetzten Bischöfe und deren Nachfolger bis zu uns hin die apostolische Überlieferung in der ganzen Welt kundgemacht (45) und bewahrt (46).“
Wie ist diese Begründung – das „Zeugnis“ der Apostel, der Väter, der Märtyrer – eigentlich zu verstehen? Bei historisch-kritischer Zerlegung der Textstellen des Neuen Testamentes stößt man sicherlich auf gewisse Begriffe und Ämter, die es schon im 1. und 2. Jhd. gegeben hat, aber es muss doch auch einen zeitüberhobenen Vernunftgrund zu den kirchlichen Ämtern „Bischof“, „Priester“, „Diakon“ geben, sonst a) wären sie heute nicht mehr zu rechtfertigen und b) hätten sie sich auch bis heute, jetzt schon an die 2000 Jahre, nicht gehalten?
Liest man in historisch-kritischer Literatur des Neuen Testamentes oder hört dazu Vorträge1, so frage ich mich immer, mit welchem Vernunftargument wird hier argumentiert? Abgesehen jetzt von den vielen Methoden der Textanalyse, die ich im übrigen sehr interessant finde (wie Textkritik, Formkritik, Kanonkritik, rhetorische Analyse, narrative Analyse, literarische Analyse, psychologische Analyse usw. usf.), in genere gesagt, abgesehen von aller hermeneutischen Kritik, frage ich mich immer nach dem letzten Vernunftstandpunkt einer Aussage: Man liest und spricht z. B. bei der Einsetzung kirchlicher Ämter von notwendiger Institutionalisierung zwecks Sicherung der Glaubenskontinuität, von nachösterlicher Einsetzung des auferstanden Christus (dem Sinne nach), von systemtheoretischen Notwendigkeiten, dass nur Männer für ein Weiheamt eingesetzt werden konnten.
Was war, ist eine Frage hermeneutischen Verstehens, was ist aber dahinter der zeitüberhobene Geltungsanspruch in einem kirchlichen Amt und warum sollte er nur für Männer reserviert sein? Natürlich ist die Geschlechterdifferenz bereits im „Bild“ des Vernunftwesens selbst konstitutiv mitgegeben – aber, ich gehe ganz zurück, wie geschlechtsdifferent als auch geschlechtsübergreifend der „Sündenfall“ geschah, und wir sind noch immer drinnen!, so wird doch hoffentlich der Erlösungsgedanke ebenfalls geschlechtsdifferent wie geschlechtsübergreifend wirksam werden können!? Der göttliche Geltungsgrund des Geltungsanspruches einer zugesagten positiven Offenbarung wird doch hoffentlich für beide Geschlechter gelten?!
Nur geschlechtsspezifisch können wir handeln, das hat einen tieferen Sinn, das möchte ich gar nicht bezweifeln, aber das ist nicht eine reelle Eigenschaft des Geltungsgrundes selbst. Das wäre ja purer Geschlechter-Realismus in Gott selbst (oder in die Idee) hineingetragen?
Welchen Geltungsanspruch trüge ich in die Texte des Neuen Testamentes oder in diese „Briefe“ des Heiligen Ignatius hinein, wenn ich die ideelle Erkenntnisart der positiven Offenbarung an das Geschlecht der männlichen Apostel binde? Waren sie extra begnadet? Die Ostergeschichte sprechen eher von ihrer Langsamkeit im ersten Begreifen der Auferstehung – was späterhin wieder einen Sinn bekommen haben mag.
Das Apostelamt – und stillheimlich die metaphorischen Nachfolger der Apostel – waren Männer, ergo steht nur Männern dieses spezifische Weiheamt eines Bischofs oder Priesters zu? Ist das nicht eine den alten Naturreligionen gleichkommende Anthropomorphisierung des Gottesbildes? Dank an Gott, dass es zwei Geschlechter gibt, aber das hat einen anderen Sinn und ein anderes Telos als das Telos eschatologischer Verkündigung von Vergebung und Erlösung.
2) Liest man historische Literatur zu damaligen Zeit des 2. Jhd. n. Chr.: Es gab viele Tagelöhner, Sklaven etc. Die Frauen und Kinder und Fremde waren von der „libertas“, „dignitas“ und „auctoritas“ eines römischen Staatsbürgers bzw. von der Redefreiheit des griechischen Polis-Bürgers, der ein Mann sein musste, ausgeschlossen. 2
Bemerkenswert aber: ein ziemlich egalitäres Denken entstand bereits in den christlichen Gemeinden: Es entstand eine sakramentale Heils- und Sinnordnung für Mann und Frau und Kind und Sklave und alle Völker und Sprachen. Diese Neuordnung und Neuschaffung trat mit einem Geltungsanspruch auf, der einerseits ungeschichtlich und zeitlos gültig sein musste, sonst wäre er ja nicht gehört worden, andererseits konnte er aber nur relativ und regulativ sein, denn die historischen Umstände erforderten eine gewisse bedingte Anpassung.
Darum geht es bis heute: Die Ziel- und Zweckbestimmung einer durch die positive Offenbarung bewirkten neuen, genetischen Erkenntnis von Gott ist einerseits ungeschichtlich wahr und unveränderlich, andererseits fortwährende, geschichtliche Objektivierung einer sittlichen Wertung, fortwährende Einsicht und Kontinuität und stets neue Begriffsbestimmung einer Idee von Erlösung, einer Idee von Vergebung und Idee des ewiges Leben.
Zum Begriff „genetischer Erkenntnis“ wäre philosophisch viel zu sagen – siehe erste Versuche in drei Teilen zur „genetischen“ Erkenntnis. Wenn ich den Ausdruck hier gebrauche, so meine ich immer dieser Fülle von werthafter, reflexologischer und geschichtlicher Erkenntnis. Siehe dort.
3) Dass es zu einer Art sakramentaler Weiheämtern kommen sollte, sehe ich ein, wenn es eine genetisches und saziente Erkenntnis einer positiven Offenbarung geben soll, aber wie diese Objektivierung des Sich-Bildens und Wissens ausfallen soll, das ist angepasst an die historischen Bedingungen des Verstehens. Wie geht das aber aus der sittlichen Wertung des Offenbarung und aus der fortlaufenden Genesis objektivierten Sinnwissens hervor, dass ein sakramentales Weiheamt nur Männern vorbehalten sei?
Es muss ein stark platonisch gefärbtes Umfeld gewesen sein, zumindest im Denken des Autors (der Autorenschaft), wenn die Notwendigkeit einer neuen, ideell-geistigen und spezifisch „sakramentalen“ Weltsicht zur Debatte stand, über die Grenzen jüdischer bzw. heidnischer Erinnerungskultur und mythischer Göttergeschichten hinweg.
Kann ich aber von einer inneren Gesetzmäßigkeit in der Erkenntnis (apriorische Vernunftidee) und einer pertinenten Wert- und Sinnidee (positive Offenbarung) und einem damit verbundenen Geltungsanspruch ausgehen, habe ich ein festes Fundament der Analyse gefunden – und bin nicht mehr hilflos historischen Meinungen der Exegese ausgeliefert.
4) Ein großes Danke an die Übersetzer und an die „Bibliothek der Kirchenväter“ für die digitale Zugänglichkeit dieser Texte wie die IGNATIANEN!
griechisch: https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-1025/versions/the-letters-loeb/divisions/2
deutsche Übersetzung:
https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-1025/versions/die-sieben-briefe-des-ignatius-von-antiochien-bkv
Download:
Die sieben Briefe des Ignatius von Antiochien (BKV)_deutsch_121
Ich möchte einige Textauszüge bringen, die mir eine zeitlos gültige, apriorische und genetische Erkenntnis auszusprechen scheinen, d. h. eine Geltungsforderung, die aus der neuen Idee des Glaubens gewonnen ist. Prinzipiell ist diese Idee unwandelbar, „ergriffenes Begreifen“ – nur die Frage der Schematisierung und Applizierung ist offen und wandelbar.
4. 1) Ich las Schleiermachers „Hermeneutik und Kritik“ und gehe nach seiner Einteilung vor:
In der hermeneutischen Lektüre kann ich unterscheiden zwischen einer a) psychologischen Auslegung und b) einer Meditation.
Im Meditationsteil dieser Texte, so scheint mir, findet sich ein deutlich kompositorischer Faden: Ich erkenne als Komposition die Absicht, eine kontinuierliche Zeit- und Raumordnung in einem repräsentativen Sinn einer sakramentalen Ordnung zu errichten, d. h. eine christliche Sinn- und Heilsordnung, mehr oder weniger krass unterschieden zur übrigen Gesellschaft.
Die auf positive Offenbarung zurückgehende sakramentale Weltsicht und insbesonders die sakramentalen Weiheämter wie „Bischof“, „Priester“, „Diakon“, erheben einen Geltungsanspruch von Wahrheit, wie er von jüdischer oder heidnischer Seite nicht entdeckt worden ist. Das männliche Geschlecht in diesem Geltungsanspruch der Einsetzung von kirchlichen Weiheämter ist natürlich nicht selbst die Neuentdeckung, sondern der Inhalt der geschenkten Gnade und Erlösung – wohl müßig zu sagen.
Zur psychologischen und meditativen Lektüre kommt nach Schleiermacher die c) grammatische Auslegung , d. h. der griechische Wortlaut und Wortgebrauch und der ganze paränetische, liturgische, hymnische, performative Redestil ist zu beachten. Diese Aussageweisen könnten in einer spezifischen Formgeschichte zusammengefasst und analysiert werden. Viele literarische Methoden der Analyse sind hier wohl zulässig und möglich.
Das Hauptaugenmerk liegt für mich in der a) Meditation eines Inhalts
und b) in der Komposition der rudimentär zu erkennenden neuen Sinn- und Heilsordnung, die ich als konstitutiv-notwendig erachte, was den Grund und Sinn einer Konstitution überhaupt betrifft.
Ich möchte ein paar Zitate bringen und mit „meditativ“(=m) oder „kompositorisch“(=k) die Aussagen kennzeichnen, die entweder
a) auf einen geistlichen Sinngehalt zielen (m),
oder b) den Aufbau einer christlichen/kirchlichen, kompositorischen Heilsordnung (k) anstreben.
Kommen Aussagen vor, die eine neue Sicht und Idee von Religion und Menschenbild überhaupt mitbringen, letztlich den Geltungsgrund und Geltungsanspruch für „m“ wie „k“ erst abgeben, so möchte ich zusätzlich das mit „genetisch“ (=g) kennzeichnen, sozusagen über das Einteilungsschema von Schleiermacher hinaus.
4. 2.) Die positiven Offenbarung in Jesus Christus generiert eine „genetische Erkenntnis“, eine neue Form des Denkens und neue Form der Anschauung von Gott und Vernunftwesen „Mensch“. Es mag meine Analyse höchst unvollkommen und ergänzbar sein, subjektivistisch soll sie aber nicht erscheinen. Es möge zumindest annähernd ein analytischer und kompositorischer Rahmenplan skizziert werden – um auf den genetischen Geltungsanspruch selbst, der m. E. im Text liegt, aufmerksam zu machen. (Zur genaueren Begründung einer genetischen Erkenntnis siehe Blog – Link )
4. 3) Siehe jetzt meine Kennzeichen: Meditativ (m), kompositorisch (k), genetisch (g) – jeweils rot diesen Text hervorgehoben, den ich besonders kennzeichnen und als Begründung anführen will.
An die Epheser
4. Kap …auf dass er euch höre und aus euren guten Werken erkenne, dass ihr Glieder seid seines Sohnes. Es ist also gut, dass ihr in vollendeter Eintracht lebet, damit ihr auch an Gott allezeit Anteil habet. (meditativ, m)
7. Kap ..Einer ist der Arzt, fleischlich sowohl als geistig, geboren und ungeboren, im Fleische wandelnd ein Gott, im Tode wahrhaftiges Leben (m)
9. Kap. ….Ihr seid also alle Weggenossen, Gottesträger und Tempelträger, Christusträger, Heiligenträger, in allen Stücken geschmückt mit den Geboten Jesu Christi; (kompositorisch, k)
14. Kap. …Anfang ist der Glaube, Ende die Liebe. Diese beiden, zur Einheit verbunden, sind Gott! (m)
19. Kap. ….Infolgedessen löste jegliche Zauberei sich auf, und jede Fessel der Bosheit ward vernichtet; die Unwissenheit ward weggenommen, das alte Reich ward zerstört, da Gott in Menschengestalt sich offenbarte zur Neuschaffung ewigen Lebens; da nahm seinen Anfang, was bei Gott zubereitet war. Deshalb kam alles in Bewegung, weil die Vernichtung des Todes betrieben wurde…….(genetisch, eine allumfassende, höchste Sinnidee wird behauptet, g)
20. Kap. ……was ich begonnen habe über den Heilsplan in Beziehung auf den neuen Menschen Jesus Christus, in seinem Glauben und in seiner Liebe, in seinem Leiden und seiner Auferstehung. (g; das Denken eines „Heilsplans“ ist höchstes transzendentales Denken. Es wird Ewiges mit dem zeitlichen Werden vereint gesehen Zu vergleichen ist damit die apokalyptische Literatur.)
An die Magnesier
5. Kap …..die Ungläubigen das Gepräge dieser Welt, die Gläubigen aber in Liebe das Gepräge Gottes des Vaters durch Jesus Christus, dessen Leben nicht in uns ist, wenn wir nicht selbst durch ihn bereit sind, auf sein Leiden hin zu sterben (m; evtl. auch g, weil mit Liebe natürlich die höchste, genetische Wertsetzung verbunden ist.)
8. Kap …..Denn die gotterleuchtetsten Propheten haben nach Christus Jesus gelebt. Deshalb wurden sie auch verfolgt, begeistert von seiner Gnade, auf dass die Ungläubigen volle Gewissheit bekämen, dass es einen Gott gibt, der sich geoffenbart hat durch Jesus Christus, seinen Sohn (m)
An die Trallianer
9. Kap ..1. Verstopfet daher eure Ohren, sobald euch einer Lehren bringt ohne Jesus Christus, der aus dem Geschlechte Davids, der aus Maria stammt, der wahrhaft geboren wurde, aß und trank, wahrhaft verfolgt wurde unter Pontius Pilatus, wahrhaft gekreuzigt wurde und starb vor den Augen derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind, 2. der auch wahrhaft auferweckt wurde von den Toten……….(m)
An die Römer
…Ignatius, der auch Theophorus (heißt), an die Kirche, die Gottes Barmherzigkeit erfahren in der Herrlichkeit des höchsten Vaters und Jesu Christi, seines einzigen Sohnes, die geliebt und erleuchtet ist im Willen dessen, der alles Seiende gewollt hat, gemäß der Liebe Jesu Christi, unseres Gottes, die auch den Vorsitz führt am Orte des römischen Bezirkes, ……. (m, aber auch eindeutig kompositorisch auf die Errichtung einer kirchlichen Sinn- und Heilsordnung hingerichtet =k)
An die Philadelphia
2. Kap…….1. Als Kinder des Lichtes der Wahrheit fliehet die Spaltung und die schlimmen Lehren; wo immer der Hirte ist, dorthin folget wie die Schafe…….(g; die Erkenntnisweise des Lichtes ist platonische Rede, ist intuitive, höchste Erkenntnis)
6. Kap…..1. Wenn aber bei euch einer judaistische Lehren verkündigt, so höret nicht auf ihn! Denn es ist besser, von einem Beschnittenen das Christentum zu hören, als von einem Unbeschnittenen judaistische Lehren. Wenn aber beide nichts von Jesus Christus reden,…..(g; die Geltungserhebung und Wahrheit wird ganz von Seiten des Christentums erhoben.)
8. Kap…..Mir aber ist Urkunde Jesus Christus; mir sind die unversehrten Urkunden sein Kreuz, sein Tod, seine Auferstehung und der durch ihn begründete Glaube; in diesen will ich durch euer Gebet gerechtfertigt werden……(g; eine genetische Erkenntnis ist begründet aus sich selbst, symbolisch gefasst im Bild als gültige Urkunde).
9. Kap…….1. Gut waren auch die Priester (des Alten Bundes), besser ist der Hohepriester (= Jesus Christus), der das Allerheiligste erhalten hat, dem allein die Geheimnisse Gottes anvertraut sind; er ist der Zugang zum Vater, durch den Abraham, Isaak, Jakob, die Propheten, die Apostel und die Kirche Zutritt haben. All das dient zur Vereinigung (der Menschen) mit Gott……..(m; aber auch genetisch, weil die höchste Wertsetzung, Liebe, Erlösung auf einen gemeinsamen Willensentschluss in Interpersonalität und Geschichte hinausläuft.)
An die Smyrnäer
1. Kap…….1. Ich preise den Gott Jesus Christus, der euch so weise gemacht hat;…….(m)
4. Kap……..1. Ich gebe euch hierüber Mahnungen, Geliebte, obwohl ich weiß, dass auch ihr so denket (wie ich es dargelegt habe). Ich warne euch aber vor den Tieren in Menschengestalt, diese dürft ihr nicht nur nicht aufnehmen,……(g, in der genetischen Erkenntnis liegt natürlich die Forderung der Applikation der Liebe bzw. das Gegenteil, die Nicht-Applikation und Abgrenzung)
5. Kap (das Unglück der Doketen) ….1. Ihn verleugnen einige aus Unkenntnis, oder besser sie wurden von ihm verleugnet, da sie eher Anwälte des Todes als der Wahrheit sind; diese konnten die Prophezeiungen nicht überzeugen, noch das Gesetz Mosis, ja nicht einmal bis zum heutigen Tage das Evangelium und die Leiden der einzelnen aus uns…..(m)
6. Kap………lernet sie kennen, die Sonderlehren aufstellen über die Gnade Jesu Christi, die zu uns gekommen ist, wie sehr sie dem Willen Gottes entgegen sind! Um die (Nächsten-) Liebe kümmern sie sich nicht,…..(m)
7. Kap………1. Von der Eucharistie und dem Gebete halten sie sich ferne, weil sie nicht bekennen, dass die Eucharistie das Fleisch unseres Erlösers Jesus Christus ist,….(m)
An Polykarp
6. Kap……..Mühet euch miteinander, kämpfet, laufet, leidet, ruhet, wachet miteinander als Verwalter, Genossen und Diener Gottes. 2. Gewinnet die Zufriedenheit eures Kriegsherrn, von dem ihr ja auch den Sold empfanget; keiner werde fahnenflüchtig….(k)
5) Unter den vielen hermeneutischen Zugängen zu solchen Texten der Antike wähle ich also eine Art analytische Theorie, weil ich damit zwar nur Hypothesen behaupten kann, aber der Text in sich schlüssig und zusammenhängend wird – und ich vor allem a) einen absoluten Geltungsgrund in genetischer Erkenntnis herauszulesen meine, was es mit dem Sinn sakramentaler Ämter auf sich hat oder auf sich haben könnte und sollte – und um ferner b) heutige Entscheidungshilfen eines geschlechtergerechten Zugangs zu den Weiheämtern zu finden.
Anders gesagt: Wie in einer Literaturtheorie erstelle ich einen gewissen analytischen Fragekatalog, um den ganzen Sinngehalt dieser sieben Briefe hermeneutisch und kritisch aufzuarbeiten.
Der analytische Oberbegriff zur „Meditation“ und „Komposition“ der sieben Briefe ist m. E. diese „genetische“ Erkenntnis“ d. h. eine in sich und aus sich begründende Wahrheit und Rechtfertigung. Aus der genetischen Erkenntnis lässt sich eine transzendental-kritische Deutung der Aussagen ableiten, d. h. eine begründete, zusammenhängende und systematische Deutung. Eine bloß historische Aneinanderreihung der Aussagen und Fakten, die sich womöglich untereinander widersprechen – das verhilft mir zu keiner systematischen Geltungs- und Wert- und Sinntheorie der Texte von damals und zu keiner Entscheidbarkeit heute.
Zur Analyse – ein paar Fragen, die mir den Problemhorizont und die mögliche Antwort aufzeigen:
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Welche Fragestellung versuchen die Briefe zu beantworten?
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Welche Hypothesen – von mir in ihrer höchsten Form „genetischen Erkenntnisse“ und „sakramentale Heils- oder Sinnordnung“ genannt – neben den Hypothesen der Meditation und kompositorischer Anleihen – beantwortet die Fragestellung?
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Welche Zusatzannahmen sind erforderlich?
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Wie gut sind diese Zusatzannahmen begründet?
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Was ist aus diesen Annahmen für die weitere Entwicklung, hier von mir eingegrenzt auf die Frage der kirchlichen Ämter, ableitbar? Im orthodoxen und katholischen Raum hat sich bis heute die männliche Hierarchie durchgesetzt? Ist das transzendental von den Begriffen her gerechtfertigt? Welche Text-Implikationen sind aus den Hypothesen ableitbar?
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Stimmt die lange, nachfolgende und nachhaltige Entwicklung einer männlichen Hierarchie mit dem ursprünglichen „Sitz im Leben“ (Gunkel) bei IGNATIUS/dem anonymen Autor um 110/oder 165/175 n. Chr. noch überein? Überlagerten nicht ganz andere Themen den „Sitz im Leben“ des Heiligen? Das männliche Geschlecht war marginal?
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Offensichtlich gab es im 2. Jhd. die starken Diskurse um die Wahrheit der Lehre, die dahinterstehende Angst vor Verfolgung und Leiden, die Frage nach der kirchlichen Organisation und der Gültigkeit der Sakramente u. diverse andere Diskurse. Wenn dann historisch der christliche Glaube als Staatsreligion ab dem 4. Jhd. erlaubt und etabliert wurde, warum sollte die Lehre und das märtyrerhafte Zeugnis und die Gültigkeit der Sakramente von der gleichen diskurstheoretischen, damals notwendigen Einführung einer männlichen Hierarchie, abhängen?
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Wir tragen gerne unsere Interpretationen in die Hermeneutik dieser Texte hinein – aus welcher genetischen Erkenntnis speist sich heute unser Glauben und unser Wissen? Sind wir im Glauben weiter gekommen oder eher zurückgefallen?
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Meine sehr weit zu nehmende Hypothese der Errichtung einer sakramentalen Sinn- und Zweckordnung inklusiv männlicher Hierarchie – lässt das eine akzeptable Gesamtinterpretation aller sieben Briefe zu, auch der Textstellen, wo es nicht explizit um ein kirchliches Amt geht?
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Oder eine ganze andere Sicht, die ich aber nur theoretisch einblende, um den Gegensatz zu betonen: Spricht die Gattungsform „Brief“ überhaupt von einer lehrhaften, orthodoxen Aussageabsicht des Autors, oder geht es prinzipiell gar nicht um einen expliziten, dogmatischen Inhalt, sondern hauptsächlich um die paränetische, aufmunternde, tröstende, performative Rede?
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Es steht wohl eine leidenschaftliche, theologisch hoch gebildete, gesellschaftlich und politisch erfahrene Person dahinter, eine vielleicht durch Leiden geprüfte Persönlichkeit. Die psychologische Kommunikation ist dann mit vielen inhaltlichen, theologischen Inhalten kombinierbar. Anders gesag: Die psychologische Seite kommt bei allen möglichen Datierungsproblemen und historischen Fragen ziemlich oft und klar heraus, aber ebenso diese starke kompositorische Seite, dass es auf Eintracht, gemeinsame Feier, Liebe, Zusammenhalt, Bewahrung der christlichen Lehre gegenüber den Irrlehrern, ankommt. Auf die männliche Hierarchie wird als solche gar nicht eingegangen. Das läuft irgendwie selbstverständlich und nebenbei mit.
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Es gäbe noch viele weitere Differenzen und Dekonstruktionen durchzuführen, um eine halbwegs angemessene, starke Analyse und Basis einer Geltungserhebung herauszuarbeiten. Wo kommen genderspezifische Aussagen vor? Wo soziale Fragen? Inwiefern werden Bezüge zum römischen Staat und zur Politik angesprochen? Wo finden sich die dekonstruierbaren Bezüge zur hellenistischen Kultur und zur religiösen Alltagswelt im Raum von Antiochia in Syrien, im Raum von Smyrna in Klein-Asien?
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Was besagen die verschiedenen kirchlichen Adressaten und Gemeinden? Geht es um ein erstes Netzwerk katholischer Verflochtenheit, um eine erste juristische Einheit bei einer ebenfalls noch existierenden Vielfalt verschiedener Gemeinden? Ein größerers Netzwerk verlangt mehr Komposition und Hierarchie.
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Eine neutrale historische Sicht gibt es nicht und erklärt nichts und führt zu keiner Verbindlichkeit und Wertschätzung. Irgendeine Gesamtsicht bringt jeder Rezipient/jede Rezipientin ein, auch der Historiker, der an der textkritischen Wahrheit orientiert ist. Jeder Text trägt die Spuren vieler anderer Texte in sich. Welche Intertextualität ist in den Briefen zu finden?So lese ich jetzt den Text auf seine analytisch-vernünftigen Argumente hin. Wie wohlbegründet sind die historischen, biblischen, theologischen und erkenntniskritischen Aussagen des Heiligen/des Autors – und warum? Wie wohlbegründet ist die Etablierung einer kirchlichen Ordnung und einer kirchlichen Hierarchie in einer transzendental-kritischen Fragestellung?
a) Wie kam es zu den Begriffsbildungen „Bischof“, „Priester“, „Diakon“? Welche Vorlagen gab es schon?
b) Welche stillschweigenden Fiktionen, Erwartungen, Hoffnungen, eschatologischen Konsequenzen sind explizit mit den kirchlichen Ständen verbunden?
Die Gottesauffassung, die soteriologischen Anschauungen im Unterschied zu den esoterischen, gnostischen „Erkenntnissen“ (Pneumatikern) und doketischen Irrlehren, der monarchische Einschlag, der Geltungsanspruch der Wahrheit, die absolut christologisch zentrierte, allegorische Neu-Deutung der Ersten Testamentes, die apostolische Verkündigung, insbesonders Paulus, der universale, „katholische“ Heilsanspruch, die eschatologische Hoffnung – das alles, so scheint mir, sind analytische Elemente und wissenschaftstheoretisch gut haltbare Argumente: Der Heilige/der anonyme Autor ist im traditionellen Sinne – mag er Bischof oder Priester oder Diakon gewesen sein – ein wahrer Lehrer und Glaubenszeuge und systematischer Denker.
Alles, was er schreibt, ist intersubjektiv verständlich, reproduzierbar, vollständig in allen wesentlichen Parameter der Sinnfrage menschlicher Existenz.
Es kann eine Art deduktiv-nomologische Ableitung aus den meditierten und kompositorischen und genetischen Erkenntnissen und Aussagen gebildet werden, die dem Heiligen/dem anonymen Autor dieser Zeit, generell den christlichen Gemeinden dieser Zeit, zuerkannt werden kann, will ich den Texten in ihrem, wie das Konzil sagt, apostolischen Anspruch und in ihrem Geltungsgrund gerecht werden.
Allein im Erkennen eines Geltungsgrundes und einer Geltungserhebung können m. E. Entscheidungshilfen für die Frage heute abgeleitet und diskutiert werden, ob nicht ebenso Frauen die Priesterweihe zugeteilt werden kann, ja muss! Bloß „historische“ Antworten und unzählig hermeneutische Erklärungen zu den anscheinend vorgelegenen Umständen sind für mich keine Rechtfertigung. 3
© Franz Strasser, August 2019
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1Ich hörte zu diesem Thema Priesterweihe für Frauen einen historisch-kritischen Beitrag von Prof. C. Niemand, 27. 6. 2024. Er zeigte in verständlicher, anschaulicher und akribischer Art die historische und etymologische Entwicklung zum Priestertum auf. Was ist der Geltungsanspruch dieser Aussagen?
Ich schrieb für mich den Vortrag zusammen – in Stichworten: Link, Christoph Niemand, Theologie des Leitungsamtes, Abschiedsvorlesung 27. 6. 2024
2Zum Begriff der Freiheit im antiken Leben und antiken Gesellschaftsformen siehe z. B. den Artikel von Christina M. Kreinecker, Freiheit in der Antike. In: Freiheit. Vom Wert der Autonomie, hrsg. v. Clemens Sedmak, Darmstadt 2012, S. 95 – 110.
3Zu verschiedenen literarkritschen Methoden siehe z. B. den Überblick bei Vera Nünning und Ansgar Nünning (Hrsg.), Methoden der literatur- und kulturwissenschaftlichen Textanalyse, Stuttgart 2010. Zur Methode einer analytischen Literaturwissenschaft, siehe ebd. S 133 – 200.